13. Oktober 2009
Thema:
Weissagungen über das Kommen des Herrn
„Christus wurde erwartet. Das unterscheidet ihn von allen
religionsgeschichtlichen Figuren, die man mit ihm zu vergleichen
pflegt.“ Noch etwas anderes unterscheidet Christus von allen anderen
Religionsstiftern: Alle anderen kamen, um zu leben, Er kam, um zu
sterben.
Im Laufe der Geschichte sind viele Menschen mit dem Anspruch
aufgetreten, Gott zu sein oder eine Botschaft von Gott zu bringen -
Buddha, Laotse, Mohammed, Jesus, bis herauf zu dem Manne in Washington,
den Pastor Stallings, der vor kurzer Zeit eine neue Religion gegründet
hat. Es muß die Möglichkeit geben zu unterscheiden, wer von diesen die
Wahrheit sagt und wer die Unwahrheit für sich hat. Die Mittel dazu
können nur sein die Vernunft und die Geschichte. Das wenigste, was Gott
tun kann, wenn er einen Boten sendet, ist, daß er ihn vorher ankündigt,
daß er den Menschen mitteilt, wo sein Bote geboren werden, wie er
handeln, welches Programm er entwerfen und welchen Tod er sterben wird.
Wenn dann der Bote diese Aussagen erfüllt, wissen wir, er ist
tatsächlich von Gott gesandt. Wenn er aber nicht angekündigt ist und
einfach sagt: Ein Engel des Herrn ist mir erschienen und hat mir die
Botschaft gebracht oder: Gottes Geist ist auf mich gefallen, dann
könnten wir nur ein non liquet eingestehen - wir wissen es nicht, es ist
unsicher, wir haben keine Gewißheit. Wenn ein Diplomat aus einem fremden
Lande in unsere Hauptstadt kommt, dann verlangen wir seinen Paß und sein
Beglaubigungsschreiben. Schon vorher haben Dokumente auf ihn
hingewiesen. Wenn das aber schon in der Diplomatie der Fall ist, dann
muß es um so viel mehr gelten in der Religion, wo Heil oder Unheil davon
abhängt, daß wir dem Boten, den Gott gesandt hat, folgen.
Wir wollen deswegen alle, die diesen Anspruch erhoben haben, soweit es
in der Kürze der Zeit möglich ist, fragen, ob sie solche Voraussagen
vorweisen können. Wir wollen also fragen: Buddha, wann bist du
angekündigt worden, wer hat von dir vorhergesagt, daß du unter dem Baum
der Erleuchtung sitzen werdest? Mohammed, wo ist vorhergesagt, daß du an
einem bestimmten Ort geboren werden und ein bestimmtes Schicksal haben
werdest? Jesus, wann ist von dir vorhergesagt worden, daß du kommen
werdest, welche deine Ziele sein werden, wie du leben und sterben
werdest?
Auf diese Frage schweigen alle. Keiner von den Genannten ist vorher
angekündigt worden - mit einer Ausnahme: Jesus. Er kann eine Fülle von
Vorhersagen für sich anführen, die in seinem Leben in Erfüllung gegangen
sind. Wenn wir also Jesus fragen: Wer hat dich angekündigt? Wo ist von
dir vorhergesagt worden, wie dein Leben ablaufen würde?, dann kann Jesus
sagen: 2000 Jahre bevor ich kam wurde einem Manne namens Abraham
vorhergesagt, daß er der Stammvater eines großen Volkes sein werde. 2000
Jahre vor meinem Kommen wurde verkündigt, daß der, der aus diesem Volke
hervorgehen werde, der Erwartete der Völker, also der Juden wie der
Heiden, sein werde. 700 Jahre, bevor ich kam, wurde mein Geburtsort
aufgezeichnet. Bethlehem, die kleinste der Fürstenstädte, sollte die
Stätte sein, aus der der Erlöser hervorgehen würde. 700 Jahre vor meinem
Kommen wurde verkündigt, daß mich eine Jungfrau gebären werde. „Siehe,
die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und sein Name wird
sein Immanuel.“ 700 Jahre vor meinem Kommen wurde verkündigt, daß Magier
aus dem Osten erscheinen werden, um mir Geschenke, Gold, Weihrauch und
Myrrhe, darzubringen. 600 Jahre vor meinem Kommen war vorhergesagt, daß
nach einer bestimmten Zeit, da Cyrus die Juden zurückgeführt hätte, der
Erlöser kommen würde. 500 Jahre vor meinem Kommen wurde vorhergesagt,
wie ich charakterlich beschaffen sein werde, daß ich gütig sein werde
und menschenfreundlich, daß ich aber auch von meinem Volke verworfen
würde. Die Einzelheiten meines Todes wurden vorhergesagt; daß ich an
Händen und Füßen Wunden tragen, daß um meine Kleider gewürfelt würde und
daß ich mit Galle und Essig getränkt werden würde.
Man hat 456 Weissagungen für das Kommen Jesu gefunden in den Büchern des
Alten Testamentes. Aber Jesus ist nicht nur von den alttestamentlichen
Schriften vorherverkündet worden. Auch die außerhalb der
Offenbarungsreligion des Alten Bundes lebenden Völker haben Christus
erwartet. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtet davon, daß
die Völker überzeugt waren, daß der Osten die Vorherrschaft haben und
daß von da der Herr und Herrscher kommen werde. Der römische
Schriftsteller der Kaiserzeit, Sueton, schreibt von der allgmeinen
Überzeugung, daß die Juden die Vorherrschaft haben würden. Auch die
Chinesen waren davon überzeugt, daß ein Weiser aus dem Westen kommen
würde, aus dem Westen deswegen, weil sie ja im Osten lagen. In den
Annalen des Kaiserreiches ist von einem Licht berichtet, das den Palast
des Kaisers erhellte; er fragte die Weisen, was das zu bedeuten habe.
Sie wiesen ihn darauf hin, daß dies das Zeichen des großen Weisen aus
dem Westen sei, dessen Religion in seinem Lande eingeführt werden würde.
Und auch Äschylos, der griechische Dichter, sechs Jahrhunderte vor
Christus, schreibt in seinem Prometheus: „Schaue nicht aus nach einem
Ende dieses Fluches bis Gott erscheint, um auf sein Haupt zu nehmen
deine eigenen Sünden!“
Christus wurde erwartet. Das unterscheidet ihn von allen
religionsgeschichtlichen Figuren, die man mit ihm zu vergleichen pflegt.
Und er traf mit der Geschichte so zusammen, daß er sie in zwei Teile
spaltete, nämlich in die Zeit vor seinem Kommen und nach seinem Kommen.
Man hat versucht, die Zeitrechnung vor und nach Christus durch die
andere: „vor und nach der Zeitenwende“ zu ersetzen. Aber damit hat man
die Bedeutung Christi bestätigt, denn er ist es eben, in dem sich die
Zeiten wenden, die Zeit vor seinem Kommen, die Zeit der Erwartung, und
die Zeit nach seinem Kommen, die Zeit der Erfüllung. „Als die Fülle der
Zeit kam, da sandte Gott seinen Sohn, geboren aus dem Weibe, getan unter
das Gesetz.“
Noch etwas anderes unterscheidet Christus von allen anderen
Re¬ligionsstiftern. Alle anderen kamen, um zu leben, er kam, um zu
sterben. Für Buddha war der Tod ein Hindernis, daß er seine Lehre weiter
verbreitete. Für Mohammed war es dasselbe. Jesus dagegen kam, um zu
sterben. Er ist viel mehr Erlöser als Lehrer. Man versteht sein Leben
und auch seine Worte nicht, wenn man nicht begreift, daß alles auf das
eine Ziel seines Opfertodes, seines Sühnetodes, hindrängt.
Die anderen nahmen in Anspruch, von Gott gesandt zu sein. Jesus
behauptete, daß er der Sohn Gottes selber sei. Man kann nicht sagen, er
war ein guter Mensch, aber mehr nicht; denn wer den Anspruch erhob, Gott
zu sein, und es nicht war, der ist kein guter Mensch, sondern ein
Betrüger. Wir haben nur zwei Möglichkeiten, entweder Jesus zu verehren
als wahren Gott oder ihn zu verachten als bloßen Menschen, der einen
falschen Anspruch erhoben hat. Wenn er aber das ist, was er zu sein
behauptet, dann haben wir einen mannhaften Christus gerade für unsere
Tage, einen Christus, der in die Bresche der Sünde, des Todes und der
Verzweiflung springt, einen Christus, dem wir alles opfern und dem wir
unsere Liebe weihen können. Einen solchen Christus brauchen wir, einen
Christus, der uns nicht erlaubt, von seinen Worten das wegzuschneiden,
was uns nicht gefällt, und das zu behalten, was uns gefällt; einen
Christus, der die Botschaft bringt, die für uns verbindlich ist für alle
Ewigkeit; einen Christus, dem wir unser Leben weihen und dem wir im
Sterben gehören können.
(Aus einer Predigt des H. H. Prof. Dr. Georg May, Mainz v. 29.12.1991
entnommen).
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