Barbara Weigand
 Schippacher Jungfrau und Seherin
           St. Antonius-Kirche wo Barbara Weigand fast immer die Tabernakel-Ehrenwache abhielt.
  

Tabernakel-Ehrenwache

Eucharistischer Liebesbund

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DIE WAHRHEIT

BARBARA WEIGAND von Schippach

Der Kirchenbau  in  Schippach
(Sakraments- Dankes- Gedächtnis- und Friedenskirche von Schippach)

 

Dieser Damm ist die Zielscheibe des Spottes vieler, woran aber auch der Unglaube abprallen soll. Fest und entschieden sollen sie hinaustreten in die freie, gottlose Welt, sie alle, Meine Diener und Dienerinnen, die sich anschließen werden: Eheleute, Jünglinge, Jungfrauen, Priester und Laien, Bischöfe und Prälaten, sie alle sollen sich anschließen und den Damm bilden, und der Unglaube wird weichen. Ja, der Bischof, der an der Spitze Meiner Gemeinde steht, soll hintreten vor die hohen Häupter und soll ihnen die Wahrheit sagen. Er soll wissen, daß er zum Eckstein geworden ist, an dem die Häupter der Feinde zerschellen werden.

Jesus zu Barbara Weigand Dreikönigsfest 1897

 

Der Kirchenbau  in  Schippach

Dogmatische und literarische Prüfung und
urkundliche Zusammenstellung von
Msgr. Dr. Dr. Wilhelm Büttner

Päpstlicher Geheimkämmerer und
vormals Pfarrer von Schippach


† Msgr. Dr. Dr.
Wilhelm Büttner

 

ENTHÜLLUNGEN
UND
URKUNDLICHE BEWEISFÜHRUNG

2009
Im Dienste des eucharistischen Königs

Inhaltsübersicht

Vorbemerkungen

Erster Teil

Allgemeines zur Verurteilung des Schippacher Kirchenbaues und der Schippacher Offenbarungen.

Erstes Kapitel

Das corpus delicti

Zweites Kapitel

Der Wortlaut des Urteils

Drittes Kapitel

Prüfung des Urteils

1. Widersprüche

2. Die mangelhaften Beweismittel
a) Der Text der Offenbarungen
b) Die Bevölkerung

Viertes Kapitel

Grundsätze zur Beurteilung mystischer Schriften

1. Die Grenzen richterlicher Kompetenz

2. Das Fühlen mit dem Mystiker

3. Zurückhaltung im Urteil

4. Berücksichtigung des Zusammenhanges

5. Beobachtung sittlicher Kriterien

6. Die kirchliche Lehre und Praxis

Fünftes Kapitel

1. Das Richterkollegium

2. Mangel an Objektivität und Unkenntnis der Sachlage

Sechstes Kapitel

Die unbenützten Beweismittel

Siebentes Kapitel

Der Vollzug des Urteils

„Das Schippacher Ärgernis“


Zweiter Teil

Betrachtung des Urteils im einzelnen

Achtes Kapitel

Die Trägerin der Schippacher Offenbarungen

1. Die geistige Gesundheit der „Seherin“

2. Die sittlichen Qualitäten der Schippacher Jungfrau

Neuntes Kapitel

Die Offenbarungen echt oder unecht?

1. Die formalen Kriterien der Echtheit

2. Die materiellen Kriterien der Echtheit
a) Kriterien, welche die Person betreffen
b) Kriterien, die in der Sache liegen

3. Die Wirkungen der Visionen

Zehntes Kapitel

Der Eucharistische Liebesbund des göttlichen Herzens Jesu

1. Die Urkunden des Liebesbundes
a) Zweck des Liebesbundes
b) Statuten

2. Bischöfliche Approbation des Bundes

3. Bemerkungen
a) Aus den Statuten
b) Aus dem Zweck

Elftes Kapitel

Was die Urkunden sprechen

Schlußbemerkung

Protokollnotiz

Schlußwort und zurück zum Anfang

Prolog

Handschriftliche Notizen von Barbara Weigand


 

Vorbemerkungen

Nachdem die Kommuniondekrete des Papstes Pius X. erschienen waren, gab der Herr Barbara Weigand von Schippach Seinen Wunsch zu erkennen, daß in Schippach eine Kirche zum Dank für Seine unendliche Güte und Liebe, die Er den Menschen im Allerheiligsten Altarsakrament erweist, erbaut werde. Barbara Weigand und ihr Bekanntenkreis wollten zuerst diesen Gedanken nicht erfassen; er mußte ihrem Ideenkreis um so ferner liegen, je schwieriger ihnen die Durchführung eines solchen Werkes erscheinen mußte. Der Herr sprach jedoch immer deutlicher und verlangte direkt ein würdiges Denkmal in Form einer Kirche. Die von den Schriften der Barbara Weigand begeisterten Freunde, Weltpriester und Ordenspriester, Ordensleute und fromme Gläubige aus nah und fern, steuerten zusammen und ein Baukomitee bildete sich, an dessen Spitze der hochwürdige Pfarrer Metzger 1 von Kelsterbach, Diözese Mainz, stand. Nachdem der in Aussicht genommene Bauplatz unter dem 24. November 1913 von dem H. H. Bischof von Würzburg 2 ausdrücklich genehmigt worden war, wurden die erforderlichen Grundstücke von Freifräulein Maria Edle von Scheibler in Aachen auf ihren Namen erworben und im Frühjahr 1914 mit dem Bau begonnen. Die Pläne der Kirche hatte der Architekt R. Littessen in Mannheim entworfen. Die Bauarbeiten wurden der Firma Koch in Oberursel (Taunus) übertragen.

Zu dem Bau war auch die Genehmigung der Staatsbehörde erforderlich. Ehe diese ihre Zustimmung erteilte, forderte sie das Ordinariat Würzburg zur Stellungnahme auf, wobei diese ausdrücklich darauf hinwies, daß der Bau der Sakramentskirche auf die Privatoffenbarungen der Barbara Weigand zurückzuführen sei. Das Ordinariat Würzburg äußerte sich der Staatsregierung gegenüber dreimal in zustimmendem Sinne, wobei das Ordinariat noch bemerkte daß, falls die Sakramentskirche zur Wallfahrtskirche
3 werden sollte, von Ordinariatsseite alles geschehen werde, um die Pastoration der Wallfahrer zu ermöglichen und auch sicherzustellen. H. H. Bischof Ferdinand von Würzburg selbst war es, der gelegentlich einer Visitationsreise in Rück- Schippach dazu aufforderte, den Kirchenbau zu begünstigen. H. H. Pfarrer Metzger, der das Baukomitee vertrat, stand fortgesetzt in Verbindung mit der zuständigen kirchlichen Behörde in Würzburg, wo insbesondere der Bischof und sein Generalvikar sich als Freunde und Förderer des Baues der Sakramentskirche erwiesen. Die im Frühjahr 1914 begonnene, durch den Ausbruch des 1. Weltkrieges (1914 bis 1918) vorübergehend unterbrochene, im Jahre 1915 wieder aufgenommene, im März 1916 behördlich eingestellte Erbauung der Wallfahrtskirche in Schippach besaß unzweifelhaft die Zustimmung und Genehmigung aller beteiligten kirchlichen und staatlichen Behörden. Das Bauvorhaben war in allen seinen Teilen (Idee, Zweck, Platz, Pläne, Mittel, Träger) kirchen- und staatsbehördlich durchgeprüft und ausdrücklich genehmigt worden.

1 Geistlicher Rat Georg Metzger wurde am 20. Januar 1874 zu Dirmstein in der Diözese Speyer geboren, erhielt die heilige Priesterweihe am 26. März 1898, war nacheinander Kaplan in Hering, Konviktassistent in Dieburg, Kaplan in Gau-Algesheim, in Mainz St. Josef, in Darmstadt St. Ludwig, Pfarradministrator in Haßloch (1905), im darauffolgenden Jahr Pfarrer ebd. Im selben Jahr ernannte ihn der Mainzer Bischof Georg Heinrich Maria Kirstein (Bischof von Mainz 1904 bis 1921) zum ersten Pfarrer in Rüsselsheim, wo er das Pfarrhaus errichtete, ebenso ab 1914 in Kelsterbach, wo er die Pfarrkirche zum Heiligsten Herzen Jesu erbaute, in der er auch begraben liegt. H. H. Geistlicher Rat Georg Metzger verstarb am 15. Juli 1949 (entnommen Mainz, Bischöfliche Kanzlei 1956, S. 124).
2 H. H. Bischof Ferdinand von Schlör (Bischof von Würzburg 1898 bis 1924); Nachfolger H. H. Matthias Ehrenfried (1924 bis 1948).
3 Jesus zu BarbaraWeigand am 12. November 1918: „Die Worte, die Ich in deinen Schriften niedergelegt, sind gut. Sie sollen dem Volke gegeben sein, um es Seinem Gott wieder näherzubringen. Der Liebesbund ist etwas Gutes. In ihm sollen die guten Gläubigen sich zusammenscharen, damit nicht auch sie vom Strom des Unglaubens und der Sittenlosigkeit mit fortgerissen werden.
Der Kirchenbau in Schippach ist etwas Gutes; denn nirgends in der Welt verkörpert sich Meine streitende, leidende und triumphierende Kirche so sichtbar wie in einer großen Wallfahrtskirche. Da müßten die Menschen die vier Kennzeichen Meiner wahren Kirche erkennen. Und dies sollte für Deutschland der Rettungsanker für viele Andersgläubige sein. Und weil dies von Meinen Dienern in Mainz und Würzburg nicht anerkannt wird und Mir viel Ehre und Verherrlichung dadurch entzogen, so ließ Ich es zu, daß die Siege in diesem Weltkrieg für Deutschland zu Ende gingen. Jetzt werde Ich Meine Tenne säubern, wenn sie fortfahren, Meinem Willen sich zu widersetzen.“

Trotz dieser materiell und formell nach jeder Hinsicht in Ordnung laufenden Behandlung der Bausache wurde der Bau, in den bereits 350 000 Mark verbaut waren und zu dem die weiteren Mittel bereitstanden, infolge einer alle Gesetze der Wahrhaftigkeit mißachtenden Zeitungshetze im Jahre 1916 kirchlich und dann auch polizeilich eingestellt und erst im Jahre 1954 wieder freigegeben. Die von den führenden Freunden der Schippacher Sache, voran auch H. H. Msgr. DDr. Wilhelm Büttner, Seelsorger und Beichtvater der Schippacher Jungfrau und Seherin Barbara Weigand, erbetene Freigabe des Baues von dem Bischöflichen
Ordinariat Würzburg ist immer mit der Behauptung abgewiesen worden, der Heilige Stuhl habe gegen den Weiterbau entschieden, was sich später als eine eindeutige Unwahrheit herausstellte. Die 1916 einsetzende öffentliche Hetze gegen den Kirchenbau, das feindliche Verhalten der Kirchenbehörde in Schippach und letztlich auch die zunehmenden Feindseligkeiten durch staatliche Behörden, besonders des Bezirksamtes in Obernburg, brachten die Schippacher Freunde auf den Plan und verband sie in Einigkeit und gemeinsamen Anstrengungen ohnegleichen.

Neben H. H. Dr. Büttner haben viele Priester in der Schippacher Sache Partei ergriffen für die Sendung Barbara Weigands, so auch H. H. Pfarrer Hugo Holzamer
4 von der St. Kiliansgemeinde Mainflingen im Bistum Mainz. Er schrieb angesichts der ungeheuren und mehr und mehr ausufernden Pressefehde gegen Barbara Weigand und ihr Werk einen handschriftlichen Brief an den damaligen Apostolischen Nuntius Kardinal Frühwirth 5 in München betreffend den Bau der Kirche zu Ehren des Allerheiligsten Altarsakramentes, aus dem wir auszugsweise berichten wollen, zumal dieser Brief auch als ein wichtiges zeithistorisches Dokument aus Priesterhand stammend betrachtet werden muß: Wohl der tiefste Grund des heftigen Widerspruchs gegen den Bau der Sakramentskirche in Schippach ist ein von einem Teil der katholischen Presse Deutschlands seit langem tropfenweise, aber konstant und zielbewußt eingerichtetes Verlangen nach einer mehr natürlichen und weniger übernatürlichen Auffassung des kirchlichen Lebens. Es scheint dies tatsächlich jener modernistische Widerwille gegen das im eigentlichen Sinne Übernatürliche zu sein, jenes moderne Pelagianertum, von welchem die Enzyklika Pascendi sagt, daß man starr vor Staunen den Behauptungen desselben gegenübersteht. Und dieselbe Presse, welche mit einer Heftigkeit sondergleichen den Schippacher Kirchenbau bekämpft, läßt gerade soeben ihre seit langem angelegten naturalistischen Minen gegen alle übernatürlichen Lebensauffassungen springen. Diese Presse ist es, welche soeben die Worte von Dr. Julius Bachem propagiert, demzufolge der Stand der Verehelichten wertvoller für den Staat sei als der Stand der Ehelosen und damit den Vorschlag begründet, die Ehelosen, und daher vor allem die katholischen Geistlichen, in ihrem Wahlrechte zu verkürzen. Dieselbe gegen Schippach vorgehende katholische Presse empfiehlt seit mehr als einem Jahre dem katholischen Volke eine neugegründete „Freie vaterländische Vereinigung“, deren urkundlich festgelegten Grundsätze und Statuten die Reinkultur des freimaurerischen, Hegelschen Widerchristentums bedeuten und an naturalistischer Verleugnung jedes übernatürlichen Gedankens das Menschenmöglichste leisten.. Dieselbe Presse wird nicht müde in der Empfehlung der neuesten Schrift von Dr. Cardauns, welche die Gesichte (Visionen) der Katharina Emmerich angreift und durch diese Angriffe nur jene systematische Arbeit fortsetzt, die immer gerade das, was irgendwie dem frommen Volke zur Erhaltung und Stärkung seiner übernatürlichen Denkrichtung dienen kann, herabzusetzen und unwirksam zu machen sich bemüht. Dieselbe gegen Schippach tobende Presse ist es, die nun schon seit Monaten tagtäglich in der Beschimpfung, Verleumdung, Verhöhnung ausländischer Bischöfe und Kardinäle geradezu unerträgliches leistet.. Nur mit tiefem Seelenschmerz gewahrt man, wie diese Tendenzen eines modernistischen Naturalismus seit Jahr und Tag, ohne jede öffentliche Beanstandung von kompetenter Seite, in der katholischen Presse sich breit machen dürfen, während eine die Sehnsucht des Volkes nach mehr übernatürlichem Denken und Leben ausdrückende Unternehmung, wie eben jene von Schippach, sofort der äußersten journalistischen Verfehmung und daraufhin sogar dem Verbot der Bischöflichen Behörde verfällt. Dabei ist das, in Wahrheit mit wahrer Begeisterung aufgegriffene Bauprojekt von Schippach vom katholischen Standpunkt aus objektiv betrachtet doch kaum anders als mit Genugtuung und
Freude zu begrüßen. Denn die Idee, in dem weltabgeschiedenen, dabei aber leicht zugänglichen und landschaftlich reizenden Tale von Schippach eine dem Gedächtnis der eucharistischen Großtaten Papst Pius X. gewidmete Sakramentskirche zu errichten, welche inmitten der vom Liberalismus und der Sozialdemokratie schwer bedrohten Bevölkerung dieses Maingebietes die großen Welterneuerungsgedanken Pius X. in wahrhaft monumentaler Weise verkörpern und in das Gedächtnis des Volkes hineinschreiben soll, und besonders auch eine stille eucharistische Zufluchtsstätte für beladene und verwundete Herzen bietet – diese Idee ist so einzig schön, so durchaus katholisch, so wahrhaft pastoral-praktisch, daß sie es wahrlich verdiente, von den ihr etwa anhaftenden Mängeln liebevoll gereinigt und alsdann korrekt durchgeführt zu werden, anstatt daß man wegen etwaiger Mängel das ganze Projekt in Grund und Boden verdammt.

4 H. H. Hugo Holzamer, geboren 21. Juni 1872 inWorms, zum Priester am 8. August 1897 geweiht, zuletzt Pfarrer in Mainflingen (Diözese Mainz), verfaßte mehrere literarische Werke, darunter „Durchs neue Italien zum Alten Rom“, 2 Bände, 1903; „Turm und Block – Betrachtungen über die Hauptaufgabe der deutschen Katholiken in den konfessionellen Kämpfen der Gegenwart“ 1912; „Die Politik des Kreuzes“ 1922 (Julius Dornreich, Kath. Literaturkalender, 15. Jg., Freiburg i. B. S. 150. Hugo Holzamer und das Buchmanuskript „Das Problem von Schippach – und seine Behandlung in der gegnerischen Presse“, als Manuskript gedruckt in Druck und Verlag A. Huber, München, Neuturmstrasse 2a, 1916. H. H. Holzamer verstarb am 31. Mai 1936 und wurde in Mainflingen begraben (Necr. Mog., 1956, S. 63).
5 S. Emn. Andreas Kardinal Frühwirth O. P., geboren 21. 08. 1845 in St. Anna, Steiermark, verstorben 9. 02. 1933 in Rom, trat 1863 in den Dominikanerorden ein, wurde 1867 Priester, 1870 Lektor in Rom, dann Dozent und Seelsorger in Graz und Wien, 1880 bis 1884 und 1891 Provinzial der österreich-ungarischen Ordensprovinz, war als Theologe, Jurist und Verwalter von gleich hoher Begabung, beriet unter anderem den Apostolischen Nuntius S. Emn. K. von Vogelsang, amtierte 1891 bis 1904 als Ordensgeneral, wobei er besonders die St. Thomas-Hochschule in Rom, die Bibelschule in Jerusalem und die philosophisch-theologische Fakultät zu Freiburg in der Schweiz förderte. Nach seinem Generalat wurde er an die Päpstliche Kurie berufen, ab 1907 war er Nuntius in München, 1915 zum Kardinal kreiert, 1916 zurück an die Kurie berufen, wo er mehrere vatikanische Kongregationen leitete, 1925 zum Großpönitentiar berufen, 1927 bis 1933 Kanzler der römischen Kirche, war auch verdient um die Heiligsprechung des Kirchenlehrers Albert Magnus und trat stets für bedrohte Minderheiten ein. Sein Grab fand er in St. Anna, seinem Geburtsort (entnommen aus: Lexikon für Theologie und Kirche, 4. Bd. Freiburg/Br. 1960).

H. H. Pfarrer Holzamer fährt in seinem 16-seitigen Brief fort: Kann es überhaupt ein wahrhaft erleuchteter, vom Geiste Gottes getragener Eifer sein, der ein solches gerade dem dringendsten Bedürfnis unserer Zeit entsprechendes, einem durchaus kirchlichen Zweck dienendes, nur mit absolut einwandfreien Mitteln erstrebtes und verwirklichtes Unternehmen so radikal, so bodenlos gehässig, so blind-fanatisch zu vernichten strebt, wie dies die der Schippacher Sache feindliche Presse tut? Dabei kann nicht übersehen werden, wie gerade in dieses Schippacher Kirchenbauprojekt das katholische Volk seine heiße Liebe und Dankbarkeit für den Papst der täglichen heiligen Kommunion hin-eingelegt hat. Zu diesem Schippacher Werke ferner, als einem doch endlich einmal wieder übernatürlich orientierten Unternehmen, hat das katholische Volk aus all den „rein natürlichen“, „rein politischen“, „rein sozialen“, „nicht konfessionellen“ Unternehmungen seiner verirrten und irreführenden Presse sich förmlich aufatmend geflüchtet. Und mit dem über alle Erwartungen großartigen finanziellen Votum für die Sache von Schippach hat das katholische Volk auch äußerlich zwischen seinem wahrhaft katholischen Sinn und dem entkirchlichten Weltsinn des naturalistischen Modernismus entschieden.. Was aber kann die Errichtung einer dem Gedächtnis der Kommuniondekrete Pius X. gewidmeten Sakramentskirche schaden? Soll es ein Schaden sein, wenn Tausende und Abertausende, allein schon durch die schöne Idee dieser Kirche angezogen, dort im Sinne Pius X. die eucharistische Erneuerung ihres Seelenlebens in Angriff nehmen? Soll es ein Schaden sein, einen Brennpunkt zu besitzen, an dem das Feuer der Begeisterung für die tägliche und die frühzeitige Kommunion ständig genährt wird und von dort immer mehr sich verbreitet? Soll es ein Schaden sein, wenn eine Kirche entsteht, in der das Lob des großen Heiligen und Wundertäters unserer Tage, Pius X., auch von seinen Zeitgenossen verkündet und wachgehalten wird? Soll es ein Schaden sein, wenn die Nachwelt, die diesen Papst gewiß der Ehre der Altäre für würdig erklären wird, durch ein monumentales Denkmal erfährt, daß auch die Katholiken dieser Zeit und dieses Landes die Größe dieses Papstes zu würdigen wußten. Den größten Schaden erwarten die Gegner davon, daß aus dem Bau, wie sie ihn in Verbindung mit jenen sogenannten Privatoffenbarungen glauben, bei einer von seiten des Apostolischen Stuhles erfolgenden Verwerfung dieser Privatoffenbarungen, eine Blamage für die katholische Sache entstehen könnte. Durch die statutengemäß erfolgte, absolute Trennung des Bauprojektes von jenen Privatoffenbarungen ist aber eine solche Befürchtung nichtig.. Wer immer aber die hier in Betracht kommenden Privatoffenbarungen nach den Regeln der Theologie und im Geiste der Kirche geprüft hat, wird sicher nur den einen Wunsch hegen: Daß doch nur unsere heutige katholische Tagespresse in Deutschland so wenig gegen Lehre und Geist der Kirche verstoßen hätte und verstoßen würde, wie es in diesen frommen Anmutungen einer katholischen Jungfrau der Fall ist! Und daß doch dieselbe Presse nur ein Fünkchen jener innigen Liebe zum göttlichen Heiland im heiligsten Sakramente, zu dem göttlichen Herzen Jesu, zu der allerseligsten Jungfrau, den Heiligen und den Armen Seelen, und nur ein Fünkchen jener Begeisterung für die Sache des Papstes, der Kirche, der Bischöfe und Priester, kurz jenen echt klerikalen, ultramontanen, kirchlichen Geist besäße, der in jenen so schwer angegriffenen sogenannten Privatoffenbarungen zum Ausdruck kommt und die vereinzelten Unebenheiten und Verkehrtheiten der Ausdrucksweise tausendfach überwiegt.
Sollen denn wir Priester nicht voll Freude und voll Dank gegen Gott es wahrnehmen, daß es auch in unserer ganz ins Irdische versenkten Zeit noch Seelen gibt, die sich in einem über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Grade der Beschauung mit Jesus und den Heiligen zu vereinigen wissen? Ist es denn nötig, daß wir solchen nur am Ewigen und Übernatürlichen ihre Freuden suchenden Seelen stets nur mit der abstoßenden Strenge und Härte begegnen und ihre verhältnismäßig geringen, nicht aus bösem Willen, sondern meist aus Mangel der theologischen Bildung begangenen Inkorrektheiten nur mit einer Gereiztheit und Strenge bestrafen, welche zu der Nachsicht, mit der wir gleichzeitig die bodenlosen Verirrungen der modernistischen Presse behandeln, in gar keinem Verhältnis steht? ..Sollen auch wir Priester gegen jede Regung eines mehr auf das Übernatürliche gerichteten Sinnes uns von einer verirrten Presse den groben Prügel in die Hand drücken lassen, mit welchem der liberale, modernistische Zeitgeist das katholische kirchliche Leben gerade an seiner übernatürlichen Wurzel zu treffen sucht? Soweit H. H. Pfarrer Hugo Holzamer. Es ist auch wichtig festzustellen, daß S. Emn. Kardinal Frühwirth seinen Brief umgehend als Zwischenbescheid beantwortete und ein Treffen mit ihm in Aussicht genommen hat.

Aber auch der bekannte H. H. Jesuitenpater Peter Lippert 6 hat sich eindeutig und schützend vor die Dienerin Gottes, Barbara Weigand, gestellt und die heftigen Angriffe des Subregens des Priesterseminars, H. H. Dr. Vitus Dr. Brander, zum Anlaß einer in Priesterkreisen vielbeachteten „Entgegnung und Richtigstellung zur Infragestellung der Mystik der Barbara Weigand“ genommen und durch seine engagierte Erwiderung und Richtigstellung dem Schreiberling Dr. Brander und seinem „Beraterstab“ in den kirchlichen Amtsstuben in Mainz und Würzburg einen beachtlichen Schlag versetzt. Auch hier haben wir uns entschlossen, wegen des zeithistorischen Geschehens und im Interesse einer umfänglichen Wahrheitssuche, zumal auch von einem in seiner Zeit äußerst bekannten Volksprediger und Literaten katholischen Bibelwissens, eine umfangreiche Wiedergabe dieser Richtigstellungen hierin aufzuzeichnen und in Erinnerung zu rufen. H. H. P. Lippert schreibt u. a.: In Nr. 11 (vom 18. März 1916) der Münchener Wochenschrift für Politik und Kultur „Allgemeine Rundschau“ veröffentlichte H. H. Dr. Vitus Brander, Subregens am Priesterseminar in Würzburg, einen Artikel mit der Überschrift: „Das theologische System der Seherin von Schippach.“ Die in diesem Artikel an dem Werke von Schippach geübte Kritik bedarf einer Entgegnung und Richtigstellung, da sie selbst einer objektiven Kritik gegenüber nicht standhält. Schon die Überschrift „Das theologische System der Seherin von Schippach“ schießt über das Ziel hinaus und muß darum irreführend wirken. Dadurch wird auch der ganze Aufsatz zu dem gleichfalls übertreibenden Schlußsatz geführt, es bestehe die Gefahr, „daß die geplante Sakramentskirche in Schippach die Mutterkirche einer neuen Sekte werde!“ Wer so bestimmt den Argwohn der Sektenstiftung, also nicht nur der materiellen, sondern sogar der formellen Häresie und des Abfalls vom Glauben, der Ketzerei im vollendeten Sinne, öffentlich auszusprechen wagt, der muß vor Gott und der Welt den Nachweis erbringen, daß er auch den Charakter, die religiös-sittlichen Eigenschaften und die erwiesene Gesinnung der in Frage kommenden Personen einer einwandfreien Prüfung unterzogen hat. Diesen Nachweis läßt aber die genannte Kritik vollständig vermissen. Schon um dessentwillen erscheint das audiatur et altera pars beachtenswert; denn der ausgesprochene Vorwurf der „raffinierten“ Einschmuggelung eines falschen Religionssystems ist überaus schwerwiegend und von großer Tragweite für den guten Ruf und die Ehre einer ganzen Reihe mit der Sache in Verbindung stehender Personen. Das Endurteil, das nur der Apostolische Stuhl abgeben kann, und das bereits angerufen ist, steht noch aus. Es ist aber sehr fraglich, ob dieses Endurteil mit dem durch solche weitgehende Kritik arg getrübten Bade jener sogenannter Privatoffenbarungen zugleich auch das, nach der öffentlichen Erklärung des Bischöflichen Ordinariats Würzburg selbst, vollständig unschuldige Kind des „Eucharistischen Liebesbundes“ und der Schippacher Sakramentskirche einfach ausschütten wird. Wenn solche unschuldigen Kinder bloß wegen des Mißbrauchs, der mit ihnen oder mit sogenannten Privatoffenbarungen getrieben werden kann, regelmäßig umgebracht werden müßten, dann würde bald in der Kirche Gottes überhaupt nichts mehr sicher sein. Denn konsequenter Weise müßte dann auch – genau so wie einst die Reformatoren es wollten – das meiste Gute in der Kirche, ja diese selber vernichtet werden, weil eben mit dem allem und mit ihr selber oft Mißbrauch getrieben wurde und wird. Schon diese Erwägung sollte zur Vorsicht in der Kritik der ganzen Sache mahnen.

6 H. H. P. Peter Lippert, geboren am 23. 08. 1879 in Altenricht bei Amberg/Opf. Ab 1889 Gymnasium; 1909 Priesterweihe, 1912 bis 1936 Priester und Seelsorger in München. Beginn seines schriftstellerischen Wirkens in „Stimmen der Zeit“; auch durch religiöse Vorträge und Rundfunk- und Sonntagspredigten im ganzen deutschen Sprachraum bekannt. Viele Buchveröffentlichungen, besonders auch über seinen Jesuitenorden. Peter Lippert im Brevier. Lippert starb im Exil (Nazi-Zeit) in Locarno am 18.12.1936. Er hätte auch unserer Zeit noch viel zu sagen, besonders auch, was die würdige Verehrung des Allerheiligsten Altarsakramentes betrifft.

Man muß mit eigenen Augen in den aufgezeichneten Anmutungen und Beschauungen der Barbara Weigand von Schippach gelesen haben, wie diese Person selbst ihre über das gewöhnliche Maß nicht hinausgehende Glaubenserkenntnis oft sehr gering einschätzt. Erst dann versteht man, wie verkehrt es ist, dieser Person die Absicht der Begründung eines neuen „theologischen Systems“ zuzuschreiben. Des öfteren spricht sie unverhohlen die Befürchtung aus, daß sie infolge ihrer geringen Kenntnis die ihr eingegebenen Gedanken nicht ganz richtig wiedergeben werde. So demütig und offen spricht niemand, der sich in dem Wahn befindet, die Welt mit einem neuen „theologischen System“ zu beglücken. In Wirklichkeit wendeten sich die frommen Anmutungen und Mahnungen der Barbara Weigand gerade gegen ein neues „theologisches System“, das damals, um das Jahr 1896, von Würzburg aus gewaltig rumorte. Es war das System Schells, gegen dessen naturalistische, rationalistische, liberalisierende, modernistische Grundgedanken die Mahnungen der Barbara Weigand den instinktiven Widerstreit einer ganz dem Übernatürlichen zugewandten, tiefgläubigen und mit großer Liebe der Kirche anhangenden Seele darstellen, nicht als ob Barbara Weigand auch nur eine Ahnung von der theologischen Bedeutung des Schellianismus besessen hätte. Ihr ausgesprochener Widerwille richtete sich aber gegen jene Regungen des Zeitgeistes, denen Schell besonderen Ausdruck verliehen hat.. Barbara Weigands Verdienst aber ist es auf jeden Fall, daß sie zu einer Zeit, wo so viele mit dem Strom des Zeitgeistes schwammen, sich um so enger und inniger der alten Übernatürlichkeitsrichtung ihres Glaubens, dem Heiland, Seinem göttlichen Herzen, Seiner jungfräulichen Mutter und an die Gnadenquellen der Kirche anzuschließen suchten. Wohl mehr als genügend hat sie dadurch gezeigt und bewiesen, daß ihr nichts ferner lag als die Sucht nach einem neuen „theologischen System“. Schon die Grundgedanken der Anmutungen von Barbara Weigand sind keineswegs so verkehrt, wie sie schon oft verkehrt ausgelegt wurden. Bei der heutigen ungeheuerlichen Verbreitung von Unglauben und Sittenlosigkeit, welche die Menschen von dem Gebrauch der ordentlichen Heilsmittel vielfach gänzlich abgebracht haben, ist der Gedanke und Wunsch durchaus korrekt, daß es Gott gefallen möge, durch außerordentliche Mittel die Menschen wieder zum eifrigen Gebrauch der ordentlichen Heilsmittel zurückzuführen. Wie ehedem zu diesem Zwecke ein hl. Vinzenz Ferrerius, eine hl. Katharina von Siena, ein hl. Franziskus von Assisi, ein hl. Dominikus (Rosenkranz), ein hl. Ignatius von Loyola (Exerzitien), eine sel. Maria Margareta Alacoque (Herz-Jesu-Andacht) besondere Mittel anwendeten, so sollte als außerordentliches Mittel zum gleichen Zweck der Eucharistische Liebesbund dienen. Die Unterstellung, als ob Barbara Weigand durch dieses besondere Mittel die ordentlichen Heilsmittel ersetzen oder ausschalten wolle, ist absolut unwahr. Es sollen vielmehr durch den Eucharistischen Liebesbund gerade der lebendige Glaube, der eifrige Empfang der Sakramente, die Nachfolge Jesu im Kreuztragen, die Hochschätzung der Jungfräulichkeit, die wahre und echte Nächstenliebe erst recht empfohlen und immer mehr in Übung gebracht werden.

Notwendig ist es auch nicht, den Grundgedanken und den vorgeschlagenen Mitteln von Barbara Weigand wegen der zum Teil ungenauen Ausdrucksweise einen häretischen Sinn beizumessen. Die angegriffenen Ausdrücke lassen sich alle auch in einem richtigen Sinne auffassen, so zum Beispiel die Worte vom Leiden Jesu in der heiligen Eucharistie. In wie vielen Andachts- und Erbauungsbüchern wird nicht gerade die Gegenwart Jesu im hochheiligsten Altarsakrament als eine fortgesetzte Verdemütigung, ein fortgesetztes Leiden bezeichnet. In dem von dem Dogmatiker Dr. Heinrich verfaßten herrlichen Gesang- und Gebetbuch der Diözese Mainz heißt es zum Beispiel in der ersten sakramentalischen Andacht Nr. 127: „Ich verlange, Dir (o Jesu im heiligsten Sakramente) für die so vielen Wunden genug zu tun, welche Deinem Herzen täglich geschlagen werden.“

Auch in dem Gebet- und Gesangbuch für das Bistum Würzburg finden sich mehrfach Stellen des gleichen Inhalts, zum Beispiel Seite 141: „Ich bete Dich in tiefster Ehrfurcht an, o mein Jesus, wahres Sühneopfer für unsere Sünden, und opfere Dir diese Huldigung auf zum Ersatze für die gottesräuberischen Mißhandlungen, welche Dir von so vielen Christen widerfahren, die sich erkühnen, mit einer schweren Sünde auf dem Herzen sich Dir zu nahen und Dich in der heiligen Kommunion zu empfangen.“ Die hl. Margareta von Kortona hörte aus dem Munde des Heilands die Worte: „Die Mich unwürdig empfangen, kreuzigen Mich und reichen Mir jenen bitteren Trank, den Mir einst die Juden gereicht haben.“ Der hl. Alphons von Liguori schildert den Gottesraub als etwas für den Heiland gleichsam unerträgliches. In allen diesen Worten reden jene gewiß rechtgläubigen Personen nur in einem übertragenen Sinne von einem Leiden Jesu in der heiligen Eucharistie, wobei die dogmatische Lehre von der tatsächlichen Leidensunfähigkeit des verklärten Leibes Christi unangetastet bleibt und als bekannt vorausgesetzt wird. Warum will man nur in den Worten von Barbara Weigand diesen geläufigen übertragenen Sinn nicht gelten lassen?

In einer öffentlichen Versammlung in Mainz wurde Barbara Weigand von einem Geistlichen (!) sehr heftig und in Ärgernis erregender Weise auch deshalb angegriffen, weil sie von einem bräutlichen Verhältnis der Seele zu Jesus Christus redet. Und nun erinnere man sich, wie die Heilige Schrift des Alten Testamentes bereits ein eigenes ganzes Buch, das Hohelied, gerade auf die Darstellung dieses Verhältnisses verwendet, wie im Neuen Testament Christus Sich Selber als den Bräutigam schildert und wie die ganze Mystik und Scholastik dieses Gedankens sich bedient. Und wiederum das Mainzer Gesangbuch und das Würzburger „Ave Maria“. Ersteres redet in einem uralten, kräftigen Gebete den Heiland mit den Worten an: „O Du meiner Seele allerliebster Blutbräutigam Jesu Christe!“ Nach dem Würzburger Gebet- und Gesangbuch aber (S. 477) wird in der Andacht zum heiligsten Herzen Jesu gemeinsam gebetet: „O allerkeuschestes Herz Jesu, des Liebhabers und Bräutigams keuscher Seelen!“ Auf S. 712 des gleichen Gesangbuches ist das allbekannte und allbeliebte Lied abgedruckt: „O Herr, ich bin nicht würdig, zu Deinem Tisch zu gehn, Du aber mach mich würdig, erhör mein kindlich Flehn!“ Ist das katholische Denken und Beten von heute wirklich bereits derart herabgestimmt, daß man schon an solchen traditionellen, warmkatholischen Ausdrücken Anstoß nimmt? Dann möge man aber zusehen und bei Zeiten dazutun, daß dieser Zeitgeist und diese Scheu vor Schippach nicht noch manch anderes Stück echt katholischen Denkens und Fühlens hinwegreißt! Die Behauptung, daß Barbara Weigand unter dem Wort „lebendiger Glaube“ nur den Glauben an ihre Privatoffenbarungen verstehe, ist einfach unwahr. Zwar verlangt Barbara Weigand, wie jeder anständige Mensch, der sich keiner Lüge bewußt ist, daß man ihr glaube und sie nicht als Betrügerin behandle; aber daß durch diesen menschlichen Glauben der zum Heile notwendige übernatürliche, göttliche, katholische Glaube ersetzt werden soll, sagt sie an keiner Stelle ihrer Anmutungen. Will man nun aber trotz alledem in der ungenauen Ausdrucksweise der Barbara Weigand die Gefahr der Ketzerei und Sektenstiftung wittern, dann wäre zunächst doch noch festzustellen, ob es einer Barbara Weigand nach ihrem ganzen seitherigen religiös-sittlichen Verhalten, ihrem Charakter, ihrer Gesinnung überhaupt zuzutrauen sei, daß sie sich von der katholischen Kirche abwenden, und daß sie mit Hartnäckigkeit ihren Anmutungen einen falschen, nichtkatholischen Sinn zugrunde legen, daran festhalten und auch andere in solche Ketzerei hineinziehen wolle. Wir glauben indes sagen zu können, daß auch strenge Kritiker bei der erprobten Tugend, der schlichten Frömmigkeit, der echt kirchlichen Gesinnung der Barbara Weigand keinen Augenblick zaudern werden mit der Erklärung, daß bei ihr die Anzeichen häretischer Gesinnung und sektiererischer Neigungen vollständig fehlen. Haben ihr doch selbst ihre schärfsten Gegner das Zeugnis schon ausstellen müssen, daß sie „sittlich intakt“ und von ausnahmsweise großer Frömmigkeit sei. Daß sich eine solche Person gar dazu versteigen sollte, in dem von ihr stammenden Projekte einer dem Gedächtnis der Kommuniondekrete Pius X. gewidmeten Sakramentskirche „die Mutterkirche einer neuen Sekte“ errichten zu wollen oder etwas derartiges auch nur zu begünstigen, das ist ein Gedanke, der von vornherein bei allen Kennern der einschlägigen persönlichen Verhältnisse dem Fluche der Lächerlichkeit verfällt. Die echt katholische Tendenz dieses Zweckes aber, welche so klar und deutlich der Liebe zum Papste und dem Geiste des freudigen Gehorsams gegenüber den päpstlichen Dekreten Ausdruck verleiht, schließt deshalb sektiererische Bestrebungen aus, weil, wie schon der hl. Cyprian lehrt, der Anschluß an den Papst der beste Beweis dafür ist, daß einer zur Einheit der wahren Kirche gehört. Der hl. Ambrosius würde sagen: Ubi Papa, ibi Ecclesia neque ulla ecclesiola. Wo der Papst, da die Kirche und nicht
eine Sekte!


Die Idee aber, in jenem weltabgeschiedenen und dennoch leicht zugänglichen Spessarttale der Elsava eine dem Gedächtnis der eucharistischen Großtaten Pius X. gewidmeten Sakramentskirche zu errichten, welche die tiefen Welterneuerungsgedanken Pius X. in monumentaler Weise verkörpern und in das Gedächtnis des Volkes hineinschreiben soll und besonders auch eine stille eucharistische Zufluchtsstätte für beladene und verwundete Herzen bietet – diese Idee ist so einzig schön, so durchaus katholisch, so wahrhaft pastoral-praktisch, daß sie es ohne Zweifel verdiente, möglichst bald mit Unterstützung aller verwirklicht zu werden. Kein kirchlich Gesinnter kann die Reinheit, Schönheit und Nützlichkeit dieser Idee verkennen. Ich erneure die höchst treffende und auch zu damaliger Zeit äußerst mutige Feststellung eines gottergebenen Priesters in das Haus Gottes hinein, eben des Jesuitenpaters Peter Lippert: Denn was könnte die Erbauung der Sakramentskirche auch schaden? Soll es ein Schaden sein, wenn Tausende und Abertausende, allein schon durch die schöne Idee dieser Kirche angezogen, dort im Sinne Pius X. die eucharistische Erneuerung ihres Seelenlebens in Angriff nehmen? Soll es ein Schaden sein, einen Brennpunkt zu besitzen, an dem das Feuer der Begeisterung für die tägliche und die frühzeitige Kommunion ständig genährt wird und von dort immer mehr sich verbreitet? Soll es ein Schaden sein, wenn eine Kirche entsteht, in der das Lob des großen und heiligmäßigen Papstes unserer Tage, Pius X., von seinen Zeitgenossen verkündet und wachgehalten wird? Soll es ein Schaden sein, wenn die Nachwelt durch ein monumentales Denkmal erfährt, daß auch die Katholiken dieser Zeit und dieses Landes die Größe dieses Papstes zu würdigen wußten? Schon heute kann nicht übersehen werden, wie gerade in dieses Schippacher Kirchenbauprojekt das katholische Volk seine heiße Liebe und Dankbarkeit für den Papst der täglichen heiligen Kommunion und der Kinderkommunion hineingelegt hat. Soweit auszugsweise aus der Richtigstellung von dem H. H. P. Peter Lippert.

Dem vorliegenden Druck, als Verteidigungsschrift angekündigt und in seiner Struktur auch unzweideutig erkennbar, liegen als Quellen zugrunde: Unser eigenes Buch „Barbara Weigand im Urteil von Bischöfen und Priestern“ im Selbstverlag herausgegeben 2001/02. Die darin aufgezeichneten Briefe, Dokumente und inhaltlichen Erinnerungen, als theologische Prüfung verstanden, stellen das Leben und Wirken von Barbara Weigand in das Licht der katholischen Glaubens- und Sittenlehre und beleuchten dabei auch sehr präzise die Glaubensgrundsätze der dogmatischen Struktur unserer heiligen Kirche und geben somit der einen Wahrheit Zeugnis und die Ehre. Es sind Stimmen, die aus allen Perioden ihres langen Lebens genommen sind und sich somit zu einer lückenlosen Kette von Zeugnissen für das Vollkommenheitsstreben und den lauteren Charakter der Schippacher Jungfrau zusammenschließen; es sind Dokumente von Augen- und Ohrenzeugen, überwiegend aus Originalunterlagen unseres Archivs entnommen.

Dagegen steht der eigentliche Stein des Anstoßes, die Hetzschrift des H. H. Dr. Vitus Brander „Die Seherin von Schippach“ 7 selbst, in der der Verfasser mit nie gekannten Kampfmitteln gegen die Dienerin Gottes Barbara Weigand von Schippach herzog, und sie mit seinen „Enthüllungen“ und Spottreden weit über die Lande hinaus überzog. Desweiteren das Büchlein „Das Problem von Schippach“ 8 von dem bereits erwähnten H. H. Pfarrer Hugo Holzamer und letztlich auch das Buch von Herrn Dr. Hans Abel, München, langjähriger Vorstand des Kirchenbauvereines in Schippach, „Die Sakramentskirche in Schippach – Zur Abwehr und Verteidigung“, in dem Dr. Hans Abel mit überzeugenden und nachweislichen Fakten Anklage gegen Dr. Branders Hetzschrift führt und seine eigenen Erfahrungen und Begegnungen protokollarisch als Beweismittel entgegenstellt. 9 In seiner Broschüre hat er den Nachweis erbracht, daß Dr. Brander den Text der Offenbarungen der Barbara Weigand für seine Zwecke zurechtstutzte und dadurch deren Sinn wesentlich fälschte. Dr. Brander glaubte, sich dadurch aus der Schlinge ziehen zu können, daß er bei seiner Verteidigung in der „Allgemeinen Rundschau“ behauptete, die von ihm benutzten Schriften müßten eine andere Lesart aufweisen. Allein in den meisten Fällen, die ich gegen Dr. Brander anführen konnte, kommen nicht andere Texte, sondern nur die von Dr. Brander beliebten Auslassungen im Texte in Frage, Auslassungen, die er teils durch Setzung von Auslassungszeichen andeutete, teils ohne Auslassungszeichen vornahm. Daß er mitten im zitierten Text Stellen ausließ, hat er durch seine Auslassungszeichen selbst offen zugestanden. Es ist bemerkenswert, mit welcher katholischen Grundhaltung Dr. Hans Abel, dessen genaue Lebensdaten wir (noch) nicht vorliegen haben, seine Sichtweise über das Erscheinungsbild der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum und seine Berufung als Kirchenvorstand des Kirchenbauvereines Schippach gegen 1916 wiedergibt.

7 Buch „Die Seherin von Schippach – Enthüllungen über ihre Offenbarungen und ihr Werk“ von Dr. theol. Vitus Brander, Subregens am Priesterseminar in Würzburg im Mai 1916, im Verlag von Kirchheim & Co.
8 Buch „Das Problem von Schippach und seine Behandlung in der gegnerischen Presse“, als Manuskript gedruckt im Verlag „Druck und Verlag A. Huber, München, Neuturmstrasse 2a“, im Jahre 1916.
9 Buch „Die Sakramentskirche von Schippach – zur Abwehr und Verteidigung“ von Dr. Hans Abel, Druck und Verlag von A. Huber, München, Neuturmstrasse 2a; erschienen gleichfalls 1916.

Dr. Hans Abel stammt aus einer guten katholischen Familie. Namentlich sein Vater war durch sein ganzes Leben ein durch und durch katholischer Mann, der es ernster mit seinen religiösen Pflichten nahm als viele andere. Er lebte förmlich in und mit der Kirche, da ihm deren Festzeiten stets gegenwärtig waren. Diesen kirchlichen Geist hatte er in seiner Jugend aus den Schriften der gottseligen Anna Katharina Emmerich gewonnen, und es war ihm eine heilige Pflicht, ihn auf seine zehn Kinder zu übertragen. Man darf annehmen, daß ihm dies größtenteils gelungen ist; denn von den zehn Kindern wurden vier Klosterfrauen und eins Priester, die übereinstimmend zugestehen, daß sie ihren Beruf neben Gott in erster Linie ihrem wahrhaft tiefreligiösen Vater verdanken. Er war das sechste von zehn Kindern, hatte als Junge von zehn bis 14 Jahren oft Gelegenheit, mit seinem Vater allein zu sein und sie sprachen, so läßt sich aus seinen eigenen Aufschreibungen ermitteln, immer wieder von Gott, von den Heiligen, oder auch von den Armen Seelen. Weltlichen Vergnügungen entzog er sich weitgehend und nur mit innerem Widerstreben führte er eine Wirtschaft. Zur Zeit des Kulturkampfes hatte man ihn wegen seiner religiösen und päpstlichen Haltung – es war die Zeit nach der Unfehlbarkeitserklärung des Papstes – den Spottnamen „Pius“ gegeben, und wegen seiner religiösen Überzeugung mußte er auch sein ganzes, sehr bedeutendes Vermögen verlieren. Er ertrug alles geduldig mit dem Hinblick auf die Ewigkeit und war so seinen Kindern und seiner Umwelt ein überzeugender und beispielhafter Christ, katholisch durch und durch. Aus einer unveröffentlichten Biographie entnehmen wir zu seiner Berufung und seinem Elternhaus: Ich werde nie zu viel zum Leben meines Vaters sagen können, da er ein katholischer und kirchlicher Mann gewesen, wie ich in meinem Leben noch keinen zweiten gefunden habe. Als Ministrant kam ich viel mit Geistlichen in Berührung; von diesen war es namentlich H. H. Kaplan Gustav Becker, jetzt Dekan und Stadtpfarrer in Weinheim, der mir seine Bibliothek zur Verfügung stellte und mich später, als ich schon 14 Jahre alt war, noch zum Studium brachte. Ich interessierte mich schon damals besonders für die Heiligengeschichte, wie für die Geschichte und Politik überhaupt. Vieles habe ich als Knabe und Jüngling von der angegebenen Literatur kennengelernt, ohne heute Einzelheiten davon angeben zu können. In der Politik, die ich frühzeitig verfolgte, stand ich stets und stehe ich heute erst recht ganz auf der Seite meines Vaters, der nur einen katholischen Politiker und eine katholische Partei kannte und für erlaubt hielt. Nach Absolvierung des humanistischen Gymnasiums wollte ich mich zunächst dem geistlichen Stande zuwenden. Allein die Vorhersage meines Vaters mußte sich erfüllen und so wandte ich mich nach einigen Versuchen dem Studium der Mathematik zu. Mit der oben erwähnten Vorhersage hat es folgende Bewandtnis: Als ich mich mit 14 Jahren auf Anregung des Kaplan Becker dem Gymnasialstudium zuwenden wollte, mußte ich selbstverständlich die Erlaubnis meines Vaters dazu haben. Er gab sie mir mit dem Auftrag, dem Kaplan Becker zu sagen, daß ich, um Priester zu werden, eifrig die Mutter Gottes anrufen müsse. Ich unterließ es jedoch, diesen Auftrag auszurichten. Als ich nun nach einigen Tagen meinem Vater auf seine Frage eingestehen mußte, daß ich seinen Auftrag nicht ausgerichtet hatte, da gab er mir mit der an ihm gewahrten Ruhe zur Antwort: „Studieren kannst du, aber Priester wirst du nicht.“ Dieses Wort, das sich mir fest einprägte, ist in Erfüllung gegangen, wiewohl ich wiederholt den Versuch machte, mich dennoch dem geistigen Stande zu widmen. Mein späterer äußerer Lebensgang ist rasch erzählt. Nachdem ich einige Jahre an der Universität München Mathematik studiert hatte, trat ich am 1. Januar 1895 als Mathematiker in die Dienste eines Bank- und Versicherungsinstitutes, nämlich der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank in München. Diesem Institut bzw. einer von ihr abgezweigten Versicherungsbank gehöre ich noch heute als einer der ersten Beamten an. Im Jahre 1906 wurde ich gegen meinen Wunsch und Willen bestimmt, mich in der Politik zu betätigen. 1907 wählte man mich zum Vorsitzenden der Münchener Zentrumspartei und 1908 zum Gemeindebevollmächtigten der Stadt München. Nach Ablauf meines Mandats im Juni 1919 verzichtete ich auf eine Wiederwahl, weil ich die Wandlung des Zentrums nicht mitmachen und der interkonfessionel-
len Bayerischen Volkspartei nicht angehören wollte, als deren schwersten Gegner ich mich offen bekenne. In der Stadtverwaltung München war mein Spezialgebiet die Finanzpolitik, welcher auch meine Doktordissertation vom Jahre 1912 gewidmet ist. Mehrere Jahre begleitete ich die Stellung des Etatreferenten und das Amt des Vorsitzenden des Finanzausschusses des Gemeindekollegiums. Man rühmte mir in der Stadtverwaltung eine besondere Sachkenntnis, einen kritischen Blick und ein scharfes Urteil nach, weshalb ich auch in die meisten Ausschüsse und Kommissionen gewählt wurde. Außerdem kannte man meine Zuverlässigkeit, meinen unbeugsamen Gerechtigkeitssinn und meine genaue Beobachtungsgabe, zumal ich des öfteren Gelegenheit hatte, Unregelmäßigkeiten und Mißstände in der Gemeindeverwaltung aufzudecken.

Ich führe dies alles an, weil man bei mir als Vorstand des Schippacher Kirchenbauvereins eine gewisse Leichtgläubigkeit voraussetzen könnte. Das Gegenteil, davon habe ich jedoch Jahre hindurch vor aller Öffentlichkeit so deutlich bewiesen, daß mir der Oberbürgermeister Dr. Matt von Aschaffenburg wiederholt sein Erstaunen und seine Verwunderung darüber aussprach, gerade den Mann an der Spitze von Schippach zu sehen, den er in gemeindlichen Fragen als einen der nüchternsten Denker und als einen Vorstandsmenschen kennen- und schätzengelernt habe. Meine politische Tätigkeit hielt mich nicht davon ab, mein Augenmerk – wie früher – religiösen und theologischen Fragen zuzuwenden. Und an anderer Stelle seiner Aufschreibungen kann man lesen: Was nun meine Tätigkeit für Schippach betrifft, so bin ich dazugekommen, ohne zu wissen oder zu wollen. Als ich im Jahre 1914 zum ersten Mal von Schippach und der Sakramentskirche hörte, da erkundigte ich mich nicht weiter darüber. Ich war mit den wenigen Andeutungen zufrieden, die mir mein Freund Käsbauer, damals H. H. Benefiziat in Waging machte, der seine Kenntnis von Schippach von dem H. H. Generalvikar Hessdörfer selbst hatte. Eigentümlich, mich hat indirekt Hessdörfer selbst nach Schippach geführt, und viele andere hat er durch seine späteren Erlasse davon abgehalten. Ich erkundigte mich also nicht weiter; denn die Absicht, für die heilige Kommunion einmal eine eigene Dankeskirche zu errichten, schien mir sofort so großartig, so erhaben und so göttlich zu sein, daß es gar nicht von einem Menschen herrühren konnte. Ich wunderte mich darum auch gar nicht darüber, daß Gott diesen Gedanken durch eine fromme Jungfrau geoffenbart und als seinen besonderen Wunsch zu erkennen gegeben haben sollte. Warum denn auch nicht? Hat Gott nicht vieles in der Kirche durch Privatoffenbarungen angeregt? Die Kirche nahm die Anregung an und bildete dann das Fundament für die Sache aus ihrem geistigen Schatze. Die Geschichte der Einführung des Fronleichnamsfestes ist dafür ein lehrreiches Beispiel. Ich hielt mich also einfach an der Sache und fragte nicht nach Barbara Weigand, deren Namen mir nicht einmal genau im Gedächtnis haftete. Meine einzige Leistung für Schippach, ehe ich selbst dahin kam, bestand darin, daß ich einigemale kleine Geldspenden dorthin sandte. Da erschien in der Augsburger Postzeitung ein Artikel gegen Schippach. Was er enthielt, weiß ich nicht mehr; er war aber nur Anlaß für mich, eine neue Spende nach Schippach zu schicken, mit dem Vermerk auf dem Postanweisungsabschnitt: Jetzt erst recht!

Gleich nach Ostern 1915 hatte mein Bruder, der als Priester ein besonderer Eiferer für die Befolgung der Kommuniondekrete, und deshalb selbstverständlich auch ein Freund von Schippach war, Gelegenheit, nach Schippach zu fahren. Als er zurückkam, teilte er mir mit, daß ihn H. H. Kaplan Noeth und Barbara Weigand gebeten hätten, mich zu bestimmen, daß ich ihnen in ihren Sorgen behilflich sei. Als mir mein Bruder dies mitteilte, lehnte ich rundweg ab, indem ich bemerkte, daß ich erstens gar keine Zeit dazu hätte, und zweitens die Einladung nicht für ernst gemeint betrachten könnte, da ich nicht wußte, wie ich da von Nutzen sein sollte. Mein Bruder suchte, mich umzustimmen, aber vergeblich. Als er dann immer wieder drängte und mir schrieb, Barbara Weigand habe angefragt, warum ich nichts von mir hören ließ, da dachte ich, durch ein konventionelles Schreiben nach Schippach um die Sache herumzukommen.

Ich schrieb also nach Schippach an Kaplan Noeth, ich sei, falls man auf meinen Rat Gewicht lege, zur schriftlichen Auskunftserteilung bereit; persönlich könne ich nicht nach Schippach kommen, es sei denn, man gedulde sich bis Pfingsten. Ich glaubte, indem ich meine Reise hinausschob, werde man überhaupt darauf verzichten. Zu meiner Überraschung erfuhr ich alsbald das Gegenteil, denn Kaplan Noeth lud mich freundlich ein, an Pfingsten nach Schippach zu kommen, bis dahin werde man sich gern gedulden. Nun mußte ich mein Wort einlösen. Da es sich bei Schippach um ein heiliges Werk handelt, so wollte ich nichts dafür tun, ohne zuvor die Mutter Gottes besonders angerufen zu haben. Ich fuhr daher am Pfingstsamstag zuerst nach Würzburg und machte am Pfingstsonntag in der Frühe eine Wallfahrt zur Gnadenmutter auf dem Käppele (Würzburg). Dann setzte ich meine Reise nach Schippach fort, wo ich am Pfingstsonntag 1915, nachmittags 3 Uhr, zum ersten Mal eintraf, ohne zu wissen, was eigentlich vorlag und was man von mir wollte. Kaplan Noeth empfing mich sehr freundlich und überraschte mich alsbald mit der Mitteilung, er habe seine Freunde, und insbesondere seine Priesterfreunde, gebeten, mit ihm eine Novene zum Heiligen Geist zu halten, damit Gott eine Wendung und den richtigen Mann herbeiführe. Als diesen bezeichnete er auch sofort mich, was mich nicht wenig in Verwunderung brachte, da ich alsbald einen Berg von Schwierigkeiten, Sorgen und Arbeiten vor mir sah, während ich doch den Glauben und den Wunsch gehabt hatte, mit einigen Auskünften über Geldsachen wieder davon zu kommen. Nun, da mir die Arbeit angeboten wurde, nahm ich sie sofort ohne Bedenken an; die Schwierigkeiten und die Arbeit selbst schreckten mich nicht, da ich an letzte gewohnt war und in ersteren nur den Beweis dafür erblickte, daß es sich bei Schippach um ein Werk Gottes handelte. Um Barbara Weigand und ihre Offenbarungen bekümmerte ich mich wenig, erstere konnte ich noch am gleichen Tage kennenlernen und nach letzteren frug ich nicht. Eine Kirche zu Ehren des Allerheiligsten Altarsakramentes und zum Dank für die Kommuniondekrete, die mir selbst ein großes Glück gebracht hatten, zu erbauen, das mußte ein gutes Werk sein und das mußte gelingen, weil Gott nicht dagegen, sondern nur dafür sein konnte. Ich erklärte mich also bereit, die Sache in die Hand zu nehmen, und als Barbara Weigand sagte, Gott habe ihr mitgeteilt, energische Männer müssen an die Spitze des Werkes treten, da meinte ich: Wenn Gott darunter einen harten Schädel verstanden haben sollte, dann bin ich freilich der richtige Mann, denn mein harter, unbeugsamer Kopf ist bekannt, wenn ich das Recht zu vertreten habe.

Am Pfingstdienstag fuhr ich nach Mainz zu Fräulein Hannappel und abends noch nach Baden-Baden zu Geheimer Justizrat Schmitt, ein Rechtsbeistand von Freifräulein von Scheibler in Aachen, auf deren Namen der Kirchenbauplatz eingetragen war. Fräulein Hannappel und Geheimrat Schmitt erklärten sich ohne weiteres mit meinen Vorschlägen einverstanden und übertrugen mir auch ihrerseits alle Vollmachten. So kam ich am Mittwoch nach Pfingsten wieder nach München zurück, indem ich die ganze Last des Kirchenbaues auf meinen Schultern trug. Das Urteil vom 11. Februar 1918 lag bereits vor, worin gegen die Offenbarungen der Vorwurf der Unrichtigkeit und Häresie erhoben wurde. Es war also für mich von ganz besonderer Wichtigkeit, die Offenbarungen mit kritischem Blicke zu mustern und dabei auch die katholische Nase anzuwenden, die sofort eine Witterung erhält, wenn etwas Verdächtiges, Unkatholisches und Unkirchliches vorkommt. Ich las nun die Schriften, wie sie vom Jahre 1895 bis zum Jahre 1914 vorliegen, der Reihe nach und Wort für Wort; dabei machte ich Extrakte, und zwar von all denjenigen Stellen, die Voraussagungen für die Zukunft enthielten, um insbesondere hier eventuelle Widersprüche festzustellen. Auf Grund meiner aufmerksamen Lektüre konstatierte ich, daß ich in den Offenbarungen der Barbara Weigand nichts gefunden habe, was nicht katholisch und kirchlich gewesen wäre. Ich habe vielmehr gefunden, daß die Schriften meinen katholischen Geist ebnen, wie er stärker, kräftiger, anregender und belebender nicht leicht in einem anderen Buche zu finden ist. Oft und oft mußte ich unwillkürlich denken und sagen: Das ist nicht Menschenwerk, und das ist am allerwenigsten das Werk der einfachen Jungfrau Barbara Weigand. Wer das Gegenteil behauptet, der überhebt den Menschen, indem er ihm Fähigkeiten zuschreibt, die der Mensch nicht besitzt. Wer aber den Menschen überhebt, erniedrigt zugleich damit Gott. Freilich muß man sich bei der Lektüre der Schriften erinnern, daß man es vorerst noch mit einem Rohmaterial zu tun hat. Hör- und Schreibfehler sind oft deutlich zu erkennen. Es genügt aber für die große Gewissenhaftigkeit der Fräulein Hannappel, welche die Worte aus dem Munde der Barbara Weigand vernahm und niederschrieb, daß sie keine willkürlichen Korrekturen vornahm, sondern ohne selbständiges Urteil und ganz im Geiste des Gehorsams gegen Gott alles so niederschrieb, wie sie glaubte, es vernommen zu haben.

Soweit einige wenige biographische Lebensdaten von Dr. Hans Abel, der neben den bereits genannten Freunden und Förderern der Schippacher Jungfrau und Seherin Barbara Weigand einer der Hauptakteure der Schippacher Sache im Widerstreit gegen die kirchliche Obrigkeit in Würzburg und Mainz mit angeführt und vehement vertreten hat.

Jetzt geht es darum zu erkunden und auch zu belegen, warum die bis dahin stets positive Haltung der kirchlichen Stellen in Würzburg, voran der hochwürdigste Bischof selbst, auf einmal und mitten in einer sehr aufwendigen und höchst kostenträchtigen Bauphase umgeschlagen sind in eine ablehnende, ja gar feindliche Grundhaltung, Verleugnung und Verleumdung gegen die Befürworter des Schippacher Kirchenbaues. Der Kirchenbau von Schippach beschäftigte die kirchlichen Stellen in Würzburg bereits seit dem Jahre 1907. Aber erst 1913 trat er in das Stadium der Verwirklichung durch Ankauf des Baugeländes und Fertigung der Pläne. Der hochwürdigstse Bischof Ferdinand von Schlör hat sich auch 1913 anläßlich einer Visitationsreise zu den Kirchengemeinden Rück und Schippach dort öffentlich und offiziell für den Bau einer Wallfahrtskirche in Schippach eingesetzt und das Gottesvolk darauf eingeschworen. Er hat durch seine Haltung einen wesentlichen Impuls zu den später erfolgten Aktivitäten gesetzt. In der baufeindlichen Phase (1915 bis 1954) bildete in den Dekreten und sonstigen Verlautbarungen des Ordinariats Würzburg bekanntlich die Behauptung, Rom habe den Bau verworfen und die Offenbarungen Barbara Weigands verboten, das immer wieder vorgebrachte Argument, das gebetsmühlenartig sich durch alle Aktivitäten der Schippacher Freunde und Förderer für die Beförderung des göttlichen Willens und ihren Kampf gegen die Feinde der Schippacher Sache zog und das von den Gegnern der Schippacher Sache mit Zähigkeit und unter massivem Druck und Meinungsschinderei inszeniert wurde, all die Jahre. War es für einen ruhig denkenden, ehrlichen und nach den Grundsätzen eines katholisch geprägten Lebens ausgerichteten, unvoreingenommenen und romtreuen Katholiken schon reichlich unwahrscheinlich, daß der Heilige Stuhl einen Kirchenbau verbiete, der dem Andenken eines großen Papstes geweiht werden sollte, so mußte das Studium der Rechtslage die ganze Nichtigkeit dieser Würzburger Thesen erweisen. Welch schreiendes Unrecht und bewußte Irreführung verbarg sich doch hinter dem Tun einzelner Kirchenherren in Würzburg, zum Schaden des ganzen katholischen Ansehens.

Der hochwürdigste Msgr. DDr. Wilhelm Büttner hat über dreißig Jahre unentwegt in Wort und Schrift für die Aufhebung des unsittlichen Bauverbotes der Schippacher Kirche gekämpft und andere auch für das Ende der Verbote der Schippacher Offenbarungen und des Eucharistischen Liebesbundes. Im Verlaufe dieser Dokumentation, die wir gern auch als Verteidigungsschrift für die Gottesdienerin Barbara Weigand verstanden wissen wollen, dieses Wort im buchstäblichen Sinne, werden noch viele Namen von engagierten Weltpriestern und Ordenspriestern genannt, denen während ihres unerschrockenen Eintretens für die Schippacher Sache Enttäuschungen über Enttäuschungen, bittere Kränkungen und beschädigende Verdemütigungen zugefügt wurden. Dabei waren die Waffen, die verteilt wurden, ganz ungleich und offenkundig einseitig: dort die kirchliche Obrigkeit, ausgestattet mit Amt, Würde, Autorität, Ansehen, Anspruch auf Gehorsam und Glaubwürdigkeit, im Besitze von Propagandamitteln aller Art, besonders der Presse, und auf der Seite der wackeren Kämpfer im sicheren Besitz der Wahrheit, ohne hierarchische Würde, die Männer und Frauen, standfeste und getreue Katholiken, die für die Durchsetzung göttlichen Willens mit Herzblut angetreten sind, aber auch unter dem Begleitschutz so vieler frommer Beter und glaubenstreuer Verehrer. Der hochwürdigste Bischof Julius Döpfner war es, der den Baustopp der Schippacher Weltkirche dergestalt aufhob, indem er den Bau einer Pfarrkirche für die beiden Gemeinden Rück und Schippach anordnete, die dann als St. Pius-Kirche entstand. Sein Nachfolger, der selige hochwürdigste Bischof Josef Stangl schließlich war es, der am 2. Oktober 1960, einem strahlend schönen Herbsttag, während ein farbenprächtiger Regenbogen sich über das Elsavatal spannte, unter Assistenz zahlreicher Priester, in Anwesenheit des Generals der Salvatorianer, der eine Reliquie des heiligen Papstes Pius X. und ein Glückwunschtelegramm S. Emn. des Kardinal-Staatssekretärs aus Rom mitbrachte, und der neuerbauten Pfarrkirche für die Gemeinde Rück- Schippach, die St. Pius-Kirche die feierliche Weihe erteilte.

Es steht auch urkundlich fest, daß Seine Heiligkeit, Papst Pius XII., der Dienerin Gottes Barbara Weigand seinen väterlichen heiligen Segen erteilt hat in Anwesenheit des hochwürdigsten Herrn Generaloberen der Salvatorianer, Pankratius Pfeiffer. Papst Pius XII. erinnerte sich der Schippacher Sache aus seiner Zeit als erster päpstlicher Nuntius für Deutschland, zu dem er 1920 von seinem Vorgänger Papst Pius XI. ernannt wurde.

Das Hauptverdienst der literarischen Dokumentation und Verteidigung der Schippacher Angelegenheit kommt zweifelsfrei Msgr. Dr. Dr. Wilhelm Büttner, diesem so wackeren und glaubenstreuen katholische Priester zu, der viele Jahre Beichtvater und Seelsorger Barbara Weigands war und sich unermüdlich für den Schippacher Kirchenbau einsetzte und gegen die Verfolgung seines Beichtkindes durch Kirche und Presse vehement eintrat. In seinen unzähligen Publikationen befaßte er sich vornehmlich mit staatskirchenrechtlichen Fragen: Konkordat, Fürsorgegesetzgebung, Pfründerecht, Kirchengemeindeordnung, Einkommensverhältnisse der Geistlichen, Staatsleistungen, Schulwesen. Einige seiner diesbezüglichen Publikationen wurden von der damaligen Bayerischen Volkspartei als Sonderdrucke herausgegeben und als besonders aktuell von der katholischen Presse verbreitet. Seine Kenntnisse im Pfründe- und Fassionswesen veranlaßten den damaligen Ordinariatsdirektor, H. H. Domkapitular Kettemann, ihn in den Jahren 1922 und 1923 zur Revision der Fassionen ins Ordinariat zu berufen, da diese Arbeit dort allen Herren neu war. Schon im Jahre 1912 erregten seine Aufsätze über die Würzburger Diözesankatechismen besondere Aufmerksamkeit und seine späteren Veröffentlichungen über das ehemalige Klerikalseminar Aschaffenburg, den Klosterfond Schmerlenbach und das Aschaffenburger Studienseminar bewogen das Ordinariat, seine Kenntnisse bei den Verhandlungen des Ordinariates mit dem Ministerium über das Schmerlenbacher Klostergut und den katholischen Charakter des Aschaffenburger Studienseminars heranzuziehen.

Seine Kirchentreue blieb trotz allen großen Entbehrungen allezeit ungebrochen. Er entstammte einem streng katholischen Hause, das der Kirche zwei Priester schenkte. Sein Bruder starb als Dechantpfarrer von Marktheidenfeld an einem Schlaganfalle, nachdem er 38 Jahre seiner Kirche gedient und als Landtagsabgeordneter auch die weltlichen Belange seines Wahlkreises mit Energie vertreten hatte. Ein anderer Bruder war Reichsbahnrat in Nürnberg, ein treukatholischer Mann, der sich als einziger von 79 Beamten seines Ressorts weigerte, Parteigenosse zu werden und dadurch seine Stellung riskierte: da er aber ein alter, erfahrener Fachmann war, hat man ihn nicht aus dem Dienst entlassen. Msgr. Büttner dazu: ich selber hatte als Student in einzelnen meiner geistlichen Präfekten nicht gerade die besten Vorbilder: zwei von ihnen mußten flüchtig gehen. Auch mein Wissen, daß sogar Subregenten an deutschen Priesterseminarien und deutsche Bischöfe vor nicht gar langer Zeit abgefallen waren, konnte mich in meinem Berufsziele nicht irremachen. Für die Rechte seiner Kirche führte er in den Nazijahren die heftigsten Kämpfe. Fünfmal wurde er vor die Schranke der Nazijustiz, siebenmal vor die Gestapo geschleppt. Ein beachtliches Wort bzw. Ausspruch zu seinem Beichtkind Barbara Weigand, auch auf dem Hintergrund der so heftigen Angriffe und Widerstände gegen die Sendbotin Gottes, von ihm war auch: „Es wird einmal der Tag kommen, an dem die Diözese Mainz und ihre Heimatdiözese Würzburg sich glücklich preisen, die eucharistische Blume von Schippach in ihrem Garten haben sprossen zu sehen.“

Dem Schippacher Kirchenbau zur allseitigen Verehrung des Allerheiligsten Altarsakramentes und der himmlischen Bestimmung der Offenbarungen an Barbara Weigand gilt auch in dieser Schrift unser Hauptaugenmerk.

Die Schippacher Freunde hatten zu allen Zeiten den heißesten Wunsch, die Steinwüste des Schippacher Kirchenbaues endlich ihrer erhabenen Bestimmung zuzuführen. Jedoch ist dies ein frommer Wunsch bis heute und zu allen Zeiten geblieben. Bei Ausbruch des Weltkrieges hat der Herr nämlich zur Begnadigten Barbara Weigand von Schippach auch gesagt: „Die Kirche wird gebaut werden als Zeichen des Sieges. Wie sie trotz der welterschütternden Ereignisse doch gebaut wird, so soll aber auch mit ihrer Vollendung der Friede einziehen in die Welt. Sie soll nicht nur als Siegeszeichen über den Unglauben ihrer und Meiner Feinde erstehen, sondern sie soll ein Leuchtturm als Sinnbild der Liebe und des Friedens sein. Jene versündigen sich darum schwer, die gesetzt sind, andere zu überwachen, die an dem Bau tätig sind und leichtsinnig das Geld ausgeben, das von arm und reich zusammengetragen und zu Meiner Ehre verwendet werden soll. Du aber sorge, daß diese Worte Beachtung finden, denn um deinetwillen soll das heilige Meßopfer ohne Unterbrechung Tag für Tag in Rück-Schippach dargebracht werden, weil du alle Verdemütigungen deiner Vorgesetzten lieber auf dich genommen, als daß du Meinen Willen unbeachtet ließest.“10 Und an anderer Stelle vernehmen wir: „Die Sakramentskirche in Schippach, ein Leuchtturm des Friedens, eint die sündige Menschheit und ist ein Zeichen des Sieges der Barmherzigkeit über die zürnende Gerechtigkeit. Jedes Fest, das in dieser Kirche gefeiert wird, soll ein Widerstrahl jenes siebenfarbigen Regenbogens sein nach der Sintflut und ein Zeichen, daß Ich mit der Menschheit Friede geschlossen habe.“11

10 „Offenbarungen an Barbara Weigand“ Band 7 Seite 294
11 „Offenbarungen an Barbara Weigand“ Band 7 Seite 309

Und Barbara Weigand erinnert sich an Worte des Herrn: „Was der siebenfarbige Regenbogen für die damalige Sintflut bedeutete, das soll dieser Friedenstempel für die heutige Sintflut des Unglaubens und der Sittenlosigkeit zu bedeuten haben, nämlich die Aussöhnung Gottes mit den Menschen, so daß der bürgerlich-soziale, politische und kirchliche Friede nur eine Folge des innerlichen Friedens sein kann. Wer daher am Bau der Kirche mitarbeitet, der hilft in Wahrheit, den Frieden zu fördern, wie der brave Soldat im Felde. Die Bedeutung dieses Tempels soll ein Triumph der wahren Kirche Jesu Christi sein, die von allen übrigen als solche erkannt werden soll. Es war stets ein inniges Verlangen der Bauvereinsmitglieder, nur in engster Zusammenarbeit mit den legitimen kirchlichen Stellen an die Lösung des Bauplanes und Umfangs des Bauprojektes heranzugehen und die Verwirklichung des Kirchenbaues auch unter den Schutz der heiligen Kirche zu stellen.“12

12 „Offenbarungen an Barbara Weigand“ Band 6 Seite 93

Die Entwicklung der Rechtslage des Kirchenbaues von seinen ersten Anfängen, also im Jahre 1903, bis zu der letzten Verlautbarung der zuständigen Bischöflichen Behörde in Würzburg vom 24. Oktober 1925, war zu Zeiten des Aufbruchs dieses erhabenen Bauprojektes umfassend dokumentiert, und zwar in den Anfängen von dem ortsansässigen Pfarrer erstellt, fortgeführt und auch wissenschaftlich und nach dogmatischem Recht bewertet und beurteilt worden. Als unumgängliche notwendige Ergänzung dieser Rechtsdarlegung in Folie mit rund 100 Seiten, so kann man in den unzähligen Schriften, Dokumenten und unveröffentlichten Manuskripten nachlesen, hatte wohl derselbe Priester von Schippach dann noch auf Drängen des ersten Bauvereins für den Schippacher Kirchenbau in einem weiteren äußerst umfangreichen Manuskript von annähernd 800 Seiten in breiter wissenschaftlicher Aufmachung, in welchem er die materielle Seite des Kirchenbaues vom historischen, dogmatischen, mystischen und kirchenrechtlichen Gesichtspunkte aus untersuchte, zusammengestellt und als Untersuchungsergebnis den bezogenen Stellen zugänglich gemacht. Dem Drängen bevorzugter Stellen, dieses Manuskript in einem demselben Thema gewidmeten Buch herauszugeben, um vor allem auch die historische Gegebenheiten ausreichend dokumentiert zu wissen, aber auch das allseitige Interesse des für Schippach und seinen Kirchenbau geneigten Freundeskreises so mehr und besser befriedigen zu können, konnte dieser geistliche Herr seine Zustimmung nicht geben, was sich im Nachhinein als ein äußerster Mangel herausstellen sollte, zumal es ab 1915/16 dann zu sehr erheblichen Verquickungen zweier Bauprojekte kam, nämlich das der St. Antoniuskirche in Schippach, vornehmlich für die beiden Gemeinden Rück und Schippach, und dann die von Barbara Weigand im Auftrage des Herrn geforderte Sühne- und von dem zuständigen Bischof von Würzburg, S. Exz. Bischof Ferdinand Schlör, verlangte Wallfahrtskirche, auch Welt- und Friedenskirche und Sakramentskirche etc. genannt.

Als sich dann im Jahre 1914 die ersten Schwierigkeiten seitens der staatlichen Behörden erhoben, als im August des gleichen Jahres die drei bauleitenden Herren in französische Gefangenschaft gerieten, als im Jahre 1916 die Einstellung des Baues verfügt wurde, verlor unsere Schippacher Jungfrau und Vorkämpferin keinen Augenblick ihren sprichwörtlichen Mut und Hoffnung, daß sich die Heilandsworte auch in diesem Punkte erfüllen werden. Niemals hat sie die Hoffnung, daß Gott ihr aufgetragenes Werk zum Siege führen werde, aufgegeben. Zu einer Zeit, als die Baustätte seit Jahren verwüstet, verwildert und verlassen dalag, hören wir die Stimme der Greisin: „Wenn ich’s nit mehr erlebe, dann schau ich von drowe zu, denn mei Kerch werd doch noch fertig.“ 13

13 „Offenbarungen an Barbara Weigand“ Band 7 Seite 487

Das ist dieselbe Zuversicht und Gelassenheit, die sie auch bezüglich ihrer Gesichte auszeichnet. So betet sie: Ja, Herr, ich übergebe Dir meine Seele mit all ihren Kräften, mein Herz mit all seinen Neigungen, meinen Leib mit seinen fünf Sinnen, und was Du noch vorhast mit mir, ich weiß es nicht, aber so viel weiß ich, daß ich das nicht verdient habe, was Du an mir tust. Obwohl alles ja ganz anders geht, wie ich es haben will und möchte, so muß ich Dir doch offen gestehen, daß ich gar nicht würdig bin, was Du an mir tust. Mag auch die ganze Welt mich verachten und alle Menschen mich verschmähen, wenn ich auch von keinem Beichtvater mehr angenommen werde, wenn Du mir nur treu bleibst und ich für Dich leiden darf, dann habe ich genug. Nur eines bitte ich Dich, o Herr: Laß mir doch ein Plätzchen, wo ich mich verbergen kann. Ich will nichts als Dich und nur Dich allein, und laß mir meine beiden Freundinnen. O mein Jesus, laß sie wenigstens erkennen, daß ich nichts suche als Dich! Gib, daß wir vorwärtsschreiten auf dem Weg der Vollkommenheit, daß wir uns nie mehr irremachen lassen, wenn es auch allen Anschein hat, als sollten wir nicht zum Ziel kommen. Siehe, wir suchen nur Dich! Reiche uns die Hand, stärke unseren Glauben, festige unsere Hoffnung, erwärme unsere Liebe, daß wir nichts mehr lieben als Dich und nur Dich allein.14

14 „Offenbarungen an Barbara Weigand“ Band 1 Seite 158

Es geht aber auch um die Person des H. H. Dr. Vitus Brander und seine unfaßbaren Entgleißungen und Verspottungen der Schippacher Sache, voran der Schippacher Jungfrau und Seherin Barbara Weigand selbst, die in den Jahren ihres Wirkens auch schon als die „Spessartheilige“ im Volksmund große Bekanntheit und Bewunderung erfahren hat. Sein wahrlich abscheuliches menschliches Fehlverhalten, Verirrungen und zerstörerisches Wirken gegen die Schippacher Sache, bedarf dringend der historischen Aufarbeitung und daraus schlußfolgernd eine neue kirchliche Standortbestimmung, die das Leben und Wirken der frommen Jungfrau in Würde und Wahrheit angemessen beschreibt und angemessen würdigt.

Während ich diese Angelegenheit aufarbeitete, fiel mir ein Brief Dr. Branders an den Neffen der Barbara Weigand, an den H. H. Kaplan Josef Weigand in die Hände, den zu veröffentlichen es sich wahrlich lohnt, um auch mit diesem Dokument den Beweis einer geballten Kampagne gegen das Schippacher Werk darzutun und auch Form und Inhalt, wie er versucht, ihm verpflichtete Menschen, in diesem Falle einen seiner früheren Seminaristen des Würzburger Priesterseminars, in seinem Sinne zu beugen und hörig zu machen.

Hier der Brief in ungekürzter Form. Der Brief stammt vom 26. Februar 1916 und beginnt mit der Anrede „Lieber Herr Cooperator! Die letzten Tage haben Ihnen Aufregung gebracht in Sachen Ihrer Tante. Es drängt mich, Ihnen Aufklärung zu geben und zugleich, um Ihre energische Mithilfe zu bitten. Ich war ein Glied der Prüfungskommission und habe und hatte ungefähr 26 Hefte der Offenbarungen in meiner Hand. Viele Tage saß ich darüber, ebenso Herr Prof. Zahn über anderen Teilen. Sie wissen, daß Prof. Zahn eine Autorität auf diesem Gebiete der Mystik ist und ein Lehrbuch geschrieben hat. Er äußerte sich, daß er sein Leben für die Unechtheit verpfänden könne. Nicht weniger fest ist mein Urteil: Es steht mit absoluter theologischer Sicherheit fest, daß die Offenbarungen Ihrer Tante nicht von Gott kommen. So wenig, als der Tag Nacht und die Sonne Finsternis und Christus Belial und Wahrheit Lüge ist. Woher die Offenbarungen dann kommen, das ist die zweite untergeordnete Frage; nach meiner Meinung infolge Krankheit, wie das der Mainzer Bischof bereits am 28. Juni 1896 aussprach. Gott kann nicht lügen und fehlen! Nun werden aber in den Offenbarungen nicht eine, sondern viele Irrlehren als Aussprache Christi, Marias und der Heiligen aufgeführt. Ja, es sind sogar die Grundideen der Offenbarungen direkt häretisch und unter sich zu einem ganzen System von Irrlehren verarbeitet und zusammengeschlossen. Der Liebesbund (nicht, wie die Statuten es sagen!), so wie ihn sich Ihre Tante denkt und wie er in den Schriften zum Ausdruck kommt, ist bereits eine häretische ecclesiola in ecclesia, der Beginn einer Sektenbildung. Jedes Mitglied steht vor der Frage: Will ich in der alten Kirche bleiben, oder will ich einer neuen Irrlehre anhangen? Bevor ich Ihnen einzelnes aufzähle, darf ich Ihnen versichern, daß mich weder „Menschenfurcht“, noch „Liebäugeln mit der Welt“, wie es sooft in den Schriften den Gegnern (und sogar Priestern und Bischöfen) Ihrer Tante vorgeworfen wird, zu diesem Urteil bestimmen, sondern der eine Tatsachenbefund, wie er vor Gott und dem Gewissen vorliegt. Ich versichere Ihnen, daß ich unter anderen Umständen ebenso gar Ihrer Tante wie Bernadette von Lourdes glauben würde.

Ich will Ihnen einige Glaubensirrtümer aufzählen:

1.
Die Heiligen Schrift, das kirchliche Lehramt, sogar das Mittleramt Christi, das katholische Priestertum, reichen nicht mehr hin, unsere Zeitepoche zu retten, weil sie zu tief im Unglauben versunken sei. Eine Rettung ist nur möglich durch ein außerordentliches Eingreifen Gottes, und das liegt vor in den Offenbarungen Ihrer Tante und der Stiftung und Ausbreitung des Liebesbundes.

2.
Ihre Tante, bzw. die ihr von Christus in den Mund gelegten Aussprüche lehren ganz unzweideutig, daß Christus in der heiligen Eucharistie bis zum Ende der Welt schrecklich leiden muß. Sie spricht vom „eucharistischen Kreuz Jesu“ und nennt sich und die Liebesbundmitglieder oft „eucharistische Kreuzträger!“ Vergleichen Sie über diese Frage die Debatte im Februar-Heft der „Eucharistia“ und schlagen Sie überhaupt zu all den Punkten Ihre Lehrbücher der Dogmatik nach.

3.
Obwohl Christus in der Eucharistie als Mensch leiden muß, ist er doch auf der anderen Seite als Gott leidensunfähig, kann nichts mehr für uns verdienen. Ihre Tante meint, auch für die applicatio fructuum redemptionis bedürfe es eines neuerlichen Leidens, daher brauche Christus Mithelfer, die sühnen und sich einsetzen für andere, weil Christus nicht mehr könne. Durch die Kommunion werde man förmlich ein Christus und dann könne man an Stelle Christi für andere Genugtuung leisten. Ihre Tante (bzw. der „Christus“ der Offenbarungen) nimmt an, daß gegenwärtig „Sühne“ – satisfactio vicaria ist!! Nun wissen Sie aus der Dogmatik, daß weder ein Engel, noch ein Mensch satisfactio vicaria leisten kann. Ich will Ihnen nur eine Stelle als Beleg aus den Offenbarungen anführen: Nr. 285 (1900 Sept. X., S. 118) ruft Christus:
„Helft mir, diesen Kampf kämpfen. Stellt euch neben die Barmherzigkeit und kämpft gegen die Gerechtigkeit! Sagt Meinem Vater: Siehe, anstatt Deines lieben Sohnes stehen wir jetzt vor Dir. Sieh, Dein Sohn kann nicht mehr verdienen; wir sind aber Seine Brüder und Schwestern, uns hat Er jetzt Seine Gewalt übertragen, wir haben Seine Macht überkommen.“ Ihre Tante, bzw. ihr „Christus“, legt die Stelle Pauli Kol. 1,24 ständig in einem Sinne aus, den Thomas von Aquin als häretisch bezeichnet.

4.
Das Verhältnis der Eigenschaften Gottes zueinander wird in einer Weihe aufgefaßt, die ebenfalls häretisch ist. Gott ist simplex omnino! Wie verträgt sich damit zum Beispiel die Stelle (Nr. 116 vom 17.6.1897):
Christus: „Ich muß Meine Gerechtigkeit durch Meine Barmherzigkeit überbrücken und das fällt Mir entsetzlich schwer!“

5.
Der Glaube an ihre Privatoffenbarungen wird als „lebendiger Glaube“ bezeichnet; er wird neben di fides divina atque catholica gestellt; ihre Schriften neben und über das Evangelium; sie seien inspiriert, sie selbst stellt sich neben die Propheten im Alten Bund und die Apostel im Neuen Bund; sie macht Maria faktisch zum Papst der Urkirche und, was noch ärger ist, sich selbst und ihren Anhang zu deren Nachfolgerin.

6.
Der Grundirrtum.. ist die Verwechslung zwischen religiös und mystisch, sakramentalen und ekstatischen.

7.
Es wird eine Allwissenheit Marias im Mutterleib angenommen, ebenso eine gewisse Allwissenheit des Teufels. Dogmatisch höchst bedenklich sind ferner die „Fegfeuer“, die „Massenbefreiungen“ der Armen Seelen, der Schutzengelwechsel! Dazu kommen noch eine Reihe von biblischen, historischen, liturgischen Irrtümern, welche alle Christus und den Heiligen in den Mund gelegt werden. Gegen die Wahrhaftigkeit Gottes widerstreiten ferner die vielen Übertreibungen, unerfüllte und falsche Vorhersagen, Widersprüche. Zum Beispiel im Mai, sagt angeblich Maria einer Frau die Geburt eines Knäbleins voraus und im Juli kommt ein Mädchen auf die Welt! Was soll man sagen, wenn es in den Offenbarungen dazu heißt: „Der Herr hielt nicht Wort, sondern überließ uns dem Gelächter der Verwandten.“ Ihre Tante beginnt an diesem Tage das Gespräch also: „O Herr, ich hab gar keine Lust mehr, ich klage nicht mehr, aber ich glaub´s auch nicht mehr, wenn Du auch noch Deinen Spott mit mir hast.“ Was Jesus darauf antwortet, ist gerade Blasphemie, nämlich: Jesus Lieblinge müßten Seinethalben auch Spott aushalten können als Mitgehilfen Seines Berufes! Also, Gott lügt, um andere in der Verdemütigung zu üben. Der Zweck heiligt die Mittel! Nach der Belehrung fragt dann Jesus: „Und nun, Meine Kleine, bist du Mir noch böse, weil Ich dir den Streich gespielt?“ So wirft sich die Majestät Gottes doch nicht weg!

Sie haben vielleicht schon von dem Leo Tavil-Schwindel in den Jahren (1896/7) gehört. Dieser getriebene Mann legte damals die höchsten kirchlichen Kreise herein, indem er vorgab, daß eine gewisse Miss Diana Vaughan aus dem Freimaurertum zur Kirche zurückgekehrt sei und gräßliche Enthüllungen aus dem Freimaurerleben gemacht habe. Endlich erklärte der Erzschwindler in einer Versammlung zu Paris, die einberufen war, um die Miss endlich vorzuführen, vor Prälaten und Kirchenfürsten, daß er die ganze Sache von A-Z erfunden habe, und die höchsten kirchlichen Kreise waren damals bloßgestellt. Und nun läßt sich Ihre Tante, während jene Geschichte spielte, vom Herrn sagen, daß Miss Diana lebe und den und den Charakter und die und die Motive zur Konvertitin habe! Nun erst das viele Anstößige und Unschickliche, das nicht einmal unter gesitteten Menschen, geschweige denn bei dem allweisen und allheiligen, unveränderlichem Gott vorkommen darf, zum Beispiel Schimpfwörter wie Dummkopf, Simpel, Schwachkopf! Letzterer Ausdruck wäre nach den Visionen im Himmel besonders beliebt; denn sowohl Gott Selbst als Maria, der hl. Franziskus, St. Michael gebrauchen das Schimpfwort gegen Bischöfe, Priester etc.. Wenn Sie sich einmal in einem guten Buch kurz und bündig über die Kennzeichen von wahren und falschen Offenbarungen unterrichten wollen, dann lesen Sie das Werk des französischen hochwürdigen Jesuiten Poulain „Die Fülle der Gnaden“, ein Handbuch der Mystik. (In deutscher Übersetzung bei Herder, 2 Bändchen, gebunden 7 M 60 Pfg.) Lesen Sie besonders den II. Band, 21., 22. und 23. Kapital (S. 31 - 141). Als Theologe und nächster Verwandter müssen Sie ein Urteil in dieser Sache haben.

Es ist ganz ausgeschlossen, daß Rom je solche Offenbarungen approbieren wird. Rechnen Sie damit als mit einer sicheren Tatsache! Wenn auch nur einer dieser Verstöße, wie sie massenweise in den Offenbarungen vorkommen, vorhanden wäre, könnten die Offenbarungen nicht approbiert werden von Rom. Die Bischöfe, welche den Liebesbund approbierten, haben die Schriften in ihrer Gesamtheit ganz gewiß nicht geprüft. Aus einzelnen losen Blättern kann man Privatoffenbarungen nicht beurteilen.

Was aber nun, lieber, lieber Herr Cooperator? Die Sache hat nun schon so weite Kreise gezogen und wir stehen vor einer zweiten Auflage des Leo Tavil-Skandals. Der Unglaube kann jubeln, daß kirchliche Kreise und Behörden und das gläubige Volk, brave, gebildete Laien in unerhörter Weise bloßgestellt sind. Das Ordinariat wird und muß die Öffentlichkeit aufklären, und ich glaube, daß der Nuntius sogar dazu drängen wird, denn auch Rom wird seine Entscheidung angesichts der ganzen Welt fällen und energischer vorgehen als je ein Bischof! Mit den Offenbarungen steht und fällt Liebesbund und Kirchenbau. Was jetzt tun? Lieber Herr Cooperator! Ich gebe Ihnen den dringenden Rat, aus Liebe zu unserer heiligen Mutter, der Kirche, aus Liebe zu dem Gott der Wahrheit, der nicht Lügen und Irrtümer duldet in Seiner Kirche, legen Sie Ihrer Tante nahe, sich völlig zurückzuziehen aus der Öffentlichkeit und unbedingt jede weitere ekstatische Tätigkeit aufzugeben. Sie möge sich vom Kirchenbau völlig zurückziehen, ebenso aber auch der Kirchenbauverein. Die Leute in RückSchippach mögen ihre Pfarrkirche von dem gesammelten Geld haben, aber ohne jede Beziehung auf Ihre Tante; den Rest des Geldes kann Ihre Tante zu anderen guten Zwecken geben, damit das angerichtete Unheil – ein solches ist es bereits in der Kirche – wieder gutgemacht wird. Lieber Herr Cooperator! Überlegen Sie das Geschriebene vor Gott und dem Gewissen. Es handelt sich um wichtige Dinge! Sie sind mit berufen, der Kirche zu Hilfe zu kommen. Sehen Sie, auch ich habe bis zur Grenze meiner Leistungsfähigkeit und Gesundheit, mich aus Liebe zur Mutter, der Kirche, der Prüfung der Offenbarungen gewidmet. Ich habe ein freies Wort an Sie für notwendig gehalten.

Es grüßt Sie herzlich Ihr in Liebe ergebener Subregens Dr. Brander.“


Aufgrund meiner inzwischen seit beinah dreizehn Jahren durch vieles Lesen und Studium der Schippacher Schriften und vielfachen Erfahrungen kann ich mit gutem Gewissen die Behauptung aussprechen: Die bewußte Gegnerschaft gegen Schippach ist immer auf einen Mangel von kirchlichem Geist und auf eine unkirchliche Haltung in irgendeinem Punkte zurückzuführen. Priester und Laien, die nicht bloß äußerlich korrekt, sondern mit innerlicher Wärme treu zu Papst und Kirche stehen und sich nicht auf den Buchstaben des Gesetzes beschränken, sind ohne weiteres Freunde von Schippach. Selbstverständlich beobachten diese die durch die Rücksicht auf die Autorität der kirchlichen Behörden gebotene Zurückhaltung in jeder Beziehung, aber ihre Überzeugung von der Echtheit von Schippach kann man ihnen nicht nehmen. Es ist bezeichnend, daß selbst in der Diözese Würzburg auch heute noch ein Teil des Klerus unerschütterlich an Schippach festhält, weil ihm die widerspruchsvolle Haltung seines Ordinariats doch zu auffallend ist.
Immer wieder treffe ich in Gesprächen auf Priester, sowohl Weltpriester wie auch Ordenspriester, aber auch fromme Ordensleute und unzählige Gläubige, die sich mir als Freunde von Schippach zu erkennen geben und die mir Mut machen, weiterzumachen und nicht aufzugeben. Aber auch in den oftmaligen Predigten der Würzburger Bischöfe habe ich stets guten Willen und auch einen inneren Respekt vor der Lebensleistung Barbara Weigands erkennen können. Man wird begreifen, daß meine Aufgabe und Stellung inmitten so vieler Gegensätze, keine leichte und angenehme ist. Ich fühle mich durch mein umfängliches Wissen über die wahren Hintergründe der Schippacher Sache verpflichtet, auf der einen Seite das Recht und die Wahrheit zu vertreten, und auf der anderen Seite muß ich auf die kirchliche Autorität die gebührende Rücksicht nehmen. Zwar wird meine Rolle darin von modernistischen Priestern stets angezweifelt und auch ein jüngst an mich gerichtetes bischöfliches Wort bestärkt meine Vermutung darin, daß ich und meine Arbeit nicht willkommen sind, aber zugleich verstärkt sich in mir die innere Wahrheit und der Anruf an mich, unerschrocken und demütig, aber zugleich auch bestimmt und authentisch in dieser Schippacher Sache aufzutreten, ob gelegen oder ungelegen, und die Schippacher Sache weiter zu vertreten. Wenn es mir bisher gelungen ist, durch diese gefährlichen Klippen immer glücklich hindurch zu steuern, so verdanke ich dies wohl einer besonderen Führung und Fügung Gottes, der Sein Werk durch mein unnützes Wirken nicht in Gefahr bringen wollte. Man wird auch in dieser Tatsache, wie ich es tue, den Finger Gottes erkennen dürfen, zumal Gott es liebt, das Schwache zu erwählen, um das Starke zu beschämen. Meine Aufgabe wäre für einen Laien zu groß, zu schwer, zu gefährlich gewesen, zumal ich meine Unfähigkeit stets vor Augen habe und mich dieserhalb oftmals an den Herrn gewendet und um Abhilfe ersucht habe, aber zugleich auch die Sicherheit und Festigkeit empfinde, daß der Fingerzeig Gottes, Seine Huld und Gnade, auch weiterhin auf Schippach ruhen.

Gebe es Gott.
Aus Freude an der Wahrheit!

Wolfgang Bastian
Herausgeber

Inhaltsübersicht

 

Erster Teil

Allgemeines zur Verurteilung des Schippacher
Kirchenbaues und der Schippacher Offenbarungen.

Erstes Kapitel

Das corpus delicti

Rufen wir uns folgendes bekanntes Geschehen in Erinnerung: Im Jahre 1914 hatten glaubenseifrige Priester und Laien mit dem Bau einer Sakramentskirche begonnen. Die Anregung zum Bau gab eine fromme und bescheidene Jungfrau, namens Barbara Weigand aus Schippach in der Diözese Würzburg. Zur Errichtung der Kirche in dem genannten Orte Schippach war die Gutheißung des Diözesanbischofs erfolgt und die Genehmigung der kirchlichen und weltlichen Behörden eingeholt und erteilt worden. Die Sakramentskirche in Schippach soll in erster Linie ein Denkmal des Dankes sein, den der ganze katholische Erdkreis der göttlichen Vorsehung schuldet für die herrlichen Kommuniondekrete, die der große Papst Pius X.15 als auserwähltes Werkzeug Gottes der Welt zu ihrem Heile und zu ihrer Rettung geschenkt hat. Was Papst Pius X. der Welt verkündete, das ist in den Privatoffenbarungen der Barbara Weigand schon Jahre vorher als der Wunsch und Wille Gottes ausgesprochen. In zweiter Linie soll die Sakramentskirche in Schippach für alle kommenden Geschlechter ein sichtbares Mahnzeichen sein. Endlich soll die Sakramentskirche in Schippach als eine Friedenskirche die Menschen an das Gebot des göttlichen Friedensfürsten erinnern: „Liebet einander, wie Ich euch geliebt habe“ und sie aufmuntern, das Reich des wahren Friedens, nämlich „das Reich Gottes in den Seelen durch das wirksamste Mittel, den öfteren Empfang der heiligen Kommunion, immer mehr auszubreiten und immer mehr zu erhöhen.“ Nach der Weisung des Papstes Leo XIII.16  wurde zum Patron der Sakramentskirche der Patron aller eucharistischen Vereine und Werke, der hl. Paschalis Baylon17 erwählt.

15 Giuseppe Melchiorre Sarto, * (2. Juni 1835 in Riese, Provinz Treviso; † 20. August 1914 in Rom) war von 1903 bis 1914 Papst der römisch-katholischen Kirche und wurde von Pius XII. 1954 heilig gesprochen. Pius X. wurde als „konservativer Reformpapst“ bezeichnet. Außer Pius IX. ist der hl. Pius X. der einzige Papst im 19. und 20. Jahrhundert, der keinen akademischen Titel erwarb (weder Dr. jur. noch Dr. theol.) und der erste Papst seit dem hohen Mittelalter, der seine „Laufbahn“ als Landpfarrer begann (Pius IX. war, einzige weitere Ausnahmeerscheinung, anfangs geistlicher Leiter eines Waisenhauses). Die traditionalistische Piusbruderschaft beruft sich namentlich auf diesen Papst. Geboren wurde Pius X. als Giuseppe Melchiorre Sarto in Riese, das politisch zu der Provinz Venetien gehört, kirchlich dem Bischof von Treviso untersteht und bis 1866 unter österreichischer Herrschaft war. Nach zwei Jahren Volksschule in Riese wurde er auf das Gymnasium nach Castelfranco Veneto geschickt. 1850 trat er in das Priesterseminar zu Padua ein und er empfing 1858 das Sakrament der Priesterweihe, 1875 wurde er Domherr in Treviso, 1884 Bischof von Mantua, 1893 Erzbischof und Patriarch von Venedig und fast gleichzeitig Kardinalpriester mit der Titelkirche San Bernardo alle Terme. Am 4. August 1903 wurde er nach viertägigem Konklave zum Nachfolger von Papst Leo XIII. gewählt. Die Wahl erfolgte im siebten Wahlgang. Noch zu Beginn des Konklaves hatte der Kardinalstaatssekretär Mariano Rampolla del Tindaro als aussichtsreichster Kandidat gegolten. Tatsächlich erhielt Kardinal Rampolla in den ersten drei Wahlgängen auch jeweils die meisten Stimmen, wenngleich keine zur Wahl ausreichende Mehrheit. Nach dem zweiten Wahlgang ließ Kaiser Franz Joseph durch den Bischof von Krakau Kardinal Jan Puzyna de Kosielsko ein Veto Österreichs gegen eine etwaige Wahl Rampollas erklären. Ob dies aber tatsächlich der Grund für die spätere Wahl Kardinal Sartos war, läßt sich nicht überprüfen. Er wurde trotz heftiger persönlicher Gegenwehr im siebten Wahlgang gewählt und nahm den Namen Pius an, den zuletzt der Papst des Unfehlbarkeitsdogmas, Pius IX., getragen hatte. Die Krönung fand am 9. August 1903 im Petersdom statt. Pius X. begann sein Reform-Pontifikat mit dem Motu proprio Tra le sollecitudi- ni zur Hebung der Kirchenmusik. Er reformierte die Römische Kurie, widmete sich der Katechese und den Priesterseminaren und leitete eine Reformgesetzgebung ein. Auf doktrinärer Ebene verurteilte er den Modernismus in mehreren Veröffentlichungen, unter anderem 1907 in dem Dekret des Hl. Offiziums Lamentabili und in der Enzyklika Pascendi Dominici Gregis. Im Jahr 1910 führte er den Antimodernisteneid ein, der 1967 durch ein Glaubensbekenntnis ersetzt wurde. Von der pastoralen Zielsetzung des kirchlichen Lehramts überzeugt, ging er einerseits als unbeugsam antimoderner Papst in die Geschichte ein, andererseits führte er im innerkirchlichen Bereich durchgreifende Reformen von bleibendem Wert insbesondere in Bezug auf die Eucharistie durch, für deren Feier er als Prinzip die participatio actuosa (lebendige Teilnahme) des Volkes formulierte, das dem Gottesdienst weitgehend passiv beiwohnte. Dieses Prinzip wurde später vom Zweiten Vatikanischen Konzil aufgegriffen. Berühmt wurde Pius X. u. a. durch die Empfehlung des täglichen Kommunionsempfangs sowie durch die Zulassung der Kinderkommunion. Sein Anliegen war es, der Religion eine größere gesellschaftliche Wirksamkeit zu verschaffen. Vorgänger war Papst Leo XIII.; sein Nachfolger Papst Benedict XV. (entnommen Wikipedia).
16 Papst Leo XIII. (Vincenzo Gioacchino Pecci) (* 2. März 1810 in Carpineto Romano; † 20. Juli 1903 in Rom) war von 1878 bis 1903 Papst. Leo XIII. ist als ausgesprochen politischer Papst in die Geschichte eingegangen. Die von vielen gefürchtete Dogmenhäufung nach der Unfehlbarkeitserklärung blieb jedoch aus. Wohl aber kann man Leo XIII. den ersten Enzyklikenpapst nennen, verfaßte er doch immerhin 86 dieser päpstlichen Rundschreiben. Sein Ziel war es, die Kirche aus ihrer selbstgewählten Isolierung gegenüber den neuzeitlichen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen herauszuführen, jedoch war er von der Notwendigkeit einer „zeitlichen Macht“ (Kirchenstaat) des Papstes überzeugt. Wegen seiner Anteilnahme an sozialen Fragen wurde er auch mit dem Attribut „Arbeiterpapst“ und dem Beinamen „der Soziale“ bekannt. Er verfaßte die erste explizite Sozialenzyklika. Die Krönung Leos XIII. erfolgte am 3. März 1878 in der Sixtinischen Kapelle. Seine angeschlagene Gesundheit schien auf ein Übergangspontifikat hinzudeuten. Die Wahl des Papstnamens Leo war als Zeichen der Verehrung für Leo XII. gewählt, aber auch ein Signal für den von ihm angestrebten Wandel in der Stellung des Papsttums. Die berühmte Enzyklika Rerum Novarum (1891) begründete den Ruf Leos XIII. als „Arbeiterpapst“. Der Papst entwickelte mit dieser Enzyklika eine Lehre von der menschlichen Person und ihren Rechten, von der Ordnung der Wirtschaft, von der Koalitionsfreiheit der Arbeiter und der sozialen Verpflichtung des Staates. Seitdem kann man von einer lehramtlich fundierten kirchlichen Soziallehre sprechen. Diese Enzyklika wird als die „Mutter aller Sozialenzykliken“ betrachtet, die nachfolgenden Päpste gedachten ihrer mit „Fortentwicklungsenzykliken“. Leo XIII. förderte die Verehrung des Herzens Jesu, dem er im Jubiläumsjahr 1900 die gesamte Menschheit weihte. Ebenso war er Promotor der Marienfrömmigkeit, insbesondere des Rosenkranzes. Im Zuge seiner Marienfrömmigkeit veröffentlichte er alleine sieben Enzykliken zum Rosenkranz. Leo XIII. wurde nach seinem Tode als bisher letztem Papst sämtliche Organe entnommen. Sein Nachfolger, Pius X. (1903-1914) wünschte dies ausdrücklich nicht. Seitdem ist diese Praxis ausgestorben. Allerdings flammte die Diskussion 2005 wieder auf, als Polen das Herz des verstorbenen Johannes Pauls II. umwarb. Das Kardinalskollegium blieb allerdings bei der von Pius X. getroffenen Entscheidung und lehnte derartige Wünsche ab. Die Entnahme von Organen ist somit erst nach einer Kanonisation möglich. Diese werden dann als Reliquien verehrt. Sein Vorgänger war Papst Pius IX.; sein Nachfolger Papst Pius X. (entnommen: Wikipedia).
17 Paschalis Baylon (* 16. Mai 1540 in Torrehermosa, Spanien; † 17. Mai 1592 im Kloster Villareal bei Valencia) war ein Laienbruder im Franziskanerorden und ist ein Heiliger der römisch-katholischen Kirche. Paschalis Baylon mußte schon im Kindesalter bei einem Gutsherrn als Hirte arbeiten, um zum Unterhalt seiner Familie beizutragen. Er brachte sich selbst das Lesen und Schreiben bei. Mit siebzehn Jahren lernte Paschalis den Franziskanerorden kennen und war von der Spiritualität der Gemeinschaft sofort begeistert. Er kündigte die Stellung bei seinem Gutsherrn und bewarb sich um die Aufnahme in den Orden. Nach einer mehrjährigen Probezeit wurde er 1564 als Laienbruder im Kloster Monforte aufgenommen. Paschalis zeichnete sich durch tiefe Demut, große Opferbereitschaft und eine tiefe Liebe zu den Menschen aus. Er arbeitete in verschiedenen Klöstern seines Ordens und widmete sich mit besonderer Hingabe der stillen Anbetung in der Klosterkirche. Er starb am 17. Mai 1592 im Kloster Villareal bei Valencia. An seinem Grab sollen sich in der Folgezeit zahlreiche Wunder ereignet haben. Paschalis Baylon wurde im Jahre 1690 heilig gesprochen. Papst Leo XIII. bestimmte ihn im Jahre 1897 zum Patron aller eucharistischen Vereine und Bruderschaften. Darüber hinaus wird Paschalis Baylon auch von den Hirten und Köchen als Patron verehrt. Die Reliquien des Heiligen wurden 1936 während des spanischen Bürgerkrieges verbrannt. Paschalis Baylon ist auch der Schutzpatron des „eucharistischen Liebesbundes des göttlichen Herzens Jesu“ sowie auch des meines Schriftenapostolates (teilweise entnommen aus Wikipedia).

Mit größter Freude und heiligstem Eifer wurde die Anregung zum Bau dieser Dankes-, Gedächtnis- und Friedenskirche in weiten katholischen Kreisen aufgenommen. In Deutschland, Österreich, Ungarn, in der Schweiz, in Holland, Belgien und Luxemburg, kurz überall, wohin die Kunde davon drang, fanden sich begeisterte Freunde und opferwillige Spender für die Sakramentskirche. Es waren seeleneifrige Priester, die sich glücklich schätzten, infolge der Kommuniondekrete eine „edle und heilsame Propaganda“ für die tägliche Kommunion und für die Kinderkommunion entfalten zu dürfen, und es waren Laien, hoch und niedrig, die, den Weisungen des heiligen apostolischen Stuhles freudig gehorsam, in der öfteren heiligen Kommunion „die göttliche Medizin zur Heilung ihrer Schwächen und Fehler“ gefunden zu haben. Alle diese Freunde und Wohltäter der Sakramentskirche hatten nur den einen und sehnlichsten Wunsch, durch die Förderung des Baues der Sakramentskirche Jesus im Allerheiligsten Altarsakrament ihre Verehrung und Huldigung darzubringen, ein offenes Bekenntnis ihres katholischen Glaubens und ihrer Zugehörigkeit zur heiligen katholischen Kirche abzulegen und ihre unverbrüchliche, unwandelbare Treue zum sichtbaren, wahren und einzigen Oberhaupte der Kirche, dem römischen Papste, zu bekunden. Mitten im Herzen von Deutschland und in einer glaubenslosen, vom Indifferentismus, Rationalismus und Materialismus ausgefüllten Zeit errichtet, soll die Sakramentskirche als Heilands- und Papstkirche erstehen und den Un- und Irrglauben gemahnen, daß nur in dem lebendigen Glauben an einen persönlichen Gott, an Jesus Christus, den König der Könige, und im Anschluß an den Papstkönig zu Rom das Heil zu finden ist. Die Begeisterung an dem Vorhaben war anhaltend groß, wie sich namentlich aus der Höhe der von allen Seiten einlaufenden Gelder ersehen und auch heute noch nachvollziehen läßt. Aber nicht nur dem Auftrag des Herrn gemäß sollte diese Kirche gebaut werden, sondern auch aus der Kirchennot der beiden Pfarrgemeinden Rück und Schippach, denen es seit über zehn Jahren ein dringendes Bedürfnis war, endlich eine geräumige Kirche zu haben, die dann auch als „Sakramentskirche von Schippach“ im Bauplan figurierte. Die anfänglich in kleinerem Maße gehaltene Anlage erfuhr noch während der Fundamentierung eine erhebliche Erweiterung und sollte schließlich ein prächtiger Bau werden. Der Ausbruch des Krieges (1914/18), die Vergrößerung des Bauplanes, die Ersetzung/Veränderung der ersten Fundamente durch größere und leistungsfähigere, die Inhaftierung des auf einer Reise befindlichen Architekten durch die französische Polizei, eigentlich eine Gefangennahme unter Kriegsbedingungen, ließen die Fortführung des Baues wider Erwarten länger hinausschieben als geplant war. Aber diese Schwierigkeiten wurden doch überwunden, Material und Geld floß von allen Seiten bei und im Herbst 1915 war damit zu rechnen, daß trotz der Not der Zeit die Fertigstellung in absehbarer Zeit zu erhoffen sei. Kirchliche und staatliche Behörden hatten die Bauerlaubnis gegeben und freuten sich des edlen Werkes.

Schon am 31. Mai 1913 hatte der damalige hochselige Bischof von Würzburg, Ferdinand von Schlör,18 zu dessen Bistum Schippach gehörte, bei einer kanonischen Visitation der Gemeinde von der Kanzel herab eben diesen Kirchenbau begrüßt und seine Konstituierung als Wallfahrtskirche in Aussicht gestellt. Die beteiligten Behörden hatten ihre Zustimmung erteilt, wie das Bischöfliche Ordinariat Würzburg am 2. Oktober 1914 ausdrücklich erklärte: „Die diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen sind unseres Wissens von den beteiligten Behörden getroffen worden und wird deren Einhaltung überwacht“.19
Noch im September 1915 fand dasselbe Ordinariat warme Worte der Anerkennung des Baues und wünschte seine Fertigstellung sehnlichst herbei. Es waren nämlich da und dort böswillige Verdächtigungen ausgesprengt worden, als ob der Kirchenbau der Bischöflichen Behörde gar nicht genehm sei. Obwohl ja der Diözesanbischof selber den Kirchenbau in aller Öffentlichkeit und Feierlichkeit begrüßt und das Bischöfliche Ordinariat die förmliche Genehmigung gegeben hatte, erschien es dem Vorstand des Kirchenbauvereins der Schippacher Sakramentskirche doch wichtig, sich der Stellungnahme der zuständigen Kirchenbehörde noch einmal zu vergewissern. Wie nicht anders zu erwarten, versicherte das Bischöfliche Ordinariat als zuständige Kirchenbehörde den Bauverein seiner rückhaltlosen Freude an dem im Entstehen begriffenen Bauwerke und gab diesen wohlwollenden Standpunkt dem gesamten Klerus im Amtsblatt zur Kenntnis „um jeden Zweifel über unsere Stellungnahme gegenüber dem Unternehmen auszuschließen“. Der Wortlaut des Originalschreibens ist denn auch über jeden Zweifel erhaben: „Wir stehen keinen Augenblick zu erklären, daß es uns nie und nimmer unangenehm sein kann, wenn ein gesetzlich anerkannter Verein mit einwandfreien reellen Mitteln auf sein eigenes Risiko hin den Bau einer Sakramentskirche in unserer Diözese erstrebt. Wir können nur wünschen, daß er die Schwierigkeit nicht unterschätzt und daß ihm sowohl der Kirchenbau selbst wie seine Zuführung zu dem erhabenen Zwecke gelingen möge. Im übrigen wünschen wir Ihnen Gottes Beistand zu dem schwierigen Unternehmen“.
20

18 Ferdinand von Schlör, ernannt von Prinzregent Luitpold am 5. März, präkonisiert am 24. März, konsekriert am 22. Mai 1898, gestorben am 2. Juni 1924. Nachfolger als Apostolischer Administrator Jakobus (von) Hauck, Erzbischof von Bamberg, vom 7. Juni 1920 bis 30. November 1924; sodann als 90. Bischof von Würzburg Matthias Ehrenfried, 1924 bis 1948.
19 Diözesanblatt 1914 S. 215
20 Diözesanblatt 1915 S. 231 ff.

So und nicht anders stand die Sache des Kirchenbauwerkes in Schippach hoch erfreulich. Es kann nachgeschlagen werden in den gemeindlichen Analen, daß die einheimische Bevölkerung wetteiferte in der tatkräftigen Mitwirkung zu dem Bauwerke, „Greise und Kinder halfen ebenso mit wie die von der Einberufung noch verschont gebliebene Männerwelt. Die Wohltäter sandten von allen Seiten ihre Gaben, Waggon um Waggon rollte das Material heran; kundige Steinmetzen meißelten und feilten kunstgerechte Zierarten an den massiven Blöcken des tadellosen weißen Gesteins; Alt und Jung erfreuten sich am Wachsen des Bauwerkes, die armen Leute hatten Verdienst in nächster Nähe der Familie: kurz, es herrschte wirklich heilige Begeisterung auf der Kirchbaustätte in Schippach.“21

21 Diözesanblatt 1915 S. 231 ff.

Alle Schwierigkeiten waren behoben: Der Berg war abgegraben, das Fundament gelegt, das Material war angefahren und zubereitet, Kies, Sand, Zement, Backsteine lagen in großen Mengen bereit; die gewaltigen eisernen Träger waren an Ort und Stelle, Werkzeuge und Maschinen einer weltweit bekannten Baufirma aus Oberursel (Hessen) waren in Tätigkeit, über 120.000 Goldmark waren dafür bereitgestellt worden und der größte Teil der Kosten war bereits bezahlt, da trat im November 1915 unerwartet ein großes Hindernis ein. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel erschien im Amtsblatt der Diözese Würzburg am 12. November ein Erlaß des Bischöflichen Ordinariates, welcher in lakonischer Kürze die kirchliche Baugenehmigung zurückzog: „Wir sahen uns veranlaßt, die Genehmigung zum Bau einer Sakramentskirche in Schippach unterm 12. November d. Jhrs. bis zur erfolgten Entscheidung Roms zurückzuziehen.“22

22 Diözesanblatt 1915 S. 266

Was war geschehen? So fragte man sich allenthalben. Hatte doch dieselbe Behörde noch sieben Wochen vorher zu dem Werke Gottes Segen gewünscht und wußte um die enormen finanziellen Anstrengungen unzähliger Förderer und Befürworter des Kirchenbaues in Schippach und auch um den bereits erreichten Fortschritt des Bauwerkes in Schippach. Was war geschehen und wie konnte es passieren, daß eine kirchliche Behörde in einer so ernsten Sache ihren früheren Beschluß so radikal und unmenschlich umstieß? Man konnte sich weder im Dorf Schippach, noch in den vielen Kreisen der Schippacher Sache in ganz Deutschland und auch anderswo, noch auf der Baustätte selbst, noch in der ganzen Umgebung den neuerlichen Erlaß erklären und annähernd verstehen, wie es eine Kirchenbehörde überhaupt zustande bringt, eine so ungeheure Sache mit so weitreichender Bedeutung mit einem Federstrich abzutun und sich nicht mehr an ihr zuvor gegebenes Bischofswort erinnern lassen wollte. Die Verwirrung war perfekt und durch nichts mehr zu überbieten. Man konnte das schier Unglaubliche nicht fassen. Wie? Unser Bischof verbietet uns die Kirche, derselbe Bischof Ferdinand, der vor unseren Augen auf der Kanzel stand und uns nachhaltig und eindringlich aufmunterte zu dem großen Werke, daß wir armen Bäuerlein und Taglöhner unsere Äcker zum Bauplan gaben und unsere Mitarbeit am Baugrund unentgeltlich einbringen sollen? Da kann doch etwas nicht mit rechten Dingen zugehen. Was und wer hat Bischof Ferdinand gedrängt, so zu handeln? So stand das arme Volk rat- und führerlos da, so kann man in den Dokumenten23 heute noch nachlesen, umstanden die inzwischen brach liegende Großbaustelle, und konnten es nicht fassen. Als aber einige Wochen später staatliche Behörden und die Polizei anrückten, die Baustelle hermetisch absperrten und die Arbeiter und Firmen zwang, alle Arbeiten einzustellen, so daß die Arbeiter allesamt entlassen werden mußten, es waren weit über 150 an der Zahl, die zum Teil aus großer Entfernung angereist waren und Hals über Kopf Schippach verlassen mußten, da kam es den Beteiligten zum Bewußtsein, daß es mit dem Verbote bitter Ernst geworden war.

23 Dokumente und schriftlicher Nachlaß im Archiv der „Barbara-Weigand-Gesellschaft Schippach“.

Aber noch immer wußte noch niemand, warum denn eigentlich die so notwendige Kirche in Schippach nicht gebaut werden dürfte. Und wie überall, wo die wahren Gründe für eine Maßnahme nicht erkennbar sind, hat die Phantasie und Dichtung freien Spielraum. So auch beim Schippacher Kirchenbau. Die einen wollten wissen, der Staat brauche das viele angesammelte Geld zur Kriegsführung, die anderen hatten gehört, das Material werde für den Ausbau der Stellung an der Front benötigt, wieder andere erzählten sich geheimnisvoll, es habe gar keine Kirche werden sollen, sondern die Franzosen hätten hier eine Festung mit unterirdischen Gräben, wohl Minenstollen, mitten im deutschen Lande errichten wollen; ja selbst der Gedanke fand Nahrung, die Baueinstellung sei auf Betreiben des der katholischen Religion abgeneigten protestantischen Bezirksamtsvorstandes zurückzuführen, und merkwürdigerweise hat sich diese Annahme im Dorfe lange hartnäckig erhalten, namentlich bei jenen Bewohnern, so hieß es, die etwas mehr hinter die Kulissen schauen konnten. Und Würzburg schwieg bis ins Unerträgliche.

Freilich war die Presse nicht so zögerlich, was die Schippacher Sache betraf, und wer die Presse, heimische wie auch beispielsweise die Augsburger Postzeitung etwas verfolgte, hatte schon ahnen können, welches die dunklen Kräfte waren, die den Kirchenbau unterwühlt hatten. Schlag auf Schlag waren nämlich in den Zeitungen Aufsätze mit aufsehenerregenden Titeln über den Schippacher Kirchenbau erschienen, die nichts Gutes ahnen ließen. In der Tagespresse im ganzen Bayernlande, wenige Blätter ausgenommen, in Hessen und im Rheinland, im Schwabenland und in Westfalen, im badischen Lande und in ganz Schlesien, konnte man wütende Artikel gegen den Kirchenbau lesen und man verspürte den zunehmenden Druck und das Trommelfeuer, das alles nur ein Ziel hatte: die Verwerfung des angestrebten Schippacher Kirchenbaues; die Schippacher Kirche sollte und durfte nach dem fadenscheinigen Begehren der schippachfeindlichen Presse nicht fortgesetzt werden. Politische und theologische Fachblätter liehen ihre Spalten den Angriffen gegen den Schippacher Kirchenbau. Wer aber stand hinter diesen gewaltigen und für die Schippacher Freunde so erschütternden Angriffen? Wer hatte die Fäden in der Hand, so darf man sagen, mit denen so viele Kräfte einer sonst konkurrierenden Presse mit geballter Kraft sich vereinigten, wie ungleiche Brüder, um gegen David anzutreten, um gegen ihn wie Goliath zu kämpfen, um ihn ein für allemal zum Schweigen zu bringen? Nun, es war der damals 35-jährige Subregens des Würzburger Priesterseminares Dr. Vitus Brander,24 welcher die in der Tages- und Fachpresse erschienenen Artikel meistens mit offenem Namen zeichnete, während die übrigen Publikationen größtenteils nur der Abklatsch seiner Veröffentlichung waren. Schließlich stellte Dr. Brander alle seine gegen den Kirchenbau ins Feld geführten Argumente in einer eigenen Schrift zusammen, welche im Sommer 1916 in Kirchheim bei Mainz erschien unter dem Titel: „Die Seherin von Schippach, Enthüllungen über ihre Offenbarungen und ihr Werk“, mit Druckerlaubnis des besagten Mainzer Generalvikars, Dr. Selbst. Die Schrift fand reißenden Absatz; sie prangte in sensationeller Aufmachung in den Schaufenstern der nichtkatholischen Buchhandlungen und fand beifällige Buchbesprechungen/Rezensionen in liberalen und sozialdemokratischen Zeitungen. In den Kirchen wurde sie von Hand zu Hand weitergegeben. Man fand sie bald in Schützengräben von Flandern und in den armseligen Feldlazaretten im Osten. Der Erfolg, den die Gegner von Schippach mit ihrer ungeheuerlichen Polemik landesweit erlangten, ließ noch andere Kirchenmänner auf dem Plan erscheinen, und gegen den Kirchenbau in Schippach, wenn auch nachträglich, Sturm laufen. So benützte der Dogmatiker an der Universität Würzburg, H. H. Professor Dr. Zahn, die Neuauflage seiner „Einführung in die christliche Mystik“, um die angeblichen Unterlagen des Schippacher Kirchenbaues abzutun, und der Freiburger hochwürdige Professor Krebs konnte es sich nicht versagen, in seiner auf Veranlassung des Mainzer Generalvikars Dr. Selbst verfaßten Schrift „Grundfragen der kirchlichen Mystik“ dem „Schippacher Ärgernis“ acht Seiten enggedruckten Textes zu widmen, zwar nicht der Bedeutung der Sache halber, wie er souverän bemerkt, sondern vielmehr nur als Schulbeispiel klassischer Aftermystik.

24 Dr. Brander, Vitus, katholischer Theologe und Kirchenhistoriker, * 2. 6. 1880 in Reistenhausen, † 30. 3. 1969 in Würzburg. Am 31. Juli 1904 wurde er in Würzburg zum Priester geweiht. Als junger Kaplan ging er an die Universität nach Berlin; 1907 in Würzburg zum Doktor der Theologie promoviert. Am 15. Oktober 1911 wurde Dr. Brander Subregens des Würzburger Priesterseminars. Er strebte die Ernennung zum Privatdozenten für Neues Testament an. Die Habilitation scheiterte. Am 26. September 1926 wurde Dr. Brander zum Regens des Würzburger Priesterseminars befördert. Dieses Amt übte er bis zum 30. November 1936 aus. Sein Nachfolger wurde Philipp Kaiser (1883-1963). Am 1. Januar 1937 wurde Dr. Brander in das Würzburger Domkapitel berufen. Er wurde zum Päpstlichen Hausprälaten und Apostolischen Protonotar ernannt und war viele Jahre Vorsitzender des Diözesancaritasverbandes. Außerdem erhielt er den Bayerischen Verdienstorden. Dr. Brander starb am 30. März 1969 und wurde in der Kapitelsgruft des Würzburger Domes beigesetzt. Ein Neffe von Dr. Vitus Brander ist Prälat Dr. Heribert Brander, Generalvikar des Bistums Würzburg von 1983 bis 1996. (Entnommen www.bautz.de vom 27. 09. 2008; Verfasser Gunnar Anger, Stand: 2007. Quelle: Wikipedia vom 09. 02. 09).

Dr. Brander, Zahn und Krebs haben, wie sie selber sagen, die Gutachten für die Bischöflichen Ordinariate in Würzburg und Freiburg verfaßt, auf Grund deren die bekannten Verbote erfolgten.

Aus der Schrift Dr. Branders und den anderen Publikationen bekommen wir nun ziemlich genauen Aufschluß über die Wühlarbeit, welche im Herbst und Winter 1915/16 von seiten gewisser Zeloten an maßgebender Stelle unternommen worden war und welche schließlich zum Verbot des Weiterbaues geführt hatte. Das Urteil, welches hier die Publizistik über den Schippacher Kirchenbau gefällt hatte, ist vernichtend. Wir werden versuchen, es im Wortlaut festzuhalten. Doch zuvor betrachten wir uns, wie es recht und geziemend ist, auch die Quellen und Beweismittel, aus welchen das literarische Verwerfungsurteil geschöpft wurde.

Als erstes und wichtigstes Beweismittel zu dem Verwerfungsurteil der erwähnten Kritiker gelten die Schriften einer gewissen Jungfer Barbara Weigand aus Schippach, in welchen die Unterlagen zu dem geplanten Kirchenbau angeblich gefunden wurden. Der Gedanke zur Erbauung der Kirche, so versicherte uns Dr. Brander, entstamme den Schriften eines alten hysterischen Weibes, welches damit eine neue Sekte begründen und die kirchliche Hierarchie sprengen wolle. So stehe es schwarz auf weiß geschrieben. Er selbst habe die Schriften gründlich durchstudiert und alles genau herausgefunden. So sagte er wörtlich:
„Ich benützte lediglich zur Untersuchung die überall (?) verbreiteten Schriften der Seherin, von denen ich ungefähr viertausend Seiten aus den ersten 6 Jahren (1894-1900) prüfte. Das genügt vollständig, um sich ein absolut sicheres Urteil über die Unechtheit der Offenbarungen (und damit natürlich der Verwerflichkeit des Kirchenbaues) zu bilden.“ Anderwärts bemerkt er: „Ich war ein Glied der Prüfungskommission und habe und hatte ungefähr 26 Hefte in meiner Hand“.
25 Auch hier versichert der Verfasser Dr. Brander, daß dies zur Bildung seines Verwerfungsurteils völlig hinreiche. Gleichwohl hat er sich auch noch nach anderen Beweismitteln umgesehen und nennt als solche ausdrücklich Zeitungsnotizen, aus welchen er den Kostenvoranschlag für den Bau der Kirche in Schippach entnommen habe,26 sowie die Haltung der Bevölkerung von Mainz und Würzburg.27 Als Sachverständige, mit deren Hilfe das Verdammungsurteil fertiggestellt wurde, fungieren die Richter selber. So zitiert Dr. Brander den Würzburger Professor Zahn, dieser beruft sich auf Dr. Brander und Krebs;28 Krebs hinwieder stützt sich auf Dr. Brander und Zahn. Es wird dann von Dr. Brander noch einigemale die Heilige Schrift angeführt, einmal eine Schrift von Opitz über Maria29 zitiert, zweimal auf einen Artikel über die Verzückung im Kirchenlexikon hingewiesen,30 eine Beschreibung der Hysterie bei Capelmann angezogen31 sowie auf ein Buch von Ruville32 und auf Beringer, die Ablässe,33 verwiesen; sechsmal wird die Psychopathographie von Familler erwähnt und 19 Mal die Fülle der Gnaden von Poulain zitiert. Damit ist das wissenschaftliche Rüstzeug so ziemlich erschöpft. Auf amtliche Aktenstücke wurde ausdrücklich verzichtet (V). Obwohl das Material nach der Ansicht der Richter völlig hinreichte, um die Bildung eines „absolut sicheren Urteils“ über die „Unsinnigkeit und Gefährlichkeit“ des Schippacher Kirchenbaues zu ermöglichen, sah man sich doch auch gezwungen, gelegentlich zu Konjekturen seine Zuflucht zu nehmen und Hypothesen aufzustellen: man „vermutet“ (47), „natürlich“, „von vornherein“ (47), operiert mit Ausdrücken wie „scheint“ (42), „wohl“ (22), „soll (diitur) (70), „wahrscheinlich“ (17, 22), „höchstwahrscheinlich“ (11) und erklärt die Aussagen anderer als „unwahrscheinlich und beweislos“ (14). Die wissenschaftliche Ruhe und Objektivität, welche dem Historiker und Richter anstehen, versichert man, obwohl es unnötig ist, noch eigens (V), wenn man auch in einem unbewachten Augenblick gestehen muß, daß der „Widerwille“, bekanntlich ein sehr gefährliches Instrument in der Hand eines Richters und eine sehr verdächtige Quelle wissenschaftlicher Erkenntnis, manchmal überwältigen wollte (86).

25 Seherin 39
26 ebenda V
27 ebenda 34, 37; dieses Beweismittel fällt mit den ersten, den Schippacher Schriften, zusammen, da es aus diesen entnommen ist.
28 Krebs
29 Seherin 29
30 ebenda 42, 43
31 ebenda 44
32 ebenda 54
33  ebenda 72

Das also sind die Beweismittel, auf welchen das Verdammungsurteil der Polemik, so wie es in der Presse erschien, aufgebaut wurde. Hören wir nun, wie dieses Urteil wörtlich lautet!

Inhaltsübersicht

 

Zweites Kapitel


Der Wortlaut des Urteils

Schon die mehrfach geäußerten Unsicherheiten hinsichtlich des Beweismaterials, wie sie aus den restringierenden Ausdrücken, Vermutungen und Annahmen hervorgehen, lassen darauf schließen, daß jenes Beweismaterial anscheinend doch nicht so über allen Zweifel erhaben ist, um ein apostolisches und unfehlbares Urteil darauf gründen zu können. Wir erwarten jedenfalls, daß die Urteilsfassung dieser Tatsache Rechnung trägt und sich in vorsichtigen Redewendungen bewegt, die allenfalls auch ein Seitenpförtchen offen lassen. In dieser Erwartung sehen wir uns allerdings sehr getäuscht; es kommt ganz anders. An die Möglichkeit, daß man sich auch täuschen könnte, hat man wohl beim Urteilsspruch über den Schippacher Kirchenbau und seine Unterlagen gar nicht gedacht. Da ist, wenn wir die formelle Seite des Textes etwas ins Auge fassen, keine Spur einer Zurückhaltung in der Sprache oder der Möglichkeit einer Fallibilität; alles, was das Richterkollegium sagt, ist unfehlbar gewiß. Es gibt da nur Superlative und eine apodiktische Sprache, wie ich sie noch in keinem wissenschaftlichen Werke gefunden habe. Hören wir! Das geprüfte Material genügt „vollständig“ (V, VI), um das „absolut sichere“ (V, VI) Verwerfungsurteil darauf zu bauen; die von der Polemik beliebte Beweisführung zeigt „unwiderleglich“ (3, 9, 74), „offensichtlich“ (10) und „mit Sicherheit“ (41), daß sie „völlig“ (49) recht hat, wenn sie den Kirchenbau verwirft; sie führt „geradezu klassische Beweise“ (58), aus denen „mit vollkommener Sicherheit“ (59) der Schluß gezogen werden muß, daß die Offenbarungen „sicher unecht“ (67) und der Kirchenbau „gefährlich“ (72 ff.) ist; für einen jeden Leser der Broschüre Dr. Branders ist es nach der Meinung des Autors „keinen Augenblick zweifelhaft“ (72), daß die „klaren Symptome“ (59) einer Geisteskrankheit vorliegen; der Verfasser hat für seine Behauptung ja „den allersichersten Beweis“ (66) und beweist „mit absoluter theologischer Gewißheit bis zur Evidenz“ (41), daß die Offenbarungen unecht sind; der Unsinn in diesen Offenbarungen läßt sich manchmal „mit Händen greifen“ (50) und ein paar Schreib-, Dialekt- oder Hörfehler sind „allein schon ein Zeichen der Unechtheit“ (24) und der Verwerflichkeit des Kirchenbaues. Gegenüber der unzweifelhaft „klaren“ (52) und „deutlichen“ (9, 25, 79) Aussprüche Dr. Branders sind die Einwendungen anderer „absolut unwahr“ (24); die „Seherin von Schippach“ befindet sich in einem Zustand „krassester Unwissenheit aller geschichtlichen Verhältnisse“ (18); ihre Gebete sind eine ganz „ungeheuerliche Herabwürdigung des Hohepriesters Jesus Christus“ (64). „So wenig als die Finsternis Licht und die Nacht Tag ist, und so wenig Gott lügen und fehlen kann, ebensowenig können die Offenbarungen der Seherin Barbara Weigand aus Schippach echt sein“ (72). „So wenig als der Tag Nacht und die Sonne Finsternis und Christus Belial und Wahrheit Lüge ist“, können die Offenbarungen von Gott kommen. „Eher fällt die Sonne vom Himmel und geht das Weltall in Trümmer, als daß Rom solche Offenbarungen bestätigen wird“ (72). Das Verwerfungsurteil Dr. Branders „kann keinen Augenblick mehr zweifelhaft sein“.34 An dem Tage, wo die Öffentlichkeit die Untersuchung Dr. Branders liest, „sind die Schippacher Offenbarungen ein für allemal begraben“35 und mit ihnen natürlich der Kirchenbau. Denn dieser steht und fällt nach Meinung der Kritik mit den Offenbarungen.

34 Augsburger Postzeitung 1916 Nr. 164 Seite 14
35 Dr. Brander ebenda

Der materielle Teil des Urteils ist nicht weniger bestimmt. Die angeblichen Offenbarungen enthalten eine „erdrückende Fülle schwerer Verstöße gegen den Glauben und die kirchliche Disziplin, biblischer und historischer Irrtümer, falscher Prophezeiungen, Widersprüche, Übertreibungen, Schimpfwörter im Munde Christi und der Heiligen und sonstiger anstößiger Redensarten“;36 „ihre Irrtümer sind nicht etwa gelegentliche Entgleisungen, sondern betreffen die Grundideen der Barbara Weigand“ (61); die Schippacher Offenbarungen „sind an sich nicht wert, auch nur einen Bogen Papier darüber zu verschreiben oder eine Minute Zeit darauf zu verwenden“ (V), sie sind ein förmlicher „Aberglaube“ (V), „giftiges Unkraut“ (V), das ehestens „ausgerottet“37 werden muß; ihre angebliche Frömmigkeit ist nur eine „ungesunde Verirrung im religiösen Leben“ (9, 32), sie ist „Aftermystik in Reinkultur“ (22), „antihierarchisch“ im schlimmsten Sinn (16, 19, 20), geeignet, „die kirchliche Hierarchie zu sprengen“ (20), eine schlimme „Gefahr der Sektenbildung“ (38), gegen welche geistliche und weltliche Behörden einschreiten müssen; das Beten, Sühnen, Leiden ist falsch (29), die Schriften sind für den Bestand der katholische Kirche „gefährlich“ (74, 75), ihr Inhalt eine „bequeme Sittenlehre“ (9), die Offenbarungen sind nichts anderes als „die Halluzinationen einer bedauernswerten Nervenkranken und beanspruchen höchstens das wissenschaftliche Interesse des Fachmannes“ (V); sie sind nur „die Ausgeburten eines kranken Hirns“ (86), weshalb die Gendarmerie schleunigst den Bau der katholischen Kirche in Schippach einzustellen hat; die Offenbarungen sind ekelhafte „Plattheiten, Süßigkeiten, Ungereimtheiten“ (86), ein „Sammelsurium“ (72), an das man nur mit „Widerwille“ (86) herantritt, „wirres Durcheinander“ (16), „häretisch“ in aller Form (17, 19, 35), mit „widerlich süßlichem, sentimentalromanhaftem Zug“ (17), Produkte „hysterischer Anfälle“ (58), durch nichts gerechtfertigte „Schwarzseherei“ (19), „wimmeln von Irrtümern“ (66), sind getragen von „religiösen Wahnideen“ (71), treiben üppigste „Privilegienwirtschaft“ (76); überall schaut der „Pferdefuß“ (27) heraus: allein trotz alledem ist das Ganze „ein förmliches theologisches System“ (61, 11), das über kurz oder lang die gesamte solide Theologie mitsamt der kirchlichen Hierarchie über den Haufen zu werfen geeignet ist: Gründe genug, daß die staatliche Polizei rasch den Schippacher Kirchenbau einstellt, mögen auch Hunderte von katholischen Christen keine Gelegenheit zur Erfüllung ihrer Sonntagspflicht bekommen.

36 Dr. Brander ebenda
37 Dr. Brander ebenda

Die überzeugende Sprache Dr. Branders hat an der Freiburger Hochschule höchstes Wohlgefallen erregt. Was da in den Schriften der alten „Wahrsagerin“ erwähnt werde, seien „Wühlereien der üppigsten Pseudomystik“, ein „Schulbeispiel“ eines wahren „Visions- und Offenbarungsbetriebes“ mit den tollsten „Absonderlichkeiten“; diese „endlosen Redereien“ des „Pseudoheilandes“ mit dem „ungesunden Treiben“, dem „verzerrten Glaubensbegriff“ seinen „häretischen Abgeschmacktheiten“, dem „ärgerniserregenden Widersprüchen“ seien nichts anderes als die Ausgeburten „einer unsinnigen Phantasie“, ja geradezu einer „unsittlichen Andächtelei“, ein wahrer „innerlicher Unrat“, „schlimmster Unsinn“, aus dem schon wieder ein „Pferdefuß“ herausschaut; was da in dem „Büro für neue Andächteleien“ ausgekocht worden, sei nichts anderes als ein lautes „Schippacher Ärgernis“, gegen dessen „Unrat“ „wir katholischen Priester (jetzt wird durch Prof. Krebs 233 ff. im Namen aller Priester gesprochen!) mit Abscheu Protest erheben.“38

38 Krebs, Grundfragen 233 ff.

So also urteilen ein deutscher Subregens und ein deutscher Professor über die Schippacher Schriften. Aber auch die Person der Barbara Weigand sollte noch die ganze Strenge des Urteils an sich erfahren. Sie ist ja eine ganz gefährliche Person, eine Betrügerin, gegen welche „man (!) von kirchlicher Seite immer noch zu schonend vorgegangen war“ (V). Solche Schonung ist nicht mehr am Platze! Mehr als 20 Jahre hat sie deutsche Ordinariate hintergangen, mehr als 20 Jahre haben deutsche Ordinariate nichts gegen sie auszurichten vermocht (wohl deshalb, weil Männer wie Dr. Brander und Prof. Krebs gefehlt haben?); aber nun soll es anders werden! „Zwar steht uns ein Urteil über die Person der Seherin nicht zu“, meint Krebs in atavistischen Erinnerungen an das achte Gebot Gottes, zwar hat das Bischöfliche Ordinariat Würzburg, dem alle Akten über das Vorleben der Barbara Weigand bekannt waren, noch am 8. Oktober 1914, als der Kirchenbau schon begonnen war, von Barbara Weigand als „einer im Rufe der Heiligkeit stehenden Frauensperson“39 gesprochen und dieses amtliche Urteil eines deutschen Ordinariats dem gesamten Klerus zur Richtschnur seines Verhaltens gegeben; allein die Gegner Schippachs glaubten sich berechtigt, sich über diese Direktive ihrer Bischöflichen Behörde hinwegsetzen zu dürfen, was sie dann auch in einer unerträglichen Vermessenheit, Ignoranz und mit dunkelsten Gedanken und Motiven taten. Nach ihrer Meinung hat das Bischöfliche Ordinariat nicht tief genug gebohrt.40 Barbara Weigand ist vielmehr eine „krankhaft veranlagte Frauensperson“ mit „irregeleiteter krankhafter Frömmigkeit“ (32), eine „bedauernswerte Nervenkranke“ (V, 72) mit einem „kranken Hirn“ (86), eine „hysterisch-ekstatische Person“ (84), mit „hysterischen Anfällen“ (71), voller „Selbstgefälligkeit“ und „Leidenswut“ (37), welche in offener Auflehnung gegen Papst, Bischöfe und Priester sich befindet, welche so übertreibt, daß sie „das Recht verwirkt hat, für normal genommen zu werden“ (48), eine Person, deren Treiben „direkt skandalös“ (48) genannt werden muß, die sich nicht scheut, „Blasphemien“ auszustoßen (11, 62, 67) und schreckliche „Gotteslästerungen“ zu begehen (36), welche den Hohepriester Jesus Christus „ganz ungeheuerlich herabwürdigt“ (64), die mit der „Raffiniertheit einer Hysterischen“ (61) „die kirchliche Hierarchie gesprengt“ hat (20), die „wilderregt“ (75) und „voll leidenschaftlichen Zornes“ (53) gegen ihre Vorgesetzten „sprüht“ (26), die in entsetzlichem „geistigen Hochmut“ (76) befangen ist und „in großer Unbotmäßigkeit“ (76) „ganz ungeheuerliche Ansprüche und Privilegien“ (17) stellt, die allen Ernstes darauf ausgeht, „Sektenbildung“ zu betreiben (38) und deswegen allein schon auf den Scheiterhaufen gehört, die „in leidenschaftlich erregter Sprache“ (51) redet, „voll von Selbstbewunderung“ (52) ist, ein „stolzes Selbstbewußtsein“ (52) an den Tag legt, unablässig „Zeichen des Stolzes“ (52) von sich gibt, ein „Paranoiker“ (53) vom reinsten Wasser, mit unbeugsamen „Festhalten am eigenen Urteil“ (52, 53, 58), ganz erfüllt vom „Geist der Unabhängigkeit gegen Obere“ (53), mit unbeugsamen „Starrsinn“ (53), wie er so recht paßt zu ihrem „Geist der Opposition“ (20), welche die „Achtung vor dem Priestertum untergräbt“ (32), einen „Geist des Hochmutes und der Widersetzlichkeit großgezogen“ hat (32), die den „Widerstand gegen die geistliche Obrigkeit als ihren Kreuzesberuf“ betrachtet (35), die „nicht eine Spur mystischer Gnaden“ an sich trägt (54, 55), die „um jeden Preis eine Rolle spielen möchte“ (27), die Bischöfe, Ordinariate, Priester und alle Guten mit Betrügereien hintergeht, die in der Kirchengeschichte „krasseste Unkenntnis“ zeigt (18), eine „Schwarzseherin“ (19), die sich erfrecht, unsere Zeit als besonders schlecht hinzustellen (27), die „geflissentlich das Wort übersieht: „mulier taceat in ecclesia“ (28) und (in höchster Arroganz eine katholische Pfarrei stiftet?) die – schrecklich! – „barfuß läuft“ (34). Das ist photographisch genau“ (43, 53) das Bild der Schippacher „Seherin“. Dieses gefährliche Weib, so tönt es über den Schwarzwald herüber, gefällt sich in der Rolle eines „antiken Orakels“, einer seltsamen „Bußpredigerin“, einer „Pariser Wahrsagerin“, einer „Pseudoprophetin“, die in „hellem Trotz“ die kirchlichen Oberen „schmäht“, die den „Geist der trotzenden Schwärmerei“, der „unkirchlichen Auflehnung und des Trotzes“ ebenso atmet wie „die Luft der Krankenstube“. Darum: Ecrasez l`nfame! Aber trotz alledem versichert Herr Professor Krebs: „Uns steht ein Urteil über die Person der Schippacher Seherin nicht zu“.41

39 Diözesanblatt 1914 S. 215
40 Seherin 32
41 Krebs, a. a. O.

Daß das so vermaledeite „Schippacher Orakel“ soweit gekommen ist, davon haben ihre Anhänger die meiste Schuld. Es sind freilich zumeist „blinde Mitläufer aus der Zahl der genannten (!) frommen Seelen“ (V), „einfältige Seelen“ (40), die der Seherin ihr „theologisches System“ „wahrscheinlich“ „suggeriert“ haben (11). „Begreiflich, da sie ja später an Gehirnerweichung starben“ (11). Wenn sie sich gegen unwahre Verdächtigungen und Verleumdungen wehren, so ist das eine „grobe Irreführung und verwerflichste Stimmungsmache“ (20), und wenn sie von dem einen jedem katholischen Christen zustehendem Rechte, sich nach Rom zu wenden, Gebrauch machen, so ist das eine „Beleidigung der höchsten kirchlichen Stellen“ (72). Diese „einfältigen Seelen“ sind überhaupt ganz getriebene Advokaten, die in fortgesetzter „heimlicher“ Agitation (V, 3, 13, 15, 16, 17, 77) Bischöfe und Ordinariate hintergehen, „zum Widerstand gegen Beichtväter und geistliche Obrigkeit ermutigen“ (11), „den Bischof von Mainz in die Hölle versetzen“ (26), „Sonderbündelei und Privilegienwirtschaft“ treiben (66), „weder Lob noch Tadel sparen“ (76, 78), um ihr Ziel zu erreichen. Ihr Vorgehen ist „wenig wahrheitsliebend“ (14), ihre Entgegnungen sind „lächerliche Unterstellungen“ (21) und „dreiste Behauptungen“ (21). Die ganze Gesellschaft ist überhaupt nur eine „multiplizierte Barbara Weigand“ (17). Die „theologischen Hintermänner“ (24) verraten ein erschreckendes „theologisches Bildungstief“,42 auch wenn sich bekannte Männer der Wissenschaft darunter befinden; sie geben sich nur „Blößen ihrer theologischen Unbildung“; mit solchen Theologastern dürften sich „besonnene Kritiker“ wie dieser Dr. Brander gar nicht abgeben.43

42 Krebs, a. a. O.
43 ebenda

Dieser „innerliche Unrat“ also ist nach der Kritik das Fundament der im Bau begriffenen Schippacher Kirche. Es soll beileibe keine katholische Kirche werden, sondern die Mutterkirche einer Sekte, „die monumentale Verewigung des Größenwahns, des Eigensinnes, des Ungehorsams, der Glaubensirrtümer und trügerischen Verheißungen einer hysterisch-ekstatischen Person“ (84), gegen welche der staatliche Arm gar nicht rasch genug eingreifen kann. Viele Tage, so sagen die Kritiker, saßen sie über den Schriften, haben bis zur Grenze ihrer Leistungsfähigkeit und Gesundheit ihres Prüfungsamtes gewaltet und wegen des Baues einer katholischen Kirche zu Ehren des Allerheiligsten Sakramentes nicht schlafen können, haben „manchmal alle Willensanstrengung aufbieten müssen“ (86), haben in Zeitungen und Zeitschriften nach dem Einschreiten der behördlichen Gewalt gerufen: Gottlob! Ihre Arbeit war nicht vergebens. Mit sichtlicher Befriedigung berichtet Dr. Brander das Ergebnis seines konzentrisch geführten Angriffs: „Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren, ist der Bau der Schippacher Kirche polizeilich eingestellt worden. Diese Mitteilung zur Beruhigung unserer Leser“.44 Die staatliche Polizei hat die katholische Kirche wieder einmal vor einem alten Weibe gerettet. Daß die Schippacher sich aber über den Verlust ihres Feldes und Geldes und über das aus dem natürlichen Sittengesetz entspringende Recht, eine Kirche zu bekommen, so einfach hinwegsetzen und sich über das Eingreifen der Polizei so einfachhin „beruhigen“ sollten, war nun doch eine starke Zumutung. Wir werden später sehen, wie die „Beruhigung“ in Schippach aussieht.

44 Augsburger Postzeitung 1916 Nr. 164

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Drittes Kapitel

Prüfung des Urteils

Wer die literarische Bekämpfung des Schippacher Kirchenbaues in den Jahren 1914 bis 1916 verfolgte, der konnte sich der Wahrnehmung nicht entziehen, daß geradezu eine fieberhafte Hast und Eile den Polemikern die Feder geführt hat. Schlag auf Schlag folgen sich namentlich seit dem Frühjahr 1916, als die Polizei die Fortführung des Baues verhinderte, die Publikationen gegen den Kirchenbau in der politischen Tagespresse und ähnlichen Zeitschriften. Da die Ausdrucksweise Dr. Branders sowohl in seinen Veröffentlichungen in der Tagespresse wie in den Zeitschriften, in seiner Kampfschrift wie in seinen Briefen aus jener Zeit vielfach wörtlich dieselbe ist, da er, wie er selber sagt und das Bischöfliche Ordinariat bestätigt, mit der Prüfung der Schippacher Fragen betraut war, so ist seine Prüfung der Schippacher Sache, so wie sie in der Öffentlichkeit erscheint, wohl der beste Gradmesser für die Qualität jener Gutachten, welche die Sachverständigen den Behörden geliefert haben. Nun publizierte das Bischöfliche Ordinariat Würzburg am 23. September 1915 seinen in Sachen Kirchenbau vertretenen Standpunkt noch mit den Worten höchster Anerkennung für den Bau und wünschte Gottes Segen dazu; die Publikation sollte „jeden Zweifel über unsere Stellungnahme gegenüber dem Unternehmen ausschließen“: „Wir stehen keinen Augenblick an zu erklären, daß es uns nie und nimmer unangenehm sein kann, wenn ein gesetzlich anerkannter Verein mit einwandfreien reellen Mitteln auf sein eigenes Risiko den Bau einer Sakramentskirche in unserer Diözese anstrebt. Wir können nur wünschen, daß er die Schwierigkeiten nicht unterschätzt und daß ihm sowohl der Kirchenbau selbst wie dessen Zuführung zu dem erhabenen Zwecke gelingen möge.“45 Aber schon am 12. November des gleichen Jahres erfolgte seitens derselben Behörde das Bauverbot. Anstatt wie feierlich versprochen, „nie und nimmer“ etwas gegen den Kirchenbau zu unternehmen, erfolgte kaum sieben Wochen später das Verbot. Es muß also in dieser kurzen Zeitspanne ein Ereignis eingetreten sein, welches die Ursache wurde, daß eine Behörde ihren Standpunkt ins direkte Gegenteil verkehrte. Welches dieses Ereignis war, läßt sich aus den nachfolgenden Publikationen erkennen. Daß aber eine so wichtige Frage, die ihre Wellen damals schon über den Bereich fast des ganzen katholischen Deutschland und darüber hinaus nach Holland, der Schweiz, Tirol und Ungarn und noch weiter geschlagen hatte, welche den Lebensnerv der Seelsorge einer Pfarrei, nämlich einen äußerst notwendigen Kirchenbau betraf, eine Sache, welche nach den Worten Denifles die schwierigste aller theologischen Disziplinen berührte, daß eine so wichtige Sache in der kurzen Zeit von etwa sieben Wochen nicht allseits und gründlich genug geprüft worden sein kann, liegt auch für den Laien auf der Hand. Es ist nun bei der Hast, mit welcher die Antischippacher Kommission arbeitete, um der Fertigstellung des Kirchenbaues zuvorzukommen, gar nicht verwunderlich, daß das Urteil, welches über die fragliche Schippacher Angelegenheit, insbesondere über den dortigen Kirchenbau, von der Polemik gefällt wurde, schwere innere Mängel, ja auffallende Widersprüche aufweist, von denen wir einige des Interesses halber der weiteren Betrachtung des Urteils voranstellen.

45 Diözesanblatt 1915 S. 231    

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1. Widersprüche

Es ist offenbar schon ein sonderbares Vorgehen, wenn man ein Urteil über eine Sache abgibt, die man gar nicht geprüft hat. Nach seinen eigenen Versicherungen benützte Dr. Brander zu seiner Untersuchung „lediglich die überall verbreiteten Schriften der Seherin, von denen er ungefähr 4 000 Seiten aus den ersten 6 Jahren (1894 bis 1900) prüfte.46 Nun kommt in diesen Schriften von 1894 bis 1900 nicht ein einziges Mal der Schippacher Kirchenbau vor, weder dem Worte noch dem Sinne nach. Nirgends und an keiner Stelle ist etwas von dem Bau einer Kirche, weder einer Pfarrkirche noch einer Filialkirche noch einer Sakramentskirche die Rede. Gleichwohl dient das aufgrund jener Schriften gewonnene Urteil als vollgültiger Beweis, den 15 Jahre später begonnenen Kirchenbau als verwerflich zu bezeichnen und zu inhibieren! Wie die genetische Entwicklung der Kirchenbaufrage sich vollzog, wird an anderer Stelle aufgezeigt werden; hier sollte bloß schon jetzt auf die Merkwürdigkeit hingewiesen werden, daß man eine Sache verurteilt, die man eingestandenermaßen gar nicht geprüft hat. Es klingt darum auch nicht sonderlich bescheiden, wenn man von sich behauptet, daß man erstmals die Sache gründlich geprüft und „tiefer gebohrt“ habe, während alle anderen, welche sich für den Kirchenbau einsetzten und welche doch vor allem die Aktenlage und die Tatsachen kannten: nämlich der Diözesanbischof, das Bischöfliche Ordinariat und die beteiligten Ortsbewohner, als unwissend in dieser Sache hingestellt werden. Daß dieser ständige Vorwurf der Polemik gegen die Bischöfe und Ordinariate, diese hätten die Sache immer nur oberflächlich, „zu schonend“ (V) und „zu milde“ (14) behandelt, nicht gerade sonderlicher Achtung vor der geistlichen Obrigkeit zeugt, ist dem Verfasser Dr. Brander in der Hitze des Gefechtes wohl anscheinend ganz entgangen. Ein Widerspruch liegt offenkundig auch darin, wenn man von den Anhängern des Kirchenbaues fast immer nur als von „blinden Mitläufern“47 mit der „Blöße ihrer theologischen Unbildung“48 und dem erschreckenden „theologischen Bildungstiefstand“49 redet und sich schließlich, wenn auch erst auf der allerletzten Seite, gestehen muß, daß „hochangesehene und gebildete Männer sie mit ihrem Namen decken”,50 daß also die Anhänger doch nicht lauter Deppen sind, wie man die Öffentlichkeit weismachen möchte. In der gleichen Richtung des Widerspruchs liegt es auch, wenn behauptet wird, die fraglichen Offenbarungen seien wegen ihres inneren Unsinns nicht einmal einen Bogen Papier oder den Aufwand einer Minute Zeit wert,51 und wenn man dann doch zugeben muß, daß „hochangesehene und gebildete Männer“ für sie eintreten und sie verteidigen; denn es ist doch weniger wahrscheinlich, daß hochangesehene und gebildete Männer sich für dummes Zeug einsetzen.

46 Seherin VI
47 Seherin V
48 Krebs 228
49 ebenda
50 Seherin 86
51 ebenda V

Ganz paradox klingt auch jener Passus im Urteilstenor, welcher einerseits von dem „schlimmen Unsinn“, dem „innerlichen Unrat“ und dem „Sammelsurium“ redet, andererseits allen Ernstes behauptet, das Ganze sei „ein förmliches theologisches System“.52 Der Richter und ihr kritikloses Lesepublikum haben offenbar vor lauter Freude über die pikanten Dinge, welche in aller Breite aufgetischt werden, gar nicht bemerkt, was für ein innerer Widerspruch darin enthalten ist. Was soll man denn nun eigentlich für wahr halten? Wenn die Offenbarungen „schlimmer Unsinn“, „innerlicher Unrat“ und ein „Sammelsurium“ sind, dann sind sie doch wohl kein „förmliches theologisches System“; oder wenn sie „ein förmliches theologisches System“ sind, dann ist es doch nicht anhängig, sie als „schlimmsten Unsinn“, „innerlichen Unrat“ zu bezeichnen. Oder ist wirklich beides wahr? Dann würde sich also nach dem Urteil von Sachverständigen ein „förmliches theologisches System“ mit „schlimmsten Unsinn“ und „innerlichem Unrat“ und „Sammelsurium“ vertragen? Die Wahrheit ist eben diese, daß jene Offenbarungen weder „innerlicher Unrat“ noch ein „förmliches theologisches System“ sind und es nicht sein wollen. Ist es schließlich nicht auch ein Widerspruch, wenn es in dem Urteil heißt, daß die Frau mit dem kranken Hirn,53 der Typus eines „Paranoikers”,54 die „bedauernswerte Nervenkranke“55 imstande sei, „ein förmliches theologisches System“ zu ersinnen, als ein nach wissenschaftlichen Grundsätzen aufgerichtetes, logisch durchdachtes Lehrgebäude, eine Sache, die nur ganz besonders begabten Theologen gelungen ist? Oder wenn behauptet wird, dieses „förmliche theologische System“ stamme „höchstwahrscheinlich“(!)56 von der Freundin der Barbara Weigand, wie bringt man denn dann die tiefgründigen Spekulationen, die doch zu einem „förmlichen theologischen System“ gehören, in Einklang mit der ebenfalls
„krankhaften Veranlagung“
57 dieses Frauenzimmers? Was doch nicht
Hysterische alles fertigbringen!

52 Seherin 61, 11
53 ebenda 86
54 ebenda 53
55 ebenda V, 72
56 ebenda 11
57 ebenda 9

Dr. Brander versichert auch ausdrücklich, er wolle in das amtliche Verfahren nicht eingreifen, weil die Sache nunmehr nach Rom gelangt sei; aber als es sich um Einstellung des Kirchenbaues handelte, hat er da auch nicht eingegriffen? Und ist es keine Einmischung in die Angelegenheit, wenn er Rom vorschreibt, wie es zu entscheiden habe?58

58 Seherin 72

Er, der so viel gepriesene Würzburger Theologe, „gönnt“ den Rück-Schippachern, wie er versichert, ein schönes Gotteshaus59 und dank seiner „Gunst“ ist die Kirche nach den Plänen und Wünschen des Herrn immer noch nicht sichtbar. Dr. Brander gesteht, daß die Nachprüfung des ihm vorliegenden Textes sehr erschwert sei, gleichwohl ist sein Urteil sehr rasch abgeschlossen und „absolut“ verwerfend. Mit „Adleraugen“ entdeckt nach ihm Barbara Weigand das ihr Günstige in der Kirchengeschichte (28) und dann zeigt sie wieder die „krasseste Unwissenheit in der Geschichte“ (18). Man beachte auch folgenden Widerspruch! Wie uns oben der Wortlaut des Urteils belehrt hat, ist Barbara Weigand eine Person mit unbeugsamem Starrsinn und Festhalten am eigenen Urteil, unzugänglich jeder vernünftigen Regung, ein Weib mit hartnäckiger und starrhalsiger Anlage; dieselbe Person läßt sich aber nach demselben Urteile willenlos von anderen ins Schlepptau nehmen und sich „ein förmliches theologisches System“, das doch angeblich ihrem katholischen Glauben zuwider und häretisch ist, suggerieren: ein Zwiespalt, der psychologisch nicht zu erklären ist. Dann ist es doch merkwürdig, daß Barbara Weigand immer nur den Suggestionen von der einen Seite zugänglich sein soll, aber niemals den Beeinflussungen seitens ihrer kirchlichen Oberen. Widersprüche auf Widersprüche! Wenn dann Dr. Brander sich sklavisch an die Prüfungsfragen Poulains anschließt und sich auf diese seine Methode nicht wenig zugute tut, so steht sein Vorgehen im Widerspruch mit demselben als Theologe einzigartig ausgewiesene Poulain, welcher unzähligen damals lebenden und forschenden Mitbrüdern im priesterlichen Amte eigens warnt, blindlings seinem Beispiele zu folgen. „Niemand darf Sklave der Methode sein“.60

59 ebenda 84
60 Poulain, Handbuch der Mystik, VII

Diese kleine Blütenlese aus dem Tenor des Urteils wird im Laufe der folgenden Untersuchungen noch manche Bereicherung erfahren. Aber sie dürfte schon jetzt geeignet sein, dem kritischen Leser der Antischippacher Publikationen die Augen zu öffnen und ihn zu mahnen, sich von Schlagworten oder Kraftausdrücken, mögen sie auch von Männern in angesehener Stellung kommen, nicht betören zu lassen. Noch immer war es ein schlechtes Zeichen für den Stand einer Sache, wenn der Mangel an Gründen und Beweisen durch eine massive Sprache und Ausdrucksweise verdeckt werden mußte. Daß aber die Gründe und Beweise der Antischippacher Kritik auf recht schwachen Füßen stehen, werden wir im Folgenden sehen, wo wir das Beweismaterial der Gegner etwas unter die Lupe nehmen.

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2. Die mangelhaften Beweismittel

a) Der Text der Offenbarungen

Der Schippacher Kirchenbau wurde eingestellt wegen seines angeblich „unlöslichen“ Zusammenhanges mit den unter dem Namen der Barbara Weigand umlaufenden handgeschriebenen Büchlein, welche sogenannte Privatoffenbarungen enthalten. Wie viele solcher Büchlein im Umlauf waren, wieviel Seiten sie zählen, ist an sich nicht von großer Bedeutung. Nicht einmal für einen Freund des Schippacher Kirchenbaues ist es erforderlich, alle diese Schriften gelesen zu haben. Aber in einem Falle ist es doch nicht  gleichgültig, ob man mit dem ganzen Inhalt dieser Büchlein, respektive mit den vollständigen Aufzeichnungen vertraut ist, nämlich in dem Falle, wenn man ein Todesurteil über diese Schriften abgeben will oder muß. In einer solchen Lage befand sich der Herausgeber der Schrift: „Die Seherin von Schippach“, welcher von dem Bischöflichen Ordinariate Würzburg beauftragt war, die Schippacher Fragen, also Kirchenbau und Offenbarungen, zu prüfen.61 Dr. Brander hat sich diesem Amte ohne Vorbehalt und mit wahrem Feuereifer unterzogen und das Ergebnis seiner Prüfung in den mehrfach erwähnten Publikationen niedergelegt. Nun gingen damals die Aufzeichnungen vom Jahre 1894 bis zum Jahre 1916, umfaßten also einen Zeitraum von 22 Jahren; an Heften erwähnt dieser Dr. Vitus Brander „über 40, ohne die Stöße von fliegenden Blättern“.62 Von diesem Material prüfte Dr. Brander nach eigenem Geständnis nur einen Teil, nämlich die Schriften aus den Jahren 1894 bis 1900. „Ich benützte lediglich zur Untersuchung die überall (?) verbreiteten Schriften der Seherin, von denen ich ungefähr 4 000 Seiten aus den ersten 6 Jahren, (1894 bis 1900) prüfte“.63 An einer anderen Stelle redet er von „ungefähr 26 Heften“, die er „in der Hand gehabt“ (!?!) habe. „Das genügt vollständig“, meinte er. Es ist also aktenmäßig erwiesen, a) daß Dr. Brander lediglich einen Teil jener Schriften prüfte, nicht alle, b) daß Dr. Brander nur jene Schriften prüfte, in welchen von dem Kirchenbau nicht die Rede ist. Diese Tatsache „genügt vollständig“, um eine solche Prüfung der Schippacher Fragen, vorab den Kirchenbau, als ungenügend abzulehnen.

61 Diözesanblatt 1918 S. 149. Warum gerade Dr. Brander und Zahn mit der Prüfung beauftragt wurden, ist den Eingeweihten schon damals unklar gewesen.
62 Seherin 14
63 ebenda VI

Hat sich demnach der Untersuchungsrichter schon einer schweren Unterlassungssünde schuldig gemacht, da er den Umfang der ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel nicht völlig und allseitig geprüft hat, so bestehen über die Qualität seiner Beweismittel ebenfalls schwere Bedenken. Wie der Gewährsmann Dr. Branders, der französische Schriftsteller Poulain, vorschreibt, muß man bei der Prüfung mystischer Schriften als erste Frage diese stellen: „Liegt ein absolut authentischer Text vor?“64 Was sagt nun Dr. Brander über die Authentizität seiner Urkunden?65 Er schreibt: „Fräulein Hannappel schrieb die Reden der Visionärin nieder; solange sie die Stenographie noch nicht beherrschte, war ihr eine wörtliche Aufzeichnung gar nicht möglich. Auch später wird erwähnt, daß sie bei dem starken Redestrom der Seherin im Schreiben nicht mitkam.66 In Nr. 61 sind gar 16 Ekstasen aus dem Gedächtnis aufgezeichnet (4. Heft S. 55, 126). Wenn Hannappel zufällig nicht anwesend war, versuchten die Schwägerin der Seherin und deren Dienstmädchen die Niederschrift. So ist die Niederschrift der Vision vom 11. April 1897 also entstanden“.67

64 Seherin 59, Poulain 354
65 Erst  auf  Seite  59  seiner  Schrift  ist  es  Dr.  Brander  eingefallen,  diese  erste  und  wichtigste Prüfungsfrage zu stellen.
66 Offenbarungen an Barbara Weigand“ Band 1 Seite 29
67 Offenbarungen an Barbara Weigand“ Band 1 Seite 29

Die Schippacher Schriften sind also ebensosehr ein Werk der Hannappel als der Barbara Weigand; sie sind auch nicht nur einfache Niederschriften von Offenbarungen, sondern zugleich auch eine Apologie der Seherin und enthalten noch alle möglichen Notizen zum Beispiel, was die Mainzer über Barbara Weigand sagten. Solche Bemerkungen sind das ureigene Werk der Hannappel. Überdies greift Hannappel mitten in die Visionen ein und erhält vom Herrn sogar ausdrücklich die Vollmacht, den Text zu verbessern.68 An einer anderen Stelle schreibt er: „Fräulein Hannappel wohnte den „Ekstasen“ bei, griff in dieselben ein, stellte Anfragen und Bitten, schrieb die „Offenbarungen“ nieder, lernte dazu eigens die Stenographie, korrigierte und zensurierte (Ironie Dr. Branders!) die Gespräche des Herrn, ..brachte sie in eine lesbare Form“.69 Und dann wieder: „Fräulein Hannappel schreibt, wie wir schon wissen, die Worte nach; der Redestrom der Seherin ist oft so gewaltig, daß die Schreiberin beim Schreiben nicht mitkommt“.70 Als Resultat dieser Prüfung stellt Dr. Brander fest: „Wir wissen heute nicht, was eigentlich von Barbara Weigand oder von Luise Hannappel herstammt;71 aus den Untersuchungen „geht klar hervor, daß überhaupt ein authentischer Text der Offenbarungen nicht vorliegt“.72 Es ist diese Feststellung einer der wenigen Sätze Dr. Branders, in denen wir mit ihm übereinstimmen. Die erste Prüfungsfrage Poulains ist also negativ zu beantworten: Es liegt ein authentischer und gar ein absolut authentischer Text überhaupt nicht vor.

68 Seherin 60
69 ebenda 11
70 ebenda 45
71 ebenda 11
72 ebenda 60

Was würde denn wohl ein jeder weltlicher Richter tun, wenn er sich aufgrund der Voruntersuchung gestehen müßte: a) ich habe das corpus delicti, besonders die inkriminierten Artikel des Inkulpaten, gar nicht in ihrer Gesamtheit geprüft, b) von den wirklich geprüften habe ich die klare Erkenntnis gewonnen, daß sie nicht durchweg von dem Angeklagten herstammen, c) eine Ausscheidung dessen, was von dem Angeklagten und was von anderen herstammt, ist unmöglich, d) in dem geprüften Material, gleichviel von wem es herstammt, ist von der unter Anklage stehenden Materie, nämlich von dem Kirchenbau, gar nicht die Rede, e) das ganze von mir geprüfte Material ist überhaupt dummes Zeug, Sammelsurium einer Geisteskranken? Ich glaube, ein jeder Richter hätte wegen des so unsicheren Beweismaterials das Verfahren sofort eingestellt, oder er wäre zu einem Freispruch gekommen „Mangels an Beweisen“, oder wenn er wirklich ein Urteil hätte fällen müssen, hätte er es in eine sehr bedingte und verklausulierte Form gefaßt, oder wenn er gar vielleicht auf höhere Weisung hin eine Verurteilung hätte aussprechen müssen, hätte er den Vollzug des Urteils aufgeschoben und den auf solche „Beweise“ hin Verurteilten nicht gehenkt. In ähnlicher Weise hätte es eine wissenschaftliche Untersuchung gehalten: Sie hätte sich zuerst auf alle mögliche Art bemüht, eine Textkritik vorzunehmen und erst nach dieser überaus mühevollen Vorarbeit versucht, ein wissenschaftliches Urteil in der nötigen reservierten Sprache abzugeben. Daß im Schippacher Falle nichts von alledem geschehen ist, daß man trotz der Feststellung von der ungenügenden Prüfung und dem mangelhaften Texte lustig drauf los hieb und ein Urteil fällte, wie es schroffer und verhängnisvoller in seinen Wirkungen gar nicht gefällt werden konnte, ist eine tief bedauerliche Sache. Wenn ein hoher Jurist im Zusammenhang mit solchem Beweismaterial von einem Justizmord redete, dann wird er seine Gründe gehabt haben.73

73 Daß es auch früher schon „Büros mit wahrem Visions- und Offenbarungsbetrieb“ gab, wie Krebs pietätvoll schreibt, berichtet uns P. Cepari, der Biograph der hl. Maria Magdalena von Pazzi, wenn er erzählt, daß dort sogar zeitweise sechs Schreiber notwendig waren, um ihre Worte aufzuzeichnen (Poulain 174, 263). Die Schwester Benigna Consolata Ferrero, deren Offenbarungen in Deutschland ungemein verbreitet sind, mußte im Auftrage ihrer Oberin jeden Tag Offenbarungen aufschreiben. Daß sich bei einem solchen „Betrieb“ nicht weniges als eigene Zutat einschlich, ist nach Richstätter nicht verwunderlich. Es fällt ihm aber auch nicht ein, deswegen alles zu verwerfen (Richstätter, Mystische Gebetsgnaden 259ff). Daß Textkritik, d. h. Sichtung des Eigenen vom Fremden und des Echten vom Falschen notwendig ist, bezeugt Zahn in seinem Kapitel: „Die Mystik als Wissenschaft“ (Einführung in die christliche Mystik 50). Vgl. auch: Leben der Jungfrau und Dienerin Gottes Gemma Galgani, von P. Germano di Stanislao, deutsch von Schlegel, Saarlouis 1912 S. 5, 87.

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b) Die Bevölkerung

Zum Beweise der Unechtheit der Schippacher Offenbarungen und damit der Verwerflichkeit des Schippacher Kirchenbaues zieht die Kritik auch die Haltung der Mainzer und Würzburger Bevölkerung (?) und unkontrollierbaren Straßenklatsch heran. Nachdem Dr. Brander von der Barbara Weigand behauptet hat, sie habe Gift und Galle gegen den hochwürdigsten Mainzer Bischof Haffner gespien (S. 26) und ihm alles Böse gewünscht, fährt er fort: „Zum Beleg (!!) dafür, wie diese Drohungen ausgelegt wurden, diene die in ganz (?) Mainz bekannte Tatsache (?), daß Bischof Haffner von den Liebesbündlern in die Hölle versetzt wurde. Die unmittelbare Quelle hat sich allerdings nicht aufdecken lassen.74 Ob sich Dr. Brander überhaupt die Mühe genommen hat, der unmittelbaren Quelle in Mainz nachzugehen? Bei der Hast, mit welcher er seinen Feldzug gegen Schippach führte, ist diese Frage wohl am Platze. Doch schließlich hat er gut daran getan, der Quelle gar nicht nachzugehen, da er sie wahrscheinlich doch nicht hätte finden können. Doch sei dem, wie ihm wolle: Tatsache ist, daß ein höchst liebloses Gerede, ein Gerücht, dessen Quelle sich nicht hat aufdecken lassen, wie die Kritik selbst zugibt, von derselben Kritik aber zur „Tatsache“ gemacht und „zum Beleg“ angezogen und natürlich der Barbara Weigand an die Rockschöße gehängt wird, um dann sagen zu können: eine solch boshafte Person kann unmöglich Trägerin von Privatoffenbarungen sein; also ist der Schippacher Kirchenbau verwerflich.

74 Seherin 26 ff.

Wie hier der Straßenklatsch „zum Beleg“ herangezogen wird, so bucht Dr. Brander sorgfältig die Haltung von Leuten in Mainz und Würzburg gegenüber der Barbara Weigand und ihren Freundinnen als Beleg, wie ihre Mystik von dem großen Haufen „eingeschätzt“ werde. Weil Leute in Würzburg (nicht „die Bevölkerung“) über die Wallfahrten der Barbara Weigand lächeln (S. 34) und Leute von Mainz (nicht „die Bevölkerung“) sich über Barbara Weigand lustig machen (S. 37), so ist das nach Dr. Brander natürlich ein klassischer Beweis von der Unechtheit der Offenbarungen und damit der Verwerflichkeit des 16
Jahre später begonnenen Kirchenbaues. Ja, die Bevölkerung als Sachverständige für mystische Begnadigung! Also soweit ist es gekommen, daß der große Haufen bei der Prüfung mystischer Erscheinungen von der Theologie zu Hilfe gerufen wird! Die „Spottreden von Mainzer Priestern, Frauen und Dienstmädchen“ – also doch nicht der Bevölkerung schlechthin? – haben Dr. Brander so gut gefallen, daß er ihnen seinen vollen Beifall zollt; „sie zeigen, wie richtig die Bevölkerung diese Mystik einschätzte“.
75 Der Spott ist also nach Dr. Brander die „richtige Einschätzung“ der Mystik der Barbara Weigand. So spricht ein katholischer Priester und Subregens eines Priesterseminars. Bei Jo.
15, 12 aber ist zu lesen: „Das ist mein Gebot, daß ihr einander liebet, wie ich euch geliebt habe!“ Und das Spotten und Lachen überhaupt soll ein Kriterium der Richtigkeit oder Unrichtigkeit von religiösen Dingen sein! Als ob nicht die Würzburger auch schon über andere Dinge gelacht hätten! Man kokettiere nur mit dem großen Haufen in Dingen, welche die Religion betreffen! Übrigens ist auch diese Erscheinung im Kampfe gegen Schippach nichts Neues. Schon die Apostel wurden verhöhnt und die Kirchen- und Heiligengeschichte bietet uns manchen Beleg dafür, wie die Bevölkerung die Mystik ihrer Zeitgenossen einschätzte. Ich will nur auf ein Beispiel verweisen. Bei Poulain, den sich Dr. Brander bekanntlich als sicheren Führer gewählt hat, hätte er finden können, daß man die Haltung der Bevölkerung nicht als Maßstab für die Einschätzung mystischer Erscheinungen anrufen darf. Poulain erzählt nämlich folgendes: „Die selige Juliana von Lüttich war von Gott auserwählt, das Fronleichnamsfest in der
Kirche einzuführen. Ihre Erscheinungen über diesen Gegenstand begannen zwei Jahre nach dem Eintritt ins Noviziat, im Alter von 16 Jahren. Erst 20 Jahre später wagt sie es, ihren Plan einer Anzahl von Theologen zu unterbreiten. Diese approbieren ihn, aber die Gegner (sc. auch Geistliche) reizen dafür das Volk zur Plünderung des Klosters auf. Sechzehn Jahre später scheint endlich der Erfolg sich zu zeigen. Der Bischof führt das Fest in seiner Diözese ein. Doch in demselben Jahre stirbt er; das Kloster wird von neuem geplündert. Die verleumdete Oberin muß flüchten; alles schien verloren. Aber einer der Theologen, denen die Angelegenheit unterbreitet war, wurde Papst unter dem Namen Urban IV. Sechs Jahre später setzte dieser durch eine Bulle vom Jahre 1264 das Fest für die ganze Kirche ein“.
76 Wenn es auf die Bevölkerung von Lüttich angekommen wäre, wäre es dem Fronleichnamsfeste ebenso ergangen wie der Sakramentskirche in Schippach; zum Glück scheint aber der Papst noch anderen Erwägungen zugänglich gewesen zu sein als den Berichten über die Haltung der durch Geistliche aufgepeitschten Lütticher Bevölkerung.

75 Seherin 37
76 Poulain 350 ff.

Wenn man es als ein weiteres verdächtiges Zeichen hinstellt, daß die Offenbarungen der Barbara Weigand in ihrer „näheren Umgebung“ (V) nicht sonderlich hoch gewertet würden, sondern „bezeichnenderweise“ mehr in der Ferne, so zeigt diese Methode wieder deutlich, daß man jene Offenbarungen um jeden Preis herabsetzen will. Denn es war doch zu allen Zeiten so, daß der Prophet in seinem Vaterlande nicht viel gilt, eine Tatsache, die sogar der Heiligste der Heiligen an Sich erfuhr. Und in der Kirchengeschichte kann man Beispiele genug dafür finden, daß oft die nächste Umgebung für die der Zeit vorauseilenden Gedanken besonders begnadigter Menschen kein sonderliches Verständnis besaß. Schon das erwähnte Beispiel von der seligen Juliana von Lüttich ist hierfür sehr lehrreich. Auch die hl. Theresia wurde verlacht und dann wieder von ihren eigenen Oberen zur Rechenschaft gezogen. Bitter beklagt sie sich darüber: Ein anderes Mal war ich auch wieder unaussprechlich traurig. Wegen einer Angelegenheit, von der noch die Rede sein wird, war ich in großer Trübsal, denn fast die ganze Stadt und fast mein ganzer Orden tadelte mich heftig. Niedergeschlagen von tausend Bedrängnissen hörte ich plötzlich den Herrn sagen: „Was fürchtest du? Kennst du nicht Meine Allmacht? Ich werde erfüllen, was Ich dir versprach“.77 (Anmerkung: Klingt das nicht wie eine Aufforderung zum „Widerstande gegen die Obrigkeit“? Tatsächlich nahm Theresia auf diese Worte hin den Kampf gegen die widerstrebenden Oberen wieder entschieden auf.) Ihrem Beichtvater, dem P. Balthasar Alvarez, ging es nicht viel besser. Er hatte wegen seiner Gebetsweise einen starken Sturm zu bestehen; einige seiner Mitbrüder zeigten ihn beim P. General an. Sie beschuldigten ihn, daß er die in der Gesellschaft bisher übliche Gebetsart verachte und dafür neue und gefährliche Gebetsweisen lehren wolle. Eine Zeitlang hatten seine Gegner Erfolg; allein P. Balthasar Alvarez verteidigte sich (damals war das noch erlaubt) und der Ordensgeneral approbierte die vortrefflich geschriebene Apologie des Paters.78

77 Hahn-Hahn, Leben der hl. Theresia von Jesus 337
78 Poulain 192

Wie erging es dem hl. Josef a Cupertino! „Der Mann, den man in der Folge als das Wunder seiner Zeit anstaunte, bei dem selbst hohe kirchliche Würdenträger Belehrung suchten, dem Rom nach seinem Tod kirchliche Feste feierte, wurde erst von seiner Mutter beinahe zu Tode geprügelt, dann von einem Schuster gepufft und fortgejagt, weiterhin von den Franziskanern verschmäht, von den Kapuzinern ausgestoßen, von Hirten mit Hunden gehetzt“.79 Wie erging es einer hl. Katharina von Siena, wie einer hl. Margareta Maria Alacoque, die nicht nur vom Volke, sondern von ihren eigenen Mitschwestern, von ihren Obern, von
Theologen, ja selbst von Trägern der Mitra verlacht wurde! Oder man lese, was die berühmte Stifterin des Instituts der Englischen Fräulein (Maria-Ward) über sich ergehen lassen mußte! Schon hatte sie Institute in St. Omer, Lüttich, Köln, Trier, Rom, Neapel, München, Preßburg, London gegründet, als katholische Geistliche ihrer Heimat vom Papst Urban VIII. 1631 eine Bulle erwirkten, durch welche sämtliche Institute aufgehoben wurden. Besonders scharf ging das Münchner Domkapitel gegen die Stifterin vor. Obwohl der Kurfürst Maximilian I. die scharfmacherischen Geistlichen mit den Worten abgewiesen hatte: „Da steckt der Teufel dahinter!“, erschien am 7. Februar 1631 der Domdekan mit zwei Domherren in der Wohnung der Ward und zeigte ihr ein Schreiben, das die Worte enthielt: „Nehmen Sie Maria Ward als Ketzerin, Schismatikerin und Aufrührerin gegen die heilige Kirche fest!“ (Beinahe wie bei Barbara Weigand.) Im Angerkloster wurde sie in eine Haftzelle geworfen.
80 Oder man höre, wie der Stifterin der Kongregation der Niederbronner Schwestern von ihrer Umgebung zugesetzt wurde, als sie angab, in einer Vision den Auftrag zur Gründung der Kongregation empfangen zu haben! „Unter der elsäßischen Geistlichkeit fand das Werk von Niederbronn von Anfang an viele Gegner. Das alte Wort vom Propheten, der nichts gilt im Vaterlande, bewahrheitete sich auch hier“. Besonders heftig trat ein Vertreter des Episkopates gegen die Stifterin, Elisabeth Eppinger, auf, der Bischof von La Rochelle, welcher der Seherin „bewußte Täuschung vorwarf“.81 Als Arnold Janssen, der Gründer des Steyler Missionsinstituts, dem Bischof Paredis von Roeremond, seinen Plan entwickelte, schüttelte der 80jährige Greis den Kopf und meinte: „Der Priester will ein Missionshaus bauen – und hat nichts. Entweder ist er ein Narr oder ein Heiliger“.82 Wer kennt nicht die Geschichte von dem Hirtenmädchen von Lourdes! Sie ist zu bekannt, als daß ich sie wiederzugeben bräuchte. Oder man lese, wie die Schriften der mittelalterlichen Mystiker in dem jungen Jesuitenorden „eingeschätzt“ wurden, wo die Werke Taulers, Ruysbroeks, Susos, Herphs, Gertruds, Mechthilds vom Jesuitengeneral Mercurian für den ganzen Orden verboten wurden!83

79 Daumer, Christina mirabilis und Josef von Cupertino, 47
80 Ignaz Klug, Kämpfer und Sieger, in Gelbe Hefte 1 (1925) 875 ff.
81 Pfleger, Kongregation 26, 28.
82 Im Dienste des Göttlichen Wortes 12
83 Zahn 50

Um noch an ein Beispiel aus der jüngsten Zeit zu erinnern, so verweise ich auf die Lebensgeschichte der Klara Moes, nachmaliger Stifterin des Dominikanerinnenklosters auf dem Limpertsberg in Luxemburg, die, man möchte sagen, von Pontius zu Pilatus geschleppt und verlacht, von einer Kommission von Theologen als dämonisch hingestellt wurde, deren Mystik aber später von einer anderen Kommission glänzend gerechtfertigt wurde und heute in keinem Handbuch der Mystik mehr übergangen werden kann.

Die heilige Kreszentia Höß von Kaufbeuren wurde als eine Heuchlerin und Hexe verschrien, so daß sogar manche ihrer Mitschwestern ihr ängstlich aus dem Wege gingen. Man erwartete ihre Abführung und Verurteilung als Hexe.84 Die stigmatisierte Columba Weigl von Altenhohenau am Inn wurde ebenfalls als Hexe und Heuchlerin verschrien; ebenso Veronika Giuliani. Agnes Steiner, Johanna Maria vom Kreuz und Anna Katharina Emmerich erging es nicht anders; gegen die letztere flogen giftige Schmähschriften wie der „Teufel in Münster oder neueste Kapriolen Beelzebubs“. Ähnliche „Einschätzungen“ erlebten der ehrwürdige Dominikus a Jesu Maria, der heilige Gerard Majella, der heilige Pfarrer Johann Baptist Vianney von Ars, die Karmeliterin Paula Maria a Jesu, die heilige Franziska von den fünf Wunden. Dem hl. Philipp Neri wurde einmal vom Kardinalvikar das Beichthören und die Veranstaltung von geistlichen Übungen auf 15 Tage verboten, weil er ein hochmütiger Mensch sei und um die Volksgunst buhle. Schwester Fidelis Weiß mußte manche „Einschätzung“ von seiten ihres Beichtvaters und anderer erleben. Man nannte sie eigensinnig, ungehorsam, eine Heuchlerin und beschuldigte sie eines ärgerniserregenden Wandels (Mühlbauer 57).

84 Belege zu diesem und zu den folgenden bei Fischer, „Von verborgenem Heldentum“ 6 ff.

Wenn nun schon Geistliche, Theologen, Professoren und Bischöfe sich in der Bewertung eigentümlicher Zustände täuschen können, um wieviel mehr wird dies beim großen Haufen zutreffen, der zu einer solchen Aufgabe doch ganz unfähig ist! Wenn man ferner die Bewegung, welche sich an Barbara Weigand anschloß, in der Ferne „bezeichnenderweise“ (V) größer sein läßt als in deren näheren oder weiteren Umgebung, so soll das doch wohl soviel heißen: „Wenn es mit der Sache der Barbara Weigand etwas wäre, dann würde sich doch auch
ihre nähere und weitere Umgebung anschließen“, ein Satz, den wir schon oben als mit der Geschichte im Widerspruch stehend erkannten. Sodann bedarf diese Bemerkung der Polemik ebenfalls einer Korrektur. Wir wissen aus authentischen Quellen, daß die nächsten Angehörigen der Barbara Weigand, ihre Geschwister, Neffen, Nichten, Schwäger, Schwägerinnen, Großneffen und Vettern, ein Großneffe von ihr ist Pfarrer Alfred Stürmer, der Vorsitzende der „Barbara-Weigand-Gesellschaft E.V.“ mit Sitz in Schippach, von den übernatürlichen Zuständen der Barbara Weigand vollständig überzeugt sind, obwohl sie an deren Charakter manches auszusetzen haben; wir wissen ebenso bestimmt, daß eine erhebliche Anzahl gewissenhafter Katholiken aus der Pfarrei, den Nachbarorten und aus Mainz auf ihrer Seite stehen und dies trotz der Verspottung durch den auf Dr. Branders Seite stehenden Pöbel. Es mag aber sein, daß die Mehrzahl der Leute für jene Visionen nichts übrig hatten (die meisten kümmerten sich überhaupt nicht darum): das würde aber nur zu ihren Gunsten beweisen. Denn wäre beispielsweise der ganze Ort Feuer und Flamme für die angeblichen Erscheinungen der Landsmännin, so wäre das in höchstem Grade suspekt. Auch heute ist die Zahl derer, die an der Echtheit der Schippacher Botschaften und dem vom Herrn gewollten Kirchenbau der Sühnekirche nur mit vielen Tausenden anzugeben, die im gesamten deutschen Sprachraum zu finden sind: Bischöfe, Weltpriester und Ordenspriester; Ordensleute und aufrechte Laien, allesamt Katholiken von dem Schlag, die sich erfolgreich dem Modernismus und Glaubensverfall in unserer Kirche entgegenstellen und an die auch diese kritische Dokumentation gerichtet ist.

Mit der Haltung der Öffentlichkeit ist also ein Beweis gegen die Echtheit jener Berichte nicht zu führen, so gern auch die Polemik sich mit der großen Masse verbrüdert hat. Daß sie mit der Verhöhnung der Schippacher Person und ihrer Vorgänge sich den Beifall eines großen Teiles des Zeitungspublikums sichern würde, war von vornherein zu erwarten. Die breite Aufmachung der Artikel in der politischen Tagespresse, die saftigen Überschriften, die hämischen Bemerkungen, die Kübel des Spottes, die über die „Seherin von Schippach“, „die heilige Bärbel“, „die Himmelsgucker“ ausgegossen wurden, der Kotau vor dem Zeitungspublikum, der Appell an das sittenreine, glaubenseifrige Lesepublikum zum Kampfe gegen die Verführerin von Schippach: Das alles sind Symptome einer Geistesverfassung, die man nur aufs tiefste beklagen kann. Wenn wir soweit sind, daß wir die Öffentlichkeit zum Richter über die zartesten Vorgänge in der Menschenseele machen, dann dürfen wir das Kapitel „Mystik“ und noch andere im Gottesgarten unserer heiligen Kirche einfach schließen. Es gibt einen Byzantinismus nach oben und wir verachten ihn; aber noch viel unwürdiger ist der Byzantinismus nach unten, er ist der Selbstmord einer jeden Autorität. Darum wiederhole ich: weder die Tagespresse noch die Bevölkerung noch das interkonfessionelle, sensationslüsterne Zeitungspublikum durfte als Schiedsrichter in der Schippacher Sache mobil gemacht werden; denn „solche Dinge sind nicht für das Volk“.85

85 Waibel bei Zahn 285

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Viertes Kapitel

Grundsätze zur Beurteilung mystischer Schriften

A und O der Antischippacher Bewegung ist die Kirche in Schippach. Wir dürfen das nie aus dem Auge verlieren. Anlaß und Ziel des wüsten Pressefeldzuges gegen die „Seherin von Schippach“ bildet einzig und allein die im Bau begriffene Kirche zu Schippach. Nur der Schippacher Kirchenbau hat die Prüfung der Schippacher Fragen veranlaßt, nur dem Kirchenbau gelten letzten Endes die Angriffe in der Presse: Der Bau sollte, und zwar für immer, eingestellt werden „zur Beruhigung der Leser“, wie man sich euphemistisch ausdrückte. Dieses war das Ziel, welches sich die Polemik stellte, und sie hat es bekanntlich bis heute erreicht. Daß in erster Linie nicht die angeblichen Offenbarungen der Barbara Weigand den Zielpunkt des Angriffes bildeten, spricht niemand deutlicher aus als der Führer in diesem Kampfe selber. Nach Dr. Brander sind ja „die Schippacher Offenbarungen nicht wert, auch nur einen Bogen Papier darüber zu verschreiben oder eine Minute Zeit darauf zu verwenden“ (V), „lediglich der Umfang, den die Schippacher Bewegung angenommen, nötigt dazu, sich mit der Sache zu befassen; ermöglichte es doch der Kreis ihrer Anhänger, der Seherin den Bau einer Weltkirche in Angriff zu nehmen“ (V). Deutlicher könnte Ursache und Ziel der ganzen Kampagne nicht aufgezeigt werden: nicht den Halluzinationen eines alten Weibes gilt der Kampf, sondern der im Bau begriffenen Kirche in Schippach. Nun sollte man meinen: da es sich um den Bau einer katholischen Kirche handelt, welche ganz gemäß den kirchlichen Bestimmungen gebaut werden soll, um eine Kirche, in welcher römisch-katholische Priester amtieren sollen, um eine Kirche, in welcher das Evangelium nach der Lehre der römisch-katholischen Kirche gepredigt, die Messe nach dem römischen Missale gefeiert, die Sakramente nach römisch-katholischem Ritus gespendet werden sollen, da es sich ferner um den Bau einer katholischen Kirche handelt in dem Dorfe Schippach, mit Geldern des Dorfes Schippach, auf den Feldern des Dorfes Schippach, da es sich ferner um einen notwendigen Kirchenbau handelt, weil die dortige Kirche unbestrittenermaßen zu klein ist: man sollte meinen, die Prüfung von Amtswegen müßte immer wieder die oben angegebenen Tatsachen im Auge behalten. Wir erwarten also Sachverständige, welche die Notwendigkeit, Angemessenheit, Nützlichkeit, Zeitgemäßheit, praktische Durchführbarkeit, die ästhetische und architektonische Gestaltung, die finanzielle Basis prüfen sollen. Doch nichts von alledem ist geschehen. Weder die finanzielle noch die ästhetische, noch die architektonische, noch die moralische, noch die rechtliche, noch die pastorale Seite des Kirchenbaues hat man zum Gegenstand der Prüfung gemacht, sondern die handgeschriebenen Schriften einer Jungfrau, und nicht einmal diese in ihrer Gesamtheit und ausgerechnet nur solche Schriften, welche kein Wort von dem Kirchenbau enthalten.

Man hat die so eminent praktische Frage eines Kirchenbaues von einem rein ideologischen Standpunkt aus „untersucht“, hat nicht die Pastoral, nicht das Ortsbedürfnis, nicht das Kirchenrecht das entscheidende Wort sprechen lassen, sondern man hat aus der Frage des Schippacher Kirchenbaues eine reine Frage der mystischen Theologie gemacht, hat den Bau einzig und allein von dem Urteil über Echtheit oder Unechtheit von angeblichen Privatoffenbarungen abhängig gemacht. Diese grundfalsche Problemstellung im Falle „Schippacher Kirchenbau“ ist das proton pseudos, der Grundirrtum der ganzen Polemik. Statt die Frage nach Echtheit oder Unechtheit jener Visionen offen zu lassen, wie es die Kirche in ähnlichen Fällen zu tun pflegt, oder anstatt die Frage nach Echtheit oder Unechtheit für sich gesondert zu erörtern, wie es ebenfalls Gepflogenheit der Kirche und der Theologen ist, hat man diese Frage als einzige und ausschlaggebende hingestellt. Anstatt die Begründung des Schippacher Kirchenbaues in seinem unzweifelhaft schönen inneren Werte zu sehen, im katholischen Dogma, in der Verehrung Gottes und im Nutzen für die Seelen, also in unwandelbaren ewigen Wahrheiten, hat man ihn seitens der Kritik einzig auf den zweifelhaften Inhalt von Büchlein und fliegenden Blättern gebaut und „unlöslich“ damit verbunden. Kein Wunder, daß dann das ungünstige Urteil über diese Schriften auch das herrliche Werk des Kirchenbaues vernichtete.

Man hat so nun einmal die Frage des Kirchenbaues ganz unberechtigterweise zu einer reinen Frage der mystischen Theologie gemacht. Aus diesem Grundirrtum in der Behandlung des Schippacher Kirchenbaues sind auch die Gutachten der Männer zu bewerten, welche in der Angelegenheit ihr ablehnendes Urteil abgaben. Diese Männer waren von vornherein nicht oder wenigstens nicht ausschließlich befähigt, über den Kirchenbau in Schippach ein Urteil zu fällen. Nur aus der falschen Grundeinstellung zu dem Kirchenbau, aus der völligen Verschiebung der Kernfrage ist es erklärlich, wenn in den Schippacher Kirchenbau Leute eingreifen, die nicht einmal wissen, wo Schippach liegt.86 Gleichwohl: Diese „Sachverständigen“ sind nun einmal da, ihre Gutachten sind noch heute das Hindernis für die Fortführung des Baues, wenn auch ihr Ansehen in ernsten kirchlichen und weltlichen Kreisen viel von seinem früheren Glanze verloren hat.87 Wenn das Schriftwort noch wahr ist: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“, dann liefert die Steinwüste der Schippacher Kirchenbaustätte mit den Trümmern des geplanten Gottestempels88 ein deutliches Spiegelbild von dem Werte jener Gutachten. Aber die Gutachten dieser Männer sind nun da und wir müssen uns mit ihnen auseinandersetzen. Folgen wir ihnen also einmal auf das Gebiet, in das sie den Kirchenbau unnötigerweise verschleppt haben, und stellen wir uns die Frage: Welche Grundsätze sind denn bei der Prüfung mystischer Vorgänge zu beobachten? Es ist notwendig, auch diesen Bereich der heutigen Untersuchung deutlich zu beleuchten, zumal sich ja die Frage des Kirchenbaues bekanntermaßen später noch deutlich erweiterte, um das Anliegen des Herrn, in Schippach eine Dankeskirche, Sühnekirche, Sakramentskirche, eine Stätte der Ewigen Anbetung zu erhalten als Dank und Lobpreis für das überaus großartige und einzigartige Geschenk der Kommuniondekrete durch Papst Pius X..

86 Darüber später.
87 Wir wissen aus authentischer Quelle, daß die Ansicht amtlicher Personen und ehedem scharfer Gegner des Baues diese ist, Dr. Brander habe „danebengehauen“. So wird Dr. Branders Arbeit heute von seinen Bundesgenossen von ehedem „eingeschätzt“. Warum zieht man nicht die Konsequenz aus dieser Erkenntnis? Auf der „danebengehauenen“ Prüfung ist doch das Verbot aufgebaut! Die Urteilsbegründung vom 11. 2.1918 beruft sich doch ausdrücklich auf Brander!
88 Ein bekannter Gegner Schippachs meinte, die Schippacher Trümmerstätte müsse ewig so liegen bleiben als Zeichen des Triumphes der Kirche über hysterische Weiber. Wenn die Kirche sonst keine „Triumphe“ aufzuweisen hätte als das Schippacher scandalum, dann wäre es traurig um sie bestellt. Gott bewahre die Kirche vor solchen Triumphatoren!

Zuvor ein Wort über die Richter selber! Im Falle „Schippach“ haben sich nämlich viele für berufen gehalten abzuurteilen. Wir meinen zunächst nicht jene, welche auf dem literarischen Kampffelde erschienen sind; von ihnen wird gleich unten die Rede sein. Aber es gab, wenn ich von dem gewöhnlichen Zeitungspublikum absehe, auch zahlreiche Priester, welche mit ihrem Verdikt über die Schippacher Sache sehr schnell fertig waren. Es waren dies meist Leute, von denen ein erfahrener Schriftsteller der mystischen Theologie behauptet, daß sie „verständnislos dem tiefsten Wesen höherer Gebetsgnaden gegenüberstehen“. Er rechnet „hierher zunächst alle diejenigen, die sich weise dünken, wenn sie über alles lächeln, was über das gewöhnliche Gebetsleben hinausgeht“. „Wer glaubt denn heute noch an ekstatische Jungfrauen“, damit meint man etwas sehr Kluges gesagt zu haben, ohne zu bedenken, daß damit auch über Männer wie Benedikt, Bernhard und Franz von Assisi, Ignatius und Franz Xaver der Stab gebrochen ist“.89 Die Priester und Freunde der Schippacher Sache: Büttner, Klug, Lippert, Holzamer, Weihmann u.v.a. berichten, eine Vielzahl solcher Mitbrüder kennengelernt zu haben, welche über die Schippacher Sache nur die Nase rümpften und meinten, eine besondere Leistung zu vollbringen, wenn sie von dem „Unsinn“ redeten, der in jenen Offenbarungen enthalten sei. Wenn sie danach gefragt wurden, so berichteten sie einzeln, ob sie auch jene Schriften gelesen oder die Person kennengelernt hätten, beriefen sie sich auf Zeitungsartikel. Sie ließen also lieber andere denken, als daß sie sich diesem nicht immer sehr leichten Geschäfte unterzogen. Man sieht auch daraus wieder, eine wie gefährliche Sache es war, mystische Fragen in der Tagespresse breitzutreten und noch dazu in einer Form, die Gelächter und Spott hervorrufen mußten.

89 Richstätter 45

Die Väter dieser Bewegung und die Spötter mögen sich aber auch gesagt sein lassen, daß ihre Art der Bekämpfung Schippachs ein sehr zweischneidiges Schwert ist. Denn entweder überträgt das kritiklose, aber sensationslüsterne Publikum solch lieblose Urteile auch auf jene Dinge, die uns allen unbestritten heilig sind, und wirft echte Mystik mit Scheinmystik in einen Topf, oder solche Reden erzeugen offenes Ärgernis. Die Fälle stehen nicht vereinzelt, wo Leute über die höhnenden Worte von Predigern auf der Kanzel geradezu empört wurden. Msgr. Büttner: Mir erzählte eine Frau aus einer Stadt, daß sie die Spöttereien eines Predigers, der giftige Skorpione statt Brot reichte, für eine glatte Verleumdung der Schippacher Person ansah, da sie diese sehr gut kannte; mehrere hochgebildete Laien, hohe Staatsbeamte, gestanden mir, wie sie durch die Spottreden von Priestern veranlaßt worden seien, sich mit der Schippacher Sache zu befassen und „gläubige Schippacher“ geworden seien.90 Daß bei solchen Predigern neben ihrem ungerechten Verhalten auch große Unkenntnis der mystischen Theologie mitspielt, dafür habe ich mannigfache Belege. Welch dankbares Feld böte sich da Professoren der Theologie und Dozenten an Priesterseminarien zur Bearbeitung, wenn sie die ignorantia crassa und den „theologischen Bildungstiefstand“ (Krebs) der künftigen Prediger in geeigneter und nachdrücklicher Weise behöben.

90 Büttner: Aufgrund meiner Akten und persönlichen Kenntnis habe ich die Wahrnehmung gemacht, daß einen hohen Prozentsatz der für Schippach interessierten gebildeten Laien die Juristen stellen, also Männer, welche das „Untersuchen“, „Prüfen“ und „Urteilen“ am besten verstehen und ausgesprochenen Rechtssinn besitzen. Richter lassen sich auch durch die Schlagworte eines Advokaten nicht irremachen.

Aber auch „besonnene Kritiker“91 müssen sich in der Beurteilung mystischer Phänomene an gewisse allgemeine Gesetze halten. Sehen wir, welches diese Gesetze sind!

91 Krebs a. a. O. Gab es also doch auch „unbesonnene Kritiker“?

 

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1. Die Grenzen der richterlichen Kompetenz

Wer über mystische Erscheinungen ein Urteil abgeben will, muß ein gründliches Studium der mystischen Theologie hinter sich haben; Gelehrsamkeit allein macht noch lange nicht zur Übernahme des Richteramtes fähig. „Kritisiere jeder“, sagt Grabinski,92 „soviel er kritisieren zu müssen glaubt, aber nur wenn er über die Dinge, die er beurteilen will, gründlich orientiert ist und wenn er vor allem auch auf diesem Gebiete Erfahrungen aufzuweisen hat. Bloßes allgemeines
‚Wissen‘ befähigt noch längst nicht zu einem wirklich maßgebenden Urteil“. So unangenehm diese Worte in manchen Ohren klingen, wahr sind sie doch. Wer über mystische Erscheinungen, über Personen, Schriften, Anregungen urteilen will, muß die mystische Theologie wohl beherrschen, und dies ist eine sehr schwierige Sache; denn die „mystische Theologie ist nach den Worten Denifles unter allen theologischen Disziplinen die schwierigste“.
93 Hat sich aber der Kritiker „mit dieser schwierigen Wissenschaft nicht vertraut gemacht, so wird er dem Innenleben des Mystikers zum Teil verständnislos gegenüberstehen und deshalb sein psychologisches Bild sicher verzeichnen, mag es sich um Franz von Assisi oder Ignatius, um Canisius oder Borja, um Franz von Sales oder Franziska von Chantal handeln“.94 So ein moderner Autor, über dessen Klarheit der Darstellung ich mich herzlich gefreut habe. Ganz zutreffend zitiert er dann eine Äußerung seines Ordensgenossen Michael, daß der Historiker, wenn er nicht selbst Mystiker sei, für das Gebiet der echten Mystik nicht zuständig sei, da er sich auf einem ihm fremden Gebiete bewege. Ähnlich drückt sich der Jesuitenpater Surin in seinem Werke „La doctrine de la vie spirituelle“ aus: „Die mystische Theologie ist eine eigene Wissenschaft, die ihre eigenen Prinzipien, ihre eigenen Schlußergebnisse und ihre eigene Sprache besitzt, unabhängig von jeder anderen Wissenschaft. Es gibt aber manche Leute, die, ohne sich viel in den Werken über mystisches Leben umgesehen zu haben, sich für berechtigt halten, darüber zu urteilen und gar abfällig zu urteilen. Auffallend ist es, daß man sich in allen Wissenschaften gerne auf Fachleute beruft, in dieser Wissenschaft hält sich aber jeder für einen Meister“.95 Zutreffender könnte das Gebaren mancher Kritiker im Kampfe gegen Schippach gar nicht charakterisiert werden als es hier der große Jesuitenmystiker ohne jeden Zusammenhang mit unserem Falle tut. Ich will gewiß den Herren Krebs und Zahn nicht bestreiten, daß sie in der mystischen Theologie reiche Kenntnisse besitzen; ich selbst bewundere die Erudition des Würzburger Dogmatikers und gestehe, daß mir seine „Einführung in die christliche Mystik“ manche genußreiche Stunde bereitet hat, obwohl ich mit seiner Auffassung vom Wesen der Mystik und manchem anderen durchaus nicht einverstanden sein kann. Von der Schrift:
„Die Seherin von Schippach“ wird man so etwas bei aller Hochschätzung des Autors, dessen persönliche Frömmigkeit nicht in Frage steht, nicht behaupten können.

92 Grabinski, Wunder, Stigmatisation und Besessenheit 4
93 Richstätter 26
94 ebenda 25
95 ebenda 67

In der ganzen langen Streitschrift ist, von anderen grundstürzenden Mängeln ganz abgesehen, nur ein einziges mystisches Buch zitiert und von diesem nur ein Kapitel und dieses noch dazu in mißbräuchlicher Weise. Dann Poulain, um dessen Buch es sich handelt, führt in dem berühmten Kapitel nur die Fragen an, welche bei der Prüfung mystischer Erscheinungen zu stellen sind. Auf die Beantwortung kommt es aber an, nicht auf die Fragen. Dr. Brander hat sich sklavisch, geradezu kindisch ängstlich an die zweimal sieben Fragen Poulains angeklammert, eine Methode, die ihm sogar seine Freunde verübelt haben, und hat diese Fragen dann beantwortet so wie er sich die Sache dachte. Ein anderer Kritiker beantwortet dieselben Fragen Poulains mit Bezug auf Barbara Weigand ganz anders. Darum durfte mit Berufung auf Poulain ein Verdikt über die Schippacher Sache nicht gefällt werden. Nicht Poulain „beweist“ die Unechtheit der Offenbarungen, sondern Dr. Brander meint, mit seinen Antworten auf die Fragen Poulains die Unechtheit bewiesen zu haben. Mit derselben Methode könnte ich die Echtheit „beweisen“, was mir aber nicht im Traume einfällt. Die Schrift Dr. Branders trägt durchweg den Stempel der Hast, der nervösen Unruhe, natürlich auch des Eifers und Fleißes, der einer besseren Sache allerdings würdiger gewesen wäre als der Zerstörung eines Kirchenbaues. Daß er, wie er behauptet, in der Sache „bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit“ gearbeitet habe, ist völlig glaubhaft und bei dem Charakter Dr. Branders, der keine Halbheiten kennt, auch wohl begreiflich. Schade um die aufgewandte Zeit und Mühe! Sie haben uns um unsere Kirche gebracht. Viel wichtiger als die sklavische Anlehnung an Poulain wäre es gewesen, sich in der mystischen Literatur umzusehen, die kirchliche Lehre über Visionen und Privatoffenbarungen zu studieren, zu sehen, ob sich nicht vielleicht in der Geschichte ähnliche Fälle ereignet hätten, ob sich nicht Parallelen zu Schippach finden ließen, ob man sich nicht schließlich um zweier armen Gemeinden willen und mit Rücksicht auf ein gegebenes Bischofswort mit einem begonnenen Kirchenbau doch abfinden könne. Wenn auch die Geschichte an sich noch nicht das Recht gibt, über ein mystisches Erlebnis abzuurteilen, so ist sie doch immer eine große Lehrmeisterin, bewahrt vor voreiligen Schlüssen und jener absoluten Sprache, der wir im Falle Schippach begegnen. Hätte man sich in der Geschichte der Mystik umgesehen und sich Objektivität bewahrt, dann wäre das Urteil über Schippach nicht so hart ausgefallen, und wir hätten heute ein schönes Gotteshaus, so aber haben wir keines. Alles in allem: „Selbst tüchtige Theologen und Historiker können der mystischen Terminologie hilflos und verständnislos gegenüberstehen“, wie Richstätter an der Biographie Gersons von Schwab nachweist, der trotz seiner Gelehrsamkeit und theologischen Bildung nicht imstande sei, die mystischen Erlebnisse Gersons richtig wiederzugeben.96

96 Richstätter 133 f

So wichtig die Kenntnis der mystischen Theologie ist: sie genügt noch nicht für die Befähigung zum Richteramte; das Vertrautsein mit dem Charakter mystischer Schriften in Weise des akademischen Lehrers oder des Schriftstellers gibt noch nicht die Erlaubnis, über mystische Vorkommnisse abzuurteilen. Auf Priester, „die in Theologie und Aszese wohl bewandert sind, denen es aber nicht gegeben ist, das eigentliche Wesen der außergewöhnlichen Beschauung zu erfassen, auch wenn sie gewandt und interessant über Mystik zu reden oder zu schreiben wissen“,97 zeigen oft für höhere mystische Erlebnisse wenig Verständnis und eine erschreckende Unfähigkeit in der Bewertung mystischer Vorkommnisse im Einzelfalle.

97 ebenda

Den tieferen Grund, warum die Theologen an sich noch nicht geeignet sind, als Sachverständige in mystischen Fragen aufzutreten, gibt der hl. Bonaventura, gleich groß als spekulativer Theologe wie als Mystiker, wenn er von mystischen Gnaden sagt: „Willst du wissen, wie das geschieht, so frage die Gnade, nicht die Wissenschaft, das Verlangen und nicht das Verständnis, den Bräutigam und nicht den Lehrer“.98 Es ist dieselbe Erkenntnis, welche der Biograph des hl. Franz Borja in die Worte kleidet: „Hier schweigt die Wissenschaft; wir sind auf heiligem Boden“.99 Oder was P. Ignaz Jeiler ausspricht: „Es ist katholische Lehre, daß der Heilige Geist innerlich den Leib der Kirche mit all ihren Gliedern übernatürlich belebt, erleuchtet und erwärmt. Das Maß Seiner Gnaden und Gaben wird dabei keineswegs nach dem Grade ausgeteilt, den die Empfänger in der äußeren hierarischen Ordnung der Kirche einnehmen, sondern nicht selten sind die in den Augen der Menschen Geringsten und Kleinsten am meisten bevorzugt“. „Der Geist weht, wo er will“ (Jo 3, 8), und für alle Zeiten gilt das Wort des Herrn: „Ich preise Dich Vater des Himmels und der Erde, daß Du dieses vor den Weisen und Klugen verborgen und den Kleinen offenbaret hast“ (Mt 11, 25). Dieses Wort erklärt auch die Tatsache, daß Privatoffenbarungen und außerordentliche Charismata schlichten Personen, auch weiblichen Geschlechtes, häufiger zuteil werden als Hochgestellten und Gelehrten“.100

98 Richstätter 64; Hahn-Hahn, Leben der hl. Theresia 11
99 Karrer, der heilige Franz Borja, 399
100 Kirchenlexikon X 424

Die Vorzeit hat nicht anders geurteilt. Surin hat schon vor 250 Jahren die Worte niedergeschrieben: „Irdische Bücher und die spitzfindigste theologische Wissenschaft können die Einsicht in das mystische Gnadenleben uns niemals verschaffen,101 und 200 Jahre vor ihm betonte schon der Fraterherr Johann von Schönhofen in seiner Verteidigung Ruysbroeks: „In Dingen, die auf innerer Erfahrung beruhen, besitzen solche, die aus Erfahrung reden, ein größeres Ansehen als jene, die sich bloß auf wissenschaftlichem Wege den Inhalt dieser Erfahrung anzueignen suchen. Dies ist namentlich, in der Mystik der Fall, die alle Begriffe der Vernunft übersteigt. Nur Philosophen und Theologen hierin ein Urteil gestatten, hieße der Natur mehr zutrauen als der Gnade, die schnell belehrt und sicher und unfehlbar belehrt, es zugleich auch tief und unauslöschlich einprägt, da sie im hellsten Lichte zeigt, was anderen dunkel erscheint“.102 Als einst gelehrte Theologen, welche an den Bibelerklärungen der hl. Katharina von Siena Anstoß nahmen, sie mit spitzfindigen Fragen in die Enge treiben wollten, antwortete die Heilige: „O welch ein Unheil ist die stolze Wissenschaft! Euch schadet sie sehr, ohne irgendjemand zu nützen“.103

101 bei Richstätter 66
102 bei Richstätter 96 ff.
103 Riesch, die heilige Katharina von Siena 76

Mit der Tatsache, daß heutzutage die Theologen als solche die Führung in der Mystik an sich reißen wollen und die mystischen Phänomene kalt und herzlos unter das Schlachtmesser spekulativer Erörterungen liefern, wobei sie natürlich da, wo es nicht anders gehen will, dem Heiligen Geiste vorschreiben, wo Er zu wehen habe, hängt auch der Dilettantismus zusammen, der sich in unserer Zeit auf dem Gebiet der Mystik breit macht, wie Schleußner schon 1909 zutreffend bemerkt hat.104

104 Katholik, 1909 340 bei Richstätter 71

Eine Aufgabe der Wissenschaft ist es, auf dialektischem Wege neue Erkenntnisse zu gewinnen. Diese Methode, die sich auch in der Theologie das Bürgerrecht erworben hat, darf jedoch nicht dazu führen, alle Erscheinungen ihr untertänig zu machen. Sie müßte bei ausgesprochenen Erfahrungswissenschaften kläglich scheitern. Nun ist aber „Mystik in erster Linie Erfahrungswissenschaft. Sie läßt deshalb keinen Raum für aprioristische Konstruktionen. Manche Irrung der modernen Mystik findet in der Nichtbeachtung dieses, eigentlich selbstverständlichen, Grundsatzes ihre Erklärung“.105 Wie schwer hat sich die Polemik im Falle Schippach gegen diesen „selbstverständlichen Grundsatz“ versündigt! Man lese nur die Streitschrift Dr. Branders und verfolge die wissenschaftliche Taktik, die darin angewandt wird! Da werden feste Kapitelüberschriften oben hingestellt, aus einem Handbuch der Mystik sklavisch die Möglichkeiten mystischer Irrungen aufgesucht und dann alle diese Möglichkeiten, und zwar gerade die dort aufgezählten, überraschend und „photographisch genau“ bestätigt gefunden. Wie läppisch weit man in aprioristischen Konstruktionen dabei gegangen ist, mag folgendes Beispiel dartun. Nachdem der Verfasser die erste Prüfungsfrage Poulains bereits – falsch – beantwortet hat, fährt er fort: „Poulain fragt auch danach, ob die Person, die sich begnadigt glaubt, nicht zu denen gehöre, welche gern übertreiben. Da nun hysterische Personen (die Hysterie der Barbara Weigand hat der Autor vorher natürlich „unwiderleglich“ „bewiesen“) exzentrisch zu sein pflegen, in allem zu weit gehen, das Paradoxe lieben und alles ohne Grund übertreiben, so darf man von vornherein vermuten, dieses Merkmal auch bei Barbara Weigand in den Offenbarungen bestätigt zu finden“.106 Natürlich findet dann Dr. Brander diese seine „von vornherein“ gemachte „Vermutung“ genau bestätigt, um mit diesem klassischen „Beweis“ für die Unechtheit der Offenbarungen und der Verwerflichkeit des Kirchenbaues auszurufen: „Wer so übertreibt, hat das Recht verwirkt, für normal genommen zu werden“.107 Ich will gar nicht von dem circulus vitiosus reden: „weil Barbara Weigand hysterisch ist, übertreibt sie; weil sie übertreibt, ist sie hysterisch“. Es ist dies nur einer von den vielen Widersprüchen, die die Hast der Prüfung und die Leidenschaftlichkeit der Behandlung im Gefolge haben mußten. Aber wenn eine solche Methode nicht die von aprioristischen Konstruktionen ist, was sind denn dann aprioristische Konstruktionen? Wie sagt Poulain, Dr. Branders „sicherer Führer“: Es gibt Leute, die gar schnell ihre wissenschaftliche Ruhe und Objektivität verlieren. „Sie befragen nicht mehr solid die Tatsachen, sondern stellen einfach Theorien auf. Was macht es, die Leser wissen es ja auch nicht besser als sie.. Nur ist das keine Wissenschaft mehr, sondern Phantasterei“.108

105 Richstätter 40
106 Seherin 47
107 ebenda 48
108 Poulain 254

Zutreffend bemerkt auch Johann Michael Sailer über die wissenschaftlichen Arbeitsweisen: „Es teilen sich die Gelehrten in drei Klassen. Einige haben es mit den Wörtern zu tun. Sie ärgern sich überall, wo sie nicht ihre Wörter finden. Andere verloren sich in dem Irrgarten der Begriffe. Sie sind Menschen, die sich überall ärgern, wo sie ihre Begriffe nicht finden. Es gibt aber auch noch Gelehrte einer dritten Klasse, die sich ihre Anschauungen aus dem Besitz der Sache selbst gebildet haben, nicht aber aus vorher festgesetzten Begriffen über eine ihnen innerlich fremde Sache urteilen“.109 Daß der Verfasser der Broschüre „Die Seherin von Schippach“ nicht in die dritte Klasse eingereiht werden kann, dürfte nach seinen „Vermutungen von vornherein“ keines Beweises mehr bedürfen.

109 Sailer, Nachfolge Christi, XXV, bei Zahn 92

Daß übrigens der Polemik diese Grundsätze, von denen sie so sehr abweicht, in der Theorie nicht fremd waren, zeigt uns Krebs, der ja, wie wir wissen, sich mit maßloser Schärfe gegen Schippach wendet. Dort nämlich, wo er eine Brücke schlägt zu der protestantischen und heidnischen Mystik, ist er ganz von der Richtigkeit dieses Grundsatzes durchdrungen, nur bei Schippach hat er sie vergessen. „Sache des theologischen Beurteilers ist es, meint er, bei Anfragen dieser Art (er redet von der Bewertung protestantischer und heidnischer Mystik) nie von vornherein die Alternative zu stellen, daß entweder unmittelbares Wirken Gottes oder Irresein, Teufelei und Betrug hier als einzige Ursache anzunehmen sei, sondern ganz sachlich sind die einzelnen Vorkommnisse zu prüfen und an der Hand der kirchlichen Lehre und der erprobten Kriterien sittlicher Art ist sodann festzustellen, ob nur Natur oder Natur und Gnade hier im Spiele sind; auf diese Weise wird es möglich sein, sein Urteil mit weiser Verteilung nach der Seite des Natürlichen und Übernatürlichen abzugeben“.110 Warum hat denn derselbe Autor dieses Vorgehen, das er gegen Protestanten und Heiden empfiehlt, nicht auch selber gegen Schippach angewandt? Warum hat er sich denn da die Alternative so schroff gestellt und nur auf „Unsinn“ diagnostiziert? Warum hat er denn die „erprobten Kriterien sittlicher Art (zum Beispiel das achte Gebot Gottes) nicht auch gegen eine alte Spessartjungfrau walten lassen und einer „im Rufe der Frömmigkeit stehenden Person“111 ihren guten Namen gelassen? Warum hat er denn im Falle Schippach sein Urteil nicht auch „mit weiser Verteilung nach der Seite des Natürlichen und Übernatürlichen“ abgegeben?

110 Krebs 250 ff.
111 Diözesanblatt Würzburg 1914 S. 218

Wir sehen, wie man im Falle Schippach schon den allgemeinen wissenschaftlichen Grundsätzen in Prüfung mystischer Vorgänge und Schriften wenig Rechnung getragen hat. Freilich, die Polemik hat sich statt an diese bewährten Regeln zur Unterscheidung der Geister lieber an die moderne experimentelle Psychologie gehalten. Das klang ja viel gelehrter und überzeugender als etwa die veraltete Regel: „Nicht sollst du aussprechen gegen deinen Nächsten ein falsches Zeugnis!“112 Ich werde das Verwerfliche einer solchen Methode an anderer Stelle kennzeichnen und begnüge mich deshalb hier, nur die Tatsache von grundsätzlicher Bedeutung festzustellen, daß auch die experimentelle Psychologie und Psychopathologie ebenso wie die Medizin nicht berufen sind, in der Wertung mystischer Vorgänge als Sachverständige zu fungieren. Ohne den späteren Ausführungen vorzugreifen, erinnere ich hier nur an eine Bemerkung Richstätters, daß die genannten weltlichen Wissenschaften ein unmittelbares Verständnis für das Wesen übernatürlicher, geistig-mystischer Vorgänge nicht gewinnen können. „Wie der geschickteste Anatom mit seinem Seziermesser niemals auf die Menschenseele stoßen wird, so wird auch die experimentelle Psychologie durch ihre gewohnten Methoden nie an das Übernatürlich-Geistige der Seele heranreichen, an die Seelenspitze, den Seelengrund, das Seelenfünklein oder die innerste Wohnung der Seelenburg. Ja, wie beim Anatomen gerade durch seine Kunst das wissenschaftliche Verständnis für höhere Probleme der Psychologie leiden kann, so durch die experimentelle Psychologie das Verständnis für höhere mystische Vorgänge“.113

112 II Mos 20, 16
113 Richstätter 51 ff.

 

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2. Das Fühlen mit dem Mystiker

Wie wir schon oben aus der Haltung des Professors Krebs gegen die protestantische und heidnische Mystik ersehen konnten, gehört zu den Grundsätzen, die bei der Prüfung mystischer Vorgänge beobachtet werden müssen, auch das Fühlen mit dem Mystiker selber. Es ist dieses Gebot eine positive Seite der oben aufgestellten These, daß man nicht nach seinen eigenen vorgefaßten Meinungen, aprioristischen Konstruktionen und bloß wissenschaftlichen Maximen vorgehen dürfe. Wie auf dem Gebiet des Seelenlebens überhaupt, so ist es im Reiche der Mystik, dieser feinsten und zartesten Seite des menschlichen Innenlebens, nötig, sich in das Seelenleben des Mystikers, so gut es geht, einzuleben, den Standpunkt des Mystikers einmal als den gegebenen zu betrachten und seine Gedanken einmal zu den eigenen zu machen. Das nenne ich psychologisch, organisch prüfen. Was Poulain dem Seelenführer in bezug auf die Leitung der täglichen inneren Gebete anrät, das gilt auch für den, der über die mystischen Erlebnisse anderer urteilen will: „Man muß den Menschen mit sich selbst vergleichen, nicht mit einem anderen besonders begnadigten Menschen“.114 Darum geht es den Mystikern oft so schlecht, weil sie von ihrer Umwelt, der jegliche Aklimatisationsfähigkeit abgeht, oft nicht oder – vielleicht absichtlich – falsch verstanden werden; die Geschichte der Mystik ist der Beweis. Darum mahnt ein erfahrener mystischer Schriftsteller, Mystiker sollten bei Nichtmystikern keinen Trost suchen: „Diejenigen, welche uns umgeben, verstehen unsere Klagen nicht, weil sie selbst nie etwas ähnliches erfahren haben. Freunden, die nie mystische Gnaden empfangen haben, Mitteilung von der eigenen Gunstbezeugung zu machen, ist meistens nicht ratsam“.115

114 Poulain 39
115 ebenda 158

Es ist dieselbe Erkenntnis, welche Karrer in den Worten ausspricht: „Ohne eine gewisse geistige Verwandtschaft wird es schwer, wenn nicht unmöglich sein, die Heiligen in ihrem Intimsten zu verstehen. Am allermeisten wird der Mystiker mißverstanden“.116 Auch Zahn gibt diesem Gedanken Raum, wenn er ganz allgemein das Wort Leubas zitiert, „daß im großen und ganzen die kirchlichen Mystiker selber, und überhaupt die Gläubigen der Kirche, viel richtiger über Charakter und Tendenzen der Mystik geurteilt haben als die meisten der modernen Schriftsteller, die von einem abweichenden Standpunkt her die Beurteilung unternahmen“.117 Wenn man nun einen so abweichenden Standpunkt in unserem Falle einnimmt, daß man „von vornherein“ Böses „vermutet“, daß man nur „mit Widerwillen“ die Prüfung vornimmt, dann kann man doch nicht von einer Einfühlung in die Seele derer sprechen, die man prüfen will. Treffend bemerkt hierzu der italienische Religionspsychologe Guido Ferrandi: „Da nur der Mystiker imstande ist, seine religiösen Erfahrungen zu beschreiben, so muß der Psychologe, wenn er wirklich eine wissenschaftliche Methode befolgen will, seine Aussagen als Wahrheit hinnehmen.. Wer sie erklären will, muß sich auf den Standpunkt des Mystikers stellen“.118 Wie die Menschen verschieden sind nach Antlitz, Haltung, Wuchs, Gestalt, Benehmen, so und noch viel mehr verschieden sind sie in ihrem Innenleben, dessen feinste Blüte die mystische Begnadigung ist. Wer darum eine Charakteristik des Seelenlebens und zumal des mystischen Seelenlebens einer Person geben will, darf doch nicht einfach starre, schablonenhafte, aprioristische Sätze unbesehen auf das Seelenleben der zu prüfenden Personen übertragen.

116 Karrer 400
117 Zahn 13
118 Archiv für Religionspsychologie (1914) 257, bei Richstätter 40

Auch dem Dogmatiker sind Grenzen gezogen. Es ist unnötig zu betonen, daß Visionen und Privatoffenbarungen keine neuen Offenbarungswahrheiten vermitteln können. Darüber sind wir alle einig und anerkennen ganz selbstverständlich das Recht des Dogmatikers, Privatoffenbarungen nach dieser Richtung hin zu prüfen. Aber der Dogmatiker kann diese seine Aufgabe auch überspannen. So ist zum Beispiel Krebs, wie wir wissen, einer der Hauptrufer im Kampfe gegen Schippach, in derselben Schrift, in welcher er vermeintlich der Schippacher Bewegung den letzten Rippenstoß versetzt, diesem Irrtum zum Opfer gefallen, wie ihm Mager treffend erwiderte.119

119 Beilage zur Augsburger Postzeitung Nr. 17 vom 25. April 1921

Wie der Dogmatiker kein Recht hat, etwa über das Wesen der Mystik eine lehramtliche Entscheidung zugunsten seiner Auffassung ins Feld zu führen, so hat er noch weniger das Recht, etwa die Terminologie der Mystiker nach dem strengen Maßstab der konventionell gewordenen Fachausdrücke oder der dogmatischen Theologie zu messen; vielmehr müssen die Aussagen des Mystikers „unter Berücksichtigung seiner selbstgebildeten Ausdrucksweise“ geprüft werden.120 Der Dogmatiker würde seine Befugnisse überschreiten, wollte er aufgrund einer persönlichen, umstrittenen theologischen Meinung dem Heiligen Geiste Grenzen vorschreiben, wie Er in einer von Ihm besonders bevorzugten Menschenseele in außergewöhnlicher Weise seelisch nur allein wirken dürfe. Aufgrund dessen, was der Mystiker (also nicht andere, zum Beispiel Abschreiber oder Kritiker, d. V.) als sein inneres Erlebnis darstellt, ist der Theologie und der Psychologie die Möglichkeit geboten, das Tatsachenmaterial (also nicht aprioristische Konstruktionen oder Annahmen oder „von vornherein“ gemachte „Vermutungen“, d. V.) wissenschaftlich auszuwerten. Ob die höheren Gebetsgnaden der eingegossenen Beschauung vom Dogmatiker in der richtigen Weise dargestellt werden, findet der Mystiker, der aus Erfahrung redet, mit intuitivem Blick sofort heraus. Sein Urteil ist darum auch für den Dogmatiker von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Denn was helfen seine scharfsinnigsten Untersuchungen und Argumentationen, wenn der Mystiker achselzuckend erklärt: „Das ist ja gar nicht mein mystisches Erlebnis, mein schauendes Gebet, sondern etwas ganz anderes“.121 So spricht mit erfrischender Klarheit ein alter Volksmissionär, „der fast drei Jahrzehnte hindurch vielhundertmal in Klöstern, vor Priestern und frommen Laien Exerzitien geben mußte und ebenso viel Volksmissionen zu halten hatte“.122 Sein Ordensgenosse Noldin hatte den Gedanken, daß der Dogmatiker sich in die Seele, Ausdrucksweise, Terminologie des Mystikers hineinversetzen und von dieser organischen Basis aus seine Worte prüfen müsse, schon 23 Jahre früher mit den Worten ausgesprochen: „Die Mitteilungen des Herrn an einzelne auserwählte Seelen haben nie jene allgemeine Fassung und Gestaltung wie die Dogmen des Christentums; sie nehmen viel mehr stets ein individuelles Gepräge an, in welchem sie uns mitgeteilt werden. Es kann sich aber sehr leicht und wird sich sehr oft ereignen, daß die Offenbarungen des Herrn in ihrer individuellen Gestaltung, in welcher sie zu uns gelangen, einem anders gearteten Geiste und Gemüte nicht zusagen“.123 Das ist objektive Sprache und Wissenschaft.

120 Richstätter 41
121 ebenda 43 ff.
122 ebenda 5
123 Noldin, die Andacht zum heiligsten Herzen Jesu, 39

Auch wenn die Offenbarungen der Barbara Weigand einem anders gearteten Geiste und Gemüte nicht zusagen, auch wenn sich „Widerwille“ dagegen geltend macht, so darf doch deswegen ein ablehnender Standpunkt nicht verallgemeinert und jene Person verketzert werden, wie es tatsächlich geschah. Daß man im Falle Schippach sich gewiß nicht die Mühe genommen hat, in den Geist der Person und der Schriften einzudringen, daß von einem Sichversetzen in den seelischen Zustand jener Person nicht die Rede sein kann, daß man vielmehr ohne jegliches psychologisches Verständnis sich sklavisch an den nicht einmal authentischen Wortlaut jener Schriften gehalten hat, daß man das Gebetsleben, die Opfergesinnung jener Person, über die doch der Beichtvater und Seelenführer am besten Aufschluß geben konnten, auch nicht einmal vergleichsweise zur Beurteilung herangezogen hat, daß man der Barbara Weigand nicht im geringsten gestattete, den „Dogmen des Christentums ein individuelles Gepräge“ zu geben, wie es nach Noldin sonst den Mystikern erlaubt ist, sondern von ihr klarste dogmatische Formulierung verlangte, daß man infolgedessen auch dem zweiten Grundsatz in der Prüfung mystischer Vorgänge: dem Fühlen mit dem Mystiker, nicht gerecht wurde, brauche ich dem Leser der seinerzeitigen Preßerzeugnisse nicht weiter zu beweisen. Ich kann nur noch versichern, daß das, was die Kritik als die Ansichten der Barbara Weigand in dogmatischen und moralischen Fragen mit absoluter Sprache bezeichnet, nicht das seelische Erlebnis der Person darstellt, vielmehr mit diesem im Widerspruch steht. Das ist authentische Interpretation. Hier nützen alle Argumente und Superlative nichts, wie Richstätter sagt, wenn Barbara Weigand sich wehrt und erklärt: „Das ist ja gar nicht mein mystisches Erlebnis, was ihr da herausgefunden haben wollt!“

 

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3. Zurückhaltung im Urteil

Eine dritte Regel zur Beurteilung mystischer Vorgänge oder Schriften mahnt zur Vorsicht und Sorgfalt in der Abgabe des Urteils. Diese Mahnung ist eigentlich ein selbstverständliches Gebot jener Tatsache, daß nicht leicht eine Materie so große Schwierigkeiten darbietet als mystische Vorgänge. Zwar haben es sich die Richter im Falle Schippach ziemlich leicht gemacht, indem sie die Schippacher Schriften einfach als „Halluzinationen einer bedauernswerten Nervenkranken“ bezeichneten. Wir werden diesen Passus des Urteils später behandeln. Aber so einfach liegen die Dinge denn doch nicht.

Zunächst gilt es einmal, die natürlichen und übernatürlichen Faktoren auseinanderzuhalten. Daß diese Aufgabe nicht immer leicht ist, gibt auch Zahn zu, wenn er darauf hinweist, „wie auch auf anderen Gebieten unserm Geiste nicht beschieden ist, Gottes Walten in uns, gegenüber unserm eigenen Wirken nach den Maßstäben unserer Begriffe abzugrenzen“.124 Diese Mischung zwischen göttlicher und menschlicher Tätigkeit auszuscheiden ist mitunter geradezu ein Ding der Unmöglichkeit. Wo nicht ausgesprochene Beweise Gottes vorliegen, wie ein Wunder oder eine bestimmt in Erfüllung gegangene Weissagung, läßt sich eine solche Ausscheidung zwischen Göttlichem und Menschlichem in den mystischen Vorgängen nur durch Abwägen der Gründe für und wider vornehmen. Allein, wie Poulain richtig bemerkt,
„praktisch gibt dieses Mittel meist nur eine geringere oder größere Wahrscheinlichkeit“,
125 aber keine absolute Sicherheit. Die Mystik ist eben „das unbekannte Land, voll von Wundern und Geheimnissen“,126 in welchem „es nicht immer leicht ist, sofort zu erkennen, inwieweit natürliche Anlage oder die außergewöhnliche Wirkung einer mystischen Gnade vorliegt“.127 Selbst Krebs, ein so heftiger Gegner Schippachs, meint da, wo er sich eine ruhige Auffassung bewahrt, „daß auch zwischen der Pseudomystik und der echten Mystik die Übergänge nicht sprunghaft sind”,128 daß ihre Grenzen ineinander laufen und die Scheidelinie darum nicht leicht zu finden ist. Er erinnert daran, „daß selbst Heilige ins echte mystische Erlebnis pseudomystische Visionen oder Ansprachen einmengen können“. Wenn nun also die Trennung zwischen Mystik und Pseudomystik und erst recht jene zwischen übernatürlichem und natürlichem Faktor eine so schwierige Sache ist, dann ist es nur verwunderlich, wie die Kritik mit dieser Ausscheidung im Schippacher Falle so leicht fertig wurde, daß mit ein paar Hinweisen auf ein Handbuch der Psychopathographie der „absolute“ Beweis geliefert war, daß jene Visionen unecht seien.

124 Mystik 616
125 Poulain 341
126 ebenda 133
127 Richstätter 90
128 Grundfragen 248

Wohl die allergrößte Schwierigkeit in der Beurteilung mystischer Vorgänge liegt aber nach der übereinstimmenden Überzeugung der Autoren in der Deutung der mystischen Sprache. Poulain, an dessen Hand Dr. Brander angeblich die Schippacher Schriften durchwandert hat, kommt immer wieder auf diese Schwierigkeit zu sprechen und ebenso auf das Unheil, welches durch eine falsche Auslegung und Deutung der mystischen Terminologie schon verursacht wurde;129 Zahn aber, der vorsichtigste, weil gelehrteste, im Schippacher Richterkollegium, widmet volle 21 Seiten seines Handbuches dem Nachweis von der „Relativität der Sprache der Mystiker“. Nun vergleiche man mit dieser Relativität einmal die Absolutheit der Sprache des Richterkollegiums! Da ist bekanntlich alles, was die Richter sagen „absolut“ wahr und die Beteuerung der Gegenseite „absolut“ unwahr. Und wie ist erst die Kritik mit der Deutung der Schippacher Terminologie umgegangen, sogar dort, wo diese „ganz rechtgläubig klingen“.130 Sehr richtig bemerkt hierzu Richstätter: „Man benützt dieselbe Terminologie wie der Mystiker, der sein inneres Erlebnis beschreiben will, vermag (oder will?), sich aber nicht vorzustellen, welche Vorgänge damit gemeint sind. Darum kann auch eine wissenschaftliche Auseinandersetzung selten zum Ziele führen, weil die beiden Teile den Worten eine andere Bedeutung beilegen“.131 Immer wieder weisen die Autoren deshalb darauf hin, wie vorsichtig man mit den Ausdrücken der Mystiker umgehen müsse, damit man nicht ihr ganzes mystisches Leben in Mißkredit bringe. Auf einen besonderen Fall anspielend, bemerkt eine begnadigte Seele: „Ehrlich gestanden: ich bin entsetzt, wie falsch sie verstanden sind. Sie bezeichnen jene inneren Vorgänge treffend für diejenigen, die sie verstehen, andere aber können damit das Heiligste profanieren“.132 Es ist bekannt, welche Kette von Mißverständnissen die Doppelbedeutung des Wortes contemplatio im Gefolge hat; Alfons Rodriguez redet einmal von der „nicht geringen Schwierigkeit, die er selbst dabei findet, die Fachausdrücke der Mystiker zu verstehen“.133 Diese Schwierigkeit wird noch einleuchtender, wenn wir bedenken, daß ja nicht einmal der Mystiker selbst imstande ist, sein inneres Erlebnis in eine klare äußere Form zu kleiden. Auch zu diesem Punkte äußert sich Krebs in einer Weise, der wir nur zustimmen können: „Jedes Tiefste im Menschenherzen ist so einzigartig und unmitteilsam, daß alle Menschen mit dem Schönsten, was sie in der Seele tragen, immer einsam bleiben, solange sie nicht in die Gemeinschaft der Seligen des Himmels eingegangen sind. Gerade die größten Dichter bekennen es, daß sie ihr Letztes und Ergreifendstes mit aller Kunst der Worte nie völlig auszudrücken vermögen. Es ist deshalb nicht erstaunlich, daß wir sooft bei Mystikern die Bemerkung lesen, es sei unaussprechlich, was sie erlebt haben, und kein anderer werde es je verstehen“.134

129 Poulain 105, 272, ebenso Krebs 142
130 Diözesanblatt 1916 S. 35
131 Richstätter 59
132 ebenda 125
133 ebenda 68
134 Grundfragen 168 ff. vgl. Richstätter 252

Die Relativität der Sprache der Mystiker, ihr Unvermögen, das innere Erlebnis in eine klare Form zu bringen, die weite Deutungsfähigkeit ihrer Terminologie, die Schwierigkeit der Auseinanderhaltung zwischen echter und falscher Mystik, all diese Erwägungen sollten einen jeden ehrlichen Beurteiler zu äußerster Vorsicht und Zurückhaltung im Urteil gemahnen. Klassisch schön und einfach legt Poulain aus den angedeuteten Schwierigkeiten heraus allen Kritikern mystischer Vorgänge die wohlgemeinte Mahnung ans Herz: „Die Entscheidung hinausschieben. Wir sehen, daß man Zeit und lange Untersuchung braucht, um bei Offenbarungen zu einem sicheren Urteil zu kommen. Der Seelenführer muß also, statt sich zu überstürzen, lange Zeit mit vorläufigen Entscheidungen hinhalten. Er darf sich nicht drängen, noch von seiner Begeisterung fortreißen lassen“.135 Es ist merkwürdig, daß Dr. Brander, der sich doch nach seinem eigenen Geständnis Poulain als sicheren Führer im Kampfe gegen Schippach gesucht hat, gegen diese Stimme seines Mentors hartnäckig seine Ohren verschließt, daß er von dem Buche Poulains über die Gebetsgnaden nur das Kapitel über die Verwerflichkeit von Offenbarungen gelesen hat, dagegen die Regeln für die Abgabe eines Urteils geflissentlich übersieht. Das Kapitel im Poulain'schen Buche: „Wie man sich Offenbarungen und Visionen gegenüber zu verhalten habe“, wäre geeignet gewesen, Dr. Brander vor mancher Voreiligkeit zu bewahren, wenn er sich Zeit und Mühe genommen hätte, es zu lesen. „Die Entscheidung lange hinausschieben“, verlangt Poulain als allererstes. Wir haben oben schon gesehen, daß die Gegner Schippachs die Entscheidung nicht lange hinausgeschoben haben, sondern mit ihrem Urteil sehr schnell fertig waren. „Er darf sich nicht drängen und von seiner Begeisterung fortreißen lassen“, das gilt positiv, aber auch negativ, wenn man ein ungünstiges Urteil fällen will, da es sich ja in diesem Falle um Vernichtung großer moralischer Werte handeln kann, wie wir weiter unten sehen werden. Und nun: welche Eile, welche Hast, welche Unruhe, welches Ungestüm, welche Überstürzung im Kampfe gegen
Schippach! Welche Draufgängerei! Welche hämischen, spöttischen Bemerkungen! – Diese seine Meinung, mit der Abgabe eines bestimmten Urteils recht lange zu warten, findet Poulain, gestützt durch eine Bemerkung Amorts, vor dem Tode der betreffenden Person könne man, Ausnahmen abgerechnet, niemals über eine Offenbarung sicher sein. Wenigstens müsse man bei Offenbarungen, die ein bestimmtes Ziel hätten, zum Beispiel das Anregen einer Wallfahrt, erst die Ereignisse sich entwickeln lassen und abwarten, bis die Offenbarungsreihe abgeschlossen sei, ehe man sein Urteil abgebe.
136 Nun lebte Barbara Weigand immer noch; aber obwohl man, wie wir eben gehört haben, erst die Person sterben lassen solle, ehe man urteile, war die Kritik ihrer Peiniger auch damals schon mit ihrem Urteil „absolut sicher“. Auch an diesem Maßstab gemessen, erscheint also das Urteil über Schippach zum mindesten als voreilig und verfrüht. Und ich füge dem hinzu: und heute, wo das ganze geistliche Vermächtnis Barbara Weigands seit Jahrzehnten jedermann offen liegt, hüllen sich die gleichen Widerständler des geistlichen Adels in Schweigen und Vergessen.

135 Poulain 371
136 Poulain 364

Diese eben besprochenen Grundsätze hat auch Zahn eingehend dargelegt; ich empfehle sie jedem Antischippacher zur genauesten Beachtung. Nachdem er sich eine Bemerkung Grisars über die Grenzen der historischen Erkenntnis zu eigen gemacht hat, fährt er fort: „Dabei braucht man nicht zu verheimlichen, daß in nicht wenigen Fällen auch unter Fachgenossen Meinungsverschiedenheiten obwalten können, und daß man in viel mehr Fällen eine Entscheidung, die auf allgemeine Zustimmung wird rechnen dürfen, nur auf mühsamem, langem Pfade einzelner Durchforschung erreichen wird. Die Freiheit von dem Vorurteil gehört zu den Prinzipien der historischen Kritik“.137

137 Zahn 465, vgl. 507, 614

Ein Muster vorsichtiger Ausdrucksweise ist die Bemerkung des hochseligen Bischofs Haffner von Mainz zu der Vorlage der Schippacher Schriften. Der Bischof gibt seine Meinung kund, versäumt aber nicht beizufügen: „Persönlich kenne ich sie (Barbara Weigand) nicht und habe darum ein bestimmtes Urteil nicht“.138 Auch Dr. Brander und Krebs kannten Barbara Weigand nicht – hatten aber trotzdem ein sehr bestimmtes Urteil, wie wir eingangs gehört haben.

138 Seherin 13

 

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4. Berücksichtigung des Zusammenhanges

„Wenn manche schwerverständliche Stellen vorkommen sollten, dann möchte ich unsere geneigten Leser bitten, nicht mutlos zu werden und ihr Beginnen nicht aufzugeben. Solch dunkle Stellen muß man aufmerksam lesen und wieder lesen, und wenn kein Licht hineinkommt, dann soll man einfach darüber hinweggehen. Später, wenn das ganze Buch einmal gelesen ist und besonders, wenn man angefangen hat, es mit wahrem Ernst im Leben auszuführen, dann wird sich die Schwierigkeit aller Wahrscheinlichkeit nach ganz beheben, und was anfangs dunkel erschien, das wird dann klar und lichtvoll und wertvoll“.139 Diese beherzigenswerten Worte stellt der englische Benediktiner Dom Louismet an die Spitze seines Buches über die Beschauung. Es sind allgemeine Regeln, die natürlich in noch viel höherem Grade auf die eigentlichen mystischen Schriften zutreffen, wie Zahn mit Recht betont: „Es bedarf nicht bloß einer Vorsehung und eines aufmerksamen Einlesens, wenn man der mystischen Literatur Geschmack und Segen abgewinnen will, sondern auch Sorgfalt und Hingabe, wenn man die mündlichen Äußerungen der Jünger des mystischen Lebens recht verstehen und beurteilen will, und wo es nottut, ihre Beurteilung oder Sprechweise berichtigen oder doch klären will“.140 Immer wieder mahnen die Autoren, wie wir gesehen, zur Vorsicht in der Abgabe eines Urteils, weil ja die Mystik eine so schwierige und, wie das Wort sagt, geheimnisvolle Wissenschaft ist. Sie ist uns letzten Endes überhaupt nicht ganz begreiflich. Man will damit (mit dem Worte „Mystik“) ausdrücken, daß sie etwas Geheimnisvolles in sich schließt, das selbst die Eingeweihten nicht durchschauen. Da gibt es Erscheinungen, die man niemals vollständig verstehen wird.141 Es kann nun sein, daß uns gewisse Wendungen, rhetorische Ausdrücke im Munde von begnadigten Personen nicht recht zusagen, daß sie uns unwahrscheinlich, unmöglich oder übertrieben vorkommen mögen. Geht es nun an, sofort den Stab über diese Wendungen und damit über die ganze Sache selber zu brechen? Das wäre weit gefehlt. Solche rhetorische Ausdrücke muß man einfach zu erklären versuchen,142 nicht aber darf man sie von seinem eigenen Standpunkt aus perhorreszieren. Vor allem, mahnt Zahn, müsse man die Umwelt beachten, welcher die Aussagen der Mystiker entstammen und in welche sie zurückversetzt werden müssen, um recht verstanden zu werden. Was in diesen Kreisen der höchsten Erbauung dienen könne, das sei vielleicht geeignet, bei weniger günstigen Dispositionen zu stören und zu schaden.143 Wahrhaft, eine goldene Regel, die man im Schippacher Falle nur hätte zu befolgen brauchen, um manches ungünstige Urteil hintanzuhalten! Finden wir doch in der Polemik, daß sogar Stil, Dialektfehler, sprachliche Unrichtigkeiten zum Gegenstand der Verhöhnung und des Gespöttes gemacht werden, daß man an Hör- und Schreibfehler, an unvollständige oder sprachlich nicht durchgebildete Sätze die höhnische Bemerkung knüpft, der Jesus der Schippacher Offenbarungen könne nicht einmal einen sprachlich richtigen Satz aussprechen.144

139 Louismet, Beschauung 11.
140 Zahn 316
141 Poulain 132
142 Poulain 132
143 Zahn 335
144 Seherin 51

Ähnlich steht es mit anderen Sätzen oder Ausdrücken zum Beispiel von dem Sühneleiden oder der Schlechtigkeit der Welt. Für die Erklärung solcher Ausdrücke verweist Zahn auf ein Wort Pregers, „man müsse als Regel der Auslegung festhalten, daß die Absolutheit des Ausdrucks nur aus dem Bestreben kommt, eine Seite der Betrachtung ausdrucksvoller hervorzuheben“.145 Wie sich doch die Schriftsteller Mühe geben, anderen Mystikern gerecht zu werden, wie sie aber die Anwendung derselben Grundsätze bei Schippach gänzlich vergessen!

145 Zahn 346

Daß man Ausdrücke schon deswegen nicht pressen darf, weil man ja gar nicht weiß, was der Autor darunter verstanden hat, beleuchtet uns die Tatsache, daß ein und dasselbe Wort verschiedene Bedeutungen haben kann. Wenn nun eine allzu scharfe Kritik die Worte eines Autors in einem anderen Sinne auslegt als sie der Autor gemeint hat, zum Beispiel die Worte „Sühne“, „Verdienst“ in den Schippacher Schriften, so „beweist man mit einer solchen Zitationsweise nur aufs neue, daß man es fertigbringen kann, jede Stelle mit seinen eigenen Augen zu lesen und nach seinem eigenen Sinn zu verwenden“.146 Ich habe oben schon hingewiesen auf die mannigfache Bedeutung des Wortes „Beschauung“, deren Poulain allein fünf aufzählt, woraus er die Folgerung zieht, daß „wenn man einen Autor zitiert, man jedes Mal sehen müsse, was das Wort bei ihm im Zusammenhange bedeutet“.147

146 Zahn 286
147 Poulain 71

Mit der letzteren Bemerkung stoßen wir auf eine wichtige Regel zum Verständnis und zur Beurteilung der mystischen Sprache: Die Ausdrücke der Mystiker muß man im Zusammenhang und nach dem Geiste des Ganzen erklären. Gar schön verlangt Zahn diese Behandlung auch sich gegenüber, wenn er im Vorwort zu seinem Buche bittet: „Darum möchte ich bitten, weniger das Ganze nach losgerissenen Stücken, als die einzelnen Teile nach dem Ganzen zu beurteilen“;148 und an anderer Stelle entschuldigt er gewisse Abirrungen in der Mystik mit dem Hinweis auf das Ganze, wenn er meint: „Man darf nicht wegen der irrigen Mißbräuche das ganze Gebiet der Mystik interdizieren“, oder wenn er vor Lesern warnt, „welche der entsprechenden Reife entbehren“,149 also nicht fähig seien, die leitende Idee eines Werkes zu erkennen, sondern lieber an Einzelheiten hängen bleiben. Ich frage Herrn Professor Zahn: Halten Sie das Zeitungspublikum und Mainzer Dienstmädchen oder den Würzburger Straßenpöbel für ausgerüstet mit der „entsprechenden Reife“ zur Beurteilung mystischer oder aszetischer Erscheinungen? Billigen Sie die Methode Dr. Branders, politische Zeitungen mit „Stichproben aus den Schippacher Offenbarungen“ zu spicken und danach das Ganze verurteilen zu lassen? Wahrlich, die Methode, welche man gegen Schippach beliebte, war weder ritterlich noch wissenschaftlich. Gerade die schweren Anschuldigungen auf dogmatische Irrtümer hätten sich verhindern lassen, wenn man sich praktisch an die theoretische Mahnung Zahns gehalten hätte: „Viele Ausdrücke.. verlieren ihre Einseitigkeit durch anderweitige Zeugnisse“150 oder: „Scheinbar entgegenstehende Sätze erklären sich durch den Zusammenhang“.151 „Man braucht auch hier nur einige Sorgfalt anzuwenden, um da nicht vorschnell abzuurteilen, wo eine Zustimmung unmöglich, eine gerechte Würdigung aber tunlich ist“.152

148 Zahn VI
149 ebenda 50
150 Zahn 90
151 ebenda 120
152 ebenda 138

„Einzelne dunkle Worte und schwierige Stellen müssen nach der gesamten Anschauungs- und Ausdrucksweise des Autors beurteilt werden, nicht aber darf man umgekehrt einfache Worte und Gedanken durch Eintragung von Schwierigkeiten verdunkeln. Dabei ist zu beachten, daß bisweilen die gleichen Worte für verschiedene Dinge und wiederum verschiedene Ausdrücke für die gleiche Sache stehen. Um so häufiger trifft es sich, daß weniger glückliche, weniger bestimmte oder auch einseitige Termini mitten trefflicher Ausführungen sich finden. So gut Augustinus153 seine „Retraktationen“ schrieb, darf man annehmen, daß manche Mystiker bei einer späteren Revision ihrer Schriften gar manches anders ausgedrückt, in manchem auch ihre Meinung berichtigt hätten“.154 Ich brauche diesen Worten nichts hinzuzufügen. Sie sind die beste Verurteilung einer Methode, die mit losgerissenen Worten und Sätzen, mit pikanten „Stichproben“ einen ganzen Kirchenbau vernichtete.

153 Hl. Augustin (354 bis 430) Mauriner Ausgabe, 11 Folienbände, der große Kirchenlehrer aller Zeiten.
154 ebenda 344 ff.

Die Zeugnisse aus der Literatur, welche vor der Stichprobenmethode oder dem Pressen gewisser Ausdrücke warnen, lassen sich leicht vermehren; denn der „kühnen Wendungen”,155 der „Wendungen, die nicht glücklich sind“,156 gibt es gar viele und manche haben daran Anstoß genommen. Solchen Ausdrücken, sagt auch Poulain, darf man keine Gewalt antun;157 es kann ja sein, daß sie von dem Mystiker falsch verstanden worden sind, um wieviel mehr von denen, die sie lesen!

155 ebenda 312
156 ebenda 302
157 ebenda 311

Wir sehen, daß auch diese Regel zur Unterscheidung der Geister im Falle Schippach recht wenig beachtet wurde.

 

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5. Beobachtung sittlicher Kriterien

Dieses Wort des Herrn verbietet uns, mit liebloser Selbstgerechtigkeit und anmaßendem Hochmut den sittlichen Wert oder Unwert unserer Mitmenschen zu beurteilen. Wir dürfen die Gerichte Gottes nicht vorwegnehmen. Denn Einer allein schaut in die Herzen und Seelen hinein: Gott der Allwissende. Und Einer allein richtet über Gute und Böse: Gott, der allein Heilige. Alles unnötige Reden über die Fehler anderer, alle eitle Freude über die Minderwertigkeit anderer, alle unnötigen Vergleiche zwischen uns und anderen fallen unter dieses ernste Gebot des Herrn.158 Treffliche Worte! Und wer schreibt sie? Es ist derselbe Autor, welcher von den „frommen Ermahnungen, Betrachtungen und Ergießungen einer schlichten, tugendhaften und frommen Person“, wie sie ihr Bischof nannte,159 einer „im Rufe der Frömmigkeit stehenden Person”,160 wie sie ein anderes Bischöfliches Ordinariat hieß, „einer opferwilligen, ganz dem Gebet und der Arbeit lebenden, wohltätigen, armen Jungfrau“ redet, als von den „Wühlereien der üppigsten Pseudomystik“, von dem „Visions- und Offenbarungsbetrieb“ der Schippacher „Wahrsagerin“ mit ihren tollen „Absonderlichkeiten“, von den „endlosen Redereien“ des „Pseudoheilands“, von den „häretischen“ „Abgeschmacktheiten“, von dem „Ärgernis von Schippach", von der „unsinnigen Phantasie“, von der „unsittlichen Andächtelei“, von dem „innerlichen Unrat“, dem „schlimmsten Unsinn“, dem „Büro für neue Andächteleien“ (wohl der öftere Empfang der heiligen Kommunion?), gegen das „katholische Priester mit Abscheu Protest erheben“, von einem „antiken Orakel“, einer seltsamen „Bußpredigerin“, einer „Pariser Wahrsagerin“, einer „Pseudoprophetin“ von
„hellem Trotz“ und einem „Geist der trotzenden Schwärmerei“, der „unkirchlichen Auflehnung und des Trotzes“.

158 Krebs im Hochland 15 (1917) 188
159 Seherin 13
160 Diözesanblatt Würzburg 1914 S. 215

Es ist derselbe Herr Professor Krebs in Freiburg, nur mit dem Unterschiede, daß dort der katholische Priester aus ihm redet, hier aber der leidenschaftliche Fanatiker. Wahrlich, eine trefflichere Illustration zu dem von ihm im obigen Hochlandartikel angezogenen Schriftwort: „Beobachtet und tuet alles, was sie euch sagen, aber ihre Werke tuet nicht!“ hätte Krebs kaum geben können. Freilich dort, wo er die katholische Mystik mit der protestantischen und heidnischen versöhnen will, ist er ganz von diesem sittlichen Grundsatze durchdrungen, daß man auch dem Nebenmenschen Gerechtigkeit widerfahren lassen müsse, aber im Kampfe gegen Schippach beweist sein Verhalten das gerade Gegenteil, mag er auch noch so laut versichern: „Uns steht ein Urteil über die Person der Seherin nicht zu“.161 Krebs tut sich nicht wenig darauf zugute, daß er die Prüfung mystischer Vorgänge in dem Spiegel der katholischen Kirchenlehre vorgenommen habe.162 Ich möchte aber hinzufügen: Auch das achte Gebot Gottes: „Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten!“ gehört zur Lehre der katholischen Kirche und muß bei der Prüfung mystischer Vorgänge beobachtet werden. Dieses Gebot Gottes ist ganz gewiß eines der „erprobten Kriterien sittlicher Art“,163 das auch für Sachverständige und Richter zu gelten hat.

161 Krebs 230
162 162 Mager hat ihn hierüber eines besseren belehrt, Augsburger Postzeitung Beilage Nr. 17 vom 25. April 1921
163 Krebs 251

Msgr. Wilhelm Büttner: Ich habe viele Priester kennengelernt, welche gerade die Verletzung der Gerechtigkeit und der Objektivität gegen die in Betracht kommenden Personen als eine bedenkliche Blöße der Polemik empfanden. Wie hat man nicht gelehrte und fromme Priester nur deshalb, weil sie ein Wort zur Verteidigung der angegriffenen Personen schrieben, als Männer von „theologischem Bildungstiefstand“, als „sogenannte fromme Seelen“, als „Wirr- und Dummköpfe“, als „pathologisch veranlagte Kreaturen“, wie hat man nicht die Mitglieder des Liebesbundes als „verlogene, heimtückische, hinterlistige, ungehorsame Leute“ hingestellt! Ja, man hat sich nicht gescheut, gegen sie den schwersten Vorwurf zu erheben, den man gegen katholische Christen erheben kann: daß sie nämlich häretischen und sektierischen Bestrebungen huldigten! Die Zeit ist noch nicht gekommen, um die Guttaten der Schippacher Freunde gebührend zu würdigen. Ich war nie Mitglied des Liebesbundes und verteidige darum keine persönlichen Interessen: aber als Pfarrer von Schippach muß ich lauten Protest gegen die Herabwürdigung jener Personen erheben, weil ich weiß, daß Pfarrei, Kirche und Seelsorge in Rück-Schippach die deutlichsten Tatbeweise echter katholischer Gesinnung gerade von jenen Personen empfangen haben. Ich erinnere nur an die Tatsache, daß die Stiftung der römisch-katholischen Pfarrei Rück-Schippach das ureigenste Werk der Barbara Weigand und ihrer Freunde ist, eine Tatsache, die, obwohl aktenmäßig seit dem Jahre 1912 vorliegend, von keinem jener Kritiker auch nur andeutungsweise erwähnt wurde. Warum hat Dr. Brander, als er seine „Enthüllungen über ihre Offenbarungen und ihr Werk“164 in die Welt hinausschrie, diese Tatsache verschwiegen? Freilich, die „Stichproben“ von den „Simpelfranzen“, den „Kaprizen“ oder der „Heiratsvermittlung“ sagten dem sensationslüsternen Zeitungspublikum viel besser zu und halfen die Einstellung des Kirchenbaues kräftiger zu bewirken als die Mitteilung von der Stiftung einer katholischen Pfarrei. In der Geschichte der Pfarrei Rück-Schippach wird aber das ehrende Andenken an jene Guttäter unauslöschlich fortleben – trotz „Stichproben“ und „Enthüllungen“.

164 Seherin, Untertitel

 

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6. Die kirchliche Lehre und Praxis

Bis jetzt haben wir mehr die allgemeinen wissenschaftlichen Prinzipien kennengelernt, welche bei der Prüfung mystischer Vorgänge zu beachten sind. Dabei ist uns so recht klar geworden, wie wenig man diesen Grundsätzen im Falle Schippach Rechnung getragen hat. Wir müssen aber auch die Privatoffenbarungen noch im Lichte der Kirchenlehre betrachten. Es braucht eigentlich nicht darauf hingewiesen zu werden, daß die Kirche auf Privatoffenbarungen überhaupt kein sonderliches Gewicht legt, namentlich auch nicht im Beatifikations- oder Kanonisationsprozeß, daß vielmehr bei diesen kirchlichen Verhandlungen ganz andere Dinge den Ausschlag geben. Msgr. Büttner: Ich will auch auf die andere Selbstverständlichkeit nicht weiter hinweisen, daß Privatoffenbarungen an der Dogmatik und Moral geprüft werden müssen, wobei aber zu betonen ist, daß der Glaubensschatz noch lange nicht in allen Einzelfragen dogmatisch klar vorliegt, und daß der Theologe seine wenn auch gut begründete Meinung, nicht für die Lehre der Kirche ausgeben darf. Es wäre auch verkehrt, wollte man Privatoffenbarungen mit dem Charakter einer Person in einen solchen Zusammenhang bringen, daß man von vornherein dieses Charisma nur sittlich untadeligen Personen zusprechen würde. Drastisch bemerkt Poulain zu diesem Punkte, man dürfe bei der Prüfung mystischer Erscheinungen nicht immer gleich das Benehmen solcher Personen zum Vergleich heranziehen: „Die Fassade kann ihr altes, mittelalterliches Aussehen bewahrt haben“.165 Viel wichtiger als diese Bemerkungen, in deren theoretischer Anerkennung auch die Kritik wohl mit mir einig ist, scheint mir jene zu sein, daß auch Privatoffenbarungen Irrtümer enthalten können und dürfen, ohne daß man deswegen ein Recht hätte, ihnen den Charakter als mystischer Vorgänge abzusprechen. Über die Ursachen solcher Irrungen werde ich später reden; hier sei nur die Tatsache selbst festgehalten und zwar deswegen, weil die Polemik sich auch gegen die Anerkennung dieses Grundsatzes in unserem Falle schwer versündigt hat. Zahn widmet ganze 16 Seiten dem Nachweis, daß Irrtümer in Privatoffenbarungen sehr wohl vorkommen können und sich mit deren übernatürlichem Charakter wohl vertragen; auch in anerkannten, echten Privatoffenbarungen finden sich Irrtümer und es ist nicht angängig, deswegen auf Unechtheit zu erkennen. Poulain führt 31 Beispiele von Heiligen und Seligen an, in deren Offenbarungen sich Irrtümer finden.

165 Poulain 164

Es ist nun interessant zu beobachten, wie die Polemik im Falle Schippach mit dieser Tatsache umspringt. Nur unter Schmerzen und Krämpfen muß sie Krebs anerkennen, wenn er sie gnädig einen „schließlich noch auslegbaren Gedankengang“166 nennt. Aber die Tatsache steht denn doch zu fest, als daß sie geleugnet werden könnte. Auch der Moralist Göpfert gibt sie zu, wenn er schreibt: „In die Darstellung des Geschauten kann sich der Irrtum einschleichen“.167 Wenn nun Krebs, von den Anhängern Schippachs in die Enge getrieben, den Hinweis auf diese Tatsache einen „schließlich noch auslegbaren Gedankengang“ nennt, so sieht man daraus deutlich, wie unbequem ihm diese Tatsache ist; am liebsten würde er sie wohl ganz entfernt sehen, da sie ja in die Kampfmethode gegen Schippach so gar nicht passen will. Denn dort hatte man ja gerade mit dem Vorhandensein von „Irrtümern“ den „allersichersten Beweis“ gegen die Echtheit jener Offenbarungen geführt. Doch Krebs gibt diese Tatsache – wenn auch reichlich spät – wenigstens zu. Ganz anders aber Dr. Brander! Pathetisch bricht er im Anschluß an seine Entdeckung der „Irrtümer“168 in den Schippacher Offenbarungen in die Worte aus: „Gott kann niemals irren oder fehlen“;169 und in seinem Vorwort meint er: „Aussprüche des Himmels müssen wahrer und lauterer sein als das Sonnenlicht!“170 Ganz gewiß! Keinem einzigen Schippacher fällt es ein zu leugnen, daß Gott niemals irren und fehlen kann, oder daß Aussprüche des Himmels wahrer und lauter sein müssen als das Sonnenlicht. Aber es ist zuvor zu prüfen und nachzuweisen, welches denn wirklich in solchen Schriften „Aussprüche des Himmels“ sind! Auch jene Worte in echten Privatoffenbarungen, welche Irrtümer enthalten, wurden von den betreffenden Begnadigten für die Stimme Gottes gehalten und waren sie doch nicht, sonst könnten sie nicht irrig sein. So hat schon Papst Benedikt XIV. auf ein Wort Gregors d. Gr.171 hingewiesen: selbst prophetisch begabte Männer seien nicht ständig vom prophetischen Geist erleuchtet und erachteten bisweilen das Resultat der eigenen Geistestätigkeit irrtümlich für eine Gabe prophetischer Erleuchtung.172 Aufgabe einer wissenschaftlichen Untersuchung ist es nachzuweisen, was Stimme Gottes und was Stimme des Menschen ist. Finden sich wirklich Irrtümer in mystischen Schriften, dann sind diese Irrtümer dem menschlichen Faktor zuzuschreiben, berühren aber den göttlichen nicht. Darum ist es nicht angängig, mit dem Hinweis auf Irrtümer das Ganze zu verwerfen. Mit einer solchen Methode müßte man auch approbierte, anerkannte und echte Offenbarungen verwerfen. Stellen, welche wirklich Irrtümer enthalten, sind in Wahrheit keine „Aussprüche des Himmels“, sondern wurden von ihren subjektiven Trägern nur für solche gehalten. Mit dem Hinweis auf Irrtümer in den Schippacher Schriften war demnach ein genereller Beweis gegen die Echtheit jener Offenbarungen nicht zu führen. Und dieser „Beweis“ gilt bekanntlich der Polemik als der „allersicherste Beweis“.173

166 Krebs 228
167 Göpfert I 303
168 Wie diese „Irrtümer“ in Wirklichkeit aussehen, wird später noch aufgezeigt werden
169 Seherin 66
170 ebenda VI
171 Hl. Gregor der Große – Papst (540 bis 604) .
172 Zahn 596
173 Seherin 66

Weil Privatoffenbarungen nicht auf innere oder absolut gültige äußere Kriterien der Echtheit aufgebaut sind, weil ferner die allgemein gültige Offenbarung ein für allemal abgeschlossen ist, deswegen ist auch unser Glaube an solche Privatoffenbarungen nur ein auf menschliche Autorität gestützter Glaube, eine fides humana. „Die Kirche verpflichtet nie, an Privatoffenbarungen zu glauben, auch wenn sie dieselben bestätigt“.174 Aber was bedeutet denn dann die kirchliche Approbation, welche manchen Privatoffenbarungen zuteil geworden ist? Die Antwort mag uns der Moralist Göpfert geben: „Wenn die Kirche Privatoffenbarungen zuweilen approbiert, so erklärt sie damit nur, daß in denselben nichts enthalten ist, was dem Glauben und den Sitten widerstreitet, sondern daß sie im Gegenteile fromm und ohne Aberglaube angenommen werden können“.175 Diese Approbation verbürgt durchaus keine Irrtumslosigkeit, sie reiht diese Schriften auch nicht in die Offenbarungsurkunden ein, sie verpflichtet erst recht niemand zum Glauben an solche Offenbarungen; ja die Kirche stellt mit ihrer Approbation den Inhalt solcher Schriften nicht einmal in einzelnen Teilen zu glauben vor. „Es liegt der Kirche wenig daran, sagt Melchior Canus, ob man an die Offenbarungen der hl. Brigitta glaubt oder nicht. Das hat mit dem Glauben nichts zu tun“.176 „Durch ihre Bestätigung erklärt die Kirche bloß, daß sich in ihnen nichts gegen den Glauben und die guten Sitten findet und daß man sie ohne Gefahr, ja sogar mit Nutzen lesen kann“.177 Ähnlich Kardinal Pitra: „Jeder weiß, daß man ganz frei ist, an Privatoffenbarungen zu glauben oder nicht, selbst bei den allerglaubwürdigsten. Auch wenn die Kirche sie approbiert, werden sie bloß als wahrscheinlich, nicht als absolut sicher hingestellt. Man darf ruhig von diesen Offenbarungen abweichen, selbst von den approbierten, wenn man sich auf solide Gründe stützt“.178 Auch Papst Benedikt XIV. vertritt dieselbe Meinung: „Ein Akt des Glaubens ist ihnen gegenüber weder notwendig noch möglich, sondern nur ein Akt menschlichen Glaubens nach den Regeln der Klugheit, die sie uns als wahrscheinlich und fromm glaubwürdig (probabiles et pie credibiles) hinstellen“.179

174 Poulain 306
175 Göpfert I. 303
176 Poulain 307
177 ebenda
178 ebenda.
179 ebenda

Was die Publikation von Privatoffenbarungen betrifft, so hat Papst Urban VIII. am 3. März 1625180 und 5. Juli 1634 verboten, ohne Prüfung und Gutheißung des Diözesanbischofs irgendein Buch zu drucken, welches Privatoffenbarungen enthält. „Zur Prüfung der Offenbarungen wird derselbe den Rat der Theologen und anderer frommer und gelehrter Leute heranziehen und alsdann die Akten dem Heiligen Stuhle unterbreiten, dessen Entscheidung abzuwarten ist“.181 Das also ist die offizielle Lehre der Kirche in bezug auf die Prüfung von Privatoffenbarungen. „Die Entscheidung Roms ist abzuwarten!“ Also Rom „entscheidet“, nicht ein Gremium von Theologen, auch nicht das Zeitungspublikum oder Mainzer Dienstmädchen.

180 Schwester von der Geburt 254, Zahn 593
181 Zahn 594, Krebs 36

Nun besehe man sich wieder den Schippacher Fall. Obwohl sich der Papst die Entscheidung über Privatoffenbarungen vorbehalten hat, sogar hinsichtlich der Publikation, haben sich die Polemiker dieses Amt angemaßt. Sie haben nicht etwa bloß ihren „Rat“ gegeben, wie der Papst es vorschreibt, d. h. ein Gutachten erstattet, das ja nach ihrer Meinung ablehnend sein konnte, sondern sie haben sich das Richteramt angemaßt, das ihnen gar nicht zusteht. Sie haben geurteilt, wo sie nichts zu urteilen hatten, und haben verurteilt, wo sie erst recht nichts zu verurteilen hatten. Ja, sie haben sogar ohne Erlaubnis Offenbarungen drucken lassen. Obwohl Krebs vorher die Weisung Urbans VIII. abdruckt, verkündet er bei Besprechung des Schippacher Falles mit kühner Stirne: „Die Schriften, welche in ihrem (eben der Barbara Weigand) Namen umlaufen, müssen wir beurteilen und – verurteilen“.182 Nein, Herr Professor, dazu haben Sie nicht das Recht; dieses steht nur dem Heiligen Stuhle zu, „dessen Entscheidung abzuwarten ist.“ So haben Sie es selbst auf Seite 35 und 36 Ihres Buches geschrieben und beigefügt, die Biographen der Mystiker würden diese Bestimmung des Papstes „meist wenig beherzigen“. Ja, diesen Eindruck habe ich bei der Lektüre Ihres Buches auch gewonnen! Wie uns Krebs weiterhin verrät,183 und ebenso Dr. Brander erwähnt,184 hat auch Professor Zahn in seinem Gutachten für das Ordinariat Würzburg die Schippacher Offenbarungen verurteilt. Aber auch Zahn hatte nichts zu verwerfen, so wenig als etwa ein Freund Schippachs diese zu approbieren hätte; denn sowohl Bestätigung wie Verwerfung ist ausschließlich Sache Roms, „dessen Entscheidung abzuwarten ist“.185

182 Krebs 230. Man beachte, daß es sich immer um handgeschriebene Büchlein, nicht um Drucke, handelt, das ist vom Rechtsstandpunkt aus wesentlich.
183 ebenda
184 Seherin 41
185 Wer gab denn der Kritik das Recht, Teile jener Schriften durch den Druck zu veröffentlichen? Gibt es nicht ein Urheberrecht? Die Schriften waren der Bisch. Behörde zur Prüfung übergeben worden – und bald darauf erscheinen die „Stichproben" mit den bekannten Glossen in der Tagespresse.

Ist schon diese Behandlung der Schippacher Angelegenheit durch die Sachverständigen ein Eingriff in die Rechte Roms, so ist das Vorgehen Dr. Branders gegen die höchste kirchliche Autorität eine unerhörte Anmaßung. Obwohl er wissen mußte, daß die Entscheidung Roms abzuwarten ist, hat er nicht nur selber alles absolut entschieden, sondern Rom förmlich Vorschriften gemacht, wie es zu entscheiden habe: nämlich nicht anders als er entschieden habe. Obwohl Rom allein das Recht der Entscheidung hat, obwohl nach der ausdrücklichen Vorschrift der Kirche die Akten dem Heiligen Stuhle zur Entscheidung einzusenden sind, so nennt Dr. Brander die Erfüllung dieser päpstlichen Vorschrift „geradezu eine Beleidigung der höchsten kirchlichen Stellen, daß – man es ihnen überhaupt nur zugemutet hat.. dieses Sammelsurium zu prüfen“.186 Also nach Dr. Brander geht es Rom überhaupt nichts an; mit seiner Entscheidung müsse sich auch Rom abfinden. Weil nun aber die Sache doch einmal nach Rom gelangt ist, so gibt er auch dem Heiligen Stuhle vorsorglich seine Weisungen: „Eher fällt die Sonne vom Himmel und geht das Weltall in Trümmer, als daß Rom solche Offenbarungen bestätigen wird“.187 In seinem Vorwort versichert der Verfasser, er wolle in kein schwebendes amtliches Verfahren eingreifen. Ist dieser Vorgang, wo Dr. Brander Rom eine gebundene Marschroute vorschreibt, kein Eingriff in ein schwebendes amtliches Verfahren?

186 Seherin 72
187 ebenda

Im Schippacher Falle handelt es sich, wie wir schon oben gehört haben und immer wieder betonen müssen, gar nicht so um Privatoffenbarungen, sondern um den Bau einer katholischen Kirche, zu welcher jene Offenbarungen zum Teil die Anregung gegeben haben. Wir müssen uns also noch die andere Frage stellen: Wie verhält sich denn die Kirche in solchen Fällen, wenn es sich darum handelt, ein äußeres Werk, welches mit Privatoffenbarungen zusammenhängt, auszuführen? Diese Frage ist für die praktische Behandlung des Schippacher Falles die allerwichtigste. Msgr. Büttner: Ich gebe die Antwort mit einigen praktischen Fällen; sie werden uns zeigen, wie die beiden Probleme praktisch getrennt behandelt wurden.

a) Die Geschichte der Herz-Jesu-Andacht 
188 Noldin, Herz-Jesu-Andacht

Wie alle Quellen übereinstimmend berichten, hatte die Schwester Margareta Maria Alacoque am 16. Juni 1675 eine merkwürdige Erscheinung des Heilandes. „Als Margareta am bezeichneten Tage vor dem Allerheiligsten Sakramente betete.., sprach Jesus zu ihr: „Du kannst Mir keinen größeren Beweis deiner Liebe geben, als wenn du tust, was Ich schon sooft von dir begehrt habe“. Dann zeigte Er ihr Sein göttliches Herz und fuhr fort: „Sieh da dieses Herz, welches die Menschen so sehr geliebt hat, daß es nichts zurückhielt, nichts scheute, ja
ganz erschöpfte und verzehrte, um Ihm Seine Liebe zu bezeugen. Darum verlange Ich von dir, daß der erste Freitag nach dieser Oktav (von Fronleichnam) als ein besonderes Fest zur Verehrung Meines Herzens bestimmt werde“. (Noldin S.17 f.). Margareta wurde weiterhin von dem Heilande mit der Mission beauftragt, dem Pater De la Colombiere den Wunsch des Heilandes kundzutun, damit dieser die Einführung der Andacht betreibe. Hindernisse auf Hindernisse stellten sich in den Weg. Bischöfe und theologische Fakultäten traten gegen Margareta auf den Plan. Rom zögerte lange mit der allgemeinen Einführung des Festes: erst im Jahre l765, also 90 Jahre nach jener denkwürdigen Vision, wurde gestattet, das Herz-Jesu-Fest mit eigener Messe und eigenem Offizium zu feiern. Ich lasse nun im Folgenden, wo ich die Parallele zu Schippach ziehe, die Worte Noldins folgen (S. 26 f.): „Wer die Unterhandlungen verfolgt, die über unsern Gegenstand beim Heiligen Stuhle gepflogen wurden, kann sich einer doppelten Wahrnehmung nicht verschließen. Fürs erste trat die Kirche der Andacht, die sie prüfen sollte, eher mit Vorsicht, die fast an Mißtrauen grenzt, als mit Vorliebe und Wohlwollen gegenüber; und dann ließ sie bei dieser Prüfung die Offenbarungen der seligen Margareta so ziemlich außer acht. Das fragliche Fest wurde gestattet, noch ehe die Kirche ein Urteil über die Offenbarungen der seligen Margareta gefällt hatte. Es kam der Kirche vor allem darauf an, daß die Andacht in der katholischen Glaubenslehre begründet sei und daß ihre Umgebung ebenso Gott zur Ehre, wie dem Menschen zum Heil gereiche. Die Privatoffenbarungen, deren die selige Margareta gewürdigt wurde, haben allerdings die Veranlassung dazu gegeben, daß diese Andacht von den Gläubigen geübt und von der Kirche geprüft wurde: allein nicht sie, sondern die unerschütterlichen Dogmen des Glaubens enthalten den Grund ihrer kirchlichen Approbation.. Selbst wenn die Offenbarungen der Seligen auf Einbildung beruhten, würde die Andacht an ihrer inneren Wahrheit und Begründung nichts verlieren“.

So weit Noldin. Dazu die logische Schlußfolgerung: „Selbst wenn die Offenbarungen der Barbara Weigand auf Einbildung beruhten, würde der Bau einer Kirche in Schippach nichts an seiner inneren Wahrheit und Begründung verlieren, weil der Zweck ein heiliger und zudem noch ein überaus katholischer ist.“

b) Die Gründung der Kongregation der Niederbronner Schwestern
189 Pfleger, Kongregation

Am 9. September 1814 wurde eine gewisse Elisabeth Eppinger in Niederbronn im Elsaß geboren. Nach einer fromm verlebten Jugendzeit wurde Elisabeth in die Schule des Kreuzes genommen. „Die folgenden Krankheitsjahre, die Einsamkeit der Krankenstube, die schlaflosen Nächte, der ständige Verkehr mit Gott.. brachten die Kranke schließlich in jene eigentümlichen Zustände, die für den Kenner der christlichen Mystik nichts Neues und Überraschendes sind. Wie so viele von Gott begnadigte Geschlechtsgenossinnen in alter und neuerer Zeit, glaubte auch Elisabeth Eppinger des direkten Verkehrs mit Christus gewürdigt zu werden, Weisungen von Ihm zu bekommen, ja sogar Einsicht in zukünftige, bedeutsame Geschehnisse zu erhalten“ (S. 5). Sie machte seit März 1846 ihrem Ortspfarrer und Beichtvater Reichard darüber Mitteilung, der keinen Grund sah, an den Angaben seines Beichtkindes zu zweifeln. Der Ruf von Elisabeth Eppinger drang weit über die Grenze ihrer Heimat. Männer aus den höchsten Kreisen, Geistliche und Laien empfahlen sich in ihr Gebet. Ein Geistlicher veröffentlichte sogar „Briefe über die Ekstatische von Niederbronn“. Unter den Visionen der Elisabeth Eppinger erscheint nun auch jene, sie solle einen neuen Orden gründen. „Erst im Jahre 1848 kam sie infolge innerer Erleuchtung zu dem folgenschweren Entschluß“, eine neue Kongregation zu gründen (S. 16).

Welche Haltung nahm die Mitwelt gegen Elisabeth Eppinger ein? „Es fehlte nicht an Zeitgenossen, namentlich unter dem elsässischen Klerus, welche Pfarrer Reichard der Unklugheit bezichtigten, daß er von diesen Vorgängen Kunde in die Öffentlichkeit gelangen ließ“ (S. 8). „Unter der elsässischen Geistlichkeit fand das Werk von Niederbronn von Anfang an viele Gegner. Das alte Wort vom Propheten, der nichts gilt im Vaterland, bewahrheitete sich auch hier“ (S. 28). Besonders heftig trat ein Vertreter des Episkopates gegen Elisabeth Eppinger in die Schranken, der Bischof von La Rochelle, welcher der Seherin „bewußte Täuschung vorwarf“ (S. 26). Dabei kam ihm der Umstand sehr zustatten, daß Elisabeth Eppinger sich mit einem politischen Schwindler eingelassen hatte und von ihm bös hereingelegt worden war. Die Sache gelangte auch an den Päpstlichen Stuhl und Papst Pius IX. „hat die Veröffentlichung der Briefe der Ekstatischen nicht mit Freuden begrüßt und gerügt, daß sie ohne die übliche kirchliche Erklärung erschienen seien“ (S. 14). Man sieht schon aus diesen Bemerkungen, daß es dem Werk der Elisabeth Eppinger an Angriffsflächen und an Gegnern nicht fehlte.

Was tat aber der zuständige hochwürdigste Bischof Räss? Er beauftragte Pfarrer Reichard weiterhin mit der Leitung der Elisabeth Eppinger, ließ sich objektiv Bericht erstatten und buchte auch das Gute, das er von Elisabeth Eppinger hörte. Seinem Amtsbruder in La Rochelle aber schrieb er die lapidaren Sätze ins Stammbuch (S. 27): „Wenn ein in steter Reinheit und Keuschheit zugebrachtes Leben, wenn ebenso zahlreiche als auffallende Bekehrungen, wenn ihre weisen Ratschläge und die einfachen und hinreißenden religiösen Unterweisungen, wenn die Werke der Liebestätigkeit, welche jedermann erbauen und in Erstaunen setzen, das Werk des Bösen sind, dann bin ich ganz geneigt, ihm ein Dummheitszeugnis auszustellen.“ Die Haltung des Bischofs wurde von dem Papste belobt, die Angelegenheit erneut geprüft. „Räss bewunderte in ihr (trotz des Bischofs von La Rochelle) eine hochbegnadete Seele von lauterster Gesinnung und bestem Glauben, die über jeden Verdacht eines Betruges erhaben sei“ (S. 8), der Bischof sah über Echtheit oder Unechtheit der Visionen ganz hinweg und machte von seinem Rechte Gebrauch: im Jahre 1849 war die „Kongregation der Schwestern vom Allerheiligsten Heiland“ genehmigt. Sie konnte bereits auf 75 Jahre einer ersprießlichen Tätigkeit auf allen Gebieten der Caritas zurückblicken.

c) Die Weihe der Menschheit an das Heiligste Herz Jesu
190 Chasle-Sattler, Schwester Maria

Die Oberin des Klosters vom Guten Hirten zu Porto in Portugal, eine geborene Droste zu Vischering aus Westfalen, hatte in mehrfachen Visionen vom Herrn den Auftrag erhalten, sie solle sich an das Oberhaupt der Kirche wenden, damit die Weihe der Menschheit an das Heiligste Herz Jesu vollzogen werde. In vier Erscheinungen wiederholte der Heiland diesen Seinen Willen: erstmals im Juni 1897 (S. 273), dann im April 1898 (5.214), ein drittes Mal am 2. Dezember 1898 (S. 281), das vierte Mal am 7. Dezember 1898 (S. 282), diesmal mit dem ausdrücklichen Befehl, nach Rom zu schreiben und den Papst an den Willen des Herrn zu erinnern. Es handelte sich um die Genehmigung der Kirche a) zur Einführung der neuen Herz Jesu-Litanei, b) um die Verbreitung der Herz-Jesu-Freitage, c) um die Weihe der Menschheit an das Herz Jesu.

Welches Schicksal fanden diese aus Visionen stammenden Anregungen der Nonne in kirchlichen Kreisen? Dem Befehle des Heilands gemäß unterbreitete die Schwester ihre innere Erleuchtung zuerst ihrem Beichtvater. Aber ihre „Aufforderung blieb erfolglos“. „Der Beichtvater glaubte nicht, eine sofortige Entscheidung treffen zu müssen“ (S. 274). Papst Leo XIII. aber, an den der Brief gerichtet war, ließ zunächst durch den zuständigen Bischof Erkundigungen einziehen. Nach gründlicher Untersuchung wurde die neue Litanei approbiert (25. März 1899) und die Weihe der Menschheit vollzogen (S. 295 ff). Welches war aber die Begründung, welche das Heilige Offizium der Einführung des neuen Bestandteiles der Liturgie gab? Etwa der Brief der Oberin von Porto oder auch nur die Bezugnahme auf die Visionen? Nichts von alldem. Als der Präfekt der Ritenkongregation, Kardinal Mazella (S. 1), in seinem Gutachten von dem Brief der Schwester die schmeichelhaften Worte gebrauchte: „Dieser Brief ist sehr ergreifend und er erscheint sehr wohl vom Heiland Selbst diktiert“, gab der heiligmäßige Papst Leo XIII. zur Antwort: „Herr Kardinal, nehmen Sie diesen Brief und legen Sie ihn dorthin; er darf in diesem Augenblick nicht zählen“ (S. 295 f). „Man beschloß die Weihe der Menschheit nicht auf eine Privatoffenbarung hin vorzunehmen, sondern in Anwendung der Lehre der Theologen und der katholischen Überlieferung. Als der Kardinal den Vatikan verließ, war er mit dem Auftrag betraut, die Frage in sich zu erörtern, d. h, lediglich der Erblehre Rechnung zu tragen mit Beiseitesetzung der rein persönlichen Erleuchtungen, welche für Papst Leo XIII. der Anstoß gewesen, sich mit der Angelegenheit zu befassen“ (S. 296).191

191 Als der „Verein zur Erbauung der Sakramentskirche“ am 15. Oktober 1915 in genauer Übereinstimmung mit dieser kirchlichen Praxis der Bischöflichen Behörde die Erklärung abgab, „der Bau werde nicht wegen der Offenbarungen betrieben, sondern die große und heilige Idee einer dem Gedächtnis der Kommuniondekrete gewidmeten Sakramentskirche reiche für sich allein vollständig hin, um gläubige und eifrige Katholiken für den Bau der Sakramentskirche zu begeistern“, da nannte man dieses Vorgehen einen schlauen Advokatenkniff, mit dem man die Behörden täuschen wolle (Seherin 83). Es hätte nur einer geringen Kenntnis der einschlägigen Partien aus der Kirchengeschichte bedurft, um zu wissen, daß diese „Taktik“ vom Heiligen Stuhle bereits in mehreren Fällen eingeschlagen wurde, wie die obigen Beispiele zeigen.

Die Reihe könnte leicht vermehrt werden. Es mögen aber diese Beispiele genügen, um darzutun, daß in Fällen, wo es gilt, aus Privatoffenbarungen geflossene Anregungen in die kirchliche Praxis umzusetzen, die Frage nach Echtheit oder Unechtheit solcher Offenbarungen gar keine Rolle spielt. „Wenn die Kirche durch Privatoffenbarungen irgendwie angeregt wird, sagt Göpfert, so entscheidet für sie die Natur der Sache, abgesehen von der Wahrheit oder Unwahrheit der Offenbarung.192

192 Göpfert I 303

Das also ist die katholische Lehre und Übung der Kirche in bezug auf Anregungen, die aus Privatoffenbarungen, Erscheinungen und Visionen fließen. Wohin käme man aber auch, wenn man die Methode der Polemik, zuerst die Echtheit oder Unechtheit festzustellen, sonstwie in Anwendung bringen wollte! Wie viele Privatoffenbarungen haben denn in den Augen der zeitgenössischen Kritik Gnade gefunden? Müßte man nicht im Verfolge einer solchen Methode unser Brevier einer radikalen Purgierung unterwerfen? Würde nicht unser kirchlicher Festkalender sehr zusammenschrumpfen? Würde nicht unser reiches, warmes kirchliches Innenleben zu einem kalten, öden Christentum im Sinne des Jansenismus und Rationalismus herabgewürdigt? Müßte nicht Rosenkranz, Skapulier, Bruderschaften, Fronleichnamsfest, Herz-Jesu-Freitage, Dritter Orden und alle anderen einfach verschwinden? Stammen nicht die meisten frommen Institute, Orden, Kongregationen, Bruderschaften, fromme Vereine, die mit
Ablässen überreich versehen wurden, aus Visionen und Offenbarungen? Hat man sich da lange mit der Frage nach der Echtheit oder Unechtheit abgequält? Und was wäre das Ergebnis solcher wissenschaftlichen Untersuchungen gewesen? Stammen nicht die frommen Vereinigungen und Ablaßinstitute, beispielsweise die Gnadennovene zu Ehren des hl. Franz Xaver, die Ordensgründung und der Rosenkranz der hl. Brigitta, die Wundertätige Medaille, das Benediktuskreuz, das rote, blaue und schwarze Herz-Jesu- und Karmelskapulier, der Portiunkula Ablaß, der Orden von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, die Erzbruderschaft unserer Lieben Frau, aus Visionen und Privatoffenbarungen?
193

193 Von 65 uns bekannten frommen Vereinigungen mit kirchlicher Approbation haben ihren Ursprung 24 in Frankreich, 20 in Italien und nur 12 in Deutschland (Stand 1926. d. Red.) Diese deutschen Gründungen sind zudem recht irdisch und national eingestellt und erlangen schon deswegen keine allgemeine Verbreitung, so der Bonifatius-, Ludwig-Missions-, Gesellen-, Rafaels- und Zäzilienverein. Die deutschen Vereinigungen stammen natürlich auch nicht aus Visionen von späteren Heiligen (Krofe-Sauren 149 ff).

Wir schließen dieses Kapitel mit Wiederholung unserer These: Die Kirche in Schippach konnte gebaut werden, auch wenn die Frage nach dem mystischen Charakter der Schippacher Schriften noch nicht geklärt ist. Aber auch, wenn die Schippacher Offenbarungen „sicher“ unecht wären, so würde der Bau der Kirche in Schippach „nichts an seiner inneren Wahrheit und Begründung verlieren“.

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Fünftes Kapitel

1. Das Richterkollegium

Wir haben im Vorausgehenden die katholischen Grundsätze entwikkelt, welche bei der Beurteilung mystischer Erscheinungen und damit zusammenhängender Fragen beobachtet werden müssen. Dabei haben wir auf Schritt und Tritt erkannt, wie diese Prinzipien im Falle Schippach von der Polemik gröblich mißachtet wurden. Das Sachverständigen- und Richterkollegium ist vom rechtlichen, moralischen und wissenschaftlichen Gesichtspunkt aus nicht objektiv und unparteiisch vorgegangen, hat sich über wissenschaftliche und kirchliche Bestimmungen hinweggesetzt; ein solches Kollegium müssen wir als befangen ablehnen. Zu dieser Ablehnung zwingt uns übrigens auch die grundsätzliche Stellungnahme, welche die Berater der Ordinariate zum Wesen der Beschauung einnehmen.

Die heilige Theresia sagt zur Stellung der Richter: „Übernatürlich nenne ich das, was wir durch uns selbst nicht erwerben können, welche Sorgfalt und welche Mühe wir uns auch geben mögen.. das Gebet der Ruhe ist übernatürlich, übersteigt daher all unsere Kräfte und Anstrengungen“.194

194 Poulain 1 ff. 128

Statt vieler Belege sei nur an die große Mystikerin Theresia von Avila verwiesen, deren innere Vorgänge der belgische Jesuit Hahn im Jahre 1883 dadurch zu erklären suchte, daß er sie zum Teil auf psychopathische Zustände zurückführte. Ganz mit Recht wendet sich der große Papsthistoriker Pastor gegen eine solche Verzerrung des mystischen Gnadenlebens der Heiligen durch einen Theologen und stellt ihm selbst eine Anhängerin Renans, eine gewisse Gabriele Cunningham, gegenüber, welche die große Mystikerin gegen einen katholischen Theologen in Schutz nahm.195 Das Buch Hahns kam natürlich dahin, wohin es gehörte, auf den Index.196 Passende Worte findet auch Karrer über eine solche Methode, die mystischen Erlebnisse mit der experimentellen Psychologie oder der Pathologie vergleichen oder gar erklären zu wollen: „Überliefert die seelischen Erfahrungen eines Johannes vom Kreuz oder einer hl. Theresia gewissen Religionspsychologen.. sie werden daraus bestenfalls interessante Halluzinationen seelentiefer Menschen machen“.197

195 Pastor IX 101 ff.
196 Buchberger, Kirchliches Handlexikon II Sp. 2373
197 Karrer a. a. O. 400

Wenn wir nun das Sachverständigenkollegium im Kampfe gegen Schippach betrachten, dann ist es doch etwas auffallend, daß die Wortführer in diesem Kampfe ausschließlich jener Gruppe zugehören oder nahestehen, welche sich von der älteren traditionellen Auffassung über das Wesen der Mystik weit entfernt hat. Auch berührt es eigenartig, daß die Gutachten für die Ordinariate in Würzburg und Freiburg gerade von Vertretern der neueren Richtung erstattet wurden, sowie daß der Mainzer Generalvikar Dr. Selbst, welcher der Streitschrift Dr. Branders die Druckerlaubnis gab, auch die Schrift von Krebs, welche die scharfen Ausfälle gegen Schippach enthält, veranlaßte.198 Ich weiß wohl, daß auch andere Männer Schippach abgelehnt haben, aber ich weiß auch, daß diese den „Sachverständigen“ nachgelaufen sind. Mit diesen allein haben wir es vorerst zu tun, weil sie den Kampf gegen Schippach gutachtlich und literarisch aufgenommen und durchgeführt haben. Und diese sind nicht nur Anhänger der neueren Richtung, sondern finden es ganz in Ordnung, einer braven katholischen Jungfrau jede Spur einer mystischen Begnadigung abzusprechen,199 dagegen von den Ekstasen des Heiden Plotin in einem Buche über die „Grundfragen der kirchlichen (!!) Mystik“ allen Ernstes zu behaupten, „daß Gottes Gnade in Plotin stark wirksam war;200 diese Theologen können sich nicht genug tun in dem Beweise der „Unechtheit“ der Schippacher Mystik, sie schreiben ganze Aufsätze über die „eucharistischen Irrwege“ der Schippacher Jungfrau, behaupten aber allen Ernstes, das Erlebnis des Protestanten Jean Paul bei seinem erstmaligen Abendmahlempfang enthalte „echte Mystik;201 sie schlagen lustig Brücken zwischen katholischer, protestantischer, islamistischer und heidnischer „Mystik“ und richten in Begeisterung an Plotin, Mohammed und Jean Paul die Aufforderung: „Brüder, reicht die Hand zum Bunde!“ In Barbara Weigands sakramentaler Kommunion, in ihrem tieffrommen und gläubigen Herzen entdecken sie „einen Wurm“,202 den Empfang des protestantischen Abendmahls aber stempeln sie zu einer „geistlichen Kommunion“.203 Und das sollen „Grundfragen der kirchlichen Mystik“ sein?

198 Krebs V
199 Seherin 54 f.
200 Krebs 249
201 ebenda 250
202 Seherin 32
203 Krebs 250

Wie übrigens das Buch von Krebs, in welchem er die Grundsätze seiner Mystik entwickelt und in welchem er seine Attacke gegen Schippach reitet, von einem seiner Gesinnungsgenossen eingeschätzt wird, sei im Folgenden gezeigt. P. Mager, selbst ein Gegner Schippachs, hat es unternommen, dem Verfasser der „Grundfragen“ und dem Gutachter an das Erzbischöfliche Ordinariat Freiburg in Sachen „Mystik von Schippach“ ein offenes Wort entgegenzuhalten. Es ist zu wahr, als daß ich es hier übergehen könnte. Bezüglich der wissenschaftlichen Natur des Buches meint Mager, „daß die Ausführungen an manchen, oft beträchtlichen, selbst grundsätzlichen Schwächen leiden. Wer sie an den Maßstäben exakter Wissenschaft durchprüft, wird sich immer wieder stoßen an einer gewissen Einseitigkeit der Einstellung, an Unklarheiten, die zuweilen ans Widerspruchsvolle grenzen, an Willkürlichkeiten, die nicht selten ins Tendenziöse übergehen. Vor allem vermissen wir gerade an entscheidenden Punkten jene Vertiefung, die an den Kern der Grundfrage heranführt. Vorwort und die temperamentvolle Ausschließlichkeit, mit der fast jedes Kapitel auf das Lehramtliche verweist, erwecken die Erwartung, daß der Verfasser eine klare, abschließende Begriffsbestimmung der Mystik aus den lehramtlichen Kundgebungen uns vorlegte. Zum allerwenigsten hätte man erwarten dürfen, daß das in den lehramtlichen Äußerungen enthaltene Material theologisch folgerichtig zu einer wissenschaftlichen Wesensbestimmung der Mystik ausgebaut worden wäre. Statt dessen müssen wir uns mit verschiedenen, ganz allgemein gehaltenen, innerlich voneinander abweichenden Erklärungen, die mehr Umschreibungen als Begriffsbestimmungen sind, zufrieden geben. Ja, man wird den Eindruck nicht los, als lese der Verfasser stillschweigend zuerst eine vorgefaßte Anschauung in das Material hinein, um sie dann als im Material enthalten wieder herauszulesen. So kommt es, daß häufig persönliche Meinung im Gewand und mit dem Ansehen lehramtlicher Entscheidung auftritt.

Der Verfasser scheint es nicht beachten zu wollen, daß Absicht und Wortlaut der lehramtlichen Kundgebungen für Schlußfolgerungen aus ihnen ganz bestimmte Grenzen haben, die noch einen weiten Spielraum für wissenschaftliche Untersuchungen lassen. Er übersieht, daß keine der von ihm angezogenen lehramtlichen Äußerungen eine wissenschaftliche Wesensbestimmung der Mystik gibt noch geben wollte. Die Kanonisationsbulle Benedikts XIV. stellt Regeln und Bedingungen auf, die darüber entscheiden, ob jemand die kirchliche Heiligsprechung gebührt. Und die Heiligsprechungsbulle der hl. Theresia bedeutet eine Zusammenstellung all der Gnade und Tugenden, die diese Heilige so einzigartig auszeichneten. Daß beide Schriftstücke auch Mystisches berühren, ist selbstverständlich. Eine wissenschaftliche Begriffsbestimmung der Mystik aber wollen sie nicht sein. Die kirchliche Verurteilung, die gewisse Sätze aus Eckhart, Molinos usw. traf, bewegt sich in negativen Wendungen, die positiv über das Wesen der Mystik nichts aussagen. Ferner unterscheidet der Verfasser nicht zwischen Mystik als Lehre und Mystik als seelischem Zustand. Es sind zwei grundsätzlich verschiedene Fragen, ob der Lehrgehalt mystischer Erkenntnisse und Aufzeichnungen gewertet oder der seelische Vollzug des mystischen Erlebnisses erforscht wird. Krebs rennt offene Türen ein, wenn er mit so lautem Nachdruck für die Ansicht eintritt, daß über den Lehrgehalt nur die Theologie und letztlich das kirchliche Lehramt, nicht aber Religionsgeschichte und Psychologie zu befinden hätten.

Wenn aber damit gemeint sein soll, die zweite Frage sei schon erledigt, wenn die erste entschieden ist, so befindet er sich in einem verhängnisvollen Irrtum. Maßten sich Religionsgeschichte und Psychologie eine Zuständigkeit in der ersten Frage an, so könnten sie nicht scharf genug verurteilt werden. Beschränken sich indes die beiden Wissenschaften auf die Untersuchung der zweiten Frage, so wäre das Verdikt, das der Verfasser über sie verhängt, ein Übergriff, der nicht weniger scharf zurückzuweisen ist. Man fragt sich unwillkürlich, worin denn das Theologiestürzende, Glaubenswidrige, Lehramtfeindliche bestehen soll, wenn Religionsgeschichte und Psychologie unter voller Anerkennung und Voraussetzung der Dogmatik und ihrer lehramtlichen Normierung aus den Aufzeichnungen kirchlich anerkannter Mystiker die Wesenskomponenten des seelischen Zustandes im mystischen Erlebnis zu bestimmen suchen. Das Lehramt befaßt sich nie mit der Wissenschaft an sich, sondern nur mit ihren Ergebnissen und mit diesen nur insofern, ob sie mit den Offenbarungswahrheiten übereinstimmen. Aus der kaum verständlichen Haltung des Verfassers zur Bedeutung der Religionswissenschaft und Psychologie für die Wesensbestimmung der Mystik fließt eine der Hauptschwächen seines Werkes, die in dem Kapitel über „Die natürlichen Grundlagen des mystischen Lebens“ gipfelt. Nur so ist die mit sämtlichen mystischen Aufzeichnungen aller Jahrhunderte unvereinbare Behauptung möglich, die innere Ergriffenheit zum Beispiel eines Diakons am Vorabend oder am Tag seiner Priesterweihe sei als mystisches Erlebnis anzusprechen. So wird ferner die tendenziöse Willkür erklärlich, mit der Stellen – darüber vermag auch ihre urtextliche Wiedergabe nicht hinwegzutäuschen – aus den Schriften der hl. Theresia angezogen werden. Gegen die mystische Stufenlehre der hl. Theresia, die dem Verfasser nicht liegt, wird ein Schreiben Papst Leos XIII. zitiert, das Bonaventura den Fürsten der mystischen Theologie nennt, während ein Brief Papst Pius X. an den Karmelitergeneral, der gerade die Stufenlehre der Heiligen besonders hervorhebt, mit Schweigen übergangen wird. Überhaupt geht die Art und Weise im Heranziehen und Zurechtbringen von Texten für die vorgefaßte Anschauung des Verfassers über die Grenzen des wissenschaftlich Zulässigen. In denselben Zusammenhang gehört auch die ironische Polemik gegen Poulain, die durch nichts zu rechtfertigen ist. Rezensent ist kein Anhänger Poulains, aber die Objektivität verlangt von ihm das Bekenntnis, daß „die Fülle der Gnaden“ heute noch das wissenschaftlich psychologisch bedeutendste Werk über Mystik darstellt.

In der Bewertung der Stellung, welche Krebs zum Supranaturalismus überhaupt einnimmt, ist auch eine Bemerkung beachtenswert, welche sich in dem oben erwähnten Hochlandartikel über Kardinal Merciers öffentliches Wirken findet. Der belgische Kardinal, ein glühender Patriot, hatte die unerschütterliche Überzeugung von dem endlichen Siege seines Landes. In prophetischer Voraussicht dieses Sieges gab er schon zu Beginn des Krieges Anweisungen über den Bau einer Basilika zu Ehren des heiligsten Herzens Jesu auf den Höhen von Brüssel und über alljährliche Pilgerfahrten zu den Heiligtümern der lieben Muttergottes, der Patronin der nationalen Unabhängigkeit. Diese Verknüpfung einer irdischen Sache mit der religiösen, die gewiß echt katholisches Glaubensbewußtsein und recht viel Wirklichkeitssinn des von Krebs als doktrinär hingestellten Kirchenfürsten verrät, erscheint dem deutschen Professor Krebs „geradezu unbegreiflich“. „Wir Deutschen, schreibt er, besonders wir Süddeutsche, haben gewiß Verständnis für die Erwählung himmlischer Patrone einzelner Länder, aber wir würden es doch nicht wagen, den Patronat dieser Heiligen, die wir als Fürbitter und Vermittler himmlischer Gnaden auffassen, mit so bestimmten irdischen Ämtern zu belasten“.

Dann kommt noch rasch ein Seitenhieb auf die „Romanen“, denen „die Vermengung nationalen und religiösen Empfindens eigen sei; „uns nüchternen Deutschen“ sei so etwas „geradezu unbegreiflich“.204 Ja, wir Deutsche sind allerdings sehr nüchtern geworden, seitdem der katholische Mensch der katholischen deutschen Vorzeit durch die antisupranaturalistisch eingestellte deutsche Reformation ausgestorben zu sein scheint. Vor lauter Nüchternheit lassen wir den Heiligenkalender mit Italienern, Spaniern und Franzosen füllen, lassen Franzosen und Belgier herrliche Basiliken bauen und Wallfahrten aus aller Herren Länder dorthin organisieren und schlagen eine im Bau begriffene Kirche zu Ehren des Allerheiligsten Sakramentes in Deutschland in Trümmer. Das Trümmerfeld in Schippach paßt vorzüglich zu „uns nüchternen Deutschen!“ Übrigens: wer gibt denn Krebs die Legitimation, schon wieder im Namen der Deutschen zu sprechen und im Namen der Deutschen den Plan des belgischen Kardinals als „geradezu unbegreiflich“ zu finden? So wenig, als Krebs oben das Recht hatte, im Namen der katholischen Priester die Schippacher Offenbarungen zu verwerfen, ist er jetzt befugt, sich als Wortführer der Deutschen schlechthin zu gerieren.

204 Hochland 15

Daß die Deutschen übrigens nicht zu allen Zeiten so nüchtern waren, wie uns Krebs weismachen möchte, sondern ähnlich wie die „Romanen“ dachten und handelten, sei an einigen Beispielen aus der Geschichte veranschaulicht! So ist der Ursprung des Titels Maria als Patrona Bavariae ebenso wie die Einführung des gleichnamigen Festes zu einem guten, vielleicht dem größeren Teil mit nationalen Momenten durchsetzt. Die Veranlassung – Dank an Maria wegen des siegreichen Ausganges der Schlacht am Weißen Berge bei Prag 1620 – wie die ganze Aufmachung bei Errichtung der Mariensäule in München tragen nationalen, nicht nur religiösen Charakter. Dies verbürgt uns nichts sicherer als die Widmung, mit welcher der Kurfürst Maximilian I. das Standbild bei seiner Überführung von der Frauenkirche in die Mitte der Stadt – auch ein symptomatisches Zeichen! – begrüßte: „Gott, dem Gütigen und Allmächtigen, zum Preis! Der jungfräulichen Gottesmutter, der mildreichsten Herrin, der mächtigsten Beschützerin, errichtet dieses Denkmal, eine stete Erinnerung für die Nachwelt, zum Dank ob Erhaltung des Bayernlandes, der Städte, des Heeres, seiner eigenen Person, seines Hauses und seiner Hoffnungen in Dankbarkeit und Verehrung ihr mindester Schützling Maximilian.205 Die gleiche nationale Idee brachte der Fürst in der Inschrift auf dem Hochaltargemälde des Liebfrauendomes zum Ausdruck: „Der erhabenen Gottesmutter, der hehren immerwährenden Jungfrau, der besten Mutter, der Patronin Bayerns, der erlesenen Beschützerin der Fürsten, der siegreichen Helferin hat der Bayernherzog Maximilian nach seiner Rückkehr aus dem besiegten Böhmen dieses Denkmal in dankbarer Erinnerung errichtet im Jahre 1620.206 Die Einführung des Festes in die Liturgie im Jahre 1916, mitten in den Bedrängnissen des Weltkrieges, die Art der Festfeier, das Offizium in Brevier und Missale, die Kompositionen und Gedichte auf das Fest sind von einem starken Hauche nationaler Begeisterung durchweht. Man lese beispielsweise die Strophe in dem Lied „Bayernhymne, Lied zur Landes-Schutzherrin“ von P. Cölestin O. Cap. „In der Angst und Not des Krieges, den uns Hass und Arglist schürt, Leih die Macht uns Deines Sieges, der die Welt zum Frieden führt, Bayerns Schutzfrau, Hilf' gewähre unserm König, Volk und Heere!“207

205 Blume 14
206 ebenda 18
207 ebenda 292

In dem Versikel zur Vesper kommt der Schutz der Religion erst nach den irdischen Gütern: „Rem, regem, regimen, regionem, religionem, Conserva Bavaris, Virgo Patrona tuis“. Wie Krebs angesichts solcher Tatsachen behaupten kann, die Patrona Bavariae sei nicht als Vermittlerin irdischer, nationaler Segnungen anzusprechen, ist mir unerklärlich. Der Wallfahrtsort Altötting muß geradezu als das marianische Nationalheiligtum bezeichnet werden. Ein Verstehen dieses Heiligtums ohne die Verbindung mit der politischen Geschichte des Landes ist unmöglich. Altötting ist geradezu die grandiose, ewig lebendige demonstratio ad oculos dessen, was Kurfürst Max Emmanuel 1638 auf dem Münchner Marienplatz gesprochen hat. „Wohl nirgends, wie dort, wurde und wird durch Tausende und Abertausende fast Tag um Tag in die Tat umgesetzt, was der große Kurfürst.. vor über drei Jahrhunderten aussprach und erwünschte und erhoffte, als er die Himmelskönigin zur Patrona Bavariae erwählte“.208

208 Blume 20

Als im Jahre 1796 die Wogen der großen französischen Revolution bis in die Alpentäler des Tirolerlandes schlugen und die Revolutionsheere in das Land einzubrechen drohten, versammelten sich die Tiroler Landstände, Adel, Geistlichkeit, Städte und Bauernschaft, in der gräflich Wolkensteinischen Behausung zu Bozen, um über die Rettung des Vaterlandes zu beraten. Man faßte Beschlüsse über die Landesverteidigung, die Aufbringung der finanziellen Mittel, hielt Umschau nach Waffenbrüdern. Als wichtigstes Mittel zur Erhaltung der nationalen Unabhängigkeit betrachtete der Kongreß jedoch die Verehrung des heiligsten Herzens Jesu. Hören wir den Wortlaut des Beschlusses: „Endlich um den Segen des Himmels für die angeordneten und noch unternehmenden Verteidigungsanstalten und die Hilfe desselben, welche die geliebtesten Voreltern bei ähnlichen verzweifelten Umständen zum Schutze und zur Rettung des Vaterlandes schon wiederholt als auffallend erfahren haben, sich zuwege zu bringen, wurde vom gesamten hohen Kongresse durch eine feierliche Verlobnuß der Schluß gefaßt, daß hinfüro, weil Stifter und Stände der unzweifelhaften Hoffnung des in Ansehung dieses Verlöbnisses gewiß erfolgenden Schutzes und Rettung des wertesten Vaterlandes sind, das Fest des heiligsten Herzens Jesu im ganzen Lande mit einem feierlichen Hochamt gefeiert und zu diesem Ende das erstemal am 3ten dieses ein feierliches Hochamt in Gegenwart der Stifter und Stände und mit Vorausschickung einer kurzen belehrenden Anrede an das Volk über die Veranlassung und Einsetzung des Festes begangen werden solle. Am 10. November 1796 erfolgte die kaiserliche Sanktion des Beschlusses, am 21. März 1798 bewilligte der Heilige Stuhl dem Lande Tirol zur Feier des Herz-Jesu-Festes ein eigenes Offizium, der Landesepiskopat erließ begeisternde Hirtenschreiben.209

209 Historisch-politische Blätter 168 (1921) 36 ff.

Als das Kurfürstentum Bayern durch die unkluge Politik Max Emmanuels vor seiner Auflösung stand, als die österreichischen Truppen im Jahre 1704 das ganze Land okkupiert hatten und die Hauptstadt vor der Plünderung und Verwüstung stand, lag eine heiligmäßige Seherin, Maria Annae Lindmayr, auf den Knien und flehte zu Gott um Schonung der Stadt. An das Ordinariat nach Freising zitiert, wurde ihr dort in einem Gesichte die Offenbarung zuteil, wenn die Stadt das Gelübde zur Erbauung einer Dreifaltigkeitskirche mache und ausführe, werde sie vor der Plünderung verschont bleiben. Bereits am 17. Juli 1704 versammelten sich Geistlichkeit, Adel und Bürgerschaft in der Stiftskirche unserer Lieben Frau und gelobten nach einem feierlichen Gottesdienst den Bau der Kirche gemäß den Weisungen der Begnadigten. Die gelobte Dreifaltigkeitskirche war bereits 1714 fertiggestellt, am 8. Januar 1715 räumten die Österreicher die Hauptstadt. So zu lesen über dem Portale der Dreifaltigkeitskirche in der Pfandhausgasse: „Dem dreifaltigen Gotte infolge eines Gelübdes erbaut von den drei Ständen Bayerns 1714.210

210 Historisch-politische Blätter 171 (1923) 635 ff.

Das war der Glaube unserer Väter. Er sah in den himmlischen Patronen nicht nur Vermittler himmlischer Gnaden, wie Krebs meint, sondern auch Beschützer in irdischen, nationalen Dingen; er fragte nicht nach Echtheit oder Unechtheit von Privatoffenbarungen, sondern baute Kirchen zu Ehren Gottes, errichtete Mariensäulen, schuf nationale Heiligtümer, setzte das heiligste Herz Jesu zum Beschützer der nationalen Unabhängigkeit ein und erhob das Herz-Jesu-Fest zum Nationalfeiertag. So haben es die „Romanen“ gemacht, so hielten es unsere Vorfahren, so dachte, redete und handelte zu allen Zeiten die katholische Christenheit in ihrer nationalen Gliederung, sowohl wie in ihren Einzelindividuen. Oder spielt nicht in der Verehrung eines heiligen Florian, Wendelinus, Antonius, deren Kult unserem katholischen Volke in Fleisch und Blut übergegangen ist, einer heiligen Agatha, Odilia und nicht zuletzt der lieben Muttergottes von der immerwährenden Hilfe die Hoffnung auf Gewährung irdischer Güter die wichtigste Rolle? Warum pilgern jährlich Tausende und Abertausende nach Lourdes? Wovon künden die Wachsglieder und Votivtafeln an unseren Wallfahrtsorten? Und welches war denn die Psyche unserer Frontsoldaten?

Beteten sie nicht um Erhaltung des leiblichen Lebens? Hat nicht Kardinal Sarto, der nachmalige Papst Pius X., um einen guten Ausgang politischer Wahlen beten lassen?211 Es wäre wahrlich nicht schwer, die Beispiele dafür fortzusetzen, wie die katholische Christenheit aller Länder den Patronat ihrer Schutzheiligen mit sehr bestimmten irdischen Ämtern „belastet“ hat, doch mag das Gesagte genügen, um darzutun, daß die Haltung des belgischen Kardinals in dieser Frage eminent katholisch war, während die gegenteilige Auffassung von Krebs den Sinn für historische Wirklichkeit, religiöses Empfinden des Volkes und für die Lebenskräfte des katholischen Dogmas sehr vermissen läßt. Kardinal Mercier verspricht, für die Erhaltung der nationa1en Unabhängigkeit eine Herz-Jesu-Kirche zu bauen und Wallfahrten zu organisieren und in Deutschland wird zur gleichen Zeit ein Kirchenbau verboten, der eine Friedens- und Dankeskirche werden sollte. Das am Boden liegende Belgien erhoffte Rettung von oben, in Deutschland aber wollte man den Sieg lieber mit Krupp‘schen Kanonen und Aktionskomitees deutscher Professoren erringen. Ich weiß nicht, ob jene Kirche bei Brüssel gebaut wurde: aber das wissen wir, daß die Schippacher Kirche, so wie der Heiland uns den Auftrag erteilt hat, dank der Tätigkeit des Professors Krebs und seiner Freunde nicht gebaut wurde. Wer hat also mehr Wirklichkeitssinn und prophetische Gabe geoffenbart: Kardinal Mercier oder Professor Krebs, Subregens Dr. Brander und Ihresgleichen?212

211 Forbes 41
212 Daß der katholische Mensch zu allen Zeiten in seinen Schutzheiligen auch Patrone in irdischen Dingen gesehen hat, kann wohl nicht mehr bestritten werden. Die Geschichte weiß aber auch zu berichten, wie die katholische Vorzeit in irdischen Bedrängnissen sich sogar bei noch Lebenden, die im Rufe außerordentlicher Begnadigung standen, Rat und Hilfe erholte. Eine Anzahl solcher Dokumente hat Fischer in seiner überaus verdienstvollen Schrift „Von verborgenem Heldentum“ zusammengestellt und urkundlich belegt. Wir können es uns nicht versagen, einiges davon hier mitzuteilen (Fischer 53 ff). Der Mystiker Bernhard von Clairvaux wird gezwungen, das ganze kirchliche und politische Leben seiner Zeit zu leiten. Dionysius der Karthäuser wird vom Papst zur Reform seiner Zeit in Anspruch genommen, von den weltlichen Fürsten zur Beilegung ihrer Streitigkeiten aufgesucht, von Menschen aller Stände um Rat gefragt. Zu einer Hildegard von Bingen (um 1098 in Böckelsheim bei Bingen), zu einer Brigitta von Schweden, einer Katharina von Siena, einer Kreszentia von Kaufbeuren strömten die Rat- und Hilfsbedürftigen scharenweise herbei, um getröstet und gestärkt zurückzukehren. Die Namen eines Meinrad, eines Bernhard von Clairvaux, eines Vinzenz von Paul, eines Nikolaus von Flüe, eines Vianney von Ars oder auch eines Don Bosco in Turin lassen sich fast um soviele vermehren, als das Kalendarium an Namen heiliger Männer aufweist. Bekannt ist die Bedeutung der hl. Katharina von Siena und der Jeanne d'Arc, der Jungfrau von Orleans, auch des seligen Nikolaus von der Flüe für das politische Leben ihrer Zeit. Weniger bekannt ist dagegen, daß der ganze Feldzug der Liga gegen den Winterkönig Friedrich V. von der Pfalz samt der ihn glorreich beendenden Schlacht am Weißen Berge bei Prag auf die übernatürlichen Weisungen des ehrwürdigen Dominikus a Jesu Maria hin geführt und durch dessen Gebet gewonnen wurde. Dominikus a Jesu Maria entdeckt die Verschwörung gegen Maria von Medici, stiftet Friede im lothringischen Herzogshause, zwischen der Republik Lucca und ihrem Bischof, zwischen den Städten Valentia und Alicante; er errettet Philipp II. von Spanien durch übernatürliche Erleuchtung von der Ermordung durch zwei englische Protestanten; er ist der Berater der Päpste, der Könige und Fürsten und ihrer Minister. Die Karmeliterin Anna vom hl. Bartholomaeus trägt den Namen „Befreierin Antwerpens“, weil sie die Stadt zweimal durch ihr Sühnegebet vor den geheimen Überfällen des Moriz von Oranien bewahrt hat. Der hl. Alphons Rodriguez rettet Majorka von einer Hungersnot. Der hl. Franz Xaver erfleht i. J. 1547 der portugiesischen Flotte den Sieg über die Flotte des Sultan Alaradin. Der ehrwürdige Philipp Jeningen bewahrt durch sein Gebet das Fürstentum Eltwangen vor der Verwüstung durch die Horden Ludwigs XIV. Die sel. Maria von den Engeln wendet von Turin die Menschenpest ab, sie befreit Turin von der Belagerung durch die Franzosen. Die weltabgeschiedene Johanna Maria vom Kreuz ist die treue Beraterin des kaiserlichen Feldherrn Gallas; sie ermutigt ihn zur siegreichen Schlacht bei Nördlingen. Der oberste Kanzler Leopolds I. ließ sich in allen wichtigen Staatsgeschäften von Johanna Maria vom Kreuze leiten; der Wittelsbacher Kurfürst Maximilian I., seine Gemahlin, ferner ihr Sohn Maximilian Heinrich, Kurfürst von Köln, Bischof von Lüttich und Hildesheim, holten sich Rat bei der Schwester.

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2. Mangel an Objektivität und Unkenntnis der Sachlage

Daß die Richter im Schippacher Falle sonderlich große Objektivität hätten walten lassen, wird man nach dem Gesagten nicht mehr behaupten wollen; wir werden sogar sehen, wie sie Tatsachen von einschneidender Bedeutung geradezu verschwiegen haben. Daß Barbara Weigand eine geriebene Person sei, die Bischöfe und Ordinariate mehr als zwanzig Jahre hintergangen habe, daß sie sich gegen Papst, Bischöfe und die kirchliche Hierarchie auflehne und an die Stelle der katholischen Kirche eine häretische ecclesiola setzen wolle, haben wir schon aus dem Urteilstenor vernommen. Aber warum verschweigt denn das ganze Richter- und Sachverständigenkollegium die aktenmäßig vorliegende Tatsache, daß gerade Barbara Weigand und ihr „häretischer“ Anhang die römisch-katholische Pfarrei Rück-Schippach gestiftet hat? Warum erwähnt weder Dr. Brander noch Krebs noch Zahn wenigstens aus rein wissenschaftlicher Objektivität diese Tatsache, welche bereits 1912 aktenmäßig vorlag? Nach can. 1794 ist es Aufgabe der Sachverständigen peritiam suam ad veritatis et iustitae leges exigere neque falsum affirmando neque verum occultando. Zuwiderhandlung ist mit Strafe bedroht.

Warum hat man diese Tatsache der Stiftung der Pfarrei durch Barbara Weigand und ihren angeblich „häretischen“ Anhang verschwiegen, als man die „Enthüllungen über das Werk der Seherin“ publizierte? Ist ein solches Verhalten dem can. 1794 gemäß? Wo sind da die leges veritatis et iustitiae geblieben? Und neque verum occultando? Aus dieser Haltung mögen die Bischöfe, welche sich auf die Würzburger Prüfung gestützt haben, erkennen, daß die Gesetze der Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit bei solchen Gutachtern und Erzeugern der öffentlichen Meinung gröblich mißachtet wurden. Aber freilich, man wollte ja von vornherein „auf alle (!!) amtlichen Aktenstücke verzichten“.213 In fliegenden Blättern, in handgeschriebenen Heftchen, von denen man nicht einmal wußte, wer sie geschrieben, in Schriftchen mit unvollständigen Sätzen, Hör-, Schreib- und Dialektfehlern ließ sich ja viel leichter herumblättern, Stichproben sammeln und „von vornherein“ gemachte Vermutungen bestätigt finden als in der harten Sprache der amtlichen Aktenstücke. Der Hauptsachverständige in der Angelegenheit des Schippacher Kirchenbaues hat, wie wir oben sahen, nur solche Schriften geprüft, die kein Wort vom Kirchenbau enthalten, ja, er hat sogar von vornherein „auf alle amtlichen Aktenstücke verzichtet“, wie er selber sagt. Ist das eine objektive, wissenschaftliche, gerechte Behandlung einer so wichtigen Sache? Wirft nicht diese aktenmäßig vorliegende Tatsache, daß Barbara Weigand im Zusammenhang mit ihren Offenbarungen eine römisch-katholische Pfarrei mit libera collatio episcopi catholici stiftet, alle von den Sachverständigen gemachten Konstruktionen von dem Sprengen der kirchlichen Hierarchie und dergleichen Unsinnigkeiten über den Haufen? Und wenn man den Kirchenbau verworfen hat, warum hebt man nicht auch schleunigst die katholische Pfarrei wieder auf, deren Stiftung „unlöslich“ mit der „Seherin von Schippach“ verbunden ist?

213 Seherin V

Freilich damals, als Barbara Weigand die Kaufsumme für das Pfarrhaus und das Stiftungskapital samt einem großen Baufond von insgesamt etwa 52 000 Goldmark in die Hände des zuständigen Pfarrers legte, hatten noch kein Dr. Brander und kein Zahn und kein Krebs etwas davon erfahren; die kirchlichen und staatlichen Behörden sanktionierten mit Siegel und Unterschrift die Schenkung genauso wie den Kirchenbau. Nachdem aber nun der Kirchenbau „wegen seines Zusammenhanges mit Barbara Weigand“ verhindert wurde, erfordert es die Logik der Tatsachen, auch die Pfarrei aufzuheben.

Auch Zahn hat die Gesetze wissenschaftlicher Objektivität nicht durchweg gewahrt. In seinem umfangreichen Handbuch verzeichnet er überall gewissenhaft die erschienene Literatur, läßt bei Kontroversen beide Teile zu Worte kommen und registriert sorgfältig ihre Publikationen, auch polemischen Inhaltes wie in dem Streite zwischen Hock und Lindworsky; nur da, wo er von Schippach redet, das er doch amtlich geprüft hat, zitiert er wohl beifällig seine Gesinnungsgenossen Krebs und Dr. Brander, unterläßt es aber, auf die seinerzeit zur Abwehr erschienenen Broschüren einzugehen, obwohl sie ihm bekannt waren.214 Auch dieses Verhalten ist keine wissenschaftliche Objektivität.

214 Das Problem von Schippach und seine Behandlung in der gegnerischen Presse. Druck und Verlag A. Huber, München, Neuturmstr. 2a. Ferner Dr. Hans Abel, „die Sakramentskirche in Schippach“ – Zur Abwehr und Verteidigung. Druck und Verlag A. Hubert, München, Neuturmstr. 2a.

Wenn die Freunde des Schippacher Kirchenbaues das Richterkollegium wegen seiner seltsamen Haltung in der erwähnten Frage wegen Nichtbeachtung der elementarsten wissenschaftlichen Regeln über die Prüfung mystischer Erscheinungen, wegen Ignorierung der kirchlichen Vorschriften, wegen ihrer einseitigen, von der traditionellen Auffassung abweichenden Stellung zum Wesen der Beschauung, wegen ihrer Scheu vor dem Supranaturalismus, wegen ihrer Herabwürdigung von Kardinälen, wegen ihres objektiven Liebäugelns mit der rationalistischen Erklärungsweise der modernen experimentellen Psychologie und Pathologie und schließlich wegen Mangels an Objektivität als inkompetent ablehnen, so sind sie dazu völlig berechtigt. Diese Ablehnung muß aber auch erfolgen, weil sich die Sachverständigen z. T. in großer Unkenntnis der Sachlage überhaupt befanden. Wir dürfen nicht vergessen, daß Veranlassung und Ziel der Polemik der Schippacher Kirchenbau bildet. Nach der Polemik entstammt nun dieser Kirchenbau einzig den Schippacher Offenbarungen. Weil nun diese unecht seien, müsse auch der Kirchenbau fallen. Wir haben schon oben nachgewiesen, wie eine solche Schlußfolgerung weder logisch noch dogmatisch noch rechtlich noch historisch gezogen werden durfte; weiter unten werden wir sehen, daß der Schippacher Kirchenbau nicht bloß eine Frage der Mystik ist, wie das Richterkollegium annahm, sondern eine Sache der Pastoral und der gemeindlichen Notwendigkeit. Der Kirchenbau ist nicht nur zufällig oder aufgrund der Offenbarungen nach Schippach versetzt worden; eher könnte man sagen: weil in Schippach eine Kirche gebaut werden sollte, haben sich Offenbarungen daran geknüpft. Nicht die Offenbarungen über den Kirchenbau sind das Primäre, sondern der Kirchenbau war das Primäre.

Da es sich nun um einen Kirchenbau, und zwar um einen sehr notwendigen Kirchenbau in der Gemeinde Schippach handelte, so hätte das Richterkollegium diese Frage doch auch in ihrem örtlichen Zusammenhange studieren müssen. Aber wie man bei der „gründlichen Prüfung“ von vornherein „auf alle amtlichen Aktenstücke“, auf die Kenntnis der Person und ihres Wandels „verzichtete“, so hat man nicht nur die örtlichen Verhältnisse in betreff des Kirchenbaues nicht studiert, sondern sich nicht einmal die Mühe genommen, auf der Karte nachzusehen, wo denn Schippach eigentlich liegt. Professor Krebs, der so souverän auf Schippach herabblickt, verlegt in seinem Buche das Dorf Schippach hartnäckig in den Odenwald.215 Krebs meint: „Gut unterrichtet über das Schippacher Ärgernis die Schrift von Subregens Dr. Brander, „Die Seherin von Schippach“. Gewiß, über die geographische Lage von Schippach unterrichtet jene Schrift sehr gut; denn Dr. Brander erwähnt mehrmals ausdrücklich, daß Schippach im Spessart liegt. Aber Krebs hat sich von Dr. Brander über den Schippacher Kirchenbau nicht einmal soviel unterrichten lassen, daß er sich die Lage von Schippach gemerkt hat. So studiert ein Sachverständiger die Schrift des andern, daß er nicht einmal die primitivsten Angaben aus diesem Buche richtig wiedergibt.

215 Krebs 223

Bei Dr. Brander, von dem er „so guten Unterricht“ über das Schippacher Ärgernis genommen hat, hätte er auf S. 1 und 84 genau die Lage des Ortes erfahren können: aber vor lauter Freude über die pikanten Dinge, welche dort zusammenhanglos und willkürlich aufgetischt werden, und vor lauter Begier, eine alte Frau moralisch totzuschlagen, hat Krebs wieder einmal die nüchternen und unanfechtbaren Tatsachen übersehen: auch ein Beweis für die Methode, mit welcher die Sachverständigen im Schippacher Falle gearbeitet haben. Was würde man denn dazu sagen, wenn in einem fachwissenschaftlichen Buche über ein im Bau begriffenes Millionenprojekt, etwa ein Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald ein Sachverständiger sein verwerfendes Urteil abgeben und dabei ständig von dem Niederwald reden würde? Wahrlich, Kardinal Mercier scheint wirklich recht gehabt zu haben, als er sagte, ein Geschichtsforscher, der so zu Werke geht wie Professor Krebs, könne „auf wissenschaftlichen Namen keinen Anspruch mehr haben“.216

216 Hochland XV (1917) 346

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Sechstes Kapitel

Die unbenützten Beweismittel

Schon die letzten Bemerkungen haben uns wieder erkennen lassen, wie das Richterkollegium bei der Beweisaufnahme den wichtigsten Punkt ganz außer acht gelassen hat: den Augenschein und den Tatbestand. Im Schippacher Falle handelte es sich um eine streitige Sache: Die einen wollten den Bau der Kirche, die andern nicht. Um nun zu einem gerechten Urteil zu gelangen, mußte man alle Beweismittel ins Auge fassen, welche über den Fall zur Verfügung standen. Nun sind im Schippacher Falle Kläger, Sachverständige, Zeugen und Richter dieselben Personen, was nach allen Regeln der Rechtsprechung unzulässig ist. Aber auch das Beweismaterial im Schippacher Urteil läßt viel zu wünschen übrig, wie wir schon oben am Urkundenmaterial nachgewiesen haben. Da es sich um einen Kirchenbau in dem Dorfe Schippach handelt, so hätte man den Augenschein sprechen lassen müssen, den zuständigen Geistlichen hören, die Vorstellungen der Gemeinde beachten, die Bedürfnisfrage prüfen müssen. Eine solche Prüfung, die man natürlich nicht in weiter, weiter Ferne hinter einem Stoß fliegender Blätter vornehmen durfte, hätte das Urteil wesentlich anders ausfallen lassen. Da hatte es der hochselige Bischof von Schlör anders gemacht: er kam selbst ins Dorf und an Ort und Stelle wünschte er gerade diesen Kirchenbau.

Die praktischen Momente hat man drei Jahre später aber ganz ausgeschaltet. Eine merkwürdige Geistesverfassung, die viel Ähnlichkeit mit der alles beherrschenden Kriegspsychose aufweist, hatte sich der Köpfe bemächtigt; man sah und hörte nur noch die Tagespresse; zu logischen, ruhigen Schlüssen waren viele unfähig geworden. Vor lauter Polemik vergaß und übersah man die Wirklichkeit. Befangen in dem Wahn, man müsse den Glauben und die katholische Kirche vor dem Untergang bewahren, schlug man tapfer darauf los und merkte nicht, welch hohe moralische Güter man damit zertrümmerte. Man wollte die katholische Kirche retten und nahm Hunderten von katholischen Christen die Möglichkeit, am Sonntag in die Kirche gehen zu können; man meinte, es bloß mit Halluzinationen zu tun zu haben, und übersah, daß die religiösen Lebensinteressen einer ganzen Gemeinde, ja Pfarrei, in Mitleidenschaft gezogen waren; man wollte „die Seherin“ strafen und strafte die ganze Bevölkerung samt ihrem Pfarrer; man wollte den Bau einer Sakramentskirche verhindern und zerschlug damit auch den so notwendigen Kirchenbau zweier Gemeinden; man forderte den Bauverein zur Restitution auf und bedachte nicht, daß man eine Gemeinde um ihr Feld, etwa 55 000 Goldmark und um ihre Kirche gebracht habe; man wollte das angebliche „Schippacher Ärgernis“, das man erst künstlich durch die Presse geschaffen hatte, beseitigen und schuf dabei ein wirkliches Ärgernis, die Steinwüste von Schippach, die tagtäglich Hunderten zum Anlaß des Spottes über Religion und Geistlichkeit wird; man beschuldigte Barbara Weigand der Untergrabung der kirchlichen Autorität und erzeugte mit der Baueinstellung eine unheimliche Atmosphäre der Geringschätzung aller geistlichen Obrigkeit; man wollte falschen Mystizismus treffen und wahres kirchliches Leben tötete man; alle möglichen Leute prüften, beurteilten und verwarfen die Sache, aber die es zunächst anging, wurden nicht gehört; Professoren der Philosophie, Theologie, Nationalökonomie, Aszeten, Mystiker, Spirituale, Exerzitienmeister, Oberpfarrer, Ärzte, Psychiater, Psychopathographen, Krankenhausdirektoren, Vorstände von Irrenanstalten, Oberinnen, Dienstmädchen, zehnjährige Mädchen, Mathematiker, Physiker, Gendarmen, Leute aus Würzburg, Freising, Mainz, Köln, Aachen, Freiburg, deutsche Professoren, die nicht einmal wissen, wo Schippach liegt : alle möglichen Leute fühlten sich berufen oder wurden herangezogen, den Schippacher Kirchenbau zu verwerfen; aber ich habe nicht gehört, daß auch der Ortsgeistliche gutachtlich gehört worden wäre; man kümmerte sich nicht um einen legal errichteten Kirchenbauverein, dem die ganze Gemeinde angehörte, man hörte nicht auf den Hilferuf der Gemeinde, die um Gerechtigkeit bat; kein Moralist erhob sich, der auf die moralischen Folgen hingewiesen oder an das Gebot der Gerechtigkeit und die Pflicht der Restitution erinnert hätte; man blätterte hastig ein Büchlein „Offenbarungen“ um das andere durch, kümmerte sich nicht um Authentizität oder Nichtauthentizität des Textes, suchte mit Adleraugen und Aufbietung aller Kräfte nach dogmatischen „Verstößen“, und wo man keine fand, legte man einem unklaren Ausdruck einen falschen Sinn unter, um dann triumphierend auszurufen: „Heureka! Schon wieder ein dogmatischer Irrtum!“ Man kreidete Schreib- und Dialektfehler dem Herrn an und trug die „Stichproben“ recht saftig auf, um die Sache dem Publikum recht schmackhaft zu machen; man konsultierte den nächsten Band des Kirchenlexikons oder eines medizinischen Handbuches und „bewies“ schlagend, daß der Kirchenbau verboten werden müsse, aber ein Handbuch der Pastoral und Moral oder auch nur einen Kleinen Katechismus zog man nicht zu Rate; sonst hätte man finden müssen, daß zur Erfüllung des dritten Gebotes Gottes und des zweiten Gebotes der Kirche auch eine Kirche notwendig ist, die man zwei katholischen Gemeinden nicht entziehen dürfe. Das ist die Wahrheit über den Schippacher Kirchenbau.

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Siebentes Kapitel

Der Vollzug des Urteils

Zweck des wüsten Pressefeldzuges gegen Schippach und Ziel des literarischen Trommelfeuers war die Einstellung der im Bau begriffenen Kirche in Schippach. Das Ziel wurde voll und ganz erreicht. Sichtlich aufatmend verkündet Dr. Brander das Ergebnis seiner Anstrengungen: „Der Kirchenbau ist polizeilich (!!) verboten worden“.217 Müßte es nicht die Schamröte ins Gesicht treiben, daß katholische Priester die staatliche Polizei zu Hilfe rufen um den Bau einer katholischen Kirche einzustellen? Wann und wo in aller Welt hat man ähnliches erlebt? Wie bekämpfte man sonst den gottlosen Staat und hier rufen ihn katholische Priester gegen die Erbauung einer katholischen Kirche zu Hilfe! Pflichtschuldig schickt denn auch der protestantische Vorstand der Distriktspolizei seine Gendarmen auf die Baustätte von Schippach und verjagt die Bauleute, die eben im Begriffe stehen, dem Herrn einen Tempel zu bauen, darin Tag und Nacht der König der Glorie verherrlicht werden soll. Der Vollzug des Urteils ist bittere Wahrheit. Der Sieg ist ganz auf der Seite der Gegner. Finis Schippach! tönt es triumphierend in den Tagesblättern. Das Kapitel „Schippach“ ist abgeschlossen, verkünden die Sieger. Sehen wir einmal, ob dem wirklich so ist!

217 Augsburger Postzeitung 1916 Nr. 164

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„Das Schippacher Ärgernis“

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Verteidigungsschrift der Schippacher Bauherren des Kirchenbaues, also 1925/26, ergab sich folgendes Bild über die Schippacher Sache, das wir gleichfalls unverändert wiedergeben wollen und im Anschluß daran wollen wir die vom Herrn geforderte Sühnekirche und Anbetungsstätte in Schippach näher beleuchten.

Professor Krebs hat in seiner temperamentvollen Verwerfung Schippachs das Wort vom „Schippacher Ärgernis“, geprägt.218 Der Ausdruck hat auch anderen so gut gefallen, daß sie ihn mit Behagen zitieren.219 Es gibt allerdings ein Schippacher Ärgernis, wie ein jeder Besucher Schippachs im Spessart, nicht im Odenwald, auf den ersten Blick sehen konnte und wie sie heute noch durch ein Steinfragment aus damaliger Zeit in die Erinnerung ruft: das ist die Schippacher Trümmerstätte. Was sich hier Tag für Tag den Augen von Hunderten, vielleicht manchmal Tausenden darbietet: Das ist in Wahrheit ein lautes „Schippacher Ärgernis“. In einer Zeit, wo allenthalben der Ruf nach Wiederaufbau, Sparsamkeit und wirtschaftlicher Hebung erschallt, müssen Werte von Hunderttausenden einfach vernichtet werden. Wenn übermütige Sieger die Zerstörung von Fabriken, Maschinen und Material verlangen, so bäumen wir uns dagegen auf: die skandalöse Trümmerstätte von Schippach aber muß der Anlaß des Gespöttes bleiben, weil Volksgenossen dies wollen. Soll es nicht ärgerniserregend wirken, wenn so viele Werte einfach zugrundegehen müssen?
Wie der Anblick des Baugeländes jedermann überzeugen kann, war der Bau auf eine breite Basis gestellt. Ein ganzes „Gewand“ (Flurabteilung), etwa 18 Morgen, war von Guttätern für das Heiligtum angekauft worden; von diesem Gelände ist der größere Teil abgegraben. Die eigentliche Baustelle, welche mit dem Fundament, Erdaushub, Kies und Sand und Tausenden von Steinblöcken angefüllt ist, beträgt nach vorsichtiger Messung 26 190 qm, das sind 13 fränkische Morgen. Dieses ehedem fruchtbare Gelände ist in eine Wüste und einen Steinbruch umgewandelt, es liegt öde und verwahrlost da, als ob die Kriegsfurie darüber hinweg getobt wäre. Diese reine Zerstörung von 13 Morgen des relativ besten Feldes ist bei dem Landhunger der Bauern und der Armut der Bewohner ein großer Schaden. Auf diesem Gelände ist die sogenannte Unterkirche bereits gebaut und zwei Träger, vermutlich für die Kuppel, erheben sich mehrere Meter über dem Boden. Zu dem Bau waren viele Waggons Steine in eigens gelegtem Anschlußgleise herbeigeschafft worden, riesige Blöcke, die meistens schon von kundiger Steinmetzhand für ihren Zweck behauen waren. Alle diese Tausende von Blöcken, die wohl für die Kirche und mehr hinreichen würden, liegen nunmehr seit 10 Jahren wirr und wüste auf der Baustelle, ungeschützt, jedem zugänglich, dienen zum Spielplatz von Alt und Jung, die ihre Freude darin finden, die fein gehauenen Kanten und Zierarten der Steine abzuschlagen und die Steine vollends zugrundezurichten, soweit dies nicht die Witterung besorgt hat. Das offene Fundament des Baues ist schutzlos den Einflüssen der Witterung preisgegeben, das Wasser hat sich in die Schächte gesetzt, so daß die Befürchtung besteht, daß nunmehr auch das Fundament unbrauchbar ist oder bald sein wird. Die schweren eisernen Träger rosten und gehen zugrunde; Kalk, Kies, Sand, die in Hunderten von Fuhren um vieles Geld herbeigeschafft wurden, wurden und werden einfach gestohlen oder besser gesagt, öffentlich weggefahren, was bis heute noch anhält und sogar unter den Augen der Verantwortlichen Unterstützung findet. Die Fuhrleute holen sich Material nach Bedarf und Möglichkeit „vom Kirchenbau“. Wie viele 100 000 Mark schon verbaut sind, entzieht sich meiner Kenntnis, daß aber die hierfür beschafften Werte einfach der Vernichtung preisgegeben werden müssen, das ist eine Sache, die ich mit meinem Gewissen nicht verantworten möchte. Zu diesen materiellen Schäden rechne ich auch den Entgang der bereits gestifteten oder versprochenen Gegenstände. Es hatten sich bereits Stifter gemeldet für die Fenster, für den Hochaltar, für 5 Glocken. Der Paramentenschatz kam schon während der Bauzeit an: ich sah die herrlichsten Werke der Frömmigkeit und Wohltätigkeit vor meinen Augen ausgebreitet. Glühende Liebe zum eucharistischen Gott hat sie gespendet: 3 völlige Ornate mit 3 Chormänteln, 4 Vela, 4 Dalmatiken, 9 Meßgewänder, 1 Tragehimmel; alles in feinster Ausführung in Silber- und Goldbrokat; 3 reich gestickte Ziborienmäntel, 8 Altardecken mit wunderbaren Spitzen, 36 Chorröcke in herrlicher Ausführung, 11 Alben mit kostbarem Spitzenbesatz, 1 Meßkelch, 1 wertvoller großer Speisekelch, Leuchter, Lavabo, Ministrantenhemden, Kelchwäsche, Spitzen, 3 Zingula, Schultertücher, Handtücher, Decken, Leinen in ungezählter Menge, alle Arten Prozessionsartikel: Fähnchen, Kränzchen etc. etc. Alle diese edlen Gaben, für den Kult des Allerheiligsten Sakramentes, meist von adeligen Personen gestiftet, liegen nun in einem Schippacher Privathause herum, wo sie brechen, vermodern, dem Mäusefraß ausgesetzt sind und elend zugrunde gehen müssen.

218 Krebs 223
219 Literarische Beilage zum Klerusblatt I (1925) 182 ff.

Schließlich darf ich auch erwähnen, daß in Schippach ein Anwesen mit Wohnungen, Ställen, Scheuern, Kellern, Fabrikräumen und 39 Tagwerk Feld für Zwecke des Kirchenbaues angekauft wurde. So zieht die Einstellung des Kirchenbaues große materielle Schäden nach sich. Nun bedenke man, daß die Trümmerstätte hart an einem Schienenstrang liegt, den täglich viele hunderte Personen, namentlich Arbeiter, benützen; man bedenke, daß mitten durch die Steinwüste der Markierungsweg des Spessartvereins zieht, den alle Touristen passieren. Es ist nur gut, daß wir nicht alle Reden hören, die da fallen. Der Anblick der Baustelle, das vernichtete Feld, die halbfertige Kirche, die behauenen, der Zerstörung preisgegebenen Steine, die rostenden Schienen und das andere zugrundegehende Material, die fortgesetzten Diebstähle des „herrenlosen Gutes“, das alles muß auf den Beschauer ärgerniserregend wirken und Sünden verursachen. Die Leute von der Pfarrei, welche ihr Weg Tag für Tag an der Baustelle vorüberführt, fluchen über den Verlust des Feldes und ihrer sauer erarbeiteten und hineingesteckten Gelder, und immer wieder kann man Ausdrücke hören wie: „unerhört!“ „so etwas ist noch nicht dagewesen“. Das ist in Wahrheit „das Ärgernis von Schippach!“

 

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Zweiter Teil

Betrachtung des Urteils im einzelnen

Achtes Kapitel

Die Trägerin der Schippacher Offenbarungen

Der Schippacher Kirchenbau wurde eingestellt wegen seiner angeblich unlöslichen Zusammenhänge mit der Schippacher Jungfer Barbara Weigand. Wie die Kritik über diese Person geurteilt hat, haben wir eingangs dieser Schrift erfahren. Um die Widerlegung der gegen den Kirchenbau vorgebrachten Angriffe vollständig zu gestalten, müssen wir auch den Vorwürfen gegen Barbara Weigand nachgehen und sie auf ihre Haltbarkeit prüfen. Da die Polemiker der erwähnten Person ihre geistige Gesundheit bestreiten und schwere sittliche Mängel zum Vorwurf machen, so ist die Einteilung der folgenden Ausführungen von selbst gegeben.

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1. Die geistige Gesundheit der „Seherin“

Anstatt die Frage des Schippacher Kirchenbaues als eine Angelegenheit der Dogmatik, der Pastoral, des seelsorglichen Bedürfnisses, des Kultus der Eucharistie, d. h. letzten Endes als eine religiöse Frage zu betrachten, hat man sie zu einer Sache der Medizin und der experimentellen Psychologie gemacht, natürlich auf dem Umweg über die als hysterisch erklärte Urheberin. Das Widerspruchsvolle dieses Vorgehens, das sich wie bemerkt nur aus einer Art Psychose erklären läßt, tritt noch schärfer hervor, wenn man weiß, daß sich in dieser falschen Problemstellung weniger ungläubige Kritiker, welchen die Angelegenheit ja ferne lag, hervorgetan haben, sondern katholische Priester. Diese sind es, welche den Bau einer Kirche zu Ehren des Allerheiligsten Sakramentes und damit auch den Bau des so notwendigen Gotteshauses für zwei Gemeinden hintertrieben haben. Diese Methode, den Kirchenbau und seine angeblichen Grundlagen mit dem Hinweis auf Hysterie und Pathologie abzutun, wie es geschehen ist, erinnert gar zu sehr an die Art, wie die ungläubige Medizin und Psychologie von heute religiösen Erscheinungen überhaupt gegenübertritt.

Es ist doch zu bekannt, daß die moderne Psychologie, die sich von der Metaphysik ja längst himmelweit entfernt hat, bei ihrer grundfalschen Einstellung zu den Problemen des Seelenlebens, alle Erscheinungen des religiösen Lebens psychologischen Verirrungen und damit pathologischen Ursachen zuschreiben möchte. Man weiß doch nur zu gut, daß diese moderne Wissenschaft zwischen wahrer und falscher Mystik, zwischen echter und unechter Ekstase, zwischen den Ekstasen der Heiligen und den krankhaften überhaupt keinen Unterschied mehr gelten läßt, daß ihr die einen soviel gelten wie die andern, weil man sie beide als Krankheitserscheinungen der Seele hinstellt. Der Wahn, alles Außerordentliche, insbesondere die religiösen Erscheinungen, als pathologische Phänomene zu erklären, überschreitet heutzutage alle Ufer; ich verweise nur auf Zahn und die dort verzeichnete Literatur.220 Aber nicht genug, daß man das höhere religiöse Seelenleben in der modernen Medizin und Psychologie in Bausch und Bogen als pathologisch hinstellt; nicht genug, daß eine solche Wissenschaft die höheren Formen religiösen Lebens mit dem Hinweis auf krankhafte Verbildungen des Gehirns abzutun sucht; eben diese moderne Wissenschaft ist mit ihrem Seziermesser auch bis zu dem Stifter unserer heiligen Religion selber vorgedrungen, hat den Heiland Selber der pathologischen Veranlagung bezichtigt und natürlich „bewiesen“, daß Er geistig nicht normal war. Soll ich daran erinnern, daß Loosten vor der Blasphemie nicht zurückschreckt, dem Heiland geradezu Geisteskrankheit vorzuwerfen,221 daß Emil Rasmussen ihn als Epileptiker und Paranoiker bezeichnet, daß Julius Baumann ihm „Nervenüberreizung“ vorwirft, daß Holtzmann Ihn der phantastischen Schwärmerei beschuldigt? Vorwürfe wie: „krankhaft starke Erregungen“, „Halluzinationen“, „Visionen“, „überspanntes Selbstgefühl“, „Zwangsgedanken“, „krankhaft abnormes Geistesleben“, „nervöse Überreiztheit“, „fixe Ideen“, „erbliche Belastung“, „hysterische Ekstase“, begegnen uns genau so wie im Schippacher Falle auch bei der Kritik des Heilandes Selber. Daß diese Wissenschaft, welcher nichts mehr heilig und unantastbar ist als nur ihre eigene Souveränität und Prätention, mit welcher sie über die das gewöhnliche Menschentum überragenden Gestalten zu Gericht sitzen, daß die Konstruktionen einer Psychologie und Pathologie als kompetent in Sachen des mystischen Gnadenlebens hingestellt werden, ist tief bedauerlich.

220 Zahn 567
221 Kneib, Apologetik 485

Kein Wunder: wenn man vor dem Gottessohne Selber nicht zurückschreckte, daß man auch die Heiligen in die Niederungen einer ungläubigen Wissenschaft herabzog und ihre seelischen Erlebnisse als Ausgeburten ihres kranken Hirns bezeichnete. Wer die Heiligengeschichte kennt, weiß zur Genüge, daß sie zu ihrer Zeit und später das Verdikt einer ungläubigen Umgebung und einer noch ungläubigeren Wissenschaft traf. Wurden nicht dieselben Vorwürfe gegen eine selige Juliana von Lüttich, einen hl. Franz von Assisi, eine hl. Katharina von Siena, einen sel. Heinrich Suso, einen hl. Josef a Cupertino, eine hl. Theresia von Avila, eine hl. Margareta Maria Alacoque, eine hl. Bernadette Soubirous, eine Gemma Galgani, eine Benigna Consolata Ferrero erhoben? Ist es nicht geradezu eine Manie, große Männer und Frauen auf ihre geistige Gesundheit zu prüfen? „Statt der Biographien sind die Pathographien an der Tagesordnung“, sagt Kneib mit Recht und unterschreibt das Wort Luckas, „daß mit der Psychiatrie in ihrer Anwendung auf bedeutende Menschen geradezu Unfug getrieben wird. Es wird mit Sicherheit über die Menschen geurteilt, als ob nichts in der Welt so zuverlässig sei wie eine psychiatrische Diagnose. Nehme man aber die Kompendien von Krafft-Ebbing, Kräpelin oder einige der vielen Spezialarbeiten zur Hand, so staune man, wie tief die Psychiatrie noch in den Kinderschuhen steckt. Zu dem sei nicht einmal der geistige Normalmensch genau definiert“.222 Der schon oben erwähnte Loosten scheut sich nicht, Genialität und Abnormität überhaupt gleichzusetzen. Mohammed, Rousseau, Kant, Goethe, Schopenhauer, die Propheten Jeremias und Ezechiel, der Apostel Paulus sind nur pathologisch zu nehmen; ganz folgerichtig in seiner Art zieht Rasmussen den Schluß, „alles, was an den Prophetengestalten überraschend wirke, könne täglich in unseren Irrenanstalten beobachtet werden“.223

222 Kneib 495
223 ebenda 494

Das also sind die Resultate der experimentellen Psychologie und der modernen Medizin; das sind die Wissenschaften, mit Hilfe derer katholische Priester den Kirchenbau in Schippach verhindert haben. Es klingt ja auch so wissenschaftlich, mit Ausdrücken wie Medizin, Psychologie, Hysterie, Halluzination, chronische Störung, Epilepsie, Psychiatrie, bizarre Akrobatik, Psychopathographie, Bewußtseinsstörung, Denkhemmung, Ticks, konvulsives Zucken u. dgl. zu operieren, auch wenn diese ganze Wissenschaft noch in den Kinderschuhen steckt. Was verschlägt: das kritiklose Zeitungspublikum ersieht daraus, daß
„gründlich“ geprüft wurde, auch wenn man absichtlich keine amtlichen Aktenstücke durchgelesen und keine Einsichtnahme an Ort und Stelle vorgenommen hat.

Die Medizin und Psychiatrie bleiben nicht auf ihrem Gebiet, sie bleiben sich noch viel weniger ihrer oft so unsicheren Diagnose bewußt, sie erklären kurzerhand alles, was über den Horizont des Durchschnittsmenschen hinausgeht, als Narretei. Diese modernen Wissenschaften sind bereits bedenklich weit in das Heiligtum des religiösen Innenlebens eingedrungen und schalten dort, wie wenn sie darin zuhause wären. „Wir sind es ja gewohnt, diese heiligen und unendlich zarten Dinge mit der rauen Hand psychopathischer Zergliederung angepackt und in die alltäglichen Erfahrungen des Psychiaters herabgezogen zu sehen“.224 Wie kann denn bei der modernen Psychologie und Medizin ein Verständnis für mystische Fragen zu finden sein! Überliefert die seelischen Erfahrungen eines Johannes vom Kreuz oder einer hl. Theresia gewissen Re1igionspsychologen, sie werden daraus bestenfalls interessante Halluzinationen machen. Weist die höchsten Begnadigungen eines hl. Ignatius einem sonst so ausgezeichneten Forscher wie H. Böhmer: er weiß mit ihnen nichts anzufangen, zuckt die Achsel und sagt: „Dürftige und höchst vieldeutige Schauungen, bei denen es sich höchstwahrscheinlich um nichts anderes handelt als um sogeannte Photismen, d. i. um automatisch erzeugte Lichtempfindungen“.225

224 Wissen und Glauben 61
225 Karrer 400; vgl. Richstätter 51

Katholische Theologen, meine ich, hätten sich durch das abschreckende Beispiel Hahns226 und anderer warnen lassen und sich mit der Medizin, Psychologie und Psychopathologie nicht verbrüdern sollen. Es stand ihnen frei, ihre ablehnende Haltung zu begründen, aber mit soliden Gründen, nach katholischen Grundsätzen, nicht aber Arm in Arm mit einer zum mindesten unkatholischen Wissenschaft, die zudem noch recht ungeklärt ist. Wir Katholiken brauchen unser wissenschaftliches Rüstzeug nicht immer bei Wissenschaften protestantischer Provenienz zu holen, weder in der Dogmengeschichte, noch in der Bibelwissenschaft, noch in der Mystik. Die Geschichte unserer Heiligen führt uns viel besser zum Ziele als die Wissenschaft Wundts, Ribots oder Kräpelins.

226 S. o. S. 79

Im Falle Schippach ist es den Kritikern „absolut sicher“, daß jene fragliche Person psychopathisch veranlagt ist; in allen möglichen Variationen erscheint das Verdikt der Theologen: sie ist geisteskrank. Ich brauche die Stellen aus dem Urteilstenor nicht zu wiederholen. Barbara Weigand ist die Frau mit dem „kranken Hirn“, ihre Ekstasen sind „hysterische Anfälle“, ihre Offenbarungen „Halluzinationen einer Geisteskranken“. Wenn dann, wie es geschah, von seiten der Schippacher Freunde auf das Unkatholische und Gefährliche einer Betrachtungsweise, welche der Psychologie die ausschlaggebende Rolle zuweist, aufmerksam gemacht wurde, so tut Zahn solche Einwendungen mit einem Hinweis auf Kräpelin und Binswanger ab, genau wie Dr. Brander, der mit Zitaten aus einer Pastoralmedizin, aus einem Buche über Psychopathographie und aus dem Kirchenlexikon die Hysterie und damit die Verwerflichkeit eines Kirchenbaues „beweist.“ Ob aber Dr. Brander und Krebs die „hysterische“ Person wohl je einmal gesehen haben?

Die Leichtfertigkeit und der Hohn, mit welchem katholische Priester den Vorwurf der Verrücktheit, auch wenn er keinen sittlichen Defekt bedeuten soll, gegen die Schippacher Person und die Anhänger des Kirchenbaues erheben, ist eine Erscheinung, welche die ganze Polemik kennzeichnet. Mit einer Anmaßung sondergleichen werden die Anhänger des Kirchenbaues als einfältige, dumme Seelen, als blinde Nachläufer, ja als pathologisch veranlagte Kreaturen hingestellt. So beschimpft man öffentlich vor aller Welt Hunderte von Priestern, unter denen sich alle hierarchischen Grade vom Kaplan bis zum Kardinal befinden, so beleidigt man Hunderte von frommen Laien aus den höchsten Gesellschaftskreisen. Hätte nicht wenigstens die Rücksicht auf den eigenen Diözesanbischof von solcher Beschimpfung abhalten sollen? Sind wirklich nur die Gegner Schippachs die normalen, geistig erleuchteten Männer? „Geradezu widerlich“, um einen Ausdruck Zahns zu gebrauchen, ist der Ausfall Dr. Branders gegen P. Ludwig O. Cap., dessen Anhängerschaft an die Schippacher Offenbarungen er damit zu erklären sucht, daß dieser Pater später (!) an Gehirnerweichung starb.227 Gegen das Bestreben, in mystischen Dingen nicht dem Seelenführer, sondern dem Arzt die entscheidende Rolle zu zuweisen, hat schon Scaramelli, einer der besten Autoren auf dem Gebiete der mystischen Theologie, entschieden Stellung genommen. Er hat seinen ablehnenden Standpunkt mit der richtigen Bemerkung begründet, „daß gemeinhin die Ärzte der Erfahrung ermangelten, die erforderlich sei, um mystische Zustände zu beurteilen und geneigt seien, alles der Natur zuzuschreiben“.228 Und das vor 250 Jahren!

227 Seherin 11. Die Gehirnerweichung ist nach dem Urteile der Ärzte fast ausschließlich als Folge von Syphilis zu betrachten. Fühlt Dr. Brander, was er sagt? Er meinte wohl Gehirnverkalkung. – Ist die Tatsache, daß jemand später an Gehirnverkalkung stirbt, ein Beweis dafür, daß die früheren Gedanken, Meinungen und Handlungen dieser Person nicht normal gewesen seien? Wenn ich dieselbe Logik und Methode auf bekannte Gegner Schippachs anwenden wollte, dann würde sich diese Methode sehr zu Ungunsten Dr. Branders entwickeln. Daß der genannte Pater früher jedenfalls sehr normal war, beweist die Tatsache, daß ihn sein Orden auch nach seiner Parteinahme für Schippach mit verantwortungsvollen Ämtern betraute.
228 Zahn 506

Ist etwa die ärztliche Wissenschaft heute übernatürlicher eingestellt? Der Arzt entscheidet heute alles: er herrscht nicht nur, wie es sich gebührt, in den Krankenstuben, er spricht heute das entscheidende Wort in der Schule und Erziehung, ja sogar in der Politik, und seit neuestem befindet er sogar über Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Kirchenbauten. Es ist bezeichnend, daß die Polemik gegen Schippach den erwähnten Rat Scaramellis wieder kategorisch ablehnt und dem Arzte auch in der Beurteilung mystischer Phänomene die oberste Richterstelle einräumt. Zahn meint nämlich, der Rat Scaramellis könne gar nicht entschieden genug abgewiesen werden, und beruft sich dann auf ein angebliches ärztliches Gutachten, welches sich im Jahre 1900 ungünstig über Barbara Weigand ausgesprochen habe.229 Mit diesem ärztlichen Gutachten, dem Buche Kräpelins und den Zitaten Dr. Branders aus Capellmann ist ihm die „Hysterie“ der Barbara Weigand unzweifelhaft „bewiesen“. Von den zwei anderen ärztlichen Gutachten aber, die bei den Akten liegen und welche Barbara Weigand als völlig gesund und nicht hysterisch bezeichnen, nimmt Zahn natürlich keine Notiz! Obwohl schon durch diese sich entgegenstehenden ärztlichen Gutachten der Beweis erbracht ist, daß auch Ärzte in ihrer Diagnose sich täuschen können und daß man sie am besten ganz aus dem Spiele ließe, wird von der Polemik in einseitiger Weise nur von jenem einen ungünstigen Gutachten gesprochen und dem kritiklosen Leser vorgemacht, die Hysterie der Barbara Weigand sei längst entschieden.230

229 ebenda
230 Schon i. J. 1896 erklärte ein Sanitätsrat, welcher den Ekstasen der Barbara Weigand öfter beigewohnt hatte, auf das Bestimmteste, daß das angebliche „hysterische Leiden keine natürliche Krankheit ist, sondern der Theologie angehört zur Beurteilung“. Der Arzt begründete das folgendermaßen: „1) Das Leiden kommt nur an Freitagen und Festtagen, womit keine Krankheit zusammenhängt; 2) die drei Stürme (Krisen) in den Leiden sind immer dieselben, ganz gleich, was bei einer Krankheit vorkommt; 3) alles, was sie im ekstatischen Zustand spricht, hat Hand und Fuß, was bei Hypnotischen und Kranken nicht der Fall ist, es ist bei letzteren alles ein buntes Durcheinander; 4) in den Schriften kommt oft vor, dann und dann habe ich dir das und das gesagt, was ich nachgeschlagen und wirklich so gefunden habe. Eine solche Bestimmtheit kommt bei keinem Kranken vor; 5) Barbara Weigand weiß hernach den ganzen Sinn dessen, was sie gehört und gesehen hat; 6) wenn es eine natürliche Krankheit wäre, könnte sie das noch kein Jahr aushalten, dann stürbe sie bald“. Dieser Arzt dachte theologischer als mancher Theologe.

II.

Soviel über den „Modeschlüssel zum Verständnis der Mysterien des Glaubens“231 im allgemeinen? Wir wollen aber doch dem Vorwurf der Hysterie gegen Barbara Weigand im einzelnen etwas nachgehen, damit uns nicht die Anschuldigung treffen könne, als hätten wir nur allgemeine Bemerkungen gemacht, weil wir nicht imstande seien, den Vorwurf zu entkräften. Ich bin kein Arzt, kein Mathematiker und Physiker, kein Leiter einer Irrenanstalt; aber ich glaube doch vor jenen Kritikastern, welche mit ihrem Vorwurf der Hysterie und psychischen Minderwertigkeit so schnell bei der Hand sind, einen gewissen Vorzug zu haben: nämlich daß ich Barbara Weigand und ihre Umgebung sehr gut kenne und zwar seit vielen Jahren, daß ich ferner als ihr Pfarrer, Beichtvater und Seelenführer, der am tiefsten in ihr Seelenleben hineinschaut, und schließlich als gebildeter Mensch, der nur 350 m vom Hause der Barbara Weigand entfernt wohnt, doch wohl mehr als ihre weit entfernten Kritiker imstande bin, über die körperliche, physiologische und seelische Verfassung der Person ein Urteil abzugeben.

231 Pastor IX 101 ff.

Was sagt denn eigentlich Psychologie und Psychiatrie über Hysterie und verwandte Erscheinungen? Hören wir zunächst Capellmann, den Dr. Brander als Kronzeugen für die Hysterie der Barbara Weigand anruft! In seiner Pastoralmedizin schreibt er gleich am Anfang des Kapitels über Hysterie, nachdem er diese definiert hat: „Eine scharfe Grenzlinie ist zwischen gesunden und kranken Zuständen nicht zu ziehen“.232 Auch Zahn hat sich in seinen allgemeinen Ausführungen wieder so viel Objektivität gewahrt, daß er zugibt: „Es können einzelne Begleiterscheinungen bei der übernatürlichen Ekstase eintreten, die auch bei der pathologischen Ekstase sich finden“, und beifällig das Wort Bonniots zitiert, der Heilige sei vor Neurosen nicht sicher.233 Man sollte nun meinen, wenn die Ausscheidung zwischen gesunden und kranken Vorgängen nicht leicht zu vollziehen, wenn selbst der Heilige vor Neurosen nicht sicher sei, man würde dann einer solchen Schwierigkeit auch bei der Charakterisierung ekstatischer Phänomene Rechnung tragen. Weit gefehlt! Ein paar Seiten später weiß Zahn schon nichts mehr von dieser schwierigen Aufgabe; sie ist auf einmal „ziemlich leicht geworden“.234 Da halte ich es schon lieber mit dem Zahn Cunctator, der vor übereilten Urteilen warnt: „Die Geschichte hat manche Begebenheit aufgezeichnet, die geeignet ist, für alle Zukunft zu warnen vor Übereilung und Überschätzung des eigenen Urteils. Wir haben selbst Fälle, in denen ganze Kommissionen falsche Entscheidungen (in der Beurteilung von Visionen) getroffen haben“.235 Ich glaube, Zahn hat hier einen prophetischen Blick gehabt! Keine Übereilung und keine Überschätzung des eigenen Urteils! Man vergleiche hiemit den eingangs erwähnten Urteilstenor!

232 Capellmann 100
233 Zahn 569
234 ebenda 615
235 ebenda 507

Aber bei Barbara Weigand ist ja „absolut sicher“, daß ihre angeblichen Ekstasen nur hysterische Anfälle sind. Sie offenbart ja „photographisch genau“ die Erscheinungen der hysterischen Ekstase, wie Dr. Brander mit Capellmann „beweist“; diese sind: „hysterische Stimmbandlähmungen“, „hysterischer Husten“, „hysterisches Stottern“, „Grimassenschneiden“, „Ticks“, „hysterische Krampfanfälle“ u. ä. Nun findet Dr. Brander in den Schriften der Barbara Weigand ähnliche Erscheinungen: also ist Barbara Weigand hysterisch.236

236 Man beachte den Zirkelschluß: Obersatz: Barbara Weigand hat hysterische Anfälle; Untersatz: hysterische Anfälle sind hysterisch; Schluß: also sind die hysterischen Anfälle der Barbara Weigand hysterisch! Die Kritik setzt unerlaubterweise das erst zu Beweisende gleich als feststehend obenan. Die Beweismethode konnte aber nur so lauten: Obersatz: Barbara Weigand hat Anfälle; Untersatz: Anfälle können hysterisch, epileptisch oder ekstatisch sein; Schlußsatz: also sind die Anfälle der Barbara Weigand weder hysterisch oder epileptisch oder ekstatisch. Dieser Schluß ist richtig, bedeutet aber praktisch nichts.

Dr. Brander versichert237 einmal hoch und feierlich, er habe nur an der Hand seines getreuen Führers Poulain die Prüfung der Schippacher Schriften und ihrer Urheberin vorgenommen. Nun befiehlt Poulain da, wo er die Regeln zur Unterscheidung echter und hysterischer Ekstasen anführt, wortwörtlich: „Bei Untersuchungen der Ekstasen gelten dieselben Grundsätze wie bei Offenbarungen. Zuerst muß man die Person kennen lernen!“ Weder Dr. Brander noch seine Genossen haben aber diesen Befehl Poulains befolgt. Dann, meint Poulain, soll man sich hüten aus Begleiterscheinungen, wie sie oben etwa Capellmann anführt, feste Schlußfolgerungen zu ziehen: „Aus den psychologischen Wirkungen lassen sich im allgemeinen keine Schlüsse ziehen. Die äußere Erscheinung kann bei echten wie bei falschen Ekstasen ganz die gleiche sein“.238 Auch da, wo Poulain Ekstasen und Krankheitserscheinungen in extenso bespricht, macht er auf die Tatsache aufmerksam, daß man solchen Äußerlichkeiten keinen Wert beimessen dürfe: „In der letzten Zeit, sagt er, haben die Ärzte sorgfältig gewisse Krankheitserscheinungen studiert, welche mit den Ekstasen der Heiligen große Ähnlichkeit haben. Die meisten von ihnen vermeiden es aber, darauf hinzuweisen, daß diese Ähnlichkeit.. ganz ohne Bedeutung ist“.239 In demselben Zusammenhang zitiert Poulain das gelehrte Werk von Bonniot „das Wunder und die medizinische Wissenschaft“, wo über die physiologischen Erscheinungen der Ekstase die sehr beachtenswerte Bemerkung gemacht wird: „Auch die Ekstasen brauchen den Organismus und seine Disposition als unmittelbare Vorbedingung. Dieses Schreien, die Anzeichen der Schwäche, die krankhaften Symptome, das Zittern, das Starre der Glieder, die Unbeweglichkeit, das Zurückgehen der Temperatur, das Stocken des Blutes, alles das sind streng genommen Erscheinungen der physischen Veranlagung der Ekstatischen. Wenn einfache Leute es anders auffassen, so fällt das auf Rechnung ihrer Unwissenheit“.240 Also: die physiologischen Begleiterscheinungen beweisen nichts gegen die echte Ekstase, da sie sich auch bei dieser finden können als einfache Erscheinungen der physischen Veranlagung; nur Unwissenheit kann es anders auffassen. So Bonniot und Poulain. Ja, „noch mehr, nichts hindert Gott, übernatürliche Gebetsgnaden auch krankhaften Personen zu verleihen (hört!), und dann wird auch in der äußeren Erscheinung das Krankhafte hervortreten“.241 Was hat denn nun Dr. Brander eigentlich „bewiesen“? Er berichtet, daß sich bei Barbara Weigand eigentümliche physiologische Vorgänge finden. Nun sagt ihm sein Führer Poulain: Diese physiologischen Vorgänge können sich bei echten und hysterischen Ekstasen finden. Deswegen „lassen sich aus den physiologischen Wirkungen im allgemeinen keine Schlüsse ziehen“. Was tut aber Dr. Brander gegenüber dieser klaren Vorschrift seines Führers? Er zieht aus den physiologischen Vorgängen trotzdem den „absolut sicheren Schluß: Barbara Weigand ist hysterisch, ihre Ekstasen sind hysterisch.“

237 Seherin 41
238 Poulain 367
239 ebenda 249
240 Bonniot bei Poulain 249
241 Bonniot bei Poulain 249

So sehen die „absolut sicheren“ „Beweise“ aus! – Wir schließen: Der Hauptbeweis Dr. Branders für die Hysterie der Barbara Weigand ist in ein Nichts zerfallen.

 

III.

Als Ursachen der Hysterie melden die Autoren übereinstimmend schwächliche Körperkonstitution, Bleichsucht, Blutarmut, zerrüttetes Nervensystem, erbliche Belastung. Scaramelli meint, scheinvisionäre Zustände kämen gern bei „Personen des schwachen Geschlechts und Leuten von matten Körperkräften“ vor;242 Zahn gibt einer „erheblichen Unterernährung“ die Schuld an pathologischen Täuschungen;243 Richstätter schreibt sie „in den meisten Fällen einem leicht erregbaren Nervensystem zu;244 nach Schüch sind die hysterischen Personen „meistens von zarter Konstitution und schwachen Nerven“;245 das Herdersche Konversationslexikon nennt die Hysterie „eine rein auf angeborener oder erworbener nervöser Anlage beruhende Neurose, die sich äußert in gesteigerter Erregbarkeit des Nervensystems.. Beim Zustandekommen spielen Ernährungsstörungen wie Bleichsucht, Blutarmut, bei Frauen Gebärmutterleiden, aber auch Schrecken eine Rolle“.246

242 Zahn 559
243 ebenda 615
244 Richstätter 249, 257
245 Schüch 844
246 Bd. IV Sp. 731

Nun betrachte man sich einmal die Person der Barbara Weigand, wie sie leibt und lebt! (Wie Poulain sagt, muß man ja die Person zuerst kennenlernen!) Wer Barbara Weigand einmal in seinem Leben gesehen hat, kann, wenn er unbefangen urteilt, unmöglich den Eindruck von einer hysterischen Person gewinnen. Diese Bauernjungfrau, in biederen bäuerlichen Verhältnissen aufgewachsen und in solchen lebend, mit ihrer kräftigen Ernährung im Elternhause und in der bekanntlich sehr gut gehenden Mainzer Wirtschaft, mit ihrer geregelten Lebensweise, mit ihrem Aufenthalt in der frischen, freien Luft, großgeworden inmitten des hochragenden Spessartwaldes mit seiner kräftigen, würzigen Luft, die heute von Ungezählten zur Stärkung ihrer Nerven aufgesucht wird, Barbara Weigand mit ihrem guten Gewissen, ihrer keusch verlebten Jugend, die keine nächtlichen Ausschweifungen mit ihren nervenaufregenden Genüssen kannte, Barbara Weigand mit ihrem sittlich unbefleckten Körper und Geist, Barbara Weigand mit ihrem heute im 81. Lebensjahr noch robusten, kräftigen, vierschrötigen Äußern, ihrem dicken Schädel, ihrem breiten Schulterbau, ihrem knochigen Gesicht, ihren derben Fäusten, ihren schwieligen Händen, ihrem festen Tritt, ihrer Rüstigkeit, daß sie, die 80jährige noch Tag für Tag die Feldarbeiten besorgt und mit ihren kräftigem Arm breite Maden mäht: Diese Barbara Weigand trägt aber auch nicht eine Spur der Ursachen der Hysterie an sich und hat sie nicht an sich getragen.

Betrachten wir uns nunmehr die Kennzeichen und Äußerungen der Hysterie! Der belgische Kardinal Mercier, dessen Weltruf als Gelehrter auch von uns trotz seiner vielen nicht zusagenden politischen Haltung nicht geschmälert werden kann, rechnet die Hysterie zu jenen pathologischen Zuständen, welche längere Zeit hindurch, sogar Jahre dauern könnten; doch sei „die Hysterie keineswegs eine andauernde nervöse Affektion“.247 Nun lebt Barbara Weigand seit ihrem 25. Lebensjahre in jenen Zuständen, welche die Kritik als hysterisch bezeichnet; heute mit 80 Jahren ist sie dieselbe wie vor 50 und mehr Jahren, was die angebliche Hysterie betrifft. Glaubt man wirklich im Ernst, die Hysterie, die „keineswegs eine andauernde nervöse Affektion“ ist, halte sich gerade bei Barbara Weigand so konstant von der Jugend bis ins hohe Alter?

247 Mercier, Psychologie II 209

Als das auffallendste und zugleich wesentliche Symptom der Hysterie bezeichnen die Autoren übereinstimmend die Unbeständigkeit, den Wechsel der Stimmung. Axenfeld und Huchard äußern sich hierüber also: „Ein erster Zug ihres Charakters ist die Beweglichkeit. Sie gehen von einem Tage, einer Stunde, einer Minute zur andern mit unglaublicher Schnelligkeit über von der Freude zur Trauer, vom Lachen zum Weinen; wankelmütig, phantastisch oder launenhaft reden sie zu gewissen Zeiten mit einer außerordentlichen Geschwätzigkeit, während sie in anderen finster und schweigend werden, eine völlige Stummheit bewahren oder in einen Zustand von Träumerei oder geistiger Niedergeschlagenheit versenkt erscheinen.. Ihr Charakter wechselt wie die Bilder eines Kaleidoskops. Gestern waren sie heiter, liebenswürdig, anmutig; heute sind sie übellaunig, argwöhnisch, zornmütig. Sie empfinden eine sehr große Abneigung gegen eine Person, welche sie gestern liebten oder achteten, oder im Gegenteil, sie zeigen eine unbegreifliche Sympathie für eine andere; daher verfolgen sie auch gewisse Personen in gleicher Erbitterung mit ihrem Hasse, wie sie zuvor Hartnäckigkeit darein setzten, sie mit Zärtlichkeit zu umgeben“. Capellmann sagt: „Hochgradiger Wechsel der Stimmung zwischen Lustigkeit und Trübsinn bis zur Angst, Gereiztheit, Schreckhaftigkeit, der rätselhaften Neigungen und Abneigungen machen die Kranke zu einer wahren Qual“.248 Ein anderer Autor: „Stimmung und Affekt wechseln unvermittelt rasch“.249 Pruner-Seitz: „Diese Kranken.. unterliegen fortwährendem raschem Stimmungswechsel“.250 Auch bei Barbara Weigand wird es im Verlaufe ihres langen Lebens Stimmungswechsel gegeben haben. Eine Person, die so im Widerstreit der Meinungen stand, die auf so harte Proben gestellt wurde, müßte kein Mensch sein, wenn sie nicht auch dem Stimmungswechsel unterworfen gewesen wäre. Daß aber bei Barbara Weigand die Grundstimmung bis heute dieselbe geblieben ist, daß sie in ihrem Denken, ihren Gebeten, Anmutungen, Reden heute dieselbe Stimmung der Gelassenheit, Festigkeit, Selbstzufriedenheit, des Gottvertrauens und unerschütterlichen Glaubens an den Sieg der Kirchenbausache zur Schau trägt wie vor 10, 15, und was ihre sonstigen Erlebnisse angeht, vor 20 und 30 Jahren: das kann ich nur bestätigen, schreibt Msgr. DDr. Wilhelm Büttner, Päpstlicher Geheimkämmerer, Bischöflicher Geistlicher Rat u. a. Welcher Unterschied zwischen Barbara Weigand und jenen wirklich hysterischen Personen, die uns Priestern mit ihren Launen, Einfällen, Unberechenbarkeiten namentlich im Beichtstuhle zu einem wahren Kreuze werden!

248 Capellmann a. a. O. 99
249 Herder, Konversationslexikon Bd. IV Sp. 731
250 Pastoraltheologie 86; vgl. Tappehorn, Verwaltung des heiligen Bußsakramentes 317

Mit der Unbeständigkeit bei den Hysterischen hängt enge zusammen die Schwäche des Willens. Poulain und mit ihm andere sind geneigt, hierin das wesentliche Merkmal der Hysterie überhaupt zu sehen.251 „Die Hysterischen regen sich auf“, schreibt ein angesehener Psychologe, die Leidenschaften führen sie. Ihr Wille ist immer schwankend und schwach, in einem Zustande beweglichen Gleichgewichtes: er dreht sich beim geringsten Winde wie die Wetterfahne auf unseren Dächern; die Beweglichkeit, die Unbeständigkeit und das Wechselhafte in ihren Wünschen, ihren Ideen und Gefühlzuständen machen ihren ganzen geistigen Zustand aus“.252 Wenn es je ein Kennzeichen an Barbara Weigand gibt, welches sie über den Verdacht der Hysterie erhebt, dann ist es ihr Wille, ihr unbeugsamer Wille. Keine Spur eines flatterhaften, hysterischen Wetterfahnenwillens! Auch die Kritik kann an diesem Charakterzug der Schippacher Jungfer nicht vorübergehen und muß wohl oder übel ihr das Zeugnis ausstellen, daß sie von einem einmal gefaßten Entschluß nicht leicht oder überhaupt nicht abgebracht werden kann. Freilich, bei Barbara Weigand darf diese Festigkeit, diese Entschlossenheit, diese Stärke des Willens, die man nun einmal nicht leugnen kann, wiederum nichts Gutes sein. In die Hysterie will freilich diese Zielbewußtheit, diese Beharrlichkeit nicht hineinpassen; geht es nicht, ihr einen psychischen Defekt daraus zu machen: nun so macht man ihr einen moralischen daraus: es ist Eigensinn und Verhärtung des Geistes! Aber in der Tat: auch die Polemik ist der Überzeugung: Barbara Weigand ist von Schwäche des Willens, „dem Hauptcharakter der Hysterie“.253 himmelweit entfernt.

251 Poulain 251
252 Axenfeld bei Mercier II 209
253 Poulain a. a. O.

Die Hysterischen sind natürlich, weil willensschwach und wankelmütig, auch Suggestionen leicht zugänglich. Daß Barbara Weigand sich auch von Suggestionen freihielt, bestätigen ihr sogar die Gegner, wenn sie, freilich mit großer Übertreibung, der Jungfer vorwerfen, sie habe sich weder von ihren Beichtvätern noch von ihrem Bischof umstimmen lassen.

Es ist begreiflich, daß die wirklich Hysterischen bei dieser Schwäche ihres Willens die sittlichen Grundsätze in sich keine Festigkeit gewinnen lassen.254 Zahn sieht in diesem Mangel einer gefestigten Lebensanschauung, in dem Fehlen des sittlichen Hochstandes mit Recht eine Eigentümlichkeit des hysterischen Temperamentes und empfiehlt die Übung der christlichen Tugenden als beste Prophylaxis gegen Hysterie.255 Ich werde über den sittlichen Hochstand der Barbara Weigand weiter unten sprechen, bemerke aber schon jetzt, daß es keine größere Verleumdung der Person geben kann als den Vorwurf, Barbara Weigand sei sittlich minderwertig.

254 Pruner-Seitz 86
255 Zahn 569 ff.

Daß in dem seelischen Zustand der Hysterischen eine logisch geordnete Gedankenverbindung, eine klare und ruhige Urteilsbildung nicht möglich ist, liegt auf der Hand. Pruner-Seitz nennt die Hysterischen „planlos“,256 Capellmann konstatiert „Bewußtseinslücken“,257 Pastor vermißt die Fähigkeit der Urteilsbildung.258 Nun betrachte man sich wiederum Barbara Weigand! An dem, was sie über die Zeitverhältnisse, über die Ursachen des sittlichen Niederganges und über die Mittel zur Besserung schon vor 30 und mehr Jahren gesagt hat, hat sie bis heute zähe festgehalten; was sie über Materialismus, Sozialismus, Freidenkertum, dann wieder über engen Anschluß an die Kirche, über Gebet und Sühne, öftere heiligen Kommunion, Herz-Jesu-Verehrung259 verkündet hat: das sind wahrlich keine Unsinnigkeiten, sondern tiefernste, lebenswahre Erwägungen einer frommen Seele mit einer starken Portion realpolitischen Instinktes. Daß es in ihren Schriften an innerem Zusammenhang, an logischem Aufbau, an klarer Urteilsbildung nicht mangelt, hat uns niemand besser bewiesen als die Polemik selber, wenn sie jenen Ideen allen Ernstes den Charakter eines förmlichen „theologischen Systems“260 zuspricht. Daß hysterische Bauernmädchen, überspannte Klosterfrauen, an „Gehirnerweichung“ erkrankte Kapuziner und andere „blinde Mitläufer“ zur Ausbildung eines „förmlichen theologischen Systems“ fähig seien, habe ich erstmals aus der Schrift Dr. Branders erfahren. Wie zutreffend Barbara Weigand die Zeitverhältnisse, die Ursachen des Verfalles und die Rettungsmittel beurteilt hat, wird weiter unten zur Sprache kommen. Barbara Weigand hat jedenfalls die religiös-sittliche Lage der Dinge vor dem Kriege und während desselben richtiger beurteilt als Männer mit profunder Gelehrsamkeit; sie brauchte keine Revision ihrer Ansichten bezüglich der Zeitlage vorzunehmen. Alles in allem: ihre Urteilsbildung und der logische Aufbau ihrer Gedanken stehen wiederum im vollen Gegensatz zur Hysterie.

256 a. a. O. 86
257 a. a. O. 98
258 Geschichte der Päpste IX. 102
259 Schon in der Urkirche gab es die Vorstellung einer aus dem Herzen Jesu hervorgehenden Kirche. Im Übergang des christlichen Altertums zum Mittelalter formte sich eine Herz-Jesu-Frömmigkeit aus. Es finden sich Aussagen zum Herzen Jesu bei Beda Venerabilis, Alkuin und im Heliand. Im Mittelalter findet sich eine ausgeprägte Herz-Jesu-Verehrung bei Anselm von Canterbury, Bernhard von Clairvaux, Albertus Magnus, Franz von Assisi (Vision von San Damiano) und Bonaventura (General der Franziskaner 1221 bis 1274). Impulse zur Herz-Jesu-Verehrung kamen von den deutschen Mystikern des Spätmittelalters, wie Lutgard von Tongern (1182-1246), Mechthild von Magdeburg (1207-1282), Gertrud von Helfta (1256-1302) und Heinrich Seuse (1295-1366). Gertrud von Helfta, genannt die Große, schrieb in „Gesandter der göttlichen Liebe“ die Erscheinungen des Erlösers nieder. Im hohen Mittelalter wurde die Herz-Jesu-Verehrung im deutschen Raum, aber vor allem in Süddeutschland, besonders durch die Franziskaner und Dominikaner gefördert. Der heilige Franz von Sales (1567-1622) gilt Mystiker des Herzens Jesu und übertrug diese Vorstellung auf den von ihm gemeinsam mit Johanna Franziska von Chantal (1572–1641) gegründeten Orden von der Heimsuchung Mariens (Salesianerinnen). Der französische Volksmissionar Johannes Eudes (1601-1680) baute die erste Kapelle zu Ehren des Herzens Jesu (konsekriert am 4. September 1655) und gründete Hunderte von Laien-Bruderschaften unter dem Patronat der Herzen Jesu und Mariä; er gilt auch als Verfasser des ersten Meß-Formulars. Das Fest wurde damals im Oktober begangen. Durch die französische Salesianerin Margareta Maria Alacoque, deren Visionen zwischen 1673 und 1675 um den Sühnegedanken, den häufigen Kommunionempfang und ein Herz-Jesu-Fest kreisten, wurde die Herz-Jesu-Verehrung endgültig zu einer weltweit verbreiteten Form der Frömmigkeit. Die Kirche erkannte die Herz-Jesu-Verehrung nun offiziell an und machte sie zum Bestandteil der Liturgie.
260 Seherin 11, 38, 61

Erfahrung und Wissenschaft zeigen als ein weiteres Merkmal der Hysterie die Sucht aufzufallen, sich interessant zu machen.261 Mein Gott! Wenn man bei der Sucht, sich interessant zu machen, sich in den Mittelpunkt zu rücken, gleich auf Hysterie diagnostizieren wollte! Was müßte man so viele, nicht bloß Angehörige des schwachen Geschlechts und nicht bloß Laien, in die Kategorie der Hysterischen einreihen! Daß Barbara Weigand „aufgefallen“ ist, mag richtig sein. Auch die Heiligen sind „aufgefallen“ und schließlich fällt jeder Mensch auf, der nicht durch Dick und Dünn mit dem großen Haufen geht. Daß aber Barbara Weigand es gesucht habe aufzufallen, müßte erst noch bewiesen werden. Wir werden später sehen, wie günstige Gelegenheiten sich ihr geboten hätten, sich auffällig zu machen, wenn sie gewollt hätte. Msgr. Büttner: Ich kann jedenfalls bezeugen, daß ich an Barbara Weigand nur das eine Auffällige gefunden habe, daß sie weit eifriger in ihren religiösen Übungen ist als ihre Landsleute. Jene äußerst zahlreichen Besucher Schippachs aber, welche einmal a tout prix die Barbara Weigand „sehen“ wollen, sind, wie ich beinahe täglich beobachten kann, merklich enttäuscht, daß Barbara Weigand in ihrem Wesen, in ihren Reden und in ihrem Benehmen so gar nichts „Auffälliges“ an den Tag legt. Ich könnte darüber eindeutige Einzelheiten wiedergeben. Die Sucht aufzufallen, als Kennzeichen der Hysterie, kann ich bei Barbara Weigand nicht finden. Pruner-Seitz verzeichnet als ein anderes Kennzeichen der Hysterie die Teilnahmslosigkeit an dem Geschicke anderer. Der Hysterische ist so von sich eingenommen, steht so im Banne seiner eigenen Idiosynkrasien, daß ihm das Mitgefühl für die Lage anderer abgeht. Ich werde auch darüber später reden. Die persönlichen Opfer, welche Barbara Weigand für andere gebracht hat und täglich bringt, die Selbstlosigkeit, mit der sie ihre Gebete, ihre Arbeit und ihr Vermögen in den Dienst anderer gestellt hat und immer noch stellt, beweist jedenfalls wiederum das gerade Gegenteil dieses Merkmals der Hysterie.

261 Pruner-Seitz 86, Capellmann 99

Der Hysterische ist in besonders starker Weise von sexuellen Regungen gefangen. Pruner-Seitz meint: „Immer ist eine mehr oder minder lebhafte Beteiligung des Geschlechtslebens mit im Spiele. Ihre Phantasiegebilde und Wahnideen sind meist davon infiziert“262 und Capellmann schreibt: „Nicht selten wird unter der äußeren Erscheinung der religiösen Schwärmerei eine bis zur Nymphomanie gesteigerte geschlechtliche Erregung schlau genug verdeckt“.263 Auch Zahn führt Neigung zu sexuellen Verirrungen unter den Erscheinungen der Hysterie auf.264 Zur Ehre der Polemiker sei es gesagt, daß m. W. keiner der Kritiker es gewagt hat, bei Barbara Weigand ähnliche Verirrungen finden zu wollen. Auch dieses Kennzeichen, welches sich „meist“ bei der Hysterie findet, ist also bei Barbara Weigand nicht gegeben.

262 a. a. O. 86
263 a. a. O. 99
264 Zahn 567

Übereinstimmung zwischen Wissenschaft und Erfahrung besteht auch darüber, daß die Hysterischen eine ausgesprochene Neigung zur Lüge an den Tag legen. Ohne jede Einschränkung schreibt Mercier den Satz nieder: „Die Hysterischen zeigen Neigung zur Lüge“265 und Zahn meint, der unbefangene Beobachter könne sich über die „Unaufrichtigkeit der Hysterischen nicht leicht täuschen“.266 Pruner- Seitz ist der gleichen Ansicht: „Die Hysterischen sind sehr geneigt zur Lüge“;267 Capellmann wirft ihnen absichtliche Täuschung vor: „Die Kranken scheuen, um ihrem Täuschungstrieb zu fröhnen, weder Schmerz noch Anstrengung und Entbehrung jeder Art. Alles wird versucht und ertragen, um das einmal angefangene Trugspiel durchzuführen.“268 Das Herdersche Lexikon spricht von dem „Bestreben, sich zu verstellen“, vom „Hang zur Lüge, zur Intrige und zum Stehlen“.269 Also überall die gleiche Ansicht. Nun hat sich ja auch die Kritik so ziemlich gehütet, der Barbara Weigand absichtliche Irreführung zum Vorwurf zu machen, wenn auch die Ausdrücke „trügerische Verheißungen“ und „fraudes“ bereits sehr scharf an den Vorwurf der absichtlichen Täuschung herankommen. Wenn wirklich der Versuch gewagt werden sollte, Barbara Weigand der Lüge und der Betrügerei zu bezichtigen, so müßte hingegen im Namen der primitivsten historischen Objektivität protestiert werden. Daß Barbara Weigand sich täuschen konnte wie Professoren und Heilige sich haben täuschen können, tut nichts zur Sache. Jedenfalls ist das Kennzeichen: Neigung zur Lüge als Merkmal der Hysterie ist bei Barbara Weigand wiederum nicht vorhanden.

265 a. a. O. 210
266 Zahn 566
267 a. a. O. 86
268 a. a. O. 101
269 Band IV Sp. 731

Endlich zeigen sich die Hysterischen unfähig und unwillig zu ernster Berufsarbeit, wie Zahn mit Recht hervorhebt.270 Wer Barbara Weigand je kennen gelernt hat, wird es nie wagen, einen derartigen Vorwurf gegen sie zu erheben; ihre Verwandten und die ganze Bevölkerung von Rück und Schippach würden laut das Gegenteil bezeugen, wie wir weiter unten sehen werden.

270 Zahn 566

Ich glaube genügend dargelegt zu haben, daß der Vorwurf der Hysterie gegen Barbara Weigand nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Sie trägt aber auch nicht ein einziges jener Merkmale an sich, welche die Wissenschaft und Erfahrung als Charakteristika der Hysterie aufstellen. Die angeblichen physiologischen Ähnlichkeiten haben aber nichts zu bedeuten, da sie nach dem Urteile von Fachgelehrten, besonders Poulains, ebenso gut bei echten wie bei hysterischen Ekstasen vorkommen können. Der Vorwurf der Hysterie, auf welchem die Kritik ihr Verwerfungsurteil hinsichtlich des Schippacher Kirchenbaues aufgebaut hat, darf getrost zu den vielen anderen Fehlern gelegt werden, die von den Gegnern Schippachs begangen wurden. Ein theologisch und psychologisch gründlich durchgebildeter Priester, seit vielen Jahren Seelsorger an einer Heil- und Pflegeanstalt, welcher schon viel berufsmäßig mit Hysterischen zu tun hatte, äußerte sich dem Verfasser gegenüber wörtlich (schriftlich) wie folgt: „Ich habe Barbara Weigand persönlich kennengelernt,271 an verschiedenen Tagen mit ihr gesprochen, sie beobachtet, Erkundigungen eingezogen, aber von Dr. Brander ’scher Hysterie nichts gefunden. Ich habe oft schon das bekannte hy am Kopfzettel der Kranken gelesen, aber bei Barbara Weigand habe ich hy-Symptome nicht gefunden. Nach Dr. Brander wäre Barbara Weigand eine schwere Hysterikerin. Eine solche ist nicht imstande, die Symptome ihres Leidens auch nur drei Tage ganz zu verheimlichen“.

271 Nach Poulain bekanntlich das erste Erfordernis!

Wir schließen darum dieses Kapitel mit dem Satze: Barbara Weigand ist körperlich und geistig so gesund wie ihre Gegner.272 Darum lasse man uns die Schippacher Kirche bauen!

272 Wenn man die Geschichte der Mystik und ihrer Träger studiert, stößt man auf die merkwürdige Tatsache, daß von jenen Gottesfreunden sehr viele nach ihrem eigenen Geständnis wie nach dem Urteile der Geschichte krank und leidend waren, so daß man fast versucht sein könnte, körperliche und physiologische Defekte, Leidenszustände und schwache Nerven als ein Kriterium echter Mystik zu betrachten, und demgegenüber es fast bedauern müßte, daß Barbara Weigand so gesund ist. Die erst jüngst kanonisierte Schwester Theresia vom Kinde Jesu war fast während ihres ganzen Klosteraufenthaltes krank (Drammer 312); von der beatifizierten Schwester Maria von Droste-Vischering berichtet ihr Biograph mehrmals von Krankheit (Chasle 30, 34, 39, 199, 207); die hl. Hildegard war von Jugend an krank (Görres bei Diepenbrock 90); ebenso Maria von Ögnis (ebenda 93); Angela von Foligno berichtet von sich selber, „wie Schwäche und Gebrechlichkeit nie von ihr abgelassen, also, daß sie, unaufhörlich leidend, immer niedergelegen“ (ebenda 94); die hl. Ludwina war von Siechtum und Schwachheit heimgesucht (ebenda 98); Josef von Cupertino war immer krank (Daumer 45); die hl. Katharina von Siena desgleichen (Riesch 76); die moderne Mystikerin Gemma Galgani verbringt ihr ganzes Leben in Siechtum und Krankheit (Schlegel 33, 35. 43, 106, 222, 231, 236); man denke ferner an Katharina Emmerich, Maria von Mörl, Bernadette Soubirous! Die hl. Margareta Maria Alacoque ist krank (Leben 6, 41, 42, 50, 65, 66, 102, 122, Noldin 54); Lucie Christine berichtet zehnmal von ihren kranken Zuständen; die hl. Theresia von Avila schreibt ihr Hauptwerk in einem hochgradigen Kopfleiden (Hahn-Hahn 25, 92, Zahn 261, Pastor IX 104); Schwester Fidelis Weiss ist vielfach krank (Mühlbauer a a. Q.).

 

     Inhaltsübersicht

2. Die sittlichen Qualitäten der Schippacher Jungfrau

Nemo ante mortem beatus dicendus: Dieses Wort gilt auch Barbara Weigand. Die Zeit, ein Lebens- oder gar Charakterbild der Jungfrau oder ein Bild ihrer Mystik zu schreiben, ist noch nicht gekommen; Barbara Weigand ist noch unter den Lebenden († 20.03.1943). Auch in dem Fall, daß die außerordentliche Begnadigung durch den Herrn, von welcher sie in ihren Schriften spricht, wirklich vorhanden war und ist, darf eine Charakteristik nicht übersehen, daß die Schwäche der menschlichen Natur und der Einfluß des Satans mächtige Feinde sind, die ihre Seele bis zum letzten Atemzuge beunruhigen und sie schließlich dem Himmel entreißen können. Die schwere Sünde kann auch über Barbara Weigand noch die Herrschaft gewinnen, wenn sie ihr vielleicht auch bisher nichts anzuhaben vermochte. Wenn trotz dieser Bedingtheiten im Folgenden einiges über die sittliche Beschaffenheit der Person gesagt werden muß, so geschieht dies einzig zur Abwehr und zur Verteidigung, aus Liebe zur Wahrheit und Gerechtigkeit, die auch einem alten Weibe gegenüber Platz zu ergreifen hat.

Einleitend sei vor der ganz irrigen und laienhaften Anschauung gewarnt, als ob außerordentliche mystische Begnadigung und Charakterfehler sich etwa notwendigerweise widersprächen. So wenig als Irrtümer in Visionen und Revelationen an sich mit dem Charakter mystischer Schriften unverträglich sind, ebensowenig darf von dem Vorhandensein natürlicher Mängel auf die Unmöglichkeit mystischer Begnadigung geschlossen werden.273 Gar zutreffend schreibt zu diesem Punkte die große spanische Mystikerin Theresia: „Sehen die Weltmenschen eine Person diesen Weg (der Vollkommenheit) betreten, so wollen sie sofort, daß dieselbe ohne jeden Fehler sei. Auf tausend Meilen Entfernung entdecken sie den kleinsten Fehler, der ihr unterläuft und der in ihr vielleicht noch eine Tugend ist. Da aber ein ähnlicher Fehler bei ihnen einem Laster entspringt, beurteilen sie andere nach sich selbst. Wahrlich, wenn man auf sie hörte, dürfte derjenige, der nach der Vollkommenheit strebt, nicht mehr essen und schlafen und, wie man sagt, selbst nicht mehr atmen“.274 Wenn selbst der Beichtvater solchen irrigen Ansichten huldigt, dann schreibt dieselbe Heilige: „Er (ein solcher Beichtvater) bezweifelt alles, er befürchtet alles und dies besonders dann, wenn er einige Unvollkommenheiten an den Personen bemerkt, denen die Entzückungen verliehen sind. Er bildet sich ein, daß diejenigen, denen Gott solche Gnaden schenkt, Engel sein müssen, und bedenkt nicht, daß dies unmöglich ist, solange wir noch in einem sterblichen Leib leben“.275 An anderer Stelle spricht sie ähnlich: „Man vergesse es um Gottes Willen nicht, daß eine Seele fallen kann, welcher Gott im Gebet die größten Gnaden erteilt hat“.276 „Alle fanden, in meiner aufrichtigen schlichten Art zu sprechen, einen Mangel an Demut und sowie sie einen Fehler an mir bemerkten, verdammten sie mich auch in allem übrigen“.277 Die Begnadigten waren auch durchaus nicht frei von Fehlern und nichts wäre leichter als der Nachweis dieses Satzes. Von Gemma Galgani erzählt beispielsweise ihr Biograph, daß sie von sehr aufgeregter Natur und überaus empfindsam war; sie hatte einen Hang zum Zorn und zur Herrschsucht.278 Die große Mystikerin von Porto, Maria Droste zu Vischering, war leicht gereizt, sehr heftig und ungeduldig; das Gehorchen fiel ihr zuweilen recht schwer;279 die selige Angela von Foligno bekennt selbst von sich, „wie sie ganz Hochmut, Stolz, Trotz, Härte, Bitterkeit geworden“;280 von Maria Martha Chambon urteilen ihre Mitschwestern: „Sie war schon eine Heilige, aber eine, die einem bisweilen zu schaffen machte“.281 Ähnlich wie bei der hl. Theresia finden wir auch bei der letzteren Begnadigten, von der Kardinal Gasparri im Namen des Papstes Pius XI. „wünscht, es möchten die Tugenden und das vorbildliche Leben dieser Klosterfrau und treuen Dienerin Gottes die weiteste Verbreitung finden“, Entschuldigung ihrer Fehler seitens des Heilandes an Barbara Weigand: „Deine Fehler und Unvollkommenheiten“, hört sie den Herrn zu ihr sprechen, „sind der beste Beweis, daß das, was in dir vorgeht, wirklich von Gott kommt. Ich werde sie dir niemals nehmen; sie sind der Deckmantel, mit dem Ich Meine Gaben verberge“.282 Man hat nun der Barbara Weigand vor allem vorgeworfen, sie wolle um jeden Preis eine Rolle spielen, sei von ausgeprägter Herrschsucht befangen und nehme keinen Anstoß, ihre inneren Erlebnisse vor der breitesten Öffentlichkeit auszukramen.283 Immer kehren in der Kritik die Ausdrücke wieder, welche der Schippacher Person maßlosen Ehrgeiz, unbändige Herrschsucht und eitles Ostentationsbedürfnis zum Vorwurfe machen. Daß sich solche Beschuldigungen, welche doch das sittliche Leben der Jungfer betreffen, mit der Versicherung von Krebs: „Uns steht ein Urteil über die Person der Seherin nicht zu“ nicht vereinbaren lassen, haben wir schon gehört. Hier interessiert uns jedoch mehr die Frage, ob denn diese Vorwürfe des Sichhervordrängens um jeden Preis wirklich berechtigt sind. Bei der Beantwortung dieser Frage darf man wie bei der Prüfung von mystischen Dingen überhaupt nicht von einem festgesetzten doktrinären Axiom ausgehen, sondern man muß organisch, psychologisch verfahren und die Frage vom Standpunkte der Person aus zu lösen versuchen. Wer es anders macht, gehört zu denen, von welchen wir die hl. Theresia oben sagen hörten, daß sie „andere nach sich selbst beurteilen“ und für einen Fehler ansehen, was bei den Begnadigten eine Tugend ist.

273 Poulain 163 ff.
274 Hahn-Hahn 411
275 Seelenburg 6, Kap. 1 bei Poulain 172
276 Hahn-Hahn 249
277 ebenda 370
278 Schlegel 123
279 Chasle 30
280 Görres bei Diepenbrock 94, Jeiler, Normalbuch 319
281 Schwester M. M. Chambon
282 ebenda. Was würde wohl die Kritik sagen, wenn sich in den Offenbarungen der Barbara Weigand ein solcher Satz fände: die Fehler seien „der beste Beweis“ für die Echtheit der Offenbarungen! Und mit welchem Behagen hätte das deutsche Zeitungspublikum sich über solche „Offenbarungen“ hergemacht! Eine französische Schwester aber erhält hierfür trotzdem den apostolischen Segen im Jahre 1924. Freilich auf die Aufmachung kommt es an; Maria Martha Chambon ist glücklicherweise keinem Dr. Brander oder Krebs in die Hände geraten. Über die dogmatische Korrektheit der von M. M. Chambon stammenden Offenbarungen meint P. Mazoyer SJ. S. 1.: „Man wird ihr (sc. mit Rücksicht auf ihren Mangel an Bildung) gerne nachsehen, wenn ihre Angaben in manchen unwesentlichen Einzelheiten zu wünschen lassen“ (ebenda). „Gerne nachsehen“; man vgl. hierzu das Vorgehen des deutschen Richterkollegiums!
283 Seherin 53

Es ist eine Fundamentalwahrheit der mystischen Theologie, daß die mystische Gnade den damit Beschenkten zu einem zweifachen Zwecke gegeben wird: zur eigenen Heiligung und zum Wohle ihrer Mitmenschen, als gratia gratum faciens und als gratia gratis data. Zutreffend erinnert Zahn an das Wort des hl. Paulus: „Ich sehne mich, euch zu sehen, damit ich euch etwas mitteile von geistiger Gnadengabe, um euch zu stärken“284 und bemerkt im gleichen Zusammenhang, in jedem Mystiker lebe etwas von der Gesinnung des Weltapostels, von einer Gesinnung, welche zur apostolischen Arbeit und zum Apostolat des Gebetes für die Kirche hinführe. Diese zweite Aufgabe, die Mission der Begnadigten, sieht Zahn mit Recht als den eigentlichen Zweck der mystischen Begnadigung an, wenn er meint, die Charismen dienten „zunächst nicht sowohl dem Seelenheil des einzelnen charismatisch Begabten als vielmehr der Förderung des Reiches Gottes in den Seelen, in der Welt.285 „Weil die Mystik nach den Gesetzen des Reiches Gottes sich regelt, muß sie auch mit vollem, tätigem Ernste sich beteiligen, wenn im großen Chore der Menschheit das Adveniat regnum tuum gebetet wird. Der Mystiker wird bereit sein, mit hinauszufahren auf das Meer dieser Welt, wenn es gilt, die Netze in ihre Fluten einzusenken, um Seelen zu gewinnen“.286

284 Zahn 113
285 Zahn 115
286 ebenda 171

Diese Wirksamkeit für das Reich Gottes ist aber bei den Mystikern nicht nur eine allgemeine Pflicht, bei vielen ist es die besondere Aufgabe, die Mission. Man mag die mystischen Schriften, vornehmlich die Privatoffenbarungen, in die Hand nehmen, von welchem Mystiker man will: alljene, welche eine nach außen hervortretende besondere apostolische Tätigkeit entfalteten, haben diese Tätigkeit begründet mit einer höheren Weisung, mit einem Auftrag Gottes. Man lese nach, wie Juliana von Lüttich die Einführung des Fronleichnamsfestes,287 wie Margareta Maria Alacoque die Förderung der Herz-Jesu-Verehrung,288 wie Maria Droste zu Vischering die Weltweihe an das Heiligste Herz Jesu,289 wie die hl. Theresia die Reform ihrer Ordens,290 wie der hl. Bernard seine Bemühungen um den Kreuzzug, wie Maria Martha Chambon die Andacht zu den heiligen Wunden,291 wie Bernadette Soubirous die Erbauung der Lourdes-Kapelle,292 wie Euphemia Dorer Ordensreform und Herz-Jesu-Verehrung,293 wie der hl. Simon Stock die Gründung der Skapulierbruderschaft,294 wie die Sieben Stifter die Bruderschaft mit dem schwarzen Skapulier,295 wie die Ordensstifter die Gründung ihrer Genossenschaften, wie Benigna Consolata,296 die hl. Theresia vom Kinde Jesu297 ihre Aufgaben begründen: immer sind es Worte des Herrn, Befehle vom Himmel her, welche die Begnadigten antreiben, selbst unter den größten Schwierigkeiten für ihre Ideen zu wirken. In einer vier Stunden langen Ekstase hört die hl. Katharina von Siena den Herrn also reden: „Meine Tochter! Siehst du die unglücklichen Sünder, die Meine Gesetze verletzt haben?.. Ich will dich zum Werkzeuge gebrauchen, um viele Seelen zu retten, deshalb sende Ich dich zurück. Geh mutig und sei getrost. Du sollst deine Lebensweise ändern. Bleibe nicht mehr in deiner Zelle, sondern ziehe umher und erobere Seelen!“298

287 Poulain 350 ff.
288 Noldin 18
289 Chasle 343
290 Hahn-Hahn 426, 486
291 M. M. Chambon 14 ff.
292 Lasserre 117, 151
293 Amann 5, 10, 25, 34, 39 ff.
294 Beringer 658 ff.
295 ebenda 680
296 Vademecum 13 ff.
297 Drammer 71, 195, 197, 223, 225, 291, 302
298 Riesch 78

Selbstverständlich konnten und durften die Begnadigten die so erhaltenen Befehle nicht verheimlichen, sondern mußten sie bekanntmachen. Die Aufträge waren gewöhnlich so gehalten, daß die Begnadigten veranlaßt wurden, den Beichtvätern, den Obern, den Bischöfen, ja sogar dem Papste Vorstellungen zu machen oder Anregungen zu geben. Darum ist die Behauptung der Kritik, das Bekanntmachen mystischer Gnaden, Visionen und Offenbarungen, sei ein Kennzeichen unechter Mystik,299 in dieser allgemeinen Form völlig unrichtig. Überall, wo die Mystiker sich berufen fühlten anregend in irgendeiner Sache vorzugehen, haben sie nicht geschwiegen, auch wenn es zeitweise verboten war, und konnten nicht schweigen; man denke an die hl. Theresia von Avila oder an die Oberin von Porto? Nun berichtet Barbara Weigand mehr als einmal, vom Herrn die Stimme vernommen zu haben: „Du mußt immer wieder die Vorgesetzten um die öftere Kommunion bitten, und du wirst diese Gnade noch erlangen, wenn du einmal deinen Willen dem Meinigen ganz unterworfen hast. Du sollst das Werkzeug sein, dessen Ich Mich bedienen will, um auch anderen dieses Glück zu verschaffen“. Oder: „Sieh, jetzt habe Ich dir dieses Glück verschafft, sorge aber auch dafür, daß es anderen ebenso zuteil werde. Gehe zu deinem Bischof und sage ihm: es sei Mein Wille, daß die öftere Kommunion überall eingeführt und befördert werde“.300

299 Seherin 52 ff.
300 Leben, geschrieben von Barbara Weigand auf Weisung des Bischofs von Mainz, 1896.

Nun ist es aber ein Grundsatz, wie wir oben gehört haben, mit dem Mystiker zu fühlen, sich in seine Lage zu versetzen. Wenn Barbara Weigand diese Stimme zu vernehmen glaubte, dann mußte sie nach den Grundsätzen der katholischen Moral301 dieser Stimme folgen. Wenn sie also für die Forderung der öfteren Kommunion eintritt und dieses Eintreten mit einer himmlischen Stimme begründet, so tut sie formell genau dasselbe, was viele andere vor ihr getan haben. Das ist doch kein „Größenwahn“302 und keine eitle Ostentationssucht, sondern einfach Gehorsam gegen die Stimme – wenn nicht Gottes, nun wenigstens ihres Gewissens. Daß Barbara Weigand nicht um jeden Preis eine Rolle spielen wollte, sondern daß ihr diese Rolle nach ihrer Überzeugung vom Herrn aufgetragen war, kann man aus vielen Stellen entnehmen. Sie hat – ganz wie die echten Visionäre – solche himmlische Stimmen auch nicht gewünscht oder freudig begrüßt, sondern mit Furcht und Zittern vernommen; oft kann man in ihren Schriften den Beisatz finden: „Ich erschrak, als ich diese Stimme hörte“.303 Was will es denn also bedeuten, wenn die Kritik der Barbara Weigand vorwirft, sie habe ihre Offenbarungen nicht geheimgehalten? Dr. Brander gibt ja selber zu, daß sie zeitweilig ihre Visionen so geheimgehalten habe, wie der Herr es ihr befohlen hatte; und wenn sie sie später verbreitet, so konnte sie sich wieder auf die Stimme berufen, die es ihr gebot, wie Dr. Brander ebenfalls erwähnt.304 An dem Verhalten der Barbara Weigand bezüglich der Geheimhaltung, beziehungsweise Bekanntmachung ihrer Visionen findet sich aber auch kein Unterschied von dem Verhalten beispielsweise einer Margareta Maria Alacoque, einer hl. Katharina von Siena, einer Maria Martha Chambon, einer Bernadette Soubirous, einer Schwester von der Geburt, einer Benigna Consolata Ferrero. Wie hätte es denn Barbara Weigand eigentlich machen sollen? Hält sie ihre Visionen geheim, so beschuldigt man sie der Heimlichtuerei; macht sie dieselben bekannt, so beschuldigt man sie der Ostentationssucht.305 Die Kritik findet immer etwas an ihr auszusetzen.

301 „Was die Privatoffenbarungen angeht, so sind sie für die betreffenden Personen verpflichtend, ohne daß hierzu eine Vorlage durch die Kirche wesentlich oder notwendig ist“ (Göpfert, Moraltheologie I 303).
302 Seherin 84
303 Leben 34
304 Seherin 13 ff.
305 Übrigens nicht Barbara Weigand hat die Offenbarungen aller Welt bekanntgemacht, sondern ihr Gegner Dr. Brander hat unter Mißachtung aller Urheberrechte „Stichproben“ und
„Enthüllungen“ durch den Druck unbegrenzt bekannt gemacht.

Nicht anders steht es mit dem weiteren Vorwurf, Barbara Weigand sei ungehorsam; sie setze den Anordnungen ihrer geistlichen Vorgesetzten bewußten und trotzigen Widerstand entgegen. Daß der Gehorsam gegen die geistliche Obrigkeit auch von den Mystikern beobachtet werden muß, ist nun gewiß eine elementare Forderung des katholischen Glaubensbegriffes; niemand kann sich mit Berufung auf eine innere Stimme von den Geboten Gottes und der Kirche befreien. So wahr dieser Satz ist, so falsch und ungerecht kann seine Anwendung werden. Die Vorgesetzten, welchen eine begnadigte Person unterworfen sein kann, sind die Beichtväter und die kirchliche Obrigkeit, sodann besonders die Ordensobern. Letztere scheiden in unserem Falle aus.306

306 Ich glaube, es trifft auch auf Barbara Weigand teilweise zu, was Clarus seiner Übersetzung der Lebensbeschreibungen von Katharina von Gebsweiler vorausschickt, daß nämlich der Aufenthalt in einem Kloster, die Abgeschiedenheit von der Welt, das geregelte Leben, die strenge Aufsicht, die sachkundige Seelenleitung vor Irrwegen in der Mystik vielfach bewahrt. Die merkwürdigen mystischen Zustände, welche in der Welt „ungewöhnliches Aufsehen erregen und einer unbarmherzigen Experimentiersucht sich geopfert sehen müssen, können sich unter dem Schutze der Klosterabgeschiedenheit ungestört und normal entwickeln, während sie in der Welt von mancherlei versuchenden Einwirkungen umgarnt, in Ausartungen geraten“ (a. a. O. XVI f).

Bezüglich der Beichtväter und Seelenführer muß nun zuerst die Frage gestellt werden: Welche Eigenschaften und Voraussetzungen muß der Seelenführer begnadigter Personen aufweisen? Welches ist seine Aufgabe? Was darf er tun und was darf er nicht tun? Von der Beantwortung dieser Frage hängt doch wohl die andere ab, ob das Beichtkind seinem Beichtvater auch blindlings gehorchen muß. Übereinstimmend verlangt die Theologie von dem, welcher anderen Stab und Stütze sein soll, daß er selber auf den Wegen wohl bewandert ist, auf welchen er andere führen soll. Die Stellen in den Handbüchern der Mystik sind Legions, in welchen die Autoren gründliches Studium der Mystik, Vertrautsein mit der mystischen Literatur, die Kenntnis der mystischen Eigenart verlangen und die schwere Schäden hervorheben, welche durch ungeschickte Seelenführer und Beichtväter angerichtet worden sind. Poulain hat ein ganzes Kapitel geschrieben über „die Eigenschaften eines Seelenführers“;307 nachdrücklich warnt er vor „jenen Halbwissern, die überall Bedenken haben und unter deren Unkenntnis sie (die hl. Theresia) so viel zu leiden hatte“.308 Zahn stellt an den Seelenführer die gleichen Forderungen wie Poulain und weist ebenfalls auf die Schäden hin, welche durch eine falsche Leitung erwachsen; er macht sich das Wort Scaramellis zu eigen, daß die Ursachen von mannigfachen Verirrungen auf dem Gebiete der Mystik „ein an Kenntnissen armer Führer“309 sei und stellt es als eine Notwendigkeit hin, daß mystische Seelen sich einer „kundigen Leitung“ anvertrauen;310 beifällig erwähnt er die Klagen des hl. Johannes vom Kreuz über die fehlerhafte Leitung mystischer Seelen.311 Die hl. Theresia von Avila gibt den guten Rat: „Man erwähle einen erleuchteten Mann“.312 Ergreifend ist die Schilderung, welche die Heilige von ihrem Beichtvater Balthasar Alvarez gibt, den ihre Widersacher zugleich mit ihr „verdammten“.313 Man lese auch, was Richstätter einmal schreibt: „Alle jene Seelen, denen Gott außergewöhnliche Gnaden zuteil werden läßt, tragen ein großes Verlangen, von einem Priester.. geleitet zu werden, um vor Täuschungen und Irrwegen bewahrt zu bleiben. Sie haben zugleich ein sehr feines Gefühl dafür, ob sie sich einem Beichtvater gegenüber sehen, der Gottes Wege versteht. Nur dann gewinnen sie es über sich, über das Zarteste und Heiligste, was Gott in einer Seele wirken kann, sich zu offenbaren.. Müssen sie sich aber an einen Beichtvater wenden, der für das übernatürliche Wirken Gottes in einer Seele kein Verständnis hat, so bleibt ihnen der Mund still und verschlossen“.314

307 Poulain 444 ff, außerdem 36, 41, 78, 164, 226
308 Poulain 445
309 Zahn 52
310 ebenda 385
311 a. a. O. 390, siehe auch 622 ff. ferner Richstätter 28, 86, 165, 282, 287
312 Hahn-Hahn 338
313 ebenda 367 ff.
314 Eine moderne Mystikerin 60, vgl. 114

So der alte, erfahrene Richstätter. Er stellt als ganz selbstverständlich hin, daß eine mystische Seele bei einem verständnisvollen Beichtvater sich ausspricht, bei einem verständnislosen aber stumm und verschlossen bleibt. Und Dr. Brander? Er kreidet es der Barbara Weigand wiederum als einen Beweis der „Unechtheit“ ihrer Offenbarungen an, daß sie sich nicht mehr offen bei ihrem Beichtvater ausspricht.315 Was also nach Richstätter ganz selbstverständlich ist, ist nach Dr. Brander wieder „ein geradezu klassischer Beweis“ der Unechtheit. Dazu muß man bedenken, daß gewisse Beichtväter der Barbara Weigand verboten hatten, im Beichtstuhle mit ihren mystischen Vorgängen zu kommen. Man versetze sich in die Lage der Barbara Weigand: Es ist ihr verboten, im Beichtstuhle von ihren Zuständen zu reden (man kennt den „Ton“ gewisser Beichtväter!). Redet sie nun trotzdem davon, so ist sie dem Befehle des Beichtvaters ungehorsam und wird angefahren; redet sie nicht davon, dann kommt Dr. Brander und wirft ihr vor, sie habe sich nicht, wie es nötig sei, offen ausgesprochen. Armes Beichtkind!

315 Seherin 57 ff.

Man wird überhaupt nicht sagen wollen, daß die Beichtväter, denen Barbara Weigand in ihrem langen Leben in die Hände fiel, gerade alle die oben verlangten Erfordernisse besessen hätten. Dieses Kapitel ist eine Sache für sich und kann heute noch nicht geschrieben werden; aber manche Dokumente liegen vor, aus welchen die Gesinnung dieser Männer unschwer festgestellt werden kann. Es waren Männer darunter von erprobter Frömmigkeit und reicher Erfahrung: solche hüteten sich, von ihrem Beichtkind Dinge zu verlangen, die es nun einmal nicht erfüllen konnte. Von seiten dieser Beichtväter gab es denn auch keine Klage über Ungehorsam. Vor mir liegt beispielsweise ein Brief eines Mainzer Beichtvaters, der Barbara Weigand aus den kritischen Jahren kennt, an welchen schriftlich die Anfrage ergangen war, was er von Barbara Weigand und ihren angeblichen Visionen halte. Der Mann, in der Mystik zwar nicht bewandert, aber doch ein Priester voll pastoraler Klugheit, schrieb die einfachen Worte zurück: ,,Wie vordem, so habe ich auch bis auf den heutigen Tag nichts Auffälliges an ihr gefunden und kann ihr nur meine Zufriedenheit aussprechen. Ist es wirklich Gottes Sache, so wird sie durchdringen. Ist es nicht Gottes Sache, sondern nur Selbsttäuschung (für wissentlichen Betrug kann und darf ich es nicht ansehen), so wird es im Sande verlaufen. Aus diesem Grunde bin ich reserviert und begnüge mich, die Barbara Weigand, wie alle meine Beichtkinder nur in bezug ihres Gewissenszustandes heilsam zu beeinflussen“.316 Wie klug, wenn auch nicht vorbildlich, handelte dieser Priester! Er kann über Barbara Weigand „nur seine Zufriedenheit aussprechen“; über eine trotzige, widerspenstige, in „offener Auflehnung“ sich befindliche, voll leidenschaftlichen Zornes „sprühende“, unablässig „Zeichen des Stolzes“ von sich gebende, vom „Geist der Unabhängigkeit gegen Obere“ ganz erfüllte, den „Geist der Opposition“ atmende, den „Geist der Widersetzlichkeit großziehende“, „den Widerstand gegen die geistliche Obrigkeit als ihren Kreuzesberuf betrachtende“ Barbara Weigand spricht ihr Mainzer Beichtvater „seine volle Zufriedenheit“ aus! An der, die „um jeden Preis eine Rolle spielen“, „auffallen und sich hervortun will“, hat ihr Mainzer Beichtvater „wie vordem, so bis auf den heutigen Tag nichts Auffälliges gefunden“. Wird die Kritik ihr Urteil immer noch nicht umstellen?

316 Mit Rücksicht auf den Schreiber gebe ich das Datum des Briefes nicht an, kann aber mitteilen, daß der Brief nach 1900 geschrieben wurde.

Freilich, es gab auch Beichtväter, welche mit Barbara Weigand unzufrieden waren, zum Beispiel jener, welcher seinem Beichtkind die Auflage machte, wenn sich wieder eine Erscheinung zeige, solle sie ihr kräftig ins Gesicht spucken. Wenn nun Barbara Weigand diesen Befehl nicht erfüllen zu können glaubte, dann war sie allerdings ungehorsam. Aber ich frage: mußte sie wirklich gehorchen? Hören wir unsern bewährten Führer Poulain: Was soll man tun, fragt er, wenn der Seelenführer diese Zeichen der Verachtung (sc. das Anspeien) befiehlt? Da sind zwei Ansichten. Nach der ersten muß man gehorchen. Die hl. Theresia unterwarf sich so ihrem Seelenführer und der Heiland sagte ihr: „Du handelst recht, wenn du gehorchst.“ Aber trotz dieser Ermutigung des Himmels neigte die hl. Theresia gegen Schluß ihres Lebens zur entgegengesetzten Ansicht, zur Überzeugung nämlich, daß es erlaubt, ja auch schicklicher sei, nicht zu gehorchen. „Ich denke, man solle dem Seelenführer bescheidene Gegenvorstellungen machen, und wenn er auf seiner Meinung verharrt, ihm nicht gehorchen.317 Die Beispiele von unmöglichen oder unschicklichen Befehlen an Barbara Weigand sind nicht vereinzelt. Wenn ihr die Kritik zum Vorwurf machte, sie habe ihre Offenbarungen aufgezeichnet oder aufzeichnen lassen trotz des Verbotes, so steht ebenso fest, daß andere Vorgesetzte ihr diese Aufzeichnung befahlen. Es fehlte eben an der richtigen, erleuchteten, zielbewußten Führung. Wenn jene Bußgänge in Mainz und Würzburg als Beweis für die Unechtheit der Schippacher Mystik hingestellt werden,318 so hätte die Kritik wenigstens beifügen sollen, daß sie mit ausdrücklicher Genehmigung des Beichtvaters vorgenommen wurden. Ich bin selbst Beichtvater und Seelenführer der fraglichen Person und kann das Urteil des Mainzer Beichtvaters nur bestätigen, daß mein Beichtkind zu Klagen keinen Anlaß gibt. Ungehorsam vollends habe ich an Barbara Weigand noch nie gefunden, obwohl ich sie als Beichtvater und Seelenführer bereits auf sehr schwere Proben gestellt habe und gar nicht sanft mit ihr verfahre. Ich habe solche Beweise des Gehorsams und der Unterordnung von ihr verlangt, daß es mich hernach wirklich gereute, einer um viele Jahre älteren und so gebetseifrigen Person, welche uns Priester hierin beschämt, solch harte Prüfung auferlegt zu haben. Aber niemals habe ich den geringsten Ungehorsam oder das geringste Zeichen des Stolzes oder der Widersetzlichkeit an ihr wahrgenommen. Es ist rührend zu hören, wie Barbara Weigand von ihren Beichtvätern redet, auch von jenen, welche auf ihre Visionen nichts gaben. Da ist keine Spur einer Verachtung, wenn sie auch ebenso wie eine hl. Theresia beifügt, was ihr gefiel und was nicht. Dieses Recht müssen wir der Barbara Weigand ebenso zubilligen wie wir es für uns selbst in Anspruch nehmen.319

317 Poulain 386, vgl. Göpfert III 270
318 Ist denn das Barfußgehen bei Wallfahrten wirklich etwas so Lächerliches, daß man daraus auf die Unechtheit von mystischen Vorgängen schließen darf? Vor kurzem war ich Zeuge, wie zwei barfuß (d. h. nur auf Ledersohlen) gehende Kapuziner auf dem Darmstädter Hauptbahnhof vom Publikum ausgelacht wurden. Es ist mir aber kein Gedanke gekommen, von dieser Haltung des Publikums auf die Unsinnigkeit der Kapuzinerordensregel zu schließen wie Dr. Brander von der Haltung Mainzer Dienstmädchen auf die Unechtheit der Weigandschen Mystik (Seherin 37) schloß.
319 Daß der Seelenführer seinem Beichtkinde nicht alles vorschreiben, sondern ihm die Freiheit der Kinder Gottes lassen solle, schärfen die Autoren öfters ein. Vgl. Poulain 38, 129, 194, 217 ff. 240, 454, Zahn.

Aber hat sich denn Barbara Weigand nicht dem Befehle der Bischöfe widersetzt? Ich frage: wann und wo und wie hat Barbara Weigand sich wirklich dem klaren Befehle eines Bischofs widersetzt? Ob von anderen solches geschah, ist hier nebensächlich. Im Mainzer Ordinariatsarchiv soll eine Urkunde liegen, in welcher es heißt: „Wenn man vom Geiste des Ungehorsams reden könnte, müßte derselbe sich wohl in ihrem Leben irgendwie gezeigt haben. Aber gerade das Gegenteil findet man. Der hochwürdigste Herr Bischof von Haffner hat in dieser Sache viel Befehle gegeben, hatte sich aber nie über einen Akt des Ungehorsams zu beklagen. Von ihren bisherigen Beichtvätern hatte sie viele Widersprüche und Verdemütigungen wegen ihrer übernatürlichen Mitteilungen zu ertragen, aber des Ungehorsams hat sie keiner geziehen. Daß sie trotz der von allen Seiten erfahrenen Widersprüche und Verdemütigungen keinen derselben freiwillig verlassen hat, ist nur ein Beweis ihrer mehr als gewöhnlichen Tugendstärke, und daß sie sich einer Prüfung unterworfen hat, wie es die vom 3. August 1900 gewesen, kann man nur als einen heroischen Akt des Gehorsams bezeichnen“. Schreibt sie zudem nicht immer wieder in ihren Schriften: „Ich stelle alle Worte, die ich geschrieben, unter das Urteil derer, die dies von mir verlangen?320 Wird nicht in ihren Schriften immerfort der Gehorsam gegen die geistliche Obrigkeit gepredigt? Zum Beispiel Nr. 116, Fronleichnamsfest 1897. Der Heiland: „Niemals kann eine Seele, die sich lostrennt von der Kirche, die nicht unter der Leitung des Priesters wandelt, den rechten Weg wandeln“. Nr. 159, Freitag vor Quinquagesima 1898, der Heiland: „Ein Kind der katholischen Kirche hat sich seinem Beichtvater zu unterwerfen oder doch einem Seelenführer, und von da aus geht die rechte Bahn aufwärts“. Nr. 241, 2. Freitag im Oktober 1897. Die Muttergottes: „Der Gehorsam geht über alles bei einer Seele, die mit Meinem Sohne verbunden ist. Diese ist dem Gehorsam unterworfen und soll nur gehorsam sein ihren sichtbaren Vorgesetzten. Dies ist das sicherste Zeichen, daß sie nicht irregeht“. Nr. 168, Gründonnerstag 1898. Der Heiland: „Schließt euch Meiner heiligen Kirche an und nicht um ein Haarbreit weichet von ihr ab“.

320 Leben 82

Barbara Weigand war nicht ungehorsam. Auch die Hinnahme der Schmähungen, Kränkungen und Verhöhnungen und die Unterwerfung unter das Urteil der Jahre 1916 bis 1920 sah in Barbara Weigand eine gehorsame Tochter der Kirche, obwohl ihre Gegner einen Ungehorsam nicht ungern gesehen hätten. Alles in allem: Barbara Weigand hat solche Proben des Gehorsams abgelegt, daß wir Priester nur wünschen können, es mögen uns solche erspart bleiben, weil wir nicht wüßten, ob wir in ihnen ebenso bestehen würden.321

321 Die Begnadigten haben übrigens vielfach nur unter fortgesetzten Kämpfen gegen ihre geistliche Obrigkeit ihre Mission erfüllen können: sie waren nach dem Sprachgebrauch der Gegner Schippachs „ungehorsam“; ich erinnere nur an die hl. Theresia von Avila oder die hl. Margareta Maria Alacoque. Man lese ihre Biographien und man wird ihnen angesichts des Segens, der aus solchem „Ungehorsam“ erwachsen ist, nur dankbar sein können. O felix culpa! Man muß übrigens auch der Barbara Weigand jene hohe Achtung vor dem Gewissen zugestehen, welche sich in den Worten des Kardinals Boncampagni, des nachmaligen Papstes Gregor XIII. ausdrückt: ,,Wenn der Papst mir etwas befehlen sollte, was gegen mein Gewissen ist, so werde ich nicht gehorchen“. (Pastor IX. S. 16)

Der Vorwurf des Ungehorsams, der Auflehnung gegen die Bischöfe und der Untergrabung der Achtung vor der geistlichen Obrigkeit nimmt sich übrigens merkwürdig genug aus im Munde jener Männer, welche Kardinälen „frivole Leichtfertigkeit“, „Unwahrhaftigkeit“, „Ungerechtigkeit“, „Rücksichtslosigkeit“, ja „bewußte verleumderische Täuschung“ vorwerfen und diese Vorwürfe in öffentlichen Zeitschriften vor aller Welt erheben. Das Kirchenrecht betrachtet die Achtung vor den Kardinälen als ein so hohes Gut, daß es die Beleidigung von Kardinälen unter Strafe stellt. Wenn Dr. Brander ein scharfes Vorgehen gegen die Freunde des Schippacher Kirchenbaues befürwortet (S. V.), wenn Oberpfarrer Beyer die Bischöfe geradezu auffordert, sie sollten gegen die Schippacher mit Strafen einschreiten, dann möchte ich an den can. 2344 CIC. erinnern, wo der Bischof beauftragt wird, die Beleidigung kirchlicher Personen zu ahnden. Das Amt eines Hüters der reverentia gegen die kirchliche Obrigkeit steht auch jenen schlecht an, welche sich nicht scheuten, den klaren Anordnungen und Wünschen ihrer geistlichen Oberen offen entgegenzuarbeiten. Es steht doch unwiderleglich fest, daß der Kirchenbau in Schippach mit Wissen, Willen und Billigung der Bischöflichen Behörde begonnen wurde; es ist eine unleugbare Tatsache, daß der Bischof von Würzburg vor Inangriffnahme des Baues auf der Kanzel in Rück den Kirchenbau als Wallfahrtskirche ausdrücklich wünschte; es ist Tatsache, daß die kirchliche Behörde ihre formelle Genehmigung zum Baue gab; es steht urkundlich fest, daß das Bischöfliche Ordinariat Würzburg den Bau begünstigte, seine Herbeiführung zu dem Zwecke einer Sakramentskirche begrüßte und sogar den Segen Gottes auf das Unternehmen herabflehte; es ist ferner Tatsache, daß der Bischof von Würzburg, Ferdinand von Schlör noch einmal persönlich die Fortsetzung des begonnenen Kirchenbaues wünschte; es ist ferner aktenmäßig erwiesene Tatsache, daß eine Anzahl Bischöfe, auch, „deutsche“, den Liebesbund vom heiligsten Herzen Jesu in aller kanonischen Form approbiert und dessen weite Verbreitung freudig und ausdrücklich gewünscht hatten. Anstatt nun diesen klaren und unzweideutigen Willen und Wunsch der Bischöfe, vor allem des Bischofs von Würzburg und seines Ordinariates, ehrerbietigst zu respektieren, wie man es von Priestern erwartet, haben sich die Gegner gerade gegen die Stellungnahme ihrer vorgesetzten Behörde erhoben, sind gegen diese Sturm gelaufen und haben nicht eher geruht, als bis Liebesbund und Kirchenbau verboten wurden. Wo bleibt denn da die Achtung vor der geistlichen Obrigkeit? Nicht Barbara Weigand war also ungehorsam, sondern ihre Gegner waren ungehorsam und wenig ehrerbietig. Jawohl, das stimmt und das ist eine unverrückbare, jederzeit beweisbare und historisch wichtige Tatsache; sonst hätten sie nicht die Bischöflichen Behörden öffentlich in der Presse diskreditiert und die Ausführung des klaren bischöflichen Willens vereitelt. Mag die Kirche in Schippach gebaut werden oder nicht: diese Tatsache wird aus der Geschichte des Falles Schippach niemals mehr ausgelöscht werden können.

Die Kritik hat der Barbara Weigand, auch Stolz, Aufgeblähtheit und Ehrgeiz322 vorgeworfen. Die Hinfälligkeit dieses Vorwurfes ergibt sich schon aus dem bisher Gesagten. Festhalten an der eigenen Überzeugung in Dingen der christlichen Freiheit ist nicht Stolz, sondern Demut. Nach Poulain323 besteht die „Demut“ in dem „Mut“, die Wahrheit in ihrer ganzen Strenge und in allen ihren Konsequenzen auf sich anzuwenden“. Nicht feige Servilität, nicht knechtische Unterwürfigkeit, nicht schmählicher Verzicht auf eine eigene Meinung, nicht charakterloser Meinungswechsel, nicht das Kokettieren mit dem Zeitgeist, nicht das Sichstellen auf den Boden von durch tausend Sünden geschaffenen Tatsachen, nicht elende Menschenfurcht, das Charakteristikum unserer Zeit, nicht unwürdiges Antichambrieren, nicht das Bestreben, sich in der Gunst der Mächtigen zu sonnen, nicht die Angst, keine Karriere zu machen: ist nicht Demut, sondern „der Mut, die Wahrheit in ihrer ganzen Strenge und in allen ihren Konsequenzen auf sich anzuwenden“. Demut ist Mut, erfordert Tapferkeit, verlangt Opfer. Es ist leicht anderen die Demut zu predigen. Aber trotz eines in Gebet und Arbeit und Entbehrung und Hingabe an andere zugebrachten Lebens, sich vor Tausenden in den Zeitungen schmähen und verhöhnen lassen, kein Wort der Erwiderung in die Öffentlichkeit geben, für dieselben Verfolger weiter beten, weiter Gutes tun, – und schweigen, das ist wahrhaftig: die als Wahrheit erkannte Überzeugung324 in ihrer ganzen Strenge und in ihren letzten Konsequenzen auf sich angewendet. So haben es die Heiligen gemacht: sie waren zuerst streng gegen sich und dann mutig im Kampfe für ihre Überzeugung.

322 Seherin 20, 32, 36, 52, 58, vgl. Krebs a. a. O.
323 a. a. O. 162; Tissot 245
324 Nach Göpfert III 303 sind die Privatoffenbarungen für die betreffenden Personen in ihrem sittlichen Tun „verpflichtend“.

Wie Barbara Weigand sich hervorgetan und „um jeden Preis eine Rolle gespielt hat“, mag die folgende Tatsache beleuchten. Barbara Weigand sammelte in ihrem Seeleneifer bei ihren Freunden, Mitgliedern des Liebesbundes, Gelder zur Errichtung einer römisch-katholischen Pfarrei in ihrer Heimatgemeinde. Aus sich selbst hätten die beiden armen Gemeinden Rück und Schippach niemals weder die notwendigen Stiftungskapitalien, noch den eines Hauses, noch den notwendigen Baufond aufbringen können. Barbara Weigand stellte mit Hilfe ihrer Freunde eine Summe von gut 55 000 Goldmark dem damaligen Pfarrer für die Pfarreierrichtung zur Verfügung; 36 000 Mark wurden als Stiftungskapital bestimmt, 7 000 Mark zum Kaufe des Pfarrhauses verwendet und 10 000 Mark als Baufond in Reserve gestellt. Das alles war im Jahre 1912 fix und fertig, die behördliche Genehmigung zur Errichtung der Stiftung gegeben, die notarielle Verbriefung geschehen. Es kam 1914 der Beginn des Kirchenbaues und der Kampf gegen Barbara Weigand in der Presse; Tonnen des Spottes wurden über sie ausgegossen – gegen die Stifterin der Pfarrei. Die formelle Errichtung der Pfarrei wurde durch die Länge des Krieges hinausgeschoben; erst nach seiner Beendigung wurde sie perfekt. Viele vorbereitende Sitzungen und Beratungen der in Frage kommenden Körperschaften, in der Gemeinde und Kirchenverwaltungen der beiden Gemeinden, waren notwendig. Endlich erfolgte die kanonische Errichtung der Pfarrei durch oberhirtlichen Konfirmationsbrief vom 29. Januar 1921 und Ministerialentschließung vom 7. Januar 1921, sowie den Stiftungsbrief der gesetzlichen Körperschaften vom 20. März 1921, bezirksamtlich genehmigt am 29. März 1921, regierungsseitig genehmigt am 19. April 1921.

Die Errichtung der Pfarrei war ein Ereignis in der Geschichte der beiden Gemeinden. Die Installation des ersten Pfarrers gestaltete sich zu einer erhebenden kirchlichen und weltlichen Feier. Manche wurden dabei ob ihrer angeblichen Verdienste gepriesen, aber weder die Ortsbewohner noch die Verwaltungsmitglieder wußten davon, daß Barbara Weigand die Stifterin sei. Das gleiche vollzog sich auch bei der Einweihung der St. Pius-Kirche am 3. Oktober 1960, wie wir noch sehen werden. (sc. die Red.) Erst als ich im Jahre 1923 die Aktenlage studierte, erfuhr ich den Namen der Wohltäterin. Keine ehrende Erwähnung ist der Stifterin zuteil geworden. Sie selbst war so demütig und bescheiden, daß auch nicht eine Silbe über ihre Lippen kam, wer die Stiftung der Pfarrei ermöglicht habe, und dies in einer Zeit, da sie von allen Kanzeln herab verurteilt wurde! Welch günstige Gelegenheit hätte sich ihr geboten, sich hervorzutun! Machen es so diejenigen, welche „um jeden Preis eine Rolle spielen“ wollen? Und da schreibt Dr. Brander: „Nicht der Herr soll in erster Linie bekannt werden, sondern Barbara Weigand!“325 Ist eine solche Geschichtsdarstellung nicht ein Faustschlag ins Gesicht der Wahrheit? In anderen Fällen hätte man wohl für eine kirchliche Auszeichnung Sorge getragen, um menschlicher Eitelkeit und Ehrsucht zu schmeicheln, man hätte lange Artikel voll des Lobes in die Zeitungen gebracht: in Schippach aber nichts von alledem! Dagegen schreiben um dieselbe Zeit die „Sachverständigen“ ganze Bücher über die „Gefährlichkeit“ des Schippacher alten Weibes, gegen das man von kirchlicher Seite „immer noch zu schonend vorgegangen“ sei (!), fordern die Bischöfe offen zur Strafeinschreitung auf und bringen „Enthüllungen über das Werk der Seherin von Schippach“. Von der Stiftung der Pfarrei durch eben dieses vermaledeite Weib aber las man kein Wort. Und doch war dies das „Werk der Seherin von Schippach“.

325 Seherin 33

Warum erwähnen die Kritiker diese Tatsache nicht? Sie mußte ihnen doch bekannt sein, da die Sachverständigen doch angeblich gründlich und eingehend geprüft und erstmals tiefer gebohrt hatten als andere! Sie mußte ihnen ferner bekannt sein, da ja Barbara Weigand nach der Ansicht der Sachverständigen in eitler Ostentationssucht ihre guten Werke überall ausposaunte? Ein solches Werk wie die Stiftung einer Pfarrei, hätte doch ganz zweifellos in eine Schrift über „Enthüllungen über das Werk der Seherin von Schippach“ hineingehört. Aber aus lauter „Liebe zur heiligen Mutter der Kirche“ wird dieses aktenmäßig vorliegende gute Werk der Barbara Weigand von ihren Kritikern beharrlich totgeschwiegen. Und da schreibt Dr. Brander noch zur Begründung seiner Publikationen, der Nuntius dränge zur Aufklärung in der Öffentlichkeit. Zu einer solchen wahrheitswidrigen „Aufklärung“ der Öffentlichkeit hat der Nuntius ganz gewiß nicht gedrängt. Auch hielt man den Gedanken der Pfarreistiftung, das Sammeln von Geldern für diesen Zweck und die Übergabe der großen Summe in die Hände der Kirche nicht für „Ausgeburten eines kranken Hirns“.

So sieht der Stolz, die Sucht eine Rolle zu spielen, bei Barbara Weigand in Wahrheit aus. Daß sie auch nicht die zornige, leidenschaftliche, rachsüchtige Person ist, als die sie von der Kritik hingestellt wird, brauche ich wahrlich nicht weiter zu erwähnen. Ein jeder, welcher mit Barbara Weigand einmal zu sprechen Gelegenheit hatte, gewann den Eindruck einer ruhigen, bescheidenen Person. Sie kennt keine Rachsucht und trägt nichts nach. Als sie in den Jahren 1914 bis 1920 in der Öffentlichkeit so hart angegriffen und durch das Bischöfliche Ordinariat Würzburg in allen Kirchen namentlich verurteilt worden war, drangen manche, die zu dem Pfarreikapital Geld gegeben hatten, in sie, sie solle vom Bischöflichen Ordinariate das Geld zurückverlangen (Briefe vorliegend. Die Red.). Barbara Weigand tat nichts dergleichen. Als ihr schärfster Gegner im Jahre 1925 in den Zeitungen Aufrufe zur Erbauung eines Exerzitienhauses erließ, schickte sie ihm als einzige aus der Pfarrei 100 RM. Ist das Rachsucht?

Aufgabe dieser Schrift ist die Abwehr der unberechtigten Angriffe; darum will ich auch kein Charakterbild schreiben. Dazu hat es noch lange Zeit. Aber das sei doch abschließend bemerkt: Barbara Weigand hat zu einer Zeit (bereits in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts), da noch Beichtväter und Pfarrer die öftere heilige Kommunion ablehnten, da noch Dogmatiker und Moralisten das Unzulässige „bewiesen“, nicht nur großes Verlangen nach dem täglichen Genusse dieser Himmelsspeise getragen, sondern dafür große Opfer gebracht, hat mehrmals in der Woche den weiten Weg von 2 mal 4/5 Stunden gemacht, um kommunizieren zu können, weil es in ihrer Heimatkirche verweigert wurde,326 hat für diesen Gedanken gelebt, gebetet, geopfert, gelitten, geduldet, hat Wohltaten auf Wohltaten gespendet, so daß mir ein hochgebildeter Laie, der Barbara Weigand seit 60 Jahren kennt, die Versicherung gab, sie sei eine fromme einfache, schlichte, aufrichtige Person, möge man sich zu ihren Visionen stellen wie man wolle. Das ist tatsächlich der Eindruck aller, die Barbara Weigand kennen gelernt haben, das ist auch die Überzeugung ihrer Beichtväter und Bischöflichen Behörden. Die Ansicht des Mainzer Beichtvaters, der über sie „nur seine Zufriedenheit aussprechen kann“, haben wir schon oben kennen gelernt; ein anderer ihrer Beichtväter schreibt: „Ich bin fest überzeugt, daß die Babette eine fromme heiligmäßige Person ist“; wieder ein anderer, der meine kleine Schrift327 zufällig zu Gesicht kam, schrieb mir spontan: „Besonders freut mich auch, daß endlich die arme, zu Unrecht so angefeindete Barbara Weigand ins rechte Licht gestellt wurde. Das war ein Akt der Gerechtigkeit. Die Charakteristik (sc. die ich in jenem Schriftchen gab) entspricht ganz meiner Überzeugung; ich hatte.. Gelegenheit, diese brave Person kennenzulernen. Dr. Brander, dessen Schrift mich seinerzeit empörte, mag einpacken“. Bischof Haffner von Mainz nennt im Jahre 1896 Barbara Weigand „eine schlichte, tugendhafte und fromme Person“,328 ein anderer hoher Kirchenfürst redet von der „bewährten, recht katholischen Gesinnung“, das Bischöfliche Ordinariat Würzburg nennt im Jahre 1914 Barbara Weigand eine „im Rufe der Frömmigkeit stehenden Person“;329 ein hoher kirchlicher Würdenträger meinte im Jahre 1916: „Ich habe über diese Person nie das leiseste Unrechte gehört“.

326 Die Tatsache, daß ein einfaches Bauernmädchen lange vor den Kommuniondekreten Pius X. den täglichen Empfang übt und dafür arbeitet, wo noch Theologen dagegen „beweisen“, ist ein „Werk“ der Barbara Weigand, das alle Angriffe ihrer Gegner zuschanden macht. Heute freilich ist uns diese Übung nichts Auffallendes mehr, aber vor 50 Jahren war das etwas Außerordentliches. Man gebe doch der geschichtlichen Wahrheit die Ehre!
327 Die Kirchennot in der Pfarrei Rück-Schippach
328 Seherin 13
329 Diözesanblatt 1914 S. 215

Ich kann mich diesem Urteil als Pfarrer, Beichtvater und Seelenführer nur anschließen. Wie lange wird das Zerrbild einer ungerechten Kritik den Schippacher Kirchenbau noch verhindern?

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Neuntes Kapitel

Die Offenbarungen echt oder unecht?

Die Frage nach der Echtheit beziehungsweise Unechtheit der Schippacher Offenbarungen spielte bekanntlich in dem wüsten Kampfe gegen die Erbauung der Schippacher Kirche die erste Rolle. Man „bewies“ „mit absoluter theologischer Gewißheit bis zur Evidenz“ die Unechtheit jener Offenbarungen und damit, wie man meinte, natürlich auch die Verwerflichkeit des Kirchenbaues. „Mit den Offenbarungen steht und fällt Liebesbund und Kirchenbau“, schrieb Dr. Brander am 26. Februar 1916 in völligem Gegensatz zur Haltung der Kirche, als er eben sein Verwerfungsgutachten an das Bischöfliche Ordinariat erstattet hatte. Wie wir schon früher darlegten, ist diese metaphysische Verquickung des Kirchenbaues mit der Frage nach der Echtheit der Offenbarungen das proton pseudos, der Grundirrtum der ganzen Antischippacher Bewegung. Die Dogmatik, die Moral, die Kirchengeschichte und die kirchliche Praxis reden eine andere Sprache, nämlich diese: auch wenn Privatoffenbarungen unecht sind, kann die Kirche praktische Anregungen daraus doch verwirklichen. So hat es die Kirche in vielen Fällen gehalten, erst recht dann, wenn die Frage nach der Echtheit überhaupt noch nicht entschieden war. Ich habe das oben eingehend nachgewiesen. Auch die Bischöfliche Behörde in Würzburg hat trotz ihrer Erkenntnis von der Unechtheit der Offenbarungen kein Bedenken getragen, andere mit jenen Offenbarungen unlöslich zusammenhängende Werke zu genehmigen. Mit dieser Haltung der Behörde ist die Fundamentalthese Dr. Branders, daß mit den Offenbarungen auch Liebesbund und Kirchenbau fallen müßten, geradezu klassisch über den Haufen geworfen.

Um jedoch die Zurückweisung der gegen den Kirchenbau vorgebrachten Einwendungen noch nachhaltiger zu gestalten, will ich der Frage einige Worte widmen. Daß ich die Frage nicht entscheiden werde, wie die literarischen Gegner es getan haben, liegt in der Befolgung jener Regeln, welche für die Prüfung mystischer Schriften gelten, wie ich oben ebenfalls gezeigt habe. Eine Entscheidung durch Theologen und andere Schriftsteller ist aber durch päpstliche Verordnung untersagt. Niemand hat ein Recht, Privatoffenbarungen zu approbieren oder zu verwerfen als der Heilige Stuhl, dessen Urteil allein maßgebend ist. Das ist meine katholische Auffassung über den fraglichen Gegenstand und ich hoffe nicht, von jenen Männern, welche sich kühn über die kirchliche Vorschrift hinweggesetzt haben, des Ungehorsams gegen die kirchliche Obrigkeit beschuldigt zu werden.

Um einen klaren Überblick über die folgenden Darlegungen zu geben, sei vorausgeschickt, daß wir zunächst an der Hand bewährter Autoren das Begriffliche über die Ekstasen, Visionen und Offenbarungen geben, sodann die Frage der Echtheit nach den erprobten Grundsätzen der mystischen Theologie vorurteilsfrei prüfen, nicht entscheiden! Ich brauche nach der früheren Entwicklung meiner Grundsätze nicht noch einmal zu versichern, daß ich meine dabei zu Tage tretende Auffassung nicht für die allein richtige halte, daß ich nicht „entscheide“ und nicht absolut urteile, weil das einzig Sache des Heiligen Stuhles ist. Meine Bemerkungen beanspruchen bloß eine Unglaubwürdigkeit nach den Regeln der Pietät, der Klugheit und einer wissenschaftlichen Methode. Ich nehme es niemand übel, wenn er auf bessere Gründe, tiefere Einsicht, gründlicheres Studium und genauere Kenntnis der fraglichen Person hin eine andere Auffassung gewinnt. Wer aber diese Voraussetzungen nicht mitbringt und doch alles besser zu wissen meint, den möchte ich an die allgemeine wissenschaftliche Regel erinnern, daß man nicht über Dinge urteilen soll, die man nicht kennt.

Wer heute über Mystik reden will, wird nicht gut an den Schriften der großen Spanierin Theresia von Avila vorübergehen können. Die Heilige gibt Aufschluß über gar viele Dinge, so auch über das Wesen der Ekstase, besonders im 18. bis 21. Kapitel ihres „Lebens“. Danach ist die Ekstase ein Wonnegenuß Gottes durch die Seele, wobei die Tätigkeit der Sinne gehemmt ist. „Die Seele genießt ein Gut, das allein alle übrigen Güter auf einmal in sich schließt, all ihre Sinne sind dermaßen vom Wonnegenuß überfüllt, daß keinem einzigen die Möglichkeit bleibt, sich mit irgend einer äußeren oder inneren Sache zu beschäftigen.. in dem neuen Zustand hört alle Empfindung auf“.330 Wir sehen also, daß zwei Momente wesentlich sind: „der eine innere, verborgene besteht in einer sehr aufmerksamen Beschäftigung mit einem religiösen Gegenstand, der andere körperliche, sichtbare ist der Verlust des Gebrauches der Sinne. In der Ekstase ist man in einem mystischen Zustand ohne näher zu bestimmen, ob es sich um Vereinigung mit Gott, um übernatürliche Worte oder die Erscheinung eines Heiligen handelt“.331 Die Einwirkung der Ekstase auf den Körper ist eine vierfache:332 a) die Sinne reagieren nicht mehr oder vermitteln nur eine ganz unklare Empfindung; b) meistens sind die Glieder starr und unbeweglich; man kann nicht sprechen, nicht gehen, keine Bewegung machen, wenn Gott es nicht wunderbarerweise ermöglicht; c) das Atmen hat fast aufgehört, ebenso der Herz- und Pulsschlag; bisweilen hat es den Anschein, die Person könnte sterben; d) die Lebenswärme scheint zu verschwinden; Kälte stellt sich ein, angefangen von den äußeren Gliedern. Man unterscheidet gewöhnlich drei Arten von Ekstasen: die einfache Ekstase, wenn sie ruhig anfängt und allmählich eintritt, die Verzückung, wenn sie plötzlich eintritt und heftig ist, der Geistesflug, wenn es scheint, als wolle sich die Seele vom Leibe trennen. Bei der Rückkehr von der Verzückung hat man zwar das Bewußtsein des Geschauten, aber man kann es nicht in adäquate Worte kleiden, daher das Suchen nach Bildern. Oft geschieht es, daß man nach der Verzückung in dem Satze fortfährt, den man unterbrochen hatte (eine sehr wichtige Bemerkung, da eine in der Mystik nicht erfahrene Umgebung manches für ekstatische Worte hält, was einfach Worte der fraglichen Person sind). Manche Ekstatische beginnen die Ekstase mit einem Schrei wie der hl. Petrus von Alcantara. Die Dauer kann Stunden, ja Tage währen; die Zeitvorstellung ist geschwunden.

330 Hahn-Hahn 227 ff., 238, 153, 273
331 Poulain 232 ff.
332 ebenda 174 ff.

Die kirchlichen Oberen haben zuweilen Ekstatischen den Befehl gegeben in den natürlichen Zustand zurückzukehren und zwar mit Erfolg.333 Doch dürfen solche Befehle nicht aus Neugier erteilt werden, sonst versagen sie; erst recht „hat der Obere kein Recht auf Gehorsam, wenn er Wunder befiehlt, auch schickt es sich nicht, Gott gleichsam ausfragen zu wollen.334 Während der Ekstase ist die Seele ganz in Gott versenkt, erkennt Gottes Wesen und Eigenschaften besser als durch jede andere Tätigkeit; selbstredend bewahrt der Verstand seine volle Tätigkeit, ja er erweitert sich und nimmt noch zu.335 Die Wirkung der Ekstase ist teils Freude und Jubel, aber auch Leid und Traurigkeit.


333 Maria von Mörl bei Pfülf 316
334 Poulain 238 ff. Daraus mag man ersehen, was von der am 3. August 1900 an Barbara Weigand vorgenommen Prüfung zu halten ist. Barbara Weigand sollte dort einfach Wunder tun; sie sollte die Person nennen, die sich rückwärts von ihr hinter einer Glastüre befand; sie sollte lateinische Fragen beantworten, ja sie sollte ein geweihtes Kruzifix von einem ungeweihten unterscheiden. Als Barbara Weigand das nicht konnte, sprach ein Geistlicher Herr: „Jetzt haben wir es klar heraus; wenn es der Heiland gewesen wäre, so hätte er dreinschlagen müssen, wir haben es ihm schön gemacht, wir haben ihn schrecklich behandelt. Der Heiland hätte sich das nicht gefallen lassen dürfen“. (Bericht an das H. Bisch. O. Mainz zum Schreiben des Bisch. Offizialates v. 30. Jan. 1902. Vgl. Luc. 23, 8f.)
335 Poulain 245

Die Ekstase kann mit Visionen und Worten verbunden sein. Auch die Visionen zerfallen in drei Arten:336 äußere oder körperliche, deren Gegenstand mit den Augen des Körpers wahrgenommen wird; imaginative, deren Gegenstand ohne Gebrauch der Augen wahrgenommen wird (Visionen der Phantasie); intellektuelle, rein geistige Visionen, die der Geist ohne Mitwirkung der Phantasie empfängt. Diese Visionen können bestimmt oder verschwommen sein. Wie bei den Visionen unterscheidet man wieder bei den übernatürlichen Worten drei Gruppen: hörbare Worte oder Laute, imaginatives Reden, intellektuelle Worte, einfache Mitteilung der Gedanken. Natürlich kann nicht bloß Gott zur Seele sprechen, sondern mit Zulassung Gottes auch die Engel, die Heiligen, der Satan. Bemerkt sei noch, daß die Visionen und locutiones nicht während des Höhepunktes der Ekstase eintreten, wie die hl. Theresia sagt: „Ich bemerke, daß die Seele auf dem höchsten Gipfel der Ekstase nie Worte vernimmt oder Visionen hat“.337 Soviel zum allgemeinen über Ekstase, Visionen und Ansprachen nach der Lehre der hl. Theresia. Um die Schippacher Offenbarungen auf ihre Echtheit zu prüfen, betrachten wir uns zunächst die Ekstasen der Barbara Weigand. Da hat nun die Kritik sich mit einer wahren Wollust auf die physiologischen Erscheinungen gestürzt und von Atemstocken, Gefühllosigkeit (Empfindungslosigkeit der Sinne), Unfähigkeit zu reden gesprochen, die sich bei Barbara Weigand kundtäten. Solche Vorgänge seien „ein geradezu klassischer Beweis des hier vorliegenden falschen Mystizismus“.. „jeder Arzt“(!!) werde daraus „die klaren Symptome der Hysterie feststellen“.338 Nun hören wir einmal, was die hl. Theresia, wohl die erste Autorität auf diesem Gebiete, über die physiologischen Erscheinungen bei der Ekstase uns zu sagen weiß? „Während die Seele ihren Gott sucht, fühlt sie, wie der Atem ausgeht und sie in eine selige Ohnmacht versinkt. Sie kann ohne Anstrengung nicht einmal die Hand regen: die Augen schließen sich von selbst. Nach der Ekstase war ich zuweilen noch ganz außer mir und konnte nicht fassen, ob ich im Traum oder in der Wirklichkeit zum Genuß einer solchen Herrlichkeit gelangt sei. Ich war überströmt von Tränen. In der Ekstase fühlt man, wie die natürliche Wärme mehr und mehr schwindet und der Körper allmählich kalt wird. Die Ekstase kommt meistens allen Gedanken und jeder Vorbereitung mit einem so plötzlichen und stürmischen Anfall zuvor. Einmal war es in Gegenwart aller Nonnen im Chor. Ein anderes Mal bemerkte ich, daß sich die Ekstase wieder einstellen werde. Sogleich warf ich mich auf den Fußboden; die Nonnen eilten herbei um mir Hilfe zu leisten. Die Schwestern die dann (bei der Ekstase) bei mir zu sein pflegen, und jetzt die Sache schon kennen sagen, daß der Puls zuweilen kaum mehr schlug. Die Hände sind ganz steif und unbeweglich, die Gebeine gestreckt und der Schmerz ist so heftig, daß ich noch am anderen Tage die Empfindung habe, als sei mir jede Ader zerrissen und jedes Glied verrenkt. Der Körper verbleibt in der Stellung, worin die Ekstase ihn ergreift, sei es sitzend, sei es mit geschlossenen oder mit offenen Händen; er ist wie tot und nicht imstande, sich zu bewegen. Wenn ich aus der Ekstase wieder zu mir komme, brauche ich zuweilen lange Zeit, bevor ich wieder die Kräfte finde, um meinen Körper zu bewegen“.339

336 Ebenda 289 ff.
337 Hahn-Hahn 322
338 Seherin 58 ff.
339 Hahn-Hahn 233, 238, 254, 260, 263, 264

Ich frage jeden ruhig denkenden, objektiv und ohne Voreingenommenheit urteilenden Leser: Sind die Erscheinungen bei Barbara Weigand, wie sie von der Kritik oben beschrieben werden als Atemstocken, plötzlicher Anfall, Verlust der sinnlichen Empfindung, Lähmung der Glieder, Unfähigkeit zu sprechen, von denen von der hl. Theresia beschriebenen wirklich so verschieden, daß man in den Weigand‘schen physiologischen Vorkommnissen „die klaren Symptome der Hysterie“, in den Theresianischen dagegen die echte übernatürliche Ekstase erkennt? Plötzlicher Anfall hier wie dort, Stockung des Atems hier wie dort, hinfallen hier wie dort, Steifheit der Glieder hier wie dort, Bewegungslosigkeit hier wie dort, Unfähigkeit zu sprechen hier wie dort, körperliche Erschlaffung als Nachwirkung hier wie dort. Worin liegt denn innerhalb dieser physiologischen Zustände der fundamentale Unterschied zwischen hysterischer und echter Ekstase? Die Antwort ist nur diese: es gibt keinen. Und weil es keinen gibt, deshalb darf man auf solche Äußerlichkeiten, auf diese physiologischen Erscheinungen nichts geben. Sie beweisen gar nichts, weder für hysterische noch für echte Ekstase. Das sieht man deutlich aus der Parallele, die ich den Weigand‘schen physiologischen Vorgängen denen der hl. Theresia gegenübergestellt habe. Auch Poulain zieht dieselbe Folgerung, daß die physiologischen Begleiterscheinungen bei echten und hysterischen Ekstasen ganz die gleichen sein können und darum als Kriterium der Echtheit oder Unechtheit völlig ausscheiden. Ich wiederhole hier seine schon früher zitierten klaren Worte: „Aus den physiologischen Wirkungen lassen sich im allgemeinen keine Schlüsse ziehen. Die äußere Erscheinung kann bei echten wie bei falschen Ekstasen ganz gleich sein.340 Wer die Geschichte der Mystik kennt und weiß, was für sonderbare physiologische Erscheinungen mit den (echten) Ekstasen der Heiligen verbunden waren, muß ja unwiderstehlich zu der Schlußfolgerung Poulains kommen. Wenn Dr. Brander meint, „jeder Arzt“ werde aus dem Atemstocken, Hinfallen, Steifwerden, der Gliederlähmung, Unempfindlichkeit „die klaren Symptome der Hysterie feststellen“, so sollte er das gelehrte Werk Bonniots lesen: „Das Wunder und die medizinische Wissenschaft“ oder doch jenen Abschnitt, den ihm sein zuverlässiger Führer Poulain vorhält; wir müssen auch diese Worte Bonniots, die Poulain beifällig zitiert, hier wiederholen: „Auch die Ekstasen brauchen den Organismus und seine Disposition als unmittelbare Vorbedingung. Dieses Schreien, die Anzeichen der Schwäche, die krankhaften Symptome, das Zittern, die Starre der Glieder, die Unbeweglichkeit, das Zurückgehen der Temperatur, das Stocken des Blutes, alles das sind streng genommen Erscheinungen der physischen Veranlagung der Ekstatischen. Wenn einfache Leute es anders auffassen, so fällt das auf Rechnung ihrer Unwissenheit. Noch mehr, nichts hindert Gott, übernatürliche Gebetsgnaden auch krankhaften (hysterischen) Personen zu verleihen, und dann wird auch in der äußeren Erscheinung das Krankhafte hervortreten“.341

340 Poulain 367
341 ebenda 249. Warum sollten denn Kranke, körperlich, physiologisch und Gemütskranke, der mystischen Begnadigung nicht fähig sein? Sie können doch wohl auch die heiligmachende Gnade besitzen, in den Himmel kommen und der Anschauung Gottes teilhaftig werden – oder nicht? Dann kann ihnen Gott doch auch in diesem Leben schon eine außergewöhnliche Gnade verleihen. Wenn also die Kritik bei Barbara Weigand „unwiderleglich“ die „Luft der Krankenstube“ nachgewiesen hätte, so wäre damit gegen die mystische Begnadigung gar nichts bewiesen. Wie viele Begnadigte haben doch die „Luft der Krankenstube“ geatmet!

Deutlicher als durch die angeführten Worte von Autoritäten, wie der hl. Theresia, Poulains, Bonniots kann wohl die Dr. Brander ’sche These, daß physiologische Erscheinungen der oben genannten Art der „allersicherste Beweis“ für hysterische Ekstase seien, nicht zurückgewiesen werden. Es ist immer ratsamer, bei der Prüfung mystischer Vorgänge sich mehr an Mystiker und mystische Schriftsteller zu halten als an die Aussagen eines liberalen Arztes. Daß auch Beichtväter sich täuschen können, zumal wenn sie in der mystischen Theologie nicht bewandert sind, sagt uns ebenfalls die große Spanierin mit verblüffender Offenheit. Im unmittelbaren Anschluß an ihre Schilderung der Ekstase, die von Beichtvätern nicht verstanden wurde, bricht sie in die Worte aus: „Es ist ein Jammer, wie viel man durch Beichtväter leidet, denen die richtige Einsicht fehlt!“342 Der „allersicherste Beweis“ Dr. Branders, daß die Ekstasen der Barbara Weigand hysterisch, also unecht seien, ist damit kläglich gescheitert.

342 Hahn-Hahn 266

Aber auch nach einer anderen Hinsicht zeigen sich die Ekstasen der Barbara Weigand nicht als hysterisch. Wie Dr. Brander aus Familler zitiert, ist „die hysterische Ekstase ein gewolltes Schaustück“,343 mit anderen Worten, sie ist eine Betrügerei. Denn mit Wollen, mit Absicht anderen etwas Unwahres vormachen ist doch nichts anderes als eine absichtliche Täuschung, ein Betrug. Gegen einen solchen Vorwurf, Barbara Weigand habe absichtlich andere betrogen, indem sie Ekstasen vorgemacht habe, ist Barbara Weigand nach dem übereinstimmenden Urteile aller, die sie kennen und kannten,344 so himmelweit erhaben, daß ich jedes Wort der Verteidigung für Verschwendung halte.

343 Seherin 46
344  „Für wissentlichen Betrug kann und darf ich es nicht halten“ (Worte ihres Beichtvaters in Mainz, eines hochangesehenen Stadtpfarrers). – „Sie macht den Eindruck einer Betrügerin nicht“ (Worte des Bischofs Haffner).

Bei Barbara Weigand sind schließlich die charakteristischen Kennzeichen der Hysterie überhaupt nicht anzutreffen, wie ich oben eingehend darlegte, als wir von der geistigen Gesundheit der Jungfer sprachen.

Mit den physiologischen Begleiterscheinungen der Ekstase, dem „allersichersten Beweis“, ist darum gar nichts bewiesen, weder pro noch contra. Wir müssen uns also nach anderen Kennzeichen umsehen, wenn wir Ekstasen und damit Visionen und Ansprachen auf ihre Echtheit prüfen wollen. Diese Kennzeichen können, da sie im Äußeren nicht zu finden sind, nur innerlicher Natur sein. Diesen Weg zur Unterscheidung der Geister deutet auch Familler an, wenn er schreibt: „Ähnliche Bilder, wie sie die hysterische Ekstase nach außen bildet, finden sich im Leben einzelner Heiliger. Aber.. der intellektuelle Inhalt der Heiligenekstase ist klares geistiges Schauen und Erfassen der ewigen Wahrheiten.“345 Es wäre aber auch eine gar zu seichte und oberflächliche Methode, wenn man auf dem schwierigsten aller theologischen Gebiete, in der Mystik, mit ein paar Hinweisen auf Äußerlichkeiten wie Hinfallen oder Atemstocken, schon über die ganze Lebensarbeit einer Person „allersicherst“ aburteilen könne. Nein, da muß man schon etwas „tiefer bohren“, um Anhaltspunkte zur Beurteilung ekstatischer Vorgänge zu gewinnen. Anhaltspunkte, sage ich, denn ein „absolut sicheres Urteil“ werden wir Menschen auch bei der sorgfältigsten und tiefschürfendsten Prüfung nicht zu erreichen vermögen. Das sagt so zutreffend auch der hl. Johannes vom Kreuz: „Trotz der vielen aufgestellten Regeln, Echtes vom Unechten zu unterscheiden, ist es im einzelnen Falle schwer zu bestimmen, ob und wieweit eine Vision oder Ansprache – um die letztere dürfte es sich meistens handeln – vom guten Engel, vom bösen Engel oder vom eigenen Geiste kommt. Weil das so schwer ist, darum verlangt Gott auch nicht eine schwierige Untersuchung, die oft genug doch zu keinem sicheren Ergebnis führt“.346 Diese Bemerkung ist ganz richtig und wird noch einleuchtender, wenn man bedenkt, daß die einzigen Zeugen solcher Vorgänge letzten Endes die betreffenden Personen selber sind. Weil aber Menschen, auch die Heiligen, immer der Gefahr des Irrens ausgesetzt sind, so sind auch die „echten“ Visionen und Ansprachen niemals absolut sicher, wie auch Pesch hervorhebt.347

345 Seherin 46
346 bei Richstätter 260
347 Pesch 109

Die inneren wissenschaftlichen Kriterien in bezug auf die Echtheit, beziehungsweise Unechtheit von Ekstasen, Visionen und Offenbarungen lassen sich unschwer in formale und materielle, letztere wieder in solche in der Person und in solche in der Sache liegende unterscheiden; anschließend an diese Gruppierung besehen wir uns die Merkmale, welche aus der Wirkung der Ekstase und Offenbarung gewonnen werden.

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1. Die formalen Kriterien der Echtheit

Zahn bringt als abschließendes Ergebnis seiner Studien über die „Kriterien für Visionen und Visionäre“ die Folgerung: „Der Schluß auf die Existenz einer besonderen und außerordentlichen göttlichen Erleuchtung und Einwirkung.. ist um so begründeter.. je mehr die vermöge jener Gesichte oder Ansprachen gewonnene theoretische und praktische Einsicht über das Maß der persönlichen Veranlagung und der verfügbaren Bildungsmittel, der bisherigen äußeren und inneren Schulung nachweisbar hinausgeht“.348 Es bedarf eigentlich keines Nachweises mehr, daß die in den Schriften der Barbara Weigand niedergelegten theoretischen und praktischen Einsichten in das innere religiöse Leben des einzelnen, in die Entwicklung der Kirche im Zusammenhang mit der sozialen Gestaltung, in die gefährliche Zeitströmung und in die wirksamen Mittel zu ihrer Bekämpfung, besonders in die Notwendigkeit der öfteren hl. Kommunion, ganz sicher über das Maß der persönlichen Veranlagung und der verfügbaren Bildungsmittel der Urheberin hinausgehen. Gerade die Einsicht in die Tragweite der sozialistischen Gefahr, besonders im Hinblick auf die Kirche, die Erkenntnis von der Gefährlichkeit des Sozialismus und Liberalismus in einer Zeit, die mehr als vierzig Jahre zurückliegt, übersteigt ganz gewiß die gewöhnliche Veranlagung und die Bildungsstufe eines Bauernmädchens aus dem Spessart. Weder in ihrer Heimatgemeinde noch in deren Umgebung war irgend eine Gelegenheit, wo die Jungfrau die von ihr wiedergegebenen Gedankengänge über so weittragende, in das gesamte religiöse, moralische, politische, soziale, pädagogische Leben eingreifende Probleme wie über den antichristlichen Liberalismus und Sozialismus hätte auffangen können. Die Meinung der Kritik, daß sich Barbara Weigand solche Kenntnisse bloß aus Wirtshausgesprächen verschaffen konnte, ist unhaltbar; ihr widerstreitet schon die einfache Tatsache, daß die Fäden der Weigand'schen Theorien ja schon in Schippach, also vor ihrer Übersiedlung nach Mainz in die Wirtschaft ihres Bruders, erkennbar sind, wie ja bekanntlich Barbara Weigand deswegen von Schippach nach Mainz zog, weil ihr in der Heimatkirche die öftere heilige Kommunion verweigert wurde. Auch ist es wenig wahrscheinlich, daß sich die Gespräche der Mainzer Wirtshausgäste mit der Notwendigkeit der öfteren hl. Kommunion befaßt hätten. Daß die weitblickende und tiefschauende Erkenntnis der Barbara Weigand, besonders in die großen religiösen Zeitaufgaben ihre gewöhnliche Begabung übersteigt, war auch die Meinung des hochseligen Mainzer Bischofs Haffner, als er schrieb: „Die zum Teil auf die Zeitverhältnisse (Sozialismus, Liberalismus) eingehenden Mahnungen und Klagen sind dem Gesichtspunkt der Barbara Weigand fernerliegend.349 Wenn auch mit dieser Tatsache, daß Barbara Weigand eine ungewöhnliche Einsicht in jene Probleme schon vor vierzig und mehr Jahren bekundet, kein stringenter Beweis für den übernatürlichen Charakter jener Worte geliefert werden kann, wenn vielmehr diese Worte natürlich erklärt werden können (nicht müssen), so ist das ganz richtig. Aber bewiesen ist jedenfalls, daß die Beurteilung jener großen Zeitfragen über den natürlichen Horizont des Schippacher Mädchens hinausgeht. Wenn man übrigens jene Ansichten als bloße Wiedergabe von Wirtshausgesprächen, als Reminiszenzen aus Büchern und Predigten oder als Reflexionen hinstellt, so nenne man doch einmal klipp und klar jene Schriften und Predigten, in welchen die Weigand'schen Ideen vorgetragen wurden und von welchen Barbara Weigand nachweisbar beeinflußt wurde! Solche mit peinlicher Genauigkeit, wissenschaftlicher Akribie und quellenmäßigen Belegen gebotene „Enthüllungen“ würden doch das ängstliche Bestreben der Gegner, ja keinen übernatürlichen Einfluß gelten zu lassen, aufs allerbeste stützen können. Das Kriterium für die Echtheit von Ekstasen und Offenbarungen, daß diese über den gewöhnlichen Bildungsstand der begnadigten Person hinausgehen, trifft somit auf die Offenbarungen der Barbara Weigand zu!

348 Zahn 633 ff.
349 Seherin 13

Poulain nennt im Anschluß an die hl. Theresia noch ein anderes Kriterium formaler Art, wenn er schreibt: „Bei wahren Ekstasen wächst die intellektuelle Erkenntnis in wirklich erstaunlicher Weise;350 „großartige Bilder, tiefe Ideen bieten sich ihrem Geiste, so daß es ihnen ganz unmöglich ist, das zu erklären, was sie gesehen haben. Diese Unmöglichkeit kommt nicht daher, daß ihr Verstand wie eingeschläfert gewesen wäre, sondern daher, weil ihr Geist Wahrheiten geschaut hat, welche die Kraft des Menschengeistes übersteigen“,351 „Gerade das Gegenteil zeigt sich bei krankhaften, falschen Ekstasen. Es zeigt sich ein Rückgang der Verstandestätigkeit zugunsten einer kleinlichen Phantasietätigkeit“. Was der Kranke in der falschen Ekstase spricht, „sind nur banale Wahrheiten“.. „die Nervenleidenden.. werden von der Phantasie stark beherrscht, in ihren Gedanken ist wenig Zusammenhang“,352 so Poulain.

350 Poulain 250
351 ebenda 245
352 Poulain 251

Betrachtet man nun unter diesem Gesichtswinkel die Schippacher Schriften, dann möchte man fast versucht sein – ich tue es nicht – „mit absoluter theologischer Gewißheit bis zur Evidenz“ den Beweis für die Echtheit der Schippacher Offenbarungen zu führen. „In den Gedanken der Nervenleidenden ist wenig Zusammenhang“, sagt Poulain. Wer aber nur einmal einige Seiten der Schippacher Schriften vorurteilsfrei gelesen hat, wird nicht mehr behaupten wollen, es fehle darin der Zusammenhang. Ebenso „bieten sich tiefe Ideen ihrem Geiste“, Ideen von großer Gewalt und Durchschlagskraft, die sich bereits jetzt schon zum Teil durchgesetzt haben, mag es anerkannt werden oder nicht. Ja, in den Schippacher Schriften sind so tiefe Gedanken vorgetragen und ein solch logischer Gedankenzusammenhang gewahrt, daß ihr schärfster Gegner, ganz bezwungen von der Kraft und dem logischen Aufbau der Offenbarungen, darin nichts weniger sieht als „ein förmliches theologisches System“.353 Ich hätte ein so bestimmtes Prädikat nie zu gebrauchen gewagt, aber nachdem es der amtliche Sachverständige und Gegner gebraucht, dürften es sich eigentlich auch die Freunde Schippachs zu eigen machen. Oder sind ferner der Kampf gegen den atheistischen Sozialismus und Liberalismus, der Zusammenschluß aller Guten um den Zentralpunkt der heiligen Eucharistie, der tiefernste Sühnegedanke, das Laienapostolat, die Förderung der öfteren heiligen Kommunion, der Gedanke zur Erbauung einer Sakramentskirche „nur banale Wahrheiten“? Die Schippacher Offenbarungen scheinen also auch dieses Kriterium der Echtheit an sich zu tragen.

353 Seherin 11, 61

Im 25. Kapitel ihres „Lebens“ berichtet die hl. Theresia Näheres über die Beschaffenheit der inneren Worte. „Wollen wir menschliche Worte nicht hören, so können wir uns die Ohren zuhalten.. Bei den Worten, die Gott zur Seele spricht, ist es ganz anders; sie erzwingen sich Gehör, von hören oder nicht hören wollen ist keine Rede, und der Verstand wird genötigt, aufs allerdeutlichste das zu vernehmen, was Gott für gut findet zu sagen.. Die Worte des Herrn sind unvergeßlich, haften im Gedächtnis, sind gleichsam eine Tat.. Prophetische Worte wird gewiß niemand vergessen“.354 Daß die Worte, welche in den Schippacher Schriften als göttliche Mitteilungen hingestellt werden, auch dieses Kriterium der Festigkeit, Entschiedenheit, Sicherheit und Unwiderstehlichkeit aufweisen, kann nicht bestritten werden. Sie kommen der Barbara Weigand oft genug ohne ihr Zutun, ja gegen ihren Willen zum Beispiel da, wo der Heiland sie beauftragt, zum Bischof zu gehen und ihn um die Einführung der öfteren heiligen Kommunion zu bitten: „Ich erschrak, als ich diese Stimme hörte; denn ich war froh, doch endlich einmal die beständigen Widersprüche meiner Vorgesetzten los zu sein“.355 Auch die Gewißheit und Zuversicht ist bis zu dieser Stunde unerschütterlich. Demnach würde auch dieses Kriterium zu ihren Gunsten sprechen.

354 Hahn-Hahn 319 ff., Poulain 294
355 Biographie S. 34. In ihrer Heimatkirche durfte ihr der Kaplan auf Geheiß des Pfarrers die öftere heilige Kommunion nicht reichen (auch ein Fehler, da nicht der Pfarrer, sondern der Beichtvater darüber zu befinden hat, wie oft die heilige Kommunion empfangen werden darf); deswegen ging Barbara Weigand in die Stadt (Aschaffenburg) zu den Kapuzinern, wo ihrem Kommunionempfang kein Hindernis mehr in den Weg gelegt wurde. Darüber war sie froh, endlich einmal Ruhe zu haben, da kommt die innere Stimme, welche sie auffordert, in der Sache zum Bischof zu gehen. Deshalb der Schrecken, der sie befällt.

Ein gutes Kennzeichen der Echtheit ist nach den Autoren die Art des Sprechens in der Ekstase. Die hl. Theresia sagt hierüber: „Es sind ganz deutlich ausgebildete Worte.. Die Seele vernimmt sie viel klarer, als wenn sie ihr durch die Sinne zukämen.. Dagegen sind die Worte, welche die Einbildungskraft vortäuscht, meist unbestimmt, unzusammenhängend; die Sätze werden nicht vollendet, die Stimme stockt“.356 Demgemäß ist auch die Wiedergabe des Gehörten verschieden; während bei den Scheinvisionen und falschen Offenbarungen die Wiedergabe stockend ist, laufen die Lippen der in echter Ekstase sich Befindlichen geradezu über, so daß es oft nicht möglich ist, das Gesprochene rasch zu Papier zu bringen. So sprach die hl. Maria Magdalena von Pazzi in der Ekstase so rasch, daß sechs Schreiber zum Aufzeichnen nötig waren.357 Und Barbara Weigand? Bei ihr kann man jedenfalls nicht von abgehackten, zusammenhanglosen Sätzen reden. Wie mir Teilnehmer von Ekstasen versicherten, quollen die Sätze nur so über ihre Lippen wie aus einem unversiegbaren Reservoir. Auch ihr größter Gegner Dr. Brander gesteht aufgrund seiner Prüfung, „daß die Aufschreiberin bei dem starken Redestrom der Seherin im Schreiben nicht mitkam“.358 Auch an diesem Maßstab gemessen, erweisen sich somit die Schippacher Offenbarungen eher als echt denn als unecht.

356 Hahn-Hahn 319, Poulain 294
357 Poulain 174
358 Seherin 60

     Inhaltsübersicht

 

2. Die materiellen Kriterien der Echtheit

Der äußeren Form nach können also die Schippacher Offenbarungen sehr wohl die Kriterien der Echtheit an sich tragen; sie stehen jedenfalls mit den Erscheinungsformen der falschen Ekstase und der unechten Offenbarungen in einem lauten Widerspruch. Jedoch solche Kriterien genügen noch nicht, um ein einigermaßen sicheres Urteil zu gewinnen. Wir müssen vielmehr auch die Person ins Auge fassen, die sich für begnadigt hält? Was verlangen die Autoren von einer solchen Person für Eigenschaften?

a) Kriterien, welche die Person betreffen

Es ist, wie alle Autoren betonen, eine ganz irrige Vorstellung von dem Wesen der Beschauungsgnade und ihrer Beigaben, der Ekstase und Vision, wenn man sie als im Widerspruch mit der regelmäßigen Lebensweise stehend erachten würde. Der wahre Mystiker ist kein weltfremder Mensch, der vielleicht bloß hinter Klostermauern dem beschaulichen Gebete obliegt. Wir haben Beispiele genug aus alter und neuer Zeit, welche uns die echten Begnadigten als mitten im Leben stehende Leute schildern, die alle Hände voll zu tun haben, um ihre Berufspflichten zu erfüllen. Ich erinnere nur an Lucie Christine. Es wäre deswegen ein verdächtiges Zeichen, wenn man sich mit Berufung auf angebliche innere Worte von seiner Berufstätigkeit für entbunden erachten würde. Schön bemerkt Poulain über solche Begnadigte, welche trotz der hohen Kontemplation ihren Beruf in der Schule, im Hause oder am Krankheitsbett versahen: „Statt mit Träumereien über alle möglichen guten Lebensstände die Zeit zu verlieren, nützten sie den aus, der ihnen zugefallen war“.
359 Treue Erfüllung der Standespflichten ist erste Voraussetzung wahren mystischen Geistes.

359 Poulain 168; Richstätter 236

Ich meine, es bedürfte keines Beweises mehr, daß Barbara Weigand wie keine zweite ein Leben der aufopferndsten Berufsarbeit hinter sich hat. Als Mädchen im Elternhause eilt sie von Acker zu Acker, von Wiese zu Wiese, um den Eltern behilflich zu sein. Als Stütze im Hause des Bruders in Mainz ist sie die stets geschäftige Martha und die auf den Meister horchende Maria zugleich. Und heute macht es die 81jährige nicht anders. Eben sitzt sie in der Stube und singt dem Jüngsten ein Wiegeliedchen, dann steht sie in der Küche am Herdfeuer, dann sehe ich sie über den Hof kommen mit schweren Körben voll Dickwurz und Kartoffeln, darauf marschiert die angeblich „Hysterische“ und „Nervenkranke“, die die „Luft der Krankenstube atmet“, mit der Sense auf der Schulter in festem Tritt auf die Wiese, um mit starkem Arm das Futter zu mähen. Führt mich mein Spaziergang in den Wald, dann treffe ich Jungfer Babette mit dem Sammeln von Tannenzapfen beschäftigt; betrete ich früh das Gotteshaus, so wandert Barbara Weigand schon von einer Kreuzwegstation zur anderen, und wenn ich des Abends noch einen kleinen Besuch in der Schippacher Kapelle mache, so sehe ich Barbara Weigand im Halbdunkel vor dem Tabernakel knien und beten. So ist es heute, so war es gestern, so war es vor 10, 20, 40 und 60 Jahren. Ich habe Leute gesprochen, welche Barbara Weigand von der Mainzer Wirtschaft her kennen: dort war sie die gleiche wie in Schippach: überall das gleiche Bild der Arbeitsamkeit, des Sinnes für das Notwendige und des unermüdlichen Gebetseifers, so ganz das Gegenteil der Hysterischen.

Mit der treuen Erfüllung der Berufspflichten hängt bei den echten Mystikern eng zusammen der Sinn für reale Wirklichkeit. Gar schön schreibt dazu der verstorbene P. Rösler „Der Wirklichkeitssinn des Mystikers bekundet auffallendes Verständnis für die Verhältnisse und Bedürfnisse des menschlichen Lebens in den verschiedensten und schwierigsten Lagen. Der falsche Mystiker ist dazu unbrauchbar“.360 Zahn ist derselben Meinung: „Eine recht schlichte, aber kaum versagende Probe wird darin bestehen, solche Beschauliche dann zu beobachten, wenn sie unversehens erheblicheren Pflichten des äußeren Lebens gegenübergestellt werden, zum Beispiel den Pflichten eines Dienstes am Krankenbett“.361 Barbara Weigand hat solche Proben der Echtheit ihres inneren Lebens glänzend bestanden. Wer die aufopferungsfähige, ewig geschäftige, nie rastende, die keiner Arbeit aus dem Wege gehende Jungfrau, Jungfer und Greisin kannte und kennt, wer die Werke der Nächstenliebe sieht, welche sie übt, wer wie der Ortsgeistliche weiß, mit welcher Selbstüberwindung sie sich der Pflege ekelerregender Kranken widmet, wer weiß, wie sie alle Vorkommnisse des häuslichen, pfarrlichen, öffentlichen Lebens mit ihrem Gebete begleitet, wie sie tatkräftig den kirchlichen Bedürfnissen ihrer Heimatgemeinde Rechnung trägt, wie sie von der Ferne aus für Errichtung einer Pfarrei in ihrer Heimat tätig ist, wie sie die Zauderer und Zögernden beschämt und ein Pfarrhaus kauft, wie sie für die Beschaffung eines geräumigen Gotteshauses besorgt ist, während die beiden Gemeinden in kleinlicher Rivalisiersucht jedes gemeinsame Werk hintertreiben, wie sie da ein abgenutztes Meßgewand, dort eine schadhafte Albenspitze ausbessert oder durch neue ersetzt, wie sie tatkräftig an der Erneuerung des baufälligen Schippacher Kirchleins mithilft, wie sie dem Aufruf ihres Bischofs zur Beisteuer für den Bau des Exerzitienhauses freudig entspricht, wie sie ihren größten Gegnern zur Förderung eines kostspieligen Unternehmens eine ansehnliche Summe übersendet, kurzum: wer Barbara Weigand in Wirklichkeit nicht nach den Zerrbildern der Kritik kennt, wird ihr den praktischen Sinn, den Blick für reale Wirklichkeiten, nicht absprechen können.

360 bei Richstätter 273
361 Zahn 622

Die wahren Ekstatischen sind, wie wir schon oben gehört haben, keine kleinlichen Seelen, sondern Leute mit einem überragenden Weitblick des Geistes. Auch ihr Willensleben trägt einen ausgesprochenen festen und zielsicheren Charakter. „Ihr Wille ist so energisch“, sagt Poulain, „daß sie den Kampf mit allen Schwierigkeiten aufnehmen, um ihr Beginnen durchzusetzen.. Ekstatische.. zeichnen sich besonders durch ihre Energie und ihr Organisationstalent aus. Selbst Frauen zeigten sich vielen Männern gewachsen. Unter Tausend Schwierigkeiten wußten sie Geld, Personen, Land zu gewinnen“.362 Energie, Festigkeit und Ausdauer ist also wiederum ein gutes Zeichen der Echtheit. „Wer bei solchem Widerstand (von seiten den Oberen) sich aufregt oder entmutigen läßt, zeigt, daß er wenig Vertrauen auf die Macht Gottes besitzt und wenig Gleichförmigkeit mit seinem heiligen Willen hat.. Will Gott, daß Seine Absicht verwirklicht wird, so wird der Allweise den Widerstand schon niederschlagen, wenn der Augenblick gekommen ist“.363 So der erfahrene Poulain, dem auch Zahn hier beistimmt: „Gottes Gnade weckt den Heroismus“.364

362 Poulain 252 ff.
363 ebenda 387
364 Zahn 630

Treffen die eben geschilderten Kennzeichen echter Mystik nicht buchstäblich auf Barbara Weigand zu? Die Entschlossenheit und Entschiedenheit, mit der Barbara Weigand ihre Anregungen über ein halbes Jahrhundert lang vorträgt, verteidigt, vor Bischöfe und Päpste bringt, die Unerschütterlichkeit des Vertrauens, welches die 81jährige trotz allen Enttäuschungen in die Verwirklichung des Kirchenbaues nährt, die wie ein Wunder anmutende Tatsache, daß Hunderttausende von Goldmark für den Kirchenbau aus aller Herren Länder und zur Zeit des großen Krieges und trotz aller Zeitungshetze zusammenflossen, wo doch alle Blätter sich über die „Pariser Wahrsagerin“ lustig machten, wo auch nicht eine Zeile ihrer Offenbarungen gedruckt war, diese einzig dastehende Tatsache, wo andere gleichzeitige vom König und dem ganzen bayerischen Episkopat geförderte Unternehmungen, wie die Erbauung der Kriegsgedächtniskirche St. Ludwig in Nürnberg, scheiterten – diese Momente sprechen nach Poulain jedenfalls für das Vorhandensein eines Etwas, das man mit einem flüchtigen Hinweis auf ein Handbuch der Psychopathographie nicht erklären kann. Vor einiger Zeit hörte ich von einem sehr einflußreichen leidenschaftlichen Gegner Schippachs die Worte, Barbara Weigand sei und bleibe eine hartnäckige Person (weshalb natürlich die Sakramentskirche nicht gebaut werden dürfe). Daß Barbara Weigand in dieser ihrer Sache äußerst hartnäckig ist, trifft vollständig zu. Das spricht aber in dieser ihrer Sache nur zu ihren Gunsten. Mit dem Augenblicke, wo sie die Meinung jenes Herrn annehmen und ihre Einsprechungen für Betrügereien erklären würde (diese Zumutung wurde an sie gestellt!), wäre sie zwar nicht mehr „hartnäckig“, aber ein wesentliches Kennzeichen echter Begnadigung, wie Poulain sagt, wäre geschwunden. Omnis sanctus pertinax. Mit dem Hinweis auf das Festhalten an ihrer Überzeugung kann man also ebensowenig gegen die Echtheit jener Vorgänge der Barbara Weigand zeugen wie gegen die Echtheit der Ekstasen oder Offenbarungen der Heiligen. Ja, dieses unerschütterliche Festhalten durch viele, viele Jahre ist nach Poulain und Zahn sogar ein gutes Kriterium der Echtheit;365 es löst auch zugleich die so leicht hingeworfenen Vorwürfe des Ungehorsams. Schon die hl. Theresia haben wir oben sagen hören, daß man die Begnadigten nicht nach sich selbst beurteilen dürfe; denn oft sehe man etwas für einen Fehler an, was bei den Begnadigten eine Tugend sei.

365 Gegenüber dieser Konstanz bei Barbara Weigand ist es interessant zu sehen, wie die Ansichten ihrer Gegner wechseln. Ich habe darüber sehr lehrreiche Dokumente. Die Wahrheit ist eben nur immer eine – und wenn man sie verläßt, kommen die Unsicherheiten und die Meinungsänderungen.

Selbstverständlich bewirkt wahre Begnadigung auch den sittlichen Kampf gegen die böse Natur; mystische Begnadigung kann nicht von diesem Kampf entbinden und auch nicht von der besten Waffe, vom Gebete. Es war ja einer der verhängnisvollen Irrtümer des Quietismus, daß er die Notwendigkeit des Bittgebetes leugnete. Der wahre Mystiker muß vielmehr ganz in den Spuren des Göttlichen Lehrmeisters des Gebetes wandeln: er muß beten wollen und können. Nun kann aber nicht geleugnet werden, daß Barbara Weigand wirklich eine große Beterin ist. Man muß sich nur wundern, wie eine Person, die doch so vielverzweigten und abziehenden Tätigkeiten, wie der Arbeit in einem Bauernhause oder in einer Wirtschaft, sich hingeben muß, noch soviel freie Zeit aufbringen, soviel Lust und Liebe am Beten haben kann. Erst vor kurzem sagte mir ein alter Schippacher Mann, der nie auf Barbara Weigands Seite stand: „Aber beten hat sie können ihr Lebtag lang, das muß man ihr lassen!“ Wahrhaftig, es bedarf keines Beweises mehr, daß Barbara Weigands Leben eine Verkörperung des schönen christlichen Spruches ist: ora et labora!

Daß die echten Mystiker einen ausgesprochenen Zug zum Herrn im Allerheiligsten Sakramente zeigen, berichten die Autoren in völliger Übereinstimmung. Wir dürfen heute die Lebensgeschichte irgendeines Mystikers aufschlagen, so bildet der Mittelpunkt ihrer frommen Übungen die heilige Eucharistie. Wo kein außerordentliches Verlangen nach der sakramentalen Kommunion und nach der Verehrung des eucharistischen Gottes vorhanden wäre, müßte man gegen den Anspruch auf mystische Begnadigung mit Recht mißtrauisch werden. Daß aber Barbara Weigand ihr ganzes langes Leben von frühester Jugend bis ins hohe Greisenalter gerade der Verehrung des Allerheiligsten Sakramentes gewidmet hat, daß sie für diese Verehrung die allergrößten Opfer gebracht hat, bedarf wohl keines Beweises mehr. Man kann wohl darin ihre Lebensaufgabe erblicken. Somit spricht auch dieses Moment zugunsten der Echtheit der Schippacher Offenbarungen.

Eine auffallende Erscheinung bei den echten Begnadigten ist ferner, wie auch Richstätter betont,366 eine ausgesprochene Neigung zum Kulte des Herzens Jesu. Nun, wenn der „Eucharistische Liebesbund des göttlichen Herzens Jesu“ wirklich das Werk der Barbara Weigand ist, wie die Kritik nachgewiesen hat, dann ist ja damit ein weiteres Kriterium der Echtheit der Offenbarungen der Barbara Weigand festgestellt. Wir können der Kritik, welche den Liebesbund bekanntlich „mosaikartig“ in den Schriften der Barbara Weigand gefunden hat, für diese Arbeit nur dankbar sein. Aber ich darf doch noch auf eine Begebenheit hinweisen, die schon fünfzig Jahre zurückliegt. Als Barbara Weigand vor ihrer Übersiedlung nach Mainz noch das Reinigen und Schmücken ihres Heimatkirchleins besorgte, kaufte sie eines Tages eine Herz-Jesu-Statue. Der Kaplan des Ortes stellte sie am schönsten Platze im Kirchlein auf, so daß sie alle Besucher sehen konnten. Als nun jener Kaplan versetzt wurde und der zuständige Pfarrer vom Nachbardorf einst in die Kirche kam und die Herz-Jesu-Statue erblickte, da zog er in aller Öffentlichkeit von der Kanzel herab gegen die Stifterin des Bildes los und ordnete die Entfernung der Statue an, die nunmehr in eine Ecke der Kirche geschafft wurde. Ob bloß die Platzfrage den Pfarrer zu seiner Philippika veranlaßt hatte oder vielleicht auch so etwas wie ein Greuel vor dieser entsetzlichen Neuerung, dieser „unsittlichen Andächtelei“, kann nicht mehr genau festgestellt werden. Wenn man aber weiß, wie im Zeitalter des Rationalismus und Liberalismus fromme Übungen wie die Herz-Jesu-Verehrung oder die Alosianischen Sonntage367 von einem Teile des deutschen Klerus „eingeschätzt“ wurden, darf man diese Frage schon stellen. Jedenfalls zeigt diese Begebenheit, daß Barbara Weigand zu einer Zeit, da die Herz-Jesu-Verehrung durchaus noch nicht so allgemein war wie heute, für diese Übung schon sehr eingenommen war: wiederum ein sehr günstiges Moment für die Echtheit ihres inneren Lebens.

366 Richstätter 240
367 Ich kannte einen nun verstorbenen Pfarrer, welcher zu den Kindern, als sie die Aloisianischen Sonntage haben wollten, sagte; „Wer hat euch denn das dumme Zeug gelehrt?"

Alles in allem: Die persönlichen Erfordernisse echter Ekstasen sind bei Barbara Weigand in ausreichendem Maße vorhanden.

b) Kriterien, die in der Sache liegen

Wahre, echte Visionen verlieren sich nicht in kleinlichen Bemerkungen, banalen Wahrheiten oder sentimentalen Liebesergüssen, sondern fordern zu großen Werken auf. Poulain findet „bei wahren Ekstasen eine Weite des Geistes, welche große, weitausschauende, schwer durchzuführende Pläne faßt“.368 Auf die Schippacher Offenbarungen angewendet: diese Schriften bieten wahrlich keinen Ohrenschmaus, sondern Kraft, Saft und Mark. Da ist nicht die Rede von einem „widerlich süßen, sentimental-romanhaften Zug“,369 sondern Probleme von elementarer Kraft sind zum Gegenstand der Ansprachen gemacht: Zusammenschluß aller Gutgesinnten zum Kampf gegen die Schlammflut des Unglaubens und der Unsittlichkeit, Ausbreitung des Reiches Gottes nach innen, mutiges und offenes Glaubensbekenntnis im Gegensatz zur Feigheit, Menschenfurcht und zum Indifferentismus unserer Zeit, nachhaltige Förderung des religiösen Einzellebens, lebendige Teilnahme am Gottesdienste, Verwirklichung der Lebenskräfte des Dogmas, Unterstützung der priesterlichen Tätigkeit durch kräftiges Laienapostolat, Sühneleistung für die Verbrechen der Welt, Einführung der öfteren heiligen Kommunion, Erbauung einer Kirche zu Ehren des Allerheiligsten Sakramentes als Krönung des Kultes der Eucharistie: das sind wahrlich keine Dinge, die wie Eintagsfliegen kommen und vergehen, das sind vielmehr ganz, wie es Poulain verlangt: „große Werke“, „weitausschauende, schwer durchzuführende Pläne.“ Somit würde auch dieses Kriterium auf die Schippacher Offenbarungen zutreffen.

368 Poulain 252
369 Seherin 17

Echte Offenbarungen stehen ferner in enger Verbindung mit der kirchlichen Liturgie; falsche Visionäre haben sich zu allen Zeiten vom kirchlicliturgischen Leben ferngehalten und sind ihre eigenen Wege gegangen. Als typischen Vertreter dieser falschen Richtung kann man Michael de Molinos bezeichnen, unter dessen von Papst Innocenz XI. am 20. November 1687 verurteilten Sätzen sich auch dieser findet: „Male agit anima, quae procedit per hanc viam internam, si in diebus solemnibus cult aliquo conatu particulari exeitare in se devotum aliquem sensum; quoniam animae internae omnes dies sunt aequales, omnes festivi“.370 Nach dieser falschen Lehre des Molinos „handelt also die Seele, welche auf den Pfaden des inneren Lebens wandelt schlecht, wenn sie an Festtagen irgendwie besonders versuchen will, eine fromme Gemütsbewegung in sich zu erwecken, weil der innerlichen Seele alle Tage gleich sind, weil sie alle Tage Festtag hat.“ Das Gegenteil dieses verurteilten Satzes wird also richtig sein: „An Festtagen wird die innerlich gerichtete Seele auch in besonderer Weise sich zu Gott hingezogen fühlen.“ So sagt auch Zahn: „Die echte, mystische Frömmigkeit fühlt sich mit innerer Folgerichtigkeit hingezogen und emporgetragen zum kirchlichen Kultus als Letztem, Höchstem“.371 Betrachten wir nun die Offenbarungen der Barbara Weigand auch unter diesem Kriterium der Echtheit, dann finden wir, wie in jenen Schriften alles, aber auch alles eingeschlossen ist in den Ring des Kirchenjahres mit seinen erhebenden Festen und gottesdienstlichen Handlungen. Kein Fest des Herrn, keine Festzeit, ja man könnte sagen, kein Fest eines bedeutenderen Heiligen geht vorüber, ohne daß in oft recht tiefgründiger Weise der Festgedanke herausgehoben und mit den großen Zeitaufgaben in Kontakt gesetzt wird. Da zeigt sich Dogma und Leben? Soll ich das erst noch beweisen?, dann müßte ich ja die Schriften miteinander abdrucken. Aber ein Beweis ist ja auch nicht mehr nötig, nachdem sich die Kritik schon dieser Aufgabe unterzogen hat und als Ergebnis ihrer Prüfung die folgende Konstatierung macht: „Man möchte ja Barbara Weigand um die Gabe beneiden, wie sie die Gedanken des Kirchenjahres oft in kühnster und überraschendster Weise in die betrachtende Form von Zwiegesprächen mit Jesus, Maria und den Heiligen zu kleiden und auf alle möglichen Lebensverhältnisse anzuwenden versteht“.372 Nun also! Damit ist doch selbst von ihrem ärgsten Gegner zugestanden, daß die Schippacher Offenbarungen in engem Zusammenhange mit der Liturgie und dem Kirchenjahre stehen, also wiederum ein Kriterium der Echtheit aufweisen!

370 Denzinger 1120 S. 270
371 Zahn 109
372 Seherin 31

Mit diesem Zugeständnis hat sich zudem die Kritik wieder selbst gerichtet. Man beachte nämlich folgendes: Nach dem Urteile der Gegner finden sich in den Schriften der Barbara Weigand herrliche Zwiegespräche und „treffliche Lebensregeln“ in Verbindung mit den Gedanken des Kirchenjahres. Eine vorurteilsfreie Prüfung mußte sich nun aufgrund dieses einwandfrei festgestellten Tatbestandes die prinzipielle, alles entscheidende Frage vorlegen: Wer ist der Urheber dieser herrlichen Gedanken? Barbara Weigand oder Jesus? Um die Lösung dieser Frage dreht sich doch alles. Nach Barbara Weigand ist Jesus der Urheber dieser schönen Gedanken; nach den Gegnern aber ist es nicht Jesus, sondern Barbara Weigand. Wenn diese letztere Ansicht, also die Meinung der Gegner, richtig ist, dann besitzt also „die bedauernswerte Nervenkranke“, die Frau mit dem „kranken Hirn“ die ausgezeichnete Fähigkeit, „die Gedanken des Kirchenjahres oft in kühnster und überraschendster Weise in die betrachtende Form von Zwiegesprächen.. zu kleiden und sie auf alle möglichen Lebensverhältnisse anzuwenden“, eine „Gabe“, um die man Barbara Weigand ja beneiden möchte“. Da haben wir es: Ein Doctor ss. Theologiae beneidet eine Frau mit einem „kranken Hirn“ um ihr Verständnis des Kirchenjahres! Hat man schon so etwas gehört? Das „Sammelsurium“, die „Ausgeburten eines kranken Hirns“, „die Halluzinationen einer bedauernswerten Nervenkranken“, die „nicht wert sind, auch nur einen Bogen Papier darüber zu verschreiben oder eine Minute Zeit darauf zu verschwenden“, verraten also ein solch tiefes und praktisches Verständnis der Liturgie, daß Doktoren der Theologie etwas drum gäben, wenn sie es auch so machen könnten! Barbara Weigand kann sich getrost beruhigen. Es ist ja „unwiderleglich“ „bewiesen“, daß ihr „krankes Hirn“ noch Fähigkeiten aufweist, um die sie die Theologie beneiden möchte. Aber zum Glück für die Theologie, deren Vertreter durch die Dr. Brander'sche Prüfung nur kompromittiert würden, liegt die Sache doch etwas anders. Um nicht zu solchen Ungereimtheiten zu kommen, wollen wir aufgrund des Tatbestandes lieber der Barbara Weigand glauben und annehmen, daß Jesus der Urheber jener schönen Gedanken und ihrer Anwendung sei. Eine solche Auffassung ist des ganzen Gegenstandes viel würdiger, sie erklärt mit einem Schlage den Ideengehalt jener Schriften, sie bringt auch die Theologie nicht in solch peinliche Ver1egenheit und bewahrt vor jenem Chaos von Widersprüchen, in die sich eine voreingenommene373 Kritik verwickelt.

373 Man beachte wieder den falschen Weg, den die Kritik zur Täuschung der Leser einschlägt! Sie sagt nämlich: „Barbara Weigand hat schon Gedanken vorgetragen“. Aber da sollte ja erst bewiesen werden, daß Barbara Weigand und nicht Jesus diese Gedanken vorträgt! Das ist eben die Voreingenommenheit der Gegner. Für sie steht von vornherein fest: Barbara Weigand ist die Schöpferin dieser Gespräche, was ja erst zu beweisen gewesen wäre! Fest steht aber nur, daß sich in jenen Schriften schöne Gedanken finden. Wer der Urheber dieser Gedanken sei, ob Barbara Weigand oder Jesus, mußte aufgrund des Tatbestandes erst entschieden werden; keinesfalls durfte aber die Kritik ihre vorgefaßte Neigung gleich als Axiom an die Spitze stellen.

Die Schriften der Barbara Weigand stehen somit in erfreulicher Verbindung mit der Liturgie. Und ist nicht das Verlangen, eine Kirche zur besonderen Verehrung des Allerheiligsten Sakramentes und zum Danke für die Einführung der öfteren heiligen Kommunion zu bauen, geradezu die Krönung dieser Verbindung mit der Liturgie? Gibt es eine höhere Form der Liturgie als das Opfer am Altare?

Die Autoren bezeichnen als ein weiteres Kriterium der Echtheit von Offenbarungen die erhabene, hohe Auffassung der Sittlichkeit. Während „der moralische Standpunkt bei diesen Kranken (sc. Hysterische) sehr tief steht“, ist die von echten Visionären gepflegte „Idee von der Sittlichkeit eine sehr erhabene, die sie ständig in allen Handlungen vor Augen haben. Ihr Glück suchen sie in Selbstlosigkeit und im Dienste anderer“. „Die Liebe der gottminnenden Seele bleibt nicht in ihr verborgen, sie kommt immer der ganzen Kirche zugute. Im Dienst der Brüder muß sich die begnadigte Seele bewähren“.374 Man hat nun zwar der Barbara Weigand vorgeworfen, sie lebe nur in eitler Selbstgefälligkeit und gefalle sich in der Rolle der angebeteten Diva. Nur Unkenntnis oder böser Wille kann so etwas behaupten. Wie wenig Barbara Weigand sich sucht, habe ich oben eingehend gezeigt. Vielleicht ist aber die Sucht, sich hervorzutun und eine Rolle zu spielen, in ganz anderen Kreisen vorhanden. Barbara Weigand hat ein langes Leben hinter sich, ein Leben gelebt nicht für sich, sondern für andere. Und wie dieses Leben sich im „Dienste der Brüder“ verzehrt, also sich gar nicht sucht, so fordern auch ihre Schriften immer wieder auf zum Verzicht auf die Welt, zur Selbstverleugnung, zur Opferliebe, zum Gebet, zur Sühne, zur Ausbreitung des Reiches Gottes. Wie kräftig ruft sie alle auf zum Anschluß an Papst, Bischöfe, Priester, um vereint mit diesen einen Wall zu bilden gegen die Sündflut unserer Tage! Dem Mammonismus und Egoismus hat Barbara Weigand leidenschaftlichen Kampf angesagt. Wie leicht wäre es ihr gewesen, sich zu bereichern, wo Hunderttausende von Friedensmark durch ihre Hände gingen. Aber nicht ein Pfennig ist an diesen Fingern hängen geblieben. Arm wie sie immer war, lebt Barbara Weigand heute im ärmlichen Stübchen, ohne Sofa, ohne Sessel. Ihre steinreichen Freunde haben ihr denn auch jederzeit unbegrenztes Vertrauen geschenkt, haben ihr Hunderttausende für Pfarrei und Kirchenbau gegeben, und keiner wurde von Barbara Weigand enttäuscht. Da gab es keinen Aufwand, kein besseres Kleid, keine bessere Speise, keinen besseren Wein als das Wasser des Brunnens, keinen Villenbau, keine Unterschlagung oder Veruntreuung. Auch heute gibt es noch wohltätige Leute von denen um Barbara Weigand, die ihr hie und da für ihre Person ein paar Mark zukommen lassen. Aber Barbara Weigand kauft sich kein Weißbrot dafür und keinen Pelz um die einundachtzigjährigen Schultern, – sie läßt dafür lieber den Altar einer Kirche erneuern oder unterstützt die Armen oder schickt das Geld an den Bischof für sein Exerzitienheim.375 So machen es nicht die Kinder dieser Welt. Mit vollem Rechte müssen wir darum sagen: Barbara Weigands Auffassung von der Sittlichkeit ist eine sehr hohe: „Ihr Glück sucht sie in Selbstlosigkeit und im Dienste anderer“.

374 Poulain 252; Zahn 635; Richstätter 279
375 Die Briefe an Barbara Weigand enthalten interessante Belege, wie sich Priester an die „Schippacher Wahrsagerin“ wandten, um von ihr – nach dem Verbote des Kirchenbaues – einen fetten Brocken für irgendein Projekt zu erbetteln. Ach wie schön man da schreiben konnte! Die alte Geschichte: non olet! Dieses Kapitel im Feldzuge wider Schippach wäre einer besonderen Darstellung würdig. Vielleicht kommt sie noch. Als Barbara Weigand ihren geistlichen Vorgesetzten Hunderttausende Goldmark für Errichtung einer Pfarrei und Erbauung einer Ortskirche aushändigte, da wurden diese Summen mit Schmunzeln und tiefem Danke hingenommen; da hörte man keine Silbe, als ob dieser Wohltätigkeitssinn die „Ausgeburt eines kranken Hirnes“ sei; auch lehnte man durchaus nicht ab mit der Berufung: mulier taceat in ecclesia, wie es später hieß, oder mit dem Hinweis, man wolle mit „Häretikern“ oder „Sektierern“ keine Gemeinschaft.

Endlich, so meint Poulain, könnten einen zuverlässigen Anhaltspunkt für die Echtheit von Privatoffenbarungen auch die Werke sein, zu welchen solche Offenbarungen anregten, zum Beispiel die Gründung eines Ordens oder die Erbauung eines Heiligtums. „Sehr oft“, so schreibt er, „regen Offenbarungen zu einem bestimmten Unternehmen an, eine neue Kongregation oder einen neuen Orden zu gründen, ein Heiligtum zu bauen, eine Andacht einzuführen“ usw. In solchen Fällen ist zu prüfen, ob das Werk: a) in sich gut und den Anschauungen der Kirche entsprechend ist; b) ob es nützlich ist und der Nutzen ein so außergewöhnliches Mittel rechtfertigt; c) ob es zeitgemäß, ob einem wirklichen Bedürfnisse entsprechend ist; d) ob es nicht einem ähnlichen Werke schadet.. Niemals darf hier die Aussage der begnadigten Person allein genügen.. Geht man (nach gründlicher Prüfung) auf die Offenbarungen ein und erweisen sie sich später doch als falsch, so braucht man die Übernahme des Unternehmens nicht zu bereuen. Die Offenbarungen haben ja nur die Idee geliefert. Die hat man aber auch nur so genommen, wie man gute Gedanken von anderen Personen, die kein besonderes Ansehen haben, verwertet. Die Offenbarungen sind bloß die Veranlassung zur Unternehmung.. Für keinen besteht die Pflicht, die Offenbarungen anzunehmen. Was aber aus ihnen hervorgeht, ist gut für das Wohl der Seele, das sucht die Kirche“.376

376 Poulain 363 und 374

So schreibt klar für alle, die sehen wollen, der erfahrene Poulain. Das lautet doch ganz anders als Dr. Brander schreibt: „Mit den Offenbarungen steht und fällt Liebesbund und Kirchenbau“. Hätte Dr. Brander sich den Meister Poulain wirklich zum Führer genommen, wie er behauptet, dann hätte er einen solchen Satz niemals schreiben dürfen. Poulain sagt doch das gerade Gegenteil von Dr. Brander! „Erweisen sich die Offenbarungen als falsch, so braucht man die Übernahme des Unternehmens nicht zu bereuen“, sagt Poulain. „Mit den Offenbarungen steht und fällt Liebesbund und Kirchenbau“, sagt Dr. Brander, und seine These siegte und verursachte einen himmelschreienden Skandal. Wer von den Lesern wagt es noch, angesichts dieser geradezu empörenden, ganz himmelschreienden Darstellung Dr. Branders sein Werk, d. i. die Zerstörung des Kirchenbaues und die Verfemung unbescholtener Personen, zu verteidigen? Es stand ihm frei, mit soliden Gründen die Echtheit der Schippacher Offenbarungen zu bezweifeln, er konnte auch ein ablehnendes Gutachten über die Offenbarungen, auf soliden Gründen gestützt (wenn er solche hatte), an das Ordinariat erstatten, aber er durfte die Schippacher Texte nicht fälschen, wie ihm Dr. Hans Abel nachgewiesen hat, den Wortlaut päpstlicher Dekrete nicht eigenmächtig ändern zu Ungunsten Schippachs, seine irrigen Meinungen über das „eucharistische Kreuz“, das Sühneleiden, das „eucharistische Herz Jesu“, die Engellehre u. a. nicht für Dogmen ausgeben, er durfte nicht die glatte Unwahrheit vortragen, der Ausdruck „eucharistisches Herz Jesu“ sei von Rom aus verboten, wenn im geraden Gegenteil dieser Ausdruck vom Heiligen Vater sogar mit Ablässen ausgezeichnet wird, er durfte nicht die guten Werke der Barbara Weigand totschweigen, nicht die Kirchenlehre über die Mystik fälschen, andere brave Katholiken nicht verketzern, die Anhänger des Kirchenbaues, zu welchen sein eigener Diözesanbischof zählte, nicht als „einfältige Seelen“ und „blinde Mitläufer“ in aller Öffentlichkeit beschimpfen. Er konnte die Offenbarungen mit soliden Gründen, wenn er solche hatte, ablehnen, aber er mußte in seinem Gutachten und in seinen Publikationen beifügen, was ihm sein Führer Poulain und sein Lehrer Göpfert sagten: Auch wenn Offenbarungen unecht sind, so darf doch eine schöne in sich gute Anregung daraus verwirklicht werden. Das allein ist Wahrheit und wissenschaftliche Ehrlichkeit; alles andere ist Unwahrheit und Irreführung.

Betrachten wir uns also, wie es Poulain verlangt, den Schippacher Kirchenbau von dem erwähnten Standpunkte aus. Wir sollen „prüfen, ob das Werk: a) in sich gut und den Anschauungen der Kirche entsprechend ist.“ Die Schippacher Kirche soll eine katholische Kirche werden, die genau nach den Gesetzen der kirchlichen Baukunst und den Bestimmungen des kirchlichen Gebetsbuches377 gebaut werden soll; diese Kirche soll vom katholischen Bischof geweiht und mit Priestern versehen werden, die ebenfalls vom katholischen Bischof geweiht und bevollmächtigt werden; in dieser Kirche soll römisch-katholischer Gottesdienst nach dem Missale und dem Rituale Romanum gehalten werden: alles wie in den anderen katholischen Kirchen auch. Der Unterschied von anderen Kirchen soll bloß der sein, daß das Allerheiligste Sakrament besonders würdig verehrt wird. Ich glaube sicher, daß eine solche Kirche „in sich gut und den Anschauungen der Kirche entsprechend ist.“ Daß sie den Anschauungen gewisser Herren nicht entspricht, die meinten, eine solche Kirche sei „unnötig“, sei „Geldverschwendung“, man solle das Geld lieber für die Polen oder zum Bau eines Vereinshauses378 verwenden, daß gewisse Herren mit einer solchen Sakramentskirche nicht einverstanden sind, weil sie ihren Anschauungen nicht entspricht, das wissen wir nur zugute. Aber eine Kirche zur besonderen Verehrung des Allerheiligsten Sakramentes ist sicherlich den „Anschauungen der Kirche entsprechend“; und auf die Anschauungen der Kirche kommt es an.

377 Der can. 1164 § 1 CJC verlangt, „ut in ecclesiarum aedificatione vel refectione servenfur formae a traditione christiana receptae et arts sacrae leges“. Vor einigen Jahren – nach Inkrafttreten des Codex – wurde unweit Schippachs eine Pfarrkirche gebaut – doch wohl mit kirchenbehördlicher Genehmigung? – in dem häßlichen Stile einer Fabrik und mit Stationsbildern ausgemalt in den abscheulichen Verzerrungen und Verkleidungen des revolutionären deutschen Expressionismus. Was dort zu Tage tritt, sind gewiß keine formae a tradititione christiana receptae, noch weniger sacraes leges. Wie großes Gewicht der Heilige Stuhl auf die geziemende Ausstattung des Gotteshauses legt, beweist die Tatsache, daß die Bischöfe nach der neuen Relationsformel vom Jahre 1921 die folgende Frage an den Heiligen Stuhl beantworten müssen: „Adsintne in ecclesiis picturae, statuae allaquea a sanctitate loci aliena, vel minus consona liturgicis legibus; et quid fiat ut amoveantur“ (Hilling, Codicis Juris Canonici Supplementum p. 74). Die vorigjährige Internationale Ausstellung dekorativer Kunst in Paris hatte auf dem Gebiete der kirchlichen Kunst nicht annähernd solche Auswüchse der Malerei und Plastik aufzuweisen wie die deutsche Gewerbeschau 1922 in München, wie ich mich persönlich überzeugt habe.
378 Stadtpfarrer Ströbele schreibt unlängst in bezug auf die soziale Irrlehre der deutschen Vereinsmeierei: „Man schließe einmal ruhig eine Zeitlang die Vereinshäuser, man gönne ihnen eine wohlverdiente Schonzeit, sie waren lange Zeit nur gar zu viel benützt, nicht selten auf Kosten des ersten Vereinshauses, des Gotteshauses.. Wer mit offenen Augen das Vereinsleben alten Stiles beobachtet, der wird zugeben müssen, daß die Vereine nicht selten die Einigkeit einer ganzen Gemeinde totgeschlagen haben, daß die Vereine oft einen ganz unchristlichen Standesdünkel großgezogen hatten, der kaum mehr wußte, daß der Verein katholisch ist“ (Liga Merkbuch 1926 S. 25). Am Ostersonntag 1914 wohnte ich in der Peterskirche zu Rom dem vom Kardinalstaatssekretär Merry del Val zelebrierten Hochamte bei. Ich stand inmitten der etwa 20 000 Zuschauer in nächster Nähe des Altares. Alles schaute auf den Altar. Nur hinter mir hörte ich während der ganzen heiligen Handlung zwei mir unbekannte deutsche Priester sich streiten um – nun um die Berechtigung der Kölner oder Berliner Richtung in der Gewerkschaftsfrage. Die Gewerkschaftsfrage ist natürlich viel wichtiger als ein Gebet am Grabe des hl. Petrus!

Poulain verlangt eine weitere „Prüfung: b) ob das Werk nützlich ist und der Nutzen ein so außergewöhnliches Mittel rechtfertigt.“ Daß eine schöne Kirche zu Ehren des Allerheiligsten Sakramentes von großem Nutzen für das Seelenheil wäre, hoffe ich nicht beweisen zu müssen. Die dritte Frage Poulains lautet: „Ob es zeitgemäß, ob einem wirklichen Bedürfnisse entsprechend ist.“ Nun, ich glaube, ein solcher Kirchenbau und die damit verbundene Verehrung der heiligsten Eucharistie sind auch zeitgemäß, wenigstens nach katholischen Begriffen, wenn auch das interkonfessionelle Zeitungspublikum anderer Meinung sein sollte. Daß aber der Kirchenbau überhaupt für Rück-Schippach ein Bedürfnis ist, das ist von allen staatlichen und kirchlichen Behörden schon längst anerkannt. Eine andere Lösung der Frage der Kirchennot in unserer Pfarrei ist aber nach menschlichem Urteil nicht möglich.379 Und ob nicht der Materialismus, in den unsere Gegend infolge der schrankenlosen Industrialisierung zu versinken droht, ein Werk des heiligsten Idealismus zum schreienden Bedürfnis macht? Also auch nützlich, zeitgemäß und einem Bedürfnis entsprechend wäre die Erbauung der Schippacher Kirche. Erst recht schadet der Bau keinem ähnlichen Werke. Somit sind die vier Prüfungsfragen, die Poulain an den Kirchenbau angelegt wissen will, völlig zugunsten des Baues beantwortet, was also wiederum ein günstiges Kriterium für die Offenbarungen sein würde.

379 Herr Oberpfarrer Beyer in Aachen, der uns mit seiner „Gunst“ um unsere notwendige Kirche bringen half, war jedenfalls nicht berufen zu bestimmen, was für eine Kirche für die Gemeinden Rück und Schippach „hinreichend“ sei, wie er es in seinem Vortrag im katholischen Bürgerverein St. Paul zu Aachen getan hat. Aber so ging es, wie wir schon oben gesehen haben: in unsere Kirchenverhältnisse griffen Leute kritisierend, nörgelnd und besserwissend ein, die es nichts anging; als aber das zuständige Pfarramt von Schippach den Sachverhalt in der Presse darlegte und bat, das Urteil über den Schippacher Kirchenbau den berufenen Faktoren zu überlassen, da hat man auf diese zuständige Stelle nicht gehört. Ich glaube auch nicht, daß die Generalversammlung eines Männervereins und ein von Alkoholduft und Tabaksqualm geschwängertes Vereinslokal die passenden Gelegenheiten darbieten, um über die Echtheit oder Unechtheit von Privatoffenbarungen aburteilen zu lassen.

Die Kritik hat bekanntlich „mit absoluter theologischer Gewißheit bis zur Evidenz“ die Unechtheit der Offenbarungen und die Verwerflichkeit des Kirchenbaues „bewiesen“, und zwar wie sie sich rühmt, an der Hand Poulains. Nun haben wir Poulain ebenfalls an der Hand genommen und haben uns von ihm führen lassen. Dabei hat uns unser bewährter Führer über den Schippacher Kirchenbau zwei Dinge laut und deutlich gesagt: a) der Kirchenbau ist eine in sich gute, nützliche, zeitgemäße und den Anschauungen der Kirche entsprechende Sache; b) die Anregung zu dem Kirchenbau „nimmt man so, wie man gute Gedanken von anderen Personen, die kein besonderes Ansehen haben, verwertet. Die Offenbarungen (sc. der Barbara Weigand) sind bloß die Veranlassung zur Unternehmung.. Für keinen besteht die Pflicht, die Offenbarungen anzunehmen.. Erweisen sie sich später als falsch, so braucht man die Übernahme des Unternehmens nicht zu bereuen“.380 Das ist wortwörtlich genau die Meinung Poulains über den Schippacher Kirchenbau. Das ist auch meine Meinung und die Meinung aller derer, die sich ein ruhiges, vorurteilsloses Denken bewahrt haben. Auch an maßgebenden Stellen hat man jetzt erkannt, wie ich authentisch weiß, daß man den Irrgängen einer voreingenommenen Kritik besser nicht gefolgt wäre. Die Erbauung der Kirche hätte man, wie Poulain sagt, „nicht zu bereuen brauchen“; aber die Einstellung des Baues und damit die Verursachung großer materieller und ideeller Schäden hat man schon längst bereuen müssen. – Wie lange noch? Wer findet den Mut, bald das erlösende „Ja“ zu sprechen und dem unehrlichen Spiel ein Ende zu machen?

380 Poulain 374

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3. Die Wirkungen der Visionen

Die mystische Theologie untersucht bei der Frage nach den Kriterien der Echtheit auch die Wirkungen, welche angebliche Visionen und Offenbarungen auf die fragliche Person selber ausüben. Da haben wir nun oben schon gehört, daß die echte Ekstase, Vision und Ansprache die Seele nicht niederschmettert oder furchtsam macht – das ist ein Zeichen falscher Ekstase – , sondern sie mit einem hohen Maße von Kühnheit, Mut und Ausdauer ausrüstet.381 Die Sicherheit solcher innerer Worte ist bei den echten Begnadigten so groß, daß die Seele nach den Worten der hl. Theresia „vom Augenblicke an, wo sie diese Worte hört, nicht mehr schwankt, sie würde sogar dafür zu sterben bereit sein, mag auch der böse Feind sie quälen und zu entmutigen sich bemühen. Das gilt besonders dann, wenn diese Worte den Dienst Gottes und das Wohl der Seelen betreffen, und das Gelingen der Aufgabe schwer zu sein scheint“.382 In ihrem „Leben“ schreibt dieselbe große Mystikerin: „Nach der Ekstase fühlt man einen solchen Starkmut, daß man sich auf der Stelle mit Freuden in Stücke hauen ließe,383 wenn es die Ehre Gottes erheischte. Nun keimen die heldenmütigen Entschlüsse und Versprechen auf.. Nun wird die Fahne Jesu entfaltet. Gleich dem Befehlshaber einer Festung steigt die Seele zur höchsten Zinne empor.. und pflanzt dort die Fahne ihres göttlichen Königs auf. Ruhig, weil sie in Sicherheit ist, blickt sie in die Tiefe und fordert die Kämpfe heraus anstatt sie zu fürchten“.384 „Die Seele hat eine solche Gewißheit, daß diese Erscheinungen von Gott kommen, daß, wenn man ihr auch das Gegenteil sagen würde, sie nicht einmal den Gedanken fassen könnte, getäuscht zu sein“.385 Nun ich glaube nicht mehr beweisen zu müssen, daß Barbara Weigands Glaube an die Echtheit ihrer Visionen und Ansprachen unerschütterlich ist. Die beständigen Vorwürfe ihrer Gegner, sie sei und bleibe hartnäckig, bezeugen das ja. Auch an Starkmut bei aufsteigenden Schwierigkeiten hat es ihr nie gefehlt; ebensowenig kannte und kennt Barbara Weigand Furcht. Somit würde auch dieses Kriterium der Echtheit hier zutreffen.

381 ebenda 252
382 ebenda 295
383 Dr. Brander würde das wohl die „Leidenswut einer Hysterischen“ nennen.
384 Hahn-Hahn 239 ff., 266 ff. und viele andere Stellen
385 Poulain 300

Natürlich werden den Begnadigten auch Leiden und Prüfungen nicht fehlen. „Die Erfahrung lehrt“, schreibt Poulain, „daß Gott denen, die nach Vollkommenheit streben, Prüfungen zu schicken pflegt, und zwar manchmal während des ganzen Lebens“.386 Die großen Mystiker, vorab die hl. Theresia, weisen wiederholt auf diese Erscheinung hin. Wenn dann vollends die Seele von sich aus solche Leiden verlangt, danach dürstet, dann glaubt man mit Recht darin das „sicherste Kennzeichen echter mystischer Gebetsgnaden“, nicht aber Leidenswut von Hysterischen zu erblicken“.387 „Bei allen, welche des mystischen Lebens kundig sind, besteht völlige Übereinstimmung darüber, daß das Geheimnis des Kreuzes, welches im ganzen christlichen Leben sich bekundet, im mystischen Leben erst recht waltet und herrscht“.388 Auch das Kreuz hat Barbara Weigand nie gefehlt. Daß sie gerade ein paar Jahre danach, als sie eine katholische Pfarrei gestiftet hatte, „zertreten, nein zermalmt“ wurde, daß sie in allen Zeitungen an den Pranger gestellt wurde: das war doch ein recht großes Kreuz für eine unbescholtene, „im Rufe der Frömmigkeit stehende Person“, ganz einerlei, ob ihre Offenbarungen echt oder subjektive Selbsttäuschung waren.

386 ebenda 391
387 Richstätter 35
388 Zahn 381 ff.

Unter den Wirkungen, welche eine echte Ekstase und Vision in der Seele zurückläßt, steht auch eine gewisse innere Ruhe bei äußeren Verfolgungen; die deutsche Sprache hat dafür das bezeichnende Wort „Gelassenheit“. „So schmerzlich“, sagt Richstätter, die Seele einerseits auch darunter (sc. unter Verachtung seitens der Menschen) leidet, so empfindet sie es jetzt als Wohltat, wenn sie unverdiente Verachtung, bittere Kränkung, Mißkennung und Demütigung tragen muß“.389 Daß Barbara Weigand wider ihre Gegner aber auch gar keine feindliche Gesinnung hegt, vielmehr diesen sogar positive Beweise der Liebe gegeben hat, daß sie Kreuz und Leid vielmehr zu ihrem „täglichen Brot“ rechnet, habe ich oben eingehend nachgewiesen.

389 Richstätter 83

Als gutes Kennzeichen echter Mystik bezeichnen die Autoren den Herzensfrieden, eine friedliche, fromme Sammlung, eine Stimmung, immer Gott zu loben. Nach den Worten der hl. Theresia regt der Heiland „die Seele zuerst durch Furcht und Verwirrung auf, um sie dann einen glücklichen Frieden genießen zu lassen“.390 Es ist bekannt, wie die Kritiker mit diesem Momente die „Unechtheit“ der Schippacher Offenbarungen angeblich „bewiesen“ haben.391 Die Beweisführung der Gegner ist aber wiederum völlig einseitig, tendenziös. Wenn es der Kritik wirklich um eine objektive, allseitige, gerechte Prüfung zu tun gewesen wäre, dann hätte sie so ehrlich sein und zugeben müssen, daß der Herzensfriede, die innere Ruhe zwar ein beachtenswertes, aber keineswegs absolutes Kriterium der Echtheit von Visionen sei. Schon das eben zitierte Wort der hl. Theresia beweist, daß der Heiland „die Seele zuerst durch Furcht und Verwirrung aufregt“, daß die Wirkung von Visionen also keineswegs bloß Herzensfriede ist. Gerade die hl. Theresia spricht an ungezählten Stellen davon, daß die Vision Unruhe und Zweifel in ihr hervorgerufen habe; diesem Eindrucke kann sich niemand entschlagen, der ihre Schriften je gelesen hat. So bekennt die Herausgeberin ihres „Lebens“ im Vorworte: „Theresia selbst ist keineswegs frei von Furcht. Sie fürchtet, auch sie könne in Täuschungen gefangen werden“.392

390 bei Poulain 301
391 Seherin 71
392 Hahn-Hahn 39

Hören wir einige ihrer Seufzer: „Ich betrat das Oratorium nie ohne tiefe Traurigkeit“; „müde und immer müder wurde meine Seele, und die traurigen Fesseln der Gewohnheit ließen sie nicht zu der ersehnten Ruhe kommen“; als sie bei Männern Aufschluß suchte über innere Fragen, da stieß sie auf die Unwissenheit dieser Seelenführer (,‚ungelehrte Männer“ nennt sie sie); den Aussagen dieser ungelehrten Männer konnte sie, wie sie sagt, „keinen Glauben schenken und blieb beunruhigt. Ein größerer Theologe.. befreite mich von jedem Zweifel“. „Zuweilen auch fragte und klagte meine Seele in ihrer trostlosen Verlassenheit bei sich selbst: Ubi est Deus tuus?“ „Ich empfing keinen Trost vom Himmel.. und keinen Trost von der Erde.. So schwebte sie (meine Seele) gleichsam gekreuzigt leidend zwischen Himmel und Erde und von keiner Seite wurde ihr Hilfe zuteil“. „Es ist auch nicht zu vergessen, daß dieser Ansturm von Desolation nach jenen Gnaden über mich kam“. „Bis es dem Herrn gefiel, mich über diesen Punkt aufzuklären, war meine Seele übel daran. Nur zeitweise hatte sie Trost, und war der vorübergegangen, so fühlte sie sich in ihren Versuchungen und Drangsalen fern von Gott“. „Ich sah, daß meine Beängstigungen in demselben Grade zunahmen, als ich im Gebet höher stieg“. „Als der gottselige Mann dies von mir verlangte, geriet ich in unbeschreibliche Angst und Betrübnis und löste mich in Tränen auf.. Ich fürchtete, Gott lasse um meiner großen Sünden willen Verblendung und Irrtum bei mir zu.. Wohin ich den Blick wenden mochte, ich sah nichts als Schmerz und Gram wie jemand, der mitten in einem Fluß schwimmt..

Grausam sind diese Leiden und sehr behutsam muß man die Leidenden behandeln, besonders wenn es Frauen sind ..393 man bewahre auch ihr Geheimnis wie es schickt.394 Mein Geheimnis ist mir nicht bewahrt worden.. Mir schadete es, daß Dinge allgemein bekannt wurden, welche besser verschwiegen geblieben wären, weil sie nicht für alle Welt sind..395 Zuweilen geriet ich doch in Zweifel, glaubte das nicht, was mir gesagt wurde und hielt es für meine Phantasie.“ „Der Herr läßt die Seele oftmals in der Finsternis.. und deshalb darf man sich nicht wundern, daß ein so armseliges Geschöpf wie ich bei Visionen und Ekstasen in großer Furcht schwebt“.396 Erschrak nicht Abraham bei der Erscheinung der drei Männer, Zacharias bei der Erscheinung des Engels, Maria bei der Verkündigung; erschraken nicht die Hirten auf Bethlehems Fluren, die Frauen am Grabe Christi, die Apostel bei der Erscheinung des Herrn? Wir sehen also, daß Furcht, Schrecken, Zweifel an der Wirklichkeit, Angst vor Täuschung sehr wohl auch bei echten Visionen vorkommen. Es ist darum ganz irrig zu sagen: „Bei echten Visionen ist die Wirkung nur Ruhe und Sicherheit“. Eine solche Behauptung ist einfach ein Faustschlag ins Gesicht der historischen Wahrheit. Das beste Kennzeichen der echten Vision, sagt darum Poulain, ist der Mut, welcher in der Seele zurückbleibt. Bei echten Visionen fehlt dieser niemals, bei unechten dagegen findet sich neben „Verwirrung, Traurigkeit, Aufregung, Unklarheit“ auch „Entmutigung“.397 Ja, Poulain nennt den ,,Zweifel über die Wirklichkeit der empfangenen Gnaden so allgemein, wenigstens im Anfang des mystischen Lebens, daß man erstaunen müßte, wenn eine Seele ihn nicht zu fühlen hätte“.398 Eben derselbe Autor gibt auch die natürlichen Ursachen dieser Verfassung an: „Das Gefühl der Unwürdigkeit, Unkenntnis der wahren Natur dieser außergewöhnlichen Gnaden, Mangel an Leitung“. „Man darf nicht glauben, daß in der Ekstase oder unmittelbar nachher nur Freude und Jubel in der Seele herrschen“.399

393  Also nicht zertreten und zermalmen.
394 Also nicht in allen Zeitungen bekannt machen!
395 Treffen diese Worte nicht buchstäblich auf unseren Fall zu?
396 Hahn-Hahn 128, 133, 236, 259, 262, 286, 301, 306, 323, 502. Ich könnte die Belege dafür, daß mystische Seelen mitunter in großer Traurigkeit, in Unruhe und Zweifel sich befinden, noch vermehren; ich verweise nur auf Paula Reinhard (Jörgensen 94), Benigna Consolata (Vademecum 14), Lucie Christine (51, 123, 151, 159, 198, 223, 256), Theresia vom Kinde Jesu (Drammer 60, 217), Gemma Galgani (Leben 105), Suso ( Görres 56); Maria vom göttlichen Herzen (Chasle 79, 81, 155, 159, 166, 198, 244, 265, 275), Katharina von Siena (Riesch 42), Schwester v. d. Geburt (Leben 21, 143, 434), Emilie Schneider (Richstätter 109, 114, 193), Schwester Fidelis Weiß (Mühlbauer 52 ff).
397 Poulain 362
398 Poulain 409
399 ebenda 247

So die geschichtliche Wahrheit. Was tut nun die Kritik im Falle Schippach? Zunächst fälscht sie diese geschichtliche Wahrheit und macht den unwissenden Lesern vor, bei echten Visionen gäbe es nur eitel Ruhe, Sicherheit, Friede in der Seele, keine Furcht, keine Unruhe, keinen Zweifel. Dr. Brander zitiert zum Beweise ein Wort des Kardinals Bona über die hl. Theresia, woraus hervorgehe, daß bei der Heiligen im Gegensatz zu Barbara Weigand Friede und Ruhe geherrscht habe: „Sie empfand in ihrem Innern tiefen Frieden und heitere Ruhe“.400 Ja, das ist richtig; aber ebenso richtig ist, daß Theresia auch in großer Unruhe lebte, wie wir oben gesehen. Warum verschweigt Dr. Brander diese Tatsache? Wenn er sie kannte, mußte er sie der Objektivität halber bringen, wenn er sie aber nicht kannte, dann hat er den Anspruch verloren, als Sachverständiger zu gelten. Aber freilich: sie paßte ja nicht in seine Methode. Von vornherein hat er bestimmt, daß sich bei echten Mystikern keine Unruhe (abgesehen vom ersten Augenblick) finden dürfe. Nun findet er bei Barbara Weigand Unruhe und Zweifel, ergo sind ihre Visionen unecht. Hätte er die ganze geschichtliche Wahrheit vorangestellt, also auch die Tatsache, daß sich bei echten Visionen auch Unruhe und Zweifel einstellen, dann wäre sein Schluß natürlich unmöglich gewesen. Ist das eine objektive Wissenschaft? Dr. Brander schreibt: „Nach dem Anfall.. setzen bei unserer Seherin die stärksten Zweifel ein, denen sie oft einen ergreifenden und mitleiderweckenden401 Ausdruck gibt“, zum Beispiel „mein Geist liegt in einer Nacht, die keinen Ausweg zu finden weiß, ich bin so entsetzlich geängstigt die letzte Zeit“, „O ich traue mir keinen Tag“. „Wenn ich auch noch sooft höre, daß Du es sein sollst, der mit mir spricht, bin ich immer wieder unruhig, weil ich es nicht weiß von einem Priester, ob es auch wirklich so ist. Wo soll ich mich hinwenden?“402

400 Seherin 59
401 Daher muß sie „zertreten, nein zermalmt“ werden!
402 Seherin 71

Man kann der Kritik nur dankbar sein, daß sie auf diese Tatsachen im Leben der Barbara Weigand hingewiesen hat. Denn diese Selbstbekenntnisse bezeugen doch eigentlich nur, daß Barbara Weigand nicht jene aufgeblähte, rechthaberische, eigensinnige, jeder Einwirkung von seiten ihrer Beichtväter unzugängliche Person ist, als welche sie von ihren Gegnern hingestellt wird. Wie vertragen sich solche Äußerungen mit dem angeblichen „Grundsatz, zu dem sie sich bekennt“, daß sie alle Belehrungen und Einsprechungen von geistlicher Seite her a limine abweise und nur ihrem eigensinnigen Kopfe folge? „Barbara Weigand“, so sagt ihr Gegner Dr. Brander, „öffnet selber allen Täuschungen dadurch Tür und Tor, daß sie dem inneren Geist, der sie treibt, blindlings folgt, auch wenn der Beichtvater und der Bischof und die ganze Welt (?) anders spricht. Sie bekennt sich oft zu diesem Grundsatz“.403 Nun bekunden aber die obigen Selbstbekenntnisse der Barbara Weigand, von der Unruhe und dem Zweifel gerade die Gewissenhaftigkeit dieser Person. Diese Selbstbekenntnisse sagen doch deutlich, daß sie nicht blindlings dem inneren Geiste folgt, sondern daß sie die anders laufenden Reden von Priestern sehr wohl beachtet und mit sich darüber zu Rate geht. Und sollte denn eine Person, deren Leben und Schriften gerade beim Klerus vielfachen Bedenken begegneten, angesichts dieser ablehnenden Haltung von Priestern nicht selber zeitweise in Unruhe und Zweifel versetzt werden? Ja, wenn wir bei Barbara Weigand keine solche Zweifel anträfen, dann wäre der Vorwurf des blinden Gehorsams gegen den inneren Geist eher berechtigt. So aber zeigen jene Äußerungen, daß Barbara Weigand einerseits die Pflicht des Gehorsams gegen die Stimme Gottes in sich fühlt, der sie gehorchen muß, und daß sie anderseits auch die Pflicht des Gehorsams gegen die Stimme der Priester in sich fühlt, der sie ebenfalls gehorchen muß. Aus diesem Widerstreit und bei dem häufigen Mangel einer weisen Führung erklären sich die oben zitierten Selbstbekenntnisse von Unruhe und Zweifel als ganz natürlich. Genau so lehren es die hl. Theresia und der Altmeister Poulain.

403 ebenda 57

Somit können auch die gelegentlichen Sätze von Ungewißheit, Unruhe, Zweifel nicht als Kriterien gegen die Echtheit der Weigand'schen Visionen ausgeschlachtet werden. Was sich bei Barbara Weigand findet, ist ebenso und noch häufiger bei anderen Visionären anzutreffen. Ja, solche Zweifel sind nach Poulain sogar ein gutes Kennzeichen für die Echtheit von Ekstasen und Visionen. Damit ist eine weitere Stütze des Kirchenbauverbotes zusammengebrochen.

Ein anderes Kriterium zur Unterscheidung der Geister liegt nach den Autoren auch darin, „daß die Heiligen nach der Ekstase sich der Erscheinungen erinnern, während das bei Nervenleidenden fast nie der Fall ist“.404 „Ein Merkmal, an dem man die Worte Gottes erkennen kann ist, daß sie sehr lange der Seele wie eingegraben bleiben und daß, einige nie mehr aus derselben verschwinden“.405 Dieses Kennzeichen findet sich bei Barbara Weigand in geradezu auffallender Weise. Die bald 81jährige Greisin erzählt heute noch mit einer verblüffenden Genauigkeit Worte aus inneren Ansprachen, deren sie vor 30 und 40 Jahren gewürdigt wurde, obwohl sich keine Aufzeichnungen mehr in ihrem Besitz befinden.

404 Poulain 253; ebenso das ärztliche Gutachten von 1896, s. o. S. 116 2.
405 ebenda 296

Endlich beurteilen die Autoren die Echtheit oder Unechtheit von Offenbarungen nach dem Nutzen, welchen sie für das eigene und das fremde Seelenheil bewirken. „Man kann sicher sein, daß die Offenbarungen nicht von Gott kommen, wenn sie bloß gewöhnliche Wahrheiten lehren, welche keinen Nutzen für die Ewigkeit haben“.406 Daß in den Schippacher Schriften Dinge stehen, die gerade „keinen Nutzen für die Ewigkeit haben“ und darum als unecht bezeichnet werden müssen, habe ich oben schon ausgeführt; es sind im Wesentlichen die Dr. Brander‘schen „Stichproben“. Daß aber die Grundgedanken der Weigand‘schen Offenbarungen der Kampf gegen Unglaube und Unsittlichkeit, das mutige und offene Glaubensbekenntnis, Gebet, Sühne, öftere Kommunion, Erbauung einer Sakramentskirche „Nutzen für die Ewigkeit“ bringen, dürfte außer allem Zweifel stehen. Schließlich ist der wohltätige Einfluß jener Schriften auf Hunderte von Priestern und Laien oben aktenmäßig nachgewiesen worden. Somit dürfte auch dieses Kriterium der Echtheit auf die Schippacher Schriften zutreffen.

406 ebenda 357

Daß allenfalls Irrtümer keine Instanz gegen die Echtheit von Offenbarungen bilden, haben wir früher eingehend bewiesen; daß Barbara Weigand nicht von zartem Körperbau und feiner Nervenkonstitution ist, sondern über Nerven wie Schiffstaue verfügt, bezeugt der Augenschein und die Beobachtung; daß sie nicht hysterisch ist, tut die Kenntnis der Person und das Zeugnis zweier Ärzte dar; daß sie keine Lügnerin und Betrügerin ist, ist über jeden Zweifel sicher; daß ihre Moralität nicht tief, sondern sehr hoch steht, müssen alle bestätigen, die sie kennen; daß sie aufbauend wirkt, während andere niederreißen,407 das sieht jeder, der einmal über das Trümmerfeld von Schippach gegangen ist. Bleibt noch als letztes Kriterium: „Haben die Offenbarungen die Probe der Zeit und der Kritik bestanden?“408

407 Zahn 630
408 Poulain 364

Zum ersten: „Probe der Zeit“. Wir haben gesehen, daß die Zeit vielen Offenbarungen der Barbara Weigand völlig recht gegeben hat, zum Beispiel von dem Unheil, welches Sozialismus, Liberalismus und Freimaurertum anrichten, von der großen Revolution, von der Schlechtigkeit der Welt, von der Einführung der öfteren heiligen Kommunion, von der Zurückforderung der kirchlichen Rechte vom Staat, von den vielen Heiligsprechungen. Außerdem lebt Barbara Weigand noch, und nach den Autoren soll man die Person erst sterben lassen, bevor man sein Urteil über Offenbarungen abgibt. Prüfen darf und soll man, aber nicht Urteil sprechen! Man soll „erst die Ereignisse sich entwickeln lassen und abwarten, bis die Offenbarungsreihe abgeschlossen ist, ehe man sein Urteil abgibt“.409
Und die „Probe der Kritik“? Nun, an Kritik, Kritikern und Kritikastern hat es den Schippacher Offenbarungen nicht gefehlt. Auch solche, die niemals eine Zeile ihrer Schriften gelesen haben, hielten sich für berechtigt, ihr Urteil abzugeben. Parteipolitische Zeitungen urteilten mit derselben Souveränität über die Geheimnisse mystischen Schauens ab wie sie die Selbstverständlichkeit des für uns siegreichen Kriegsausganges „bewiesen“. Die Schippacher Offenbarungen haben die Probe dieser Kritik wohlbestanden. Daß sie aber auch dem schweren Geschütz der Kritik von Theologen standhalten, dürften die vorausgegangenen Untersuchungen wohl bewiesen haben, wenn auch die Kritiker sich nicht überzeugen lassen.

409 Poulain 364

Endlich noch ein Wort über die „Werke“, die aus den Schippacher Offenbarungen geflossen sind: Liebesbund und Sakramentskirche. Poulain befiehlt die Frage zu beantworten: „Haben die Bischöfe, der Papst sich dafür ausgesprochen und das Werk gefördert“?410 Die Bejahung dieser Frage sei ebenfalls ein gutes Kriterium der Echtheit. Nun: es ist aktenmäßige Tatsache, daß Bischöfe und noch höhere kirchliche Würdenträger sich für die beiden Werke ausgesprochen und sie durch ihr Wort, ihren Segen, durch Empfehlung, Geldspenden und Verleihung von Ablässen gefördert haben und noch fördern. Somit spricht auch das letzte Kriterium zugunsten der Schippacher Offenbarungen.

410 ebenda 365

Sind also die Schippacher Offenbarungen echt oder unecht? Das wissen wir nicht. Doch beachte man das Wort unseres bewährten Führers Poulain: „Sind bei Beurteilung einer Erscheinung oder einer Reihe derselben alle in Betracht kommenden Bedingungen günstig, so kann man die Erscheinung als sehr wahrscheinlich, ja als moralisch sicher erklären. Die Sicherheit ist um soviel größer, je augenscheinlicher die Bedingungen hervortreten“.411 Auf alle Fälle aber gilt das Wort desselben Autors: „Nichts verwerfen ohne gute Gründe und wo die Gründe fehlen, da enthalte man sich des Urteils“.412

411 ebenda
412 Poulain 308

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Zehntes Kapitel

Der Eucharistische Liebesbund
des göttlichen Herzens Jesu

Aufgabe dieser Schrift ist es, das Unhaltbare des Verbotes zum Bau der Schippacher Kirche darzutun, aber auch die Echtheit der Schippacher Offenbarungen darzulegen. Darum kann und soll eine grundsätzliche Würdigung ebenfalls des Eucharistischen Liebesbundes hier nicht erfolgen. Nur der Vollständigkeit halber seien einige geschichtliche Tatsachen wiedergegeben.

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1. Die Urkunden des Liebesbundes

Aufschluß über den Liebesbund geben in authentischer Weise die sogenannten Liebesbundzettel, deren sieben Seiten Text die Statuten und den Zweck des Bundes sowie einige Gebete enthalten. Die Zettel sind, soweit mir bekannt, in deutscher, italienischer, ungarischer, polnischer und holländischer Sprache gedruckt; wenigstens liegen diese Zettel vor. Aufgrund dieser Zettel ergibt sich wörtlich folgendes Bild.

a) Zweck des Liebesbundes

„Der Liebesbund hat zum Zweck, einerseits den Triumph der heiligen Kirche über ihre Feinde herbeizuführen durch Zusammenschluß aller guten und getreuen Kinder der hl. katholischen Kirche aus jedwedem Stande (Priester, Laien und Ordensstand, besonders aber aus dem jungfräulichen Stande in der Welt) zu einer kräftigen Betätigung des katholischen Glaubens durch Ausübung guter Werke jeder Art, besonders des häufigen und täglichen Empfanges der heiligen Kommunion nach dem Beispiele der ersten Christen, um so einen Damm zu bilden gegen den herrschenden Zeitgeist der Glaubens- und Sittenlosigkeit, sowie der religiösen Gleichgültigkeit. Anderseits will dieser Bund, welcher auch ein Gebetsbund sein soll, den Priestern helfen, in Vereinigung mit Maria alle unsterblichen Seelen zu retten, die sich noch retten lassen wollen, durch fortwährendes Beten, Sühnen und Leiden, um auf diese Weise die wahre Nächstenliebe zu betätigen und dazu beizutragen, daß das Reich des göttlichen Herzens Jesu über die Herzen aller Menschen verbreitet werde“.

b) Statuten

Die Liebesbundmitglieder versprechen:

1. daß sie mutig und standhaft, offen und frei den katholischen Glauben bekennen wollen durch treue Beobachtung der Gebote Gottes und der Kirche, sowie durch standhafte Verteidigung der Rechte derselben, insoweit sie dazu berufen sind.


2. daß sie den öfteren, ja täglichen Empfang der heiligen Kommunion nach dem Wunsche des Heiligen Vaters und dem Rate des Beichtvaters fleißig üben und das heilige Sakrament der heiligen Eucharistie mit aller nur möglichen Verehrung und Liebe umgeben wollen.


3. daß sie, sofern es ihnen die Lage gestattet, an allen öffentlichen Kundgebungen des katholischen Glaubens (Wallfahrten, Prozessionen, Kreuzweg, Rosenkranz- und Maiandachten) eifrig teilnehmen, um so ihren Glauben vor aller Welt zu betätigen.


4. daß sie im übrigen ein stilles, zurückgezogenes Leben führen und dem heutigen Zeitgeiste, besonders dem Geiste der Vergnügungssucht, vollständig entsagen wollen.


5. daß sie endlich ein Opferleben führen wollen durch Beten, Sühnen und Leiden in der treuen Erfüllung ihrer Standespflichten, in Ertragung des täglichen Kreuzes und in der geduldigen Hinnahme von Schmach und Verachtung.


6. Die Mitglieder beten täglich die Vereinsgebete (Aufopferung am Morgen und am Abend) und suchen sich von dem Geiste derselben tagsüber zu durchdringen, indem sie sich selbst vergessen, ihre Fehler zu bessern und abzulegen suchen und sich einsetzen für das Wohl der Kirche und für die sündige Menschheit, auf daß bald werde eine Herde und ein Hirt, und die Kirche Gottes auf den heiligen Berg gestellt werde, von wo aus sie überallhin leuchten soll.

So der authentische Text über Zweck und Statuten des Bundes. Es wird sich empfehlen, diesen Text noch einmal langsam, genau, Wort für Wort, Satz für Satz durchzulesen.

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2. Bischöfliche Approbation des Bundes

Die kirchliche Approbation des Bundes, seines Zweckes, seiner Statuten sowie der Vereinsgebete liegt authentisch vor von folgenden Bischöfen, Erzbischöfen und Bischöflichen Ordinariaten:

a) Trient. Nihil obstat. Jos. Hutter, Censor eccl. Nr. 728 Eccl. Imprimatur. Tridenti, die 6. Aprilis 1914. Eug. Mattewi, Vic. glis.

b) Salerno. Salerno, dal P. A., 16 maggio 1914. +Valerio Arciv. di
Salerno, Amm. Perp. di Acerno. L. + S. E. M. D' Allesio P. A. Segret.

Der Erzbischof von Salerno fügt eigenhändig folgende Segenswünsche bei: „Approviamo e benediciamo di gran cuore la Pia Unione Eucaristica di amore col Sacro Cuore di Gesu, inculcandone la piu larga diffusione. Accordiamo l' Indulgenza di 100 giorni a chiunque recifa 1' atto di consecrazione o la preghiera del mattino e della sera.” „Wir approbieren und segnen von ganzem Herzen den frommen Eucharistischen Liebesbund des göttlichen Herzens Jesu, indem wir ihm die weiteste Verbreitung wünschen. Wir gewähren einen Ablaß von 100
Tagen einem jeden, der die Weihe an das göttliche Herz Jesu oder das Morgen- und Abendgebet verrichtet“.

c) München. Nihil obstat. Monachii, die 29. Maji 1914. + Neudecker, Vic. gen.

d) Temesvar. Nihil obstat. Stephanus Fiedler censor eccl. 2886 - 1914. Imprimatur. Temesvarini, die 30. Maji 1914. Julius m. p. episcopus Csanad.

e) Augsburg. Imprimatur. Augustae Vindel, die 23. August 1914. + Dr.
Goebl, Vic. gen.

f) s'Hertogenbusch. Imprimatur. Buscoduci, die 27. Aug. 1915. I. Pompen, Vic. gen.

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3. Bemerkungen

Dieser geschichtliche Tatbestand lag vor, als die Presseangriffe gegen den Liebesbund einsetzten. Auch hier bietet die Schrift Dr. Branders wieder den Hauptteil der gegen den Liebesbund gerichteten Angriffe. Wie bei keinem Punkte der Antischippacher Kritik tritt nun bei der Bekämpfung des Liebesbundes die Befangenheit der Gegner hervor. Fast „photographisch genau“ kann man bei der Kritik Befangenheit und Unbefangenheit unterscheiden.

Hören wir zunächst die unbefangene Kritik!

Gleich da, wo Dr. Brander „die Hauptbegriffe des Liebesbundes“ darlegt, spricht er den sehr wahren, unanfechtbaren, einzig richtigen Satz aus: „Der unbefangene Leser wird alles ohne weiteres im kirchlichen Sinne auslegen“.413 In der Tat: solange Dr. Brander unbefangen ist, legt er auch alles ohne weiteres im kirchlichen Sinne aus. So äußert er sich über den Zweck des Liebesbundes: „Welch schöner Plan! Zusammenschluß aller guten und getreuen Kinder der heiligen katholischen Kirche, um einen Damm zu bilden gegen den herrschenden Zeitgeist“;414 den Gebetszweck des Liebesbundes nennt er „denselben edlen Zweck“, den auch das Gebetsapostolat und die „Vereinigung der Opferseelen“ erstreben.415 Weiterhin meint er: „Was die Mitglieder des Liebesbundes nach den Statuten versprechen sollen: nämlich mutig und offen den katholischen Glauben bekennen, öfters kommunizieren und das heilige Sakrament der Eucharistie mit aller nur möglichen Verehrung umgeben, an allen öffentlichen Kundgebungen des katholischen Glaubens eifrig teilnehmen, dem Geist der Vergnügungssucht vollständig entsagen, ein Opferleben führen in Ertragung des täglichen Kreuzes und in der geduldigen Hinnahme von Schmach und Verachtung – das alles sind treffliche Lebensregeln“.416 Der unbefangene Dr. Brander erkennt demnach ohne weiteres an, daß der Liebesbund eine recht gute Sache ist. Merken wir uns diese Feststellung, die der unbefangene Dr. Brander aufgrund seiner eingehenden Prüfung macht. Nun hat aber derselbe Dr. Brander ebenfalls unwiderleglich bewiesen, daß dieser so gute, treffliche Liebesbund restlos den Offenbarungen der Barbara Weigand entstammt: „Es steht unwiderleglich fest, schreibt er an einer andern Stelle, „daß der Liebesbund nach Form und Inhalt auf die Offenbarungen von Barbara Weigand zurückgeht“.417 Dr. Brander hat also zwei Tatsachen unbefangen festgestellt:
a) der Liebesbund ist eine sehr gute Sache;
b) derselbe Liebesbund stammt nach Form und Inhalt aus den Weigand‘schen Offenbarungen. Was muß denn ein jeder unbefangene Richter und eine objektiv urteilende Wissenschaft aus diesen zwei gegebenen Tatsachen für einen Schluß ziehen?

413 Seherin 17
414 ebenda 18
415 ebenda 29
416 Seherin 31
417 Seherin 74

Wenn man objektiv und unbefangen urteilen will, muß man doch nach allen Regeln wissenschaftlicher Objektivität also schließen: Eine gute Frucht kann nicht auf schlechtem Boden wachsen. Ein schlechter Baum kann nicht gute Früchte bringen und ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte bringen. Wenn die Früchte der Weigand‘schen Offenbarungen so gute sind, dann müssen sie selber auch gut sein. Denn diese Früchte stammen doch „ganz und gar“, „mosaikartig“, „photographisch genau“, „nach Form und Inhalt“ aus den Weigand’schen Offenbarungen. Wider seinen Willen hat also der unbefangene Dr. Brander die schönste Apologie des Liebesbundes und der Offenbarungen geliefert. Dabei hat Dr. Brander nur aufgrund der Liebesbundzettel und der Offenbarungshefte geurteilt. Wenn er erst noch die Guttaten, die meine Pfarrei den Liebesbundmitgliedern verdankt, kennte, dann würde das Urteil über diesen schönen Bund und seine Wurzel noch günstiger ausfallen müssen.

So also lautet das Urteil, solange Dr. Brander unbefangen die Tatsachen befragte. Nun wollen wir hören, was die befangene Kritik aus demselben Liebesbund und seinem Fundament gemacht hat!

a) Aus den Statuten

Bezüglich dieser Statuten sagt der befangene Leser Dr. Brander: „Wer die Statuten des Liebesbundes aufmerksam durchliest, der wird zunächst einen widerlich süßlichen, sentimental-romanhaften Zug darin finden“.418 Nun bitte ich, die Statuten noch einmal aufmerksam durchzulesen und zu sagen, wo in jenen Statuten der „widerlich süßliche, sentimental-romanhafte Zug“ liegen soll! Weiter findet Dr. Brander in den Statuten des Liebesbundes „gewisse auffallende Wendungen und Betonungen“, zum Beispiel, wenn neben Priester-, Laien- und Ordensstand „besonders aber die Jungfrauen in der Welt“ hervorgehoben werden, oder Wendungen wie „die liebsten Kinder Seines Herzens“, „Aufnahme in die Zahl der bevorzugten Kinder der heiligen Kirche“, „in den Bund der Liebe, den Christus mit der Menschheit geschlossen“, ferner manche Übertreibungen, endlich die im Stile von Verheißungen gehaltene Rede”,419 so Dr. Brander.

418 Seherin 17
419 ebenda

Nun bitte ich wiederum, die Statuten des Liebesbundes, wie sie das Statutenbüchlein enthält und wie sie auch bei Dr. Brander420 abgedruckt sind, durchzulesen und anzugeben, wo sich solche von Dr. Brander inkriminierten Stellen in diesen Statuten finden! Aber auch keine einzige Silbe davon ist in den Statuten zu finden, mag man sie befangen oder unbefangen durchlesen! Selbst wenn sie darin stünden, so wären solche Wendungen, wie sie sich in sehr vielen anderen Gebetszetteln auch finden, noch nicht schlecht, aber sie stehen ja nicht einmal darin. Man erinnere sich, wie Dr. Brander oben mit der gedruckten Indexregel umgegangen ist, man sehe hier, wie er den gedruckten Statuten Wendungen unterschiebt, die gar nicht darin zu finden sind, dann wird man sich ein Bild davon machen können, wie Dr. Brander mit den handgeschriebenen Schippacher Schriften umgegangen sein mag! Auf diese sehr, sehr bedenkliche Seite der Dr. Brander‘schen „gründlichen Prüfung“ hat schon Dr. Hans Abel in seiner Abwehrschrift hingewiesen. Überhaupt ist das Ganze sehr bezeichnend für die Dr. Brander‘sche Methode: noch bevor er die Statuten des Liebesbundes abdruckt, hat er das Urteil über diese Statuten gefällt; bevor die Urkunden dem Leser vorgeführt werden, hat Dr. Brander schon sein Lesepublikum gegen diese eingenommen. Ist das eine objektive historische Wissenschaft?

420 Seherin 18 
 

b) Aus dem Zweck

Wir haben oben den Zweck des Liebesbundes nach seiner authentischen Urkunde kennengelernt; auch Dr. Brander hat den betreffenden Passus über den „Zweck des Liebesbundes“421 wörtlich abgedruckt. Solange er unbefangen war, las er nur Gutes daraus. Als er aber die Brille der Befangenheit aufsetzte, was las er da heraus? Hören wir, was Dr. Brander auf einmal für einen ganz neuen Zweck des Liebesbundes herausliest!

421 Seherin 18

Das ist der Liebesbund „gestiftet zu dem Zwecke, einander im Widerstand gegen Beichtväter und kirchliche Vorgesetzte zu bestärken“;422 da ist „der ausgesprochene Zweck des Liebesbundes, die Schriften der Barbara Weigand und ihre Ideen zu verbreiten.423 Im Liebesbund „soll nicht der Herr in erster Linie bekannt werden, sondern Barbara Weigand, nicht das Evangelium, sondern die Schriften der Seherin“.424 Ich frage jeden Leser: Wo steht in den Statuten oder in den Sätzen über den Zweck des Liebesbundes oder in den Schriften der Barbara Weigand eine Silbe davon, daß der Liebesbund gestiftet sei „zu dem Zwecke, einander im Widerstande gegen Beichtväter und kirchlichen Vorgesetzten zu bestärken?“ Da Statuten und Zweck des Liebesbundes „mosaikartig“, „ganz und gar“, „nach Form und Inhalt“ aus den Weigand‘schen Offenbarungen stammen, wie Dr. Brander nachgewiesen hat, so muß er diese Frage beantworten, wenn er nicht den Vorwurf auf sich laden will, er habe Dinge behauptet, die nicht wahr sind. Man sieht daraus, wie Dr. Brander seine Leser hat täuschen können, bevor er ihnen die Urkunden des Bundes vorgelegt hatte. Als er ihnen dann diese vorlegte (bezeichnenderweise im Kleindruck, während er seine Ausführungen über Zweck und Statuten im Groß- und Sperrdruck gibt!), da war das Zerrbild des Liebesbundes in den Köpfen der Leser bereits so gut bewirkt, daß Dr. Brander ’s Worte fast blindlings geglaubt wurden.

422 Seherin 9
423 ebenda
424 ebenda 33

Gott sei Dank ist aber der Liebesbund nicht jenes Scheusal, welches Dr. Brander gezeichnet hat. Denn sonst müßte ja das Bischöfliche Ordinariat Würzburg und der Hochwürdigste Herr Erzbischof von Bamberg als Administrator der Diözese Würzburg samt dem Bayerischen Kultusministerium in peinlichste Verlegenheit kommen, da diese höchsten Instanzen im Jahre 1921 über 30 000 Goldmark von eben denselben Liebesbundmitgliedern zur Errichtung der römisch- katholischen Pfarrei Rück-Schippach sanktionierten – also von jenen schlechten Leuten, welche nach Dr. Brander einen Bischof „in die Hölle versetzen und die katholische Hierarchie gesprengt“ hatten!! Und auf dieses „Werk einer Sekte“ wurde der Pfarrer von Rück-Schippach am Bischöflichen Ordinariat Würzburg vereidigt! Zu solchen Ungereimtheiten führt das Zerrbild, das Dr. Brander vom Liebesbund zeichnet.

Geradezu köstlich zu lesen ist im Dr. Brander‘schen Buche das 5. Kapitel mit der Überschrift: „Die Schippacher Gefahr“. In diesem Kapitel behandelt der Verfasser „Die Schippacher Gefahr“ unter den Titeln:
1. Der Liebesbund ist entbehrlich.
2. Der Liebesbund ist gefährlich.
3. Der Schippacher Kirchenbau.
Was in diesem Kapitel an „Unsinn“, um mit Krebs zu reden, produziert wird, übersteigt alle Schranken. Nur auf einiges sei kurz hingewiesen. Der Liebesbund sei entbehrlich, meint Dr. Brander und „beweist“ natürlich diese seine These „unwiderleglich“. Als Hauptargument für die Entbehrlichkeit des Liebesbundes bringt er die Tatsache, daß der Zweck des Liebesbundes „entweder bereits durch das Evangelium ohnehin geboten oder aber schon in anderen Bruderschaften und Gebetsvereinen verwirklicht“ sei.425 Nun hat Dr. Brander bekanntlich herausgefunden, daß der Liebesbund „gestiftet ist zu dem Zwecke, einander im Widerstande gegen Beichtväter und kirchliche Vorgesetzte zu bestärken“. Wenn diese Angabe Dr. Branders richtig ist, dann ist es also „bereits durch das Evangelium ohnehin geboten oder aber schon in anderen Bruderschaften und Gebetsvereinen verwirklicht“, „einander im Widerstande gegen Beichtväter und kirchliche Vorgesetzte zu bestärken“? Soweit kommt man, wenn man anstatt von den authentischen Dokumenten von vorgefaßten Meinungen ausgeht!

425 Seherin 73

Dr. Brander zählt sodann jene Bruderschaften und Gebetsvereine auf, welche angeblich die Zwecke des Liebesbundes bereits verwirklichen, soweit diese nicht ohnehin durch das Evangelium vorgeschrieben sind. Diese Bruderschaften und Vereine sind nach Dr. Brander: 1. Die Erzbruderschaft vom Allerheiligsten Sakrament. 2. Die Herz-Jesu- Bruderschaft. 3. Der Verein der Priester der Anbetung des Allerheiligsten Altarsakramentes. 4. Der Priesterverein „Associatio perseverantiae sacerdotalis“. 5. Die Erzbruderschaft von der Ewigen Anbetung des Allerheiligsten Sakramentes. 6. Das eucharistische Priesterbündnis zur Verbreitung der häufigen und täglichen Kommunion. 7. Der Verein zur Förderung der Kinderkommunion. 8. Die Bruderschaft der Ehrenwache des göttlichen Herzens Jesu. 9. Die Vereinigung der Opferseelen des göttlichen Herzens Jesu. 10. Die Erzbruderschaft des heiligsten und unbefleckten Herzens Mariä zur Bekehrung der Sünder. 11. Das Gebetsapostolat.426 Nach Dr. Brander ist jeder Gebetsverein „überflüssig und entbehrlich“, dessen Zwecke bereits in anderen frommen Vereinigungen verwirklicht werden. Ich frage: Soll dieser Grundsatz bei allen kirchlichen Vereinen angewandt werden? Müßte da nicht vor allem einmal authentisch festgestellt sein, was unter den Begriff „notwendig“ fällt? Die Feststellung dieses Begriffes könnte natürlich nicht jedem beliebigen geistlichen Schriftsteller zukommen, sonst gäbe es soviel verschiedene Definitionen als Köpfe. Nach der Dr. Brander ’schen Auffassung von „notwendig“, „zulässig“ und „überflüssig“ würde Beringers Buch über die Ablässe ebenso dünn werden müssen wie die vier Bände Brevier sehr zusammenschmelzen würden, wenn seine Grundsätze über die Mystik, die Hagiographie und die Hermeneutik Geltung erlangen würden. Wenn Dr. Brander meint, daß ein bereits in einem Gebetsverein verwirklichter Zweck in einem andern frommen Verein nicht mehr verwirklicht zu werden brauche, so müßten doch von den 11 Vereinen, welche nach Dr. Brander die Zwecke des Liebesbundes bereits verwirklichen, wohl auch die meisten überflüssig und entbehrlich sein. Denn von den 11 genannten Vereinen verwirklichen einige auch Zwecke, die schon in zeitlich vorhergehenden verwirklicht wurden oder im Evangelium ohnehin vorgeschrieben sind. Wenn nun aber schon einmal 11 fromme Vereine mit vielfach demselben Zwecke existieren dürfen, ohne daß sie überflüssig sind, dann darf auch das Dutzend vollendet und ein zwölfter Verein gegründet werden; er wird dann wohl ebensowenig überflüssig sein wie der 10. oder 11. Verein. Eine Gefahr ist aber ein solcher Verein auch, wenn er wirklich überflüssig sein sollte, deswegen noch lange nicht. Da von den 11 genannten Vereinen zudem keiner seine Wiege in Deutschland stehen hatte, so wäre es schon etwas wert, wenn die deutschen Katholiken auch einmal einen frommen Verein mit so schönem Zwecke zuwege brächten. Sie stehen doch auch sonst im Vereinswesen an der Spitze aller Länder! Aber nein! „Gott bewahre uns davor!“ Dafür sind wir auch die „nüchternen Deutschen“.

426 Seherin 73 ff.

Ich war überhaupt immer der Meinung, es sei Sache der zuständigen kirchlichen Behörden zu bestimmen, was für die Gläubigen gut, nützlich, notwendig und was für sie überflüssig und entbehrlich sei. Ich glaube zudem auch, die römisch-katholischen Bischöfe, Erzbischöfe und Ordinariate, welche den Liebesbund approbierten, hatten im Jahre 1914 und 1915, also vor den „Enthüllungen“ Dr. Brander‘s über die Entbehrlichkeit kirchlicher Vereine, auch schon einige Kenntnis von den anderen 11 frommen Vereinigungen und deren Zwecken. Es bedurfte für diese Bischöfe gewiß nicht mehr der schulmeisterlichen Belehrung, was notwendig, zulässig oder überflüssig sei. Wenn jene Bischöfe, Erzbischöfe und Ordinariate trotz des Bestehens von elf Vereinen noch einem zwölften die kirchliche Billigung gaben, so haben sie damit gezeigt, daß sie diesen zwölften Verein nicht für entbehrlich und überflüssig hielten. Nach der Darstellung Dr. Brander ’s hätten sich jene Bischöfe, Erzbischöfe und Ordinariate mit überflüssigen und entbehrlichen Dingen befaßt, hätten einem überflüssigen und entbehrlichen Gebetsverein „die weiteste Verbreitung gewünscht“ und überflüssige und entbehrliche Gebete mit Ablässen ausgezeichnet! Ich weiß nicht, ob diese Kritik an dem amtlichen Verhalten von geistlichen Behörden, diese in aller Öffentlichkeit von den Gegnern Schippachs an den Maßnahmen der Bischöfe geübte Kritik sich noch mit dem Amte des Sittenrichters verträgt, welches die Gegner so prätentiös vor sich hertragen.

„Der Liebesbund ist nicht bloß unnötig, sondern auch höchst gefährlich“, so beginnt Dr. Brander, nachdem er die „Entbehrlichkeit“ des Bundes „unwiderleglich bewiesen“ hat, seinen zweiten Abschnitt des Kapitels über „die Schippacher Gefahr“. Auch hierbei ist es geradezu ergötzlich, die Argumente zu lesen, welche Dr. Brander zum Beweise der „Gefährlichkeit“ des Bundes einsetzt.

Der erste Beweis für die „Gefährlichkeit“ des Bundes ist dieser: „Es steht unwiderleglich fest, daß er nach Form und Inhalt auf die Offenbarungen von Barbara Weigand zurückgeht“.427 Zwei Seiten vorher, wo Dr. Brander seinen Kampfritt beginnt, versichert er, er wolle die Gefährlichkeit des Liebesbund beweisen „ganz abgesehen von seinen Beziehungen zu Barbara Weigand“.428 Auf den ersten zwei Seiten danach hat Dr. Brander sein Versprechen gehalten und von Barbara Weigand abgesehen; es ist dies der Abschnitt über die „Entbehrlichkeit“ des Bundes. Wie wenig er aber mit diesem Abschnitt eine „Gefahr“ „bewiesen“ hat, haben wir vorhin gesehen. Dr. Brander scheint das gefühlt zu haben, daß er die „Gefährlichkeit“ des Bundes nicht beweisen könne, wenn er wirklich von Barbara Weigand absehe. Da aber das Axiom von der „Gefährlichkeit“ des Liebesbund bereits von vornherein bei ihm feststand, da man es ferner zum staatlichen Bauverbot brauchte und da die Überschrift „die Schippacher Gefahr“ bereits geschrieben war, so blieb ihm nichts anderes übrig, als wieder zur Quelle alles Schlechten zurückzukehren. Seinen in einer Anwandlung von Objektivität gefaßten Entschluß, von Barbara Weigand ganz abzusehen, hat er in seinem unobjektiven „Widerwillen“ gegen die Seherin schon zwei Seiten nachher wieder ganz vergessen und mit Emphase ,,beweist“ er die „höchste Gefährlichkeit“ des Liebesbund mit der Begründung: „Denn es steht unwiderleglich fest, daß er nach Form und Inhalt auf die Offenbarungen von Barbara Weigand zurückgeht“. Ist das „ganz abgesehen von seinen Beziehungen zu Barbara Weigand?“ Sodann beachte man wieder den Mangel an Logik in der Dr. Brander ’schen Beweisführung: Dr. Brander beweist bekanntlich die Unechtheit der Offenbarungen mit der Schlechtigkeit des Liebesbundes. Vierzig Seiten lang enthüllt er das Scheusal „Liebesbund“, um sodann auf S. 41 fortzufahren: „Schon aus dem Bisherigen war mit Sicherheit (!) zu erkennen, daß die Offenbarungen der Barbara Weigand unecht sind“. Auf Seite 74 aber beweist er die Schlechtigkeit des Liebesbundes mit der Schlechtigkeit der Schippacher Offenbarungen: „denn es steht unwiderleglich fest, daß er nach Form und Inhalt auf die Offenbarungen von Barbara Weigand zurückgeht“. Oben hieß es: Die Offenbarungen sind verwerflich, weil der Liebesbund verwerflich ist. Jetzt heißt es: Der Liebesbund ist verwerflich, weil die Offenbarungen verwerflich sind. Einen solchen „Unsinn“, um mit dem Sachverständigen Krebs zu sprechen, konnten die Gegner des Kirchenbaues ihrem kritiklosen Lesepublikum vorsetzen. Es ist dies aber nicht der einzige circulus vitiosus, den Dr. Brander begeht; wir mußten ihm deren schon mehrere nachweisen. Aber schon sein Lehrer Stölzle hat ihn seinerzeit belehrt, daß man von zwei zu beweisenden Sätzen niemals den ersten durch den zweiten und wiederum den zweiten durch den ersten stützen darf.

427 Seherin 74
428 ebenda 72

Das zweite Argument, womit Dr. Brander „die Größe der Gefahr“ beweist, lautet: „Die Stifter des Liebesbundes sind entschlossen, unter allen Umständen und gegen alle Instanzen ihre Sache durchzuführen, indem sie der Stimme Gottes gehorchen zu müssen vorgeben“.429 Wenn es kaun wirklich die Stimme Gottes ist? Aber einerlei: ob Stimme Gottes oder eigene Stimme: Der Rekurs nach Rom ist auf jeden Fall eine gute Sache. Es ist das Recht eines jeden katholischen Christen, in Beschwerden beim kirchlichen Richter Gehör zu finden. So sagt can. 1646 CJC: „Quilibei potest in iudicio agere.“ Die höchste Rechtsinstanz ist aber der Heilige Stuhl nach can. 1597: „Romanus Pontifex pro toto orbe catholieo ad normam can. 1569 iudex est supremus.“ Es ist ferner ausgesprochene kirchliche Lehre, daß die Gläubigen ihre Rechtssache unmittelbar schon in 1. Instanz an den Apostolischen Stuhl bringen können; erst recht muß ihnen der Weg nach Rom im Berufungsverfahren offen stehen und darf nicht durch Drohungen dem Gange der Gerechtigkeit in die Arme gefallen werden. Es ist bezeichnend für den Mangel alles Rechtsempfindens bei der Kritik, daß sie den Freunden des Baues nicht einmal dieses klar normierte formale Recht zugestehen will. Nach der deutschen Theologie von Dr. Brander ist es eine hohe Gefahr, wenn sich ein katholischer Christ nach Rom wendet!

429 Seherin 75

Es ist zudem sogar ausdrücklich die kirchliche Vorschrift, Privatoffenbarungen von lebenden Personen vor der Drucklegung nach Rom zu geben. Aber wie Dr. Brander den Freunden Schippachs es als Gefährlichkeit ankreidete, daß sie Rekurs nach Rom ergriffen, so setzte er sich auch über diese kirchliche Vorschrift hinweg und publizierte in fieberhafter Eile im Jahre 1916 in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern Teile der Schippacher Offenbarungen. Diese Publikationen Dr. Brander ’s sind ein gröblicher Vertrauensbruch; denn die Niederschriften der Offenbarungen waren durch das Ordinariat von Barbara Weigand eingezogen worden „zur Berichterstattung an die Päpstliche Nuntiatur“, nicht zur Publikation in den Zeitungen; sie sind ferner ein Verstoß gegen das Urheberrecht und eine Verletzung einer päpstlichen
Vorschrift.

Wenn also katholische Christen im Gehorsam gegen das Kirchengesetz von ihrem Rechte Gebrauch machen und sich nach Rom wenden,430 dann zeigt das „die Größte der Gefahr“!! Jawohl, der Rekurs nach Rom ist eine Gefahr, aber nicht für die katholische Kirche, sondern für gewisse Personen, welche Rom ausschalten wollten, Kardinälen Verleumdung vorwarfen und päpstliche Dekrete änderten. Can. 2360 CJC bestimmt ausdrücklich in § 1: „Omnes fabricatores vel falsarii litterarum, decretorum vel rescriptorum Sedis Apostolicae .. incurrunt ipso facto in excommunicationem speciali modo Sedi Apostolicae reservatam“. Wenn nun gewiß auch der Tatbestand dieses Gesetzes bei der irreführenden Übersetzung der Indexregel nicht gegeben ist, so mag man doch daraus ersehen, mit welchem Ernste die Kirche über die Integrität ihrer Erlasse wacht und wie groß die Schuld derer ist, die ein päpstliches Dekret so irreführend übersetzten, daß damit ein Millionenprojekt vernichtet und untadelige Personen der Sektiererei beschuldigt wurden – von allen Kanzeln herab. Man vergesse nicht, daß auf der Prüfung Dr. Brander‘s das Vorgehen des Ordinariates Würzburg und indirekt auch das Vorgehen der anderen Ordinariate sowie auch das staatliche Bauverbot beruht! Das ist die eigentliche Ungeheuerlichkeit, die auch heute noch anhält und das berechtigte Verlangen aller treukatholischen Freunde der Schippacher Sache zutiefst berührt.

430 Gerade der Rekurs der Liebesbundstifter nach Rom zeigt, daß sie keine „Häretiker“ oder „Sektierer“ sind. Solche gehen nicht zum Papst, um von ihm Recht zu erlangen.

Das dritte Argument Dr. Branders für die „Gefährlichkeit“ des Liebesbundes ist dieses: „Die Stifter des Liebesbundes sparen weder Lob noch Tadel, weder Versprechungen noch Drohungen, weder Schmeicheleien noch Beschimpfungen, um Priester und Laien zum Glauben an ihre Privatoffenbarungen zu bewegen“.431 „Privatoffenbarungen“? Ist das nicht schon wieder eine „Beziehung zu Barbara Weigand“, von der Dr. Brander „ganz absehen“ wollte? Man vergleiche übrigens mit diesem Argument den eingangs dieser Schrift abgedruckten Urteilstenor der Kritik mit seinen Beschimpfungen ehrenwerter Personen und den Schmeicheleien an das tugendhafte „Volk“, an die „Bevölkerung“ in Würzburg und an die so überaus sachverständigen Mainzer „Dienstmädchen“!

431 Seherin 76

Viertes Argument Dr. Brander‘s für die „Gefährlichkeit“ des Bundes: „Die Stifter des Liebesbundes suchen auch andere (besonders Priester) zu Aposteln ihrer Ideen zu machen und den Geist der Schriften zu verbreiten“.432 Ungeheure Gefahr, wirklich: auch andere für jenen „schönen Plan“, jene „trefflichen Lebensregeln“ zu gewinnen! „Schriften“? Das ist ja schon wieder eine Beziehung zu Barbara Weigand, von der Dr. Brander „ganz absehen“ wollte!

432 ebenda

Fünftes Argument für die „Größe der Gefahr“: „Die Stifter des Liebesbundes haben von Anfang an ihre Agitation heimlich getrieben und waren nie verlegen um einen Ausweg, wenn die bisherigen Pläne auf Widerstand stießen“.433 „Heimlich“ soll wohl heißen: sie haben in Zurückgezogenheit unter Verschmähung der modernen Propagandamittel den schönen Zweck ihres Bundes verbreitet. Die Pressehetze gegen Schippach und der Ruf nach der Polizei waren allerdings nicht „heimlich“, sondern leider nur zu „öffentlich“. „Die Stifter des Liebesbundes“ fährt Dr. Brander fort, „sind nie verlegen, wenn sie auf Widerstand stoßen“. Es ließe sich ein ganzes Kapitel schreiben über die kluge Art, wie Barbara Weigand auf alle Anklagen und Einwendungen zu antworten weiß“.434 Die Stifter des Liebesbundes sind nach Dr. Brander bekanntlich „drei krankhaft veranlagte Frauenspersonen“435 und ein „später an Gehirnerweichung“ sterbender Kapuziner. Das Haupt dieses Bundes ist nach Dr. Brander die Frau „mit dem kranken Hirn“. Diese sind also „nie verlegen“ und verteidigen sich auf „kluge Art“ selbst gegen Theologen; sie scheinen also doch nicht so geistesschwach zu sein, wie man die Anhänger der Schippacher Offenbarungen gerne hinstellt. Ist übrigens eine „kluge Art“ der Verteidigung eine „Gefahr“? Für wen denn? Doch nicht für die Kirche, welcher kluge Leute und solche, die sich im Kirchenrechte auskennen, gewiß nur willkommen sein können?

433 ebenda 77
434 Seherin 78
435 ebenda 9

Das letzte Argument, womit Dr. Brander die „Gefährlichkeit“ des Liebesbundes „beweist“, lautet: „Die Stifter des Liebesbundes können gerade jetzt in der Gegenwart scheinbar auf drei Dinge als auf angebliche himmlische Bestätigung ihrer Privatoffenbarungen (ist das nicht schon wieder eine „Beziehung zu Barbara Weigand“?) hinweisen: erstens auf die tatsächlich durch einige Ordinariate erfolgte Approbation des Liebesbundes und die tatsächliche Inangriffnahme des Schippacher Kirchenbaues; zweitens auf die Kommuniondekrete Pius X., welche ihre Forderung der öfteren Kommunion zu erfüllen schienen und drittens auf das sooft prophezeite Blutbad, wie es jetzt im Weltkriege eingetreten sei“.436

436 ebenda 78 ff.

Nun besehe man sich die Logik des letzten Argumentes. Weil sich die Stifter des Liebesbundes auf die drei ihnen günstigen Umstände berufen können, deswegen ist der Liebesbund eine Gefahr! Wäre es nicht viel logischer gewesen, wenn Dr. Brander also geschlossen hätte: „Die für den Liebesbund sprechenden Umstände können wir nicht leugnen, er scheint also doch nicht so von ungefähr zu sein“?, wie man logischerweise aus dem Vorhandensein dreier so gewaltiger Zeugen schließen kann: „Also ist der Liebesbund eine Gefahr“, ist mir unerklärlich. Weil die Kommuniondekrete die öftere heilige Kommunion einführen, wie es die Stifterin des Liebesbundes oft vorhergesagt, deswegen ist diese Person samt ihrem Bund eine „Gefahr“? Weil Barbara Weigand die Einführung der öfteren Kommunion, die Inangriffnahme des Kirchenbaues und das große Blutbad richtig vorhergesagt hat, deswegen ist sie eine Gefahr? Die drei eingetretenen Umstände mußten noch nicht gerade für die Notwendigkeit des Liebesbundes gedeutet werden, es stand Dr. Brander frei, sich davon überzeugen oder nicht überzeugen zu lassen, aber eine Gefahr durfte er nicht daraus machen, wenn andere diese Umstände mit Recht zu ihren Gunsten deuteten; das war unlogisch und voreingenommen.

Die Behandlung dieser drei dem Liebesbund günstigen Tatsachen durch Dr. Brander ist wieder ein Schulbeispiel seines Mangels an Objektivität. Wir wissen, wie Dr. Brander vier enggedruckte Seiten seiner Schrift, außerdem lange, enggedruckte Spalten von Tageszeitungen in großem Format den „Zipfelhauben“ der Barbara Weigand widmet; über die äußerst zahlreichen, mitunter klassisch schönen Stellen in jenen Schriften, wo Barbara Weigand über die Notwendigkeit der Einführung der öfteren heiligen Kommunion spricht, geht er mit Stillschweigen hinweg, und die einzig dastehende, unanfechtbare Tatsache, an der alle Angriffe gegen Schippach zerschellen, die Tatsache, daß die Kommuniondekrete Pius X. die Prophezeiungen der Barbara Weigand voll und ganz erfüllt haben, tut Dr. Brander in der ganzen Schrift von 86 Seiten in Großoktav, etwa 4 000 Druckzeilen und mindestens 40 000 Worten – mit ganzen 15 Worten in anderthalb Zeilen ab! Das sagt genug!

Wir haben die „Beweise für die Größe der Gefahr“ im Wortlaut wiedergegeben, wie sie sich im Buche Dr. Brander‘s finden. Sie haben uns gezeigt, daß diese Argumente die „Schippacher Gefahr“ nicht beweisen. Wenn man sonst keine Beweise für den schweren Vorwurf hat, der Liebesbund sei eine große Gefahr für die Kirche, dann ist dieser Vorwurf eine schwere Verleumdung. Als Pfarrer von Rück-Schippach, also in meiner kirchenamtlichen Eigenschaft, danke ich vielmehr den noch lebenden und den bereits verstorbenen Mitgliedern jenes Bundes für den wohltätigen und uneigennützigen Sinn, mit dem sie zwei armen Spessartgemeinden das zur Stiftung einer Pfarrei und zum Ankauf eines Pfarrhauses nötige Kapital geschenkt, ein Haus für Kinder und Krankenschwestern gekauft und den Paramentenschatz zur Verherrlichung des eucharistischen Gottes bereichert haben.437 In den früheren Jahrhunderten hatten die Wohltäter von Kirchen und Stifter von Pfründen mancherlei Ehrenrechte: ihre Namen wurden in die Diptychen eingetragen und beim Gottesdienste verlesen, sie hatten einen ausgezeichneten Platz in der Kirche, erhielten zuerst das Weihwasser, die Kerze an Lichtmeß und die Palme am Palmsonntag. So ehrte die Kirche kraft heiligen Rechtes ihre Gönner und Wohltäter. Heute ist es anders. Da fällt man in den Zeitungen, politischen und theologischen Zeitschriften, selbst in Handbüchern der Mystik über sie her und verfemt fromme und wohltätige katholische Christen just zur selben Zeit, als dieselben Personen zwei armen Spessartgemeinden eine katholische Pfarrei stiften, ein Pfarrhaus kaufen, einen grossen Baufond übergeben, ein schönes Gebäude für Kinder und Krankenschwestern schenken, einen herrlichen Paramentenschatz überlassen und Hunderttausende Goldmark für eine schöne Kirche spenden. Das sind Werke echt christlicher Caritas: das Reich Gottes ausbreiten helfen, Seelsorgestellen schaffen, den Kranken und Kindern barmherzige Pflege ermöglichen. Wie sagen die Autoren? „Ihr Glück suchen die Begnadigten in Selbstlosigkeit und im Dienste anderer.. Im Dienst der Brüder muß sich die begnadigte Seele bewähren“ (Poulain, Zahn). Die Spötter haben uns keinen Pfennig in unsere armen Dörfer geschickt, wohl aber Tonnen des Spottes über Schippach ausgegossen. Aber die Verfemten, Verketzerten, Vielgeschmähten haben nicht aufgehört, uns Gutes zu tun. Ex fructibus cognoscetis eos. Müßte ich nicht ein erbärmlicher Wicht sein, wenn ich diese offenkundigen Wohltaten sehe und den selbstlosen Guttätern den schuldigen Dank vorenthielte? Nein, mit solchem Makel werde mein ehrlicher Name nicht befleckt! Wer je in einer armen Gemeinde Pfarrer war, wird sich in meine Seele hineindenken können. Darum Dank euch Liebesbundmitgliedern für eure Wohltaten an meiner Pfarrgemeinde! Laßt die Spötter weiterspotten! Der göttliche Richter, der einen Trunk Wassers belohnen wird, wird euch den Lohn für eure Guttaten nicht vorenthalten.

437 Nach dem letzten Willen von Fräulein Hannappel sollte ihr schwarzes Seidenkleid zu einem Meßgewand umgearbeitet und dieses dem Schippacher Antoniuskirchlein geschenkt werden. Schon früher erhielten die Kirchen von Rück und Schippach wertvolle Paramente und Wäschestücke geschenkt.

Wie weit die blinde Bekämpfung des Liebesbundes gegangen ist, mag die Auslassung eines deutschen Presseorgans zeigen, die ich zum Abschluß hierher setze: Nachdem der Artikelschreiber die uns sattsam bekannten Glossen über die „unverheirateten älteren weiblichen und männlichen Personen“, über die „Wallfahrten“, „neuen Heiligen“, „Wunder“, „Begnadigten“, „Gesichten“, „Weissagungen“ etc. gebracht438 hat, fährt er fort: „Neuerdings ist in die Entwicklung ein Umschwung gekommen. Von München aus, wo die literarische Zentrale des Liebesbundes sich seit längerer Zeit befindet, versucht man bestimmte politische Grundsätze in den Bund hineinzutragen, die nunmehr von bewußter und scharfer Reaktion durchwirkt werden. Man kämpft gegen Demokratie, fordert versteckt und offen ein aristokratisches Regiment, liebäugelt in jeder Weise nach rechts hin und schimpft kräftig auf den ohnehin absterbenden linken Zentrumsflügel. Der Gedanke der Trennung von Kirche und Staat ist verweht, die Friedensliebe zerflattert, offen und klar klingt das Bekenntnis zur Monarchie. Wer bei der letzten Wahl in Aachen tätig war weiß, daß gewisse Zettel die Aufschrift trugen „Katholische Partei“ und eine Notiz enthielten, die „Thron und Altar“ stützen wollte. Daß durch die reaktionären Treibereien des Bankdirektors Dr. Hans Abel, München, der letzte Rest der früheren urchristlichen Gedanken vieler Liebesbündler zerschlagen wird, merken diese schon selbst nicht mehr. Da augenscheinlich diese neue Richtung bei den nächsten Wahlen mit eigenen Listen auftreten will, so tut die Öffentlichkeit gut, den Blick nicht abzuwenden“.439

438 Die Schrift Dr. Brander‘s ist ja für die kirchenfeindliche Presse ein unerschöpfliches Arsenal im Kampfe gegen „Seherinnen“ und fromme Vereine.
439 „Freie Presse“ in Aachen vom 9. Mai 1921

      Inhaltsübersicht

 

Elftes Kapitel

Was die Urkunden sprechen

Man halte sich die Sachlage vor Augen, wie sie im Winter 1915/16 gegeben war! In Schippach wird mit Genehmigung des Bischöflichen Ordinariates seit anderthalb Jahren an der Erbauung einer katholischen Kirche gearbeitet; dieser Kirchenbau hat bereits zwölf Jahre lang die Nächstbeteiligten, d. h. die Gemeinde Schippach, die Pfarrgeistlichkeit und die Guttäter beschäftigt; dieser Kirchenbau ist bereits drei Jahre lang von den Aufsichtsbehörden auf Herz und Nieren geprüft und für gut befunden worden; dieser Kirchenbau hat wegen seines teilweisen Zusammenhanges mit einer im Rufe der Frömmigkeit stehenden Person einen außergewöhnlichen Aktenwechsel zwischen den Unternehmern und den kirchlichen Behörden verursacht, mit dem Ergebnis, daß Bischof und Ordinariat diesen Bau begrüßen und dringend wünschen, ja – dieser Kirchenbau ist auf unmittelbares Eingreifen des Diözesanbischofs in Angriff genommen worden; dieser Kirchenbau hängt mit angeblichen Privatoffenbarungen zusammen; dieser Zusammenhang hat gerade die fördernde Haltung des Bischofs und Ordinariates hervorgerufen; die Behörden wünschen noch einmal Gottes Segen zu diesem Bau; der Bischof greift noch einmal ein und wünscht dringend die Vollendung dieses begonnenen Baues, weil dieser Bau eine Sakramentskirche werden soll; die beteiligte Gemeinde ist hoch erfreut; das zuständige Pfarramt begrüßt diesen Bau in aller Öffentlichkeit; die Gelder fließen von allen Seiten. Nun werden in der Presse gegen diesen Bau und seine Gönner sowie gegen das genehmigende Bischöfliche Ordinariat heftige, meist anonyme, Angriffe erhoben zu dem Zwecke, ein endgültiges Verbot des Baues zu erreichen; ein Chaos steht bevor; die Seelsorge ist schwer bedroht; das feierlich gegebene Bischofswort soll kompromittiert werden. In diesem Widerstreite zwischen Autorität und Fanatismus, zwischen Wahrheit und Unwahrheit, in diesem Kampf des Bischofs um seine Autorität gegen die Sabotierung seines Willens seitens geistlicher Zeitungshetzer440 wird nun die streitige Sache einigen Theologen zur gewissenhaften Prüfung unterbreitet. Wir wissen, daß die Auswahl der Prüfungskommissionsmitglieder, unter denen sich längstbekannte Gegner des Baues befanden, eine sehr bedenkliche Sache war. Daß diese ihre Aufgabe nicht in einer ruhigen, objektiven, leidenschaftslosen, unvoreingenommenen Prüfung der Sache erblickten, sondern in der Verwerfung von vornherein, geht aus mannigfachen Belegen hervor. So ergeht aus einem Artikel des Mainzer Journals, eines der eifrigsten Antischippacher Blätter, vom 13. März 1916 ganz deutlich, daß zur Begründung des Bauverbotes vom 12. November 1915 „nur noch“ ein Urteil fehlte. Da zudem die staatlichen Belange zur baupolizeilichen Genehmigung restlos erfüllt waren, ein kirchliches Bauverbot für die Verhängung eines staatlichen Bauverbotes aber nicht maßgebend sein konnte, wie die Regierung selber zugab, so brauchte man nachträglich noch einen auch bei der Staatsbehörde verfangenden Titel: das war dann die berühmte in der Prüfung gefundene Dr. Brander‘sche „Sekte“. Das „nur noch fehlende“ Urteil kam also sehr bald nach. Daß es genau so ausfiel, wie es die Augsburger Postzeitung und das Aachener Piusblatt vorher schon verkündet hatten, überrascht denjenigen nicht, welcher den Einfluß dieser beiden Blätter an maßgebender Stelle kennt. Obwohl also das Urteil aufgrund der Presseartikel schon bei Beginn der Prüfung feststand, hätte man erwarten sollen – der Diözesanbischof, dessen Autorität durch ein negatives Prüfungsresultat sehr unangenehm berührt werden mußte, konnte das besonders erwarten –, daß die mit der amtlichen Prüfung betrauten Männer eingedenk ihrer wissenschaftlichen Stellung und eingedenk ihrer Verantwortung (das Ergebnis der Prüfung mußte an die päpstliche Nuntiatur berichtet werden!) alles ihnen zur Verfügung stehende wissenschaftliche Material heranziehen würden, um der Bischöflichen Behörde, der Nuntiatur und der Öffentlichkeit ein wahrheitsgetreues Bild über den Kirchenbau zu liefern.

440 Im Mainzer Journal Nr. 61 vom 13. September 1916 werden die Artikel der Augsburger Postzeitung, in welcher der bischöfliche Wille offen sabotiert wird, „schneidige Artikel“ genannt.

Wie hat nun die Kommission ihre verantwortungsvolle Aufgabe erfüllt? Die Antwort lautet: Die Würzburger Prüfungskommission hat den Schippacher Kirchenbau, um den allein es sich praktisch handelte, überhaupt nicht geprüft, sondern lediglich einige Schippacher Schriften vor dem Jahre 1900, in welchen aber von dem Kirchenbau keine Rede ist. Der Schippacher Kirchenbau hatte im Winter 1915/16, als Dr. Brander und Genossen zu prüfen beauftragt wurden, Barbara Weigand und ihre Anhänger, die Gemeinde Schippach, die Expositur Rück-Schippach, das Pfarramt Elsenfeld und eine große Anzahl von Behörden und Körperschaften beschäftigt. Bei allen diesen Personen, Behörden, amtlichen Stellen und Körperschaften, waren bis zum Januar 1916 bereits beträchtliche Aktenstöße angewachsen, die bei einzelnen Stellen zu dicken Bündeln angeschwollen waren. Expositur Rück-Schippach, Pfarramt Elsenfeld, Bürgermeisteramt Schippach, Bauverein E. V. Schippach, Amtsgericht Klingenberg, Bezirksamt Obernburg, Stadtkasse Aachen, Notariat Aachen, Kreisamt Oberursel, Polizeiamt Mainz, Amtsgericht München, Regierung in Würzburg, Ordinariat Würzburg, Ordinariat Mainz, Oberste Baubehörde in München, Kunstausschuß in München, Kultusministerium, Ministerium des Königlichen Hauses, der Bischof von Würzburg und der König von Bayern hatten zu dem Kirchenbau abschließend Stellung genommen; denn es handelte sich im Januar 1916 nicht mehr um ein im Stadium der Erwägung sich befindliches Projekt, sondern um ein bereits seit 12 Jahren behandeltes, seit 3 Jahren behördlich geprüftes, seit anderthalb Jahren in der Ausführung begriffenes Unternehmen, das sich bereits seiner Vollendung näherte. Die erforderlichen Stellungnahmen der Behörden waren erfolgt; alle in Frage kommenden gesetzlichen Erfordernisse waren erfüllt. Die Prüfungskommission hätte also, um ein wahres Bild über den Bau zu bekommen, vor allem die Urkunden über den Bau, wie sie seit zwölf Jahren in Schippach, Rück, Elsenfeld, Mainz, dann bei den oben genannten Ämtern lagen, studieren müssen. Nun hat das tonangebende Glied dieser Prüfungskommission, nach eigenem Geständnis, von den primären Urkunden über den Bau, wie sie in Schippach, Rück, Elsenfeld und Mainz, d. h. bei Barbara Weigand, dem Bauverein, der Expositur, dem zuständigen Pfarramte lagen, auch nicht eine einzige zur Prüfung benutzt. Dr. Brander hat nicht nur „auf alle amtlichen Aktenstücke verzichtet“, sondern auch nicht einmal jene Urkunden von Barbara Weigand geprüft, welche vom Kirchenbau handeln, nämlich die wichtigen Offenbarungen vom Jahre 1906 ab. Die Zeit von 1900 bis 1913, in welcher das Schippacher Kirchenbauprojekt sich entwickelte, ist für die Kommission terra ignota; über diesen Zeitraum schweigt sich die Prüfung völlig aus. Und doch liegt gerade in diesem Zeitraum der Schlüssel zum Verständnis des Schippacher Kirchenbaues.

Diese Vorgänge von 1900 bis 1913, ohne deren Kenntnis ein Verständnis des Schippacher Bauproblems unmöglich gewonnen werden kann sind, wie urkundlich vorliegt, auch im Jahre 1926 selbst den maßgebenden Behörden noch völlig unbekannt, woraus sich auch deren fortgesetzt widerspruchsvolles Verhalten erklärt. Die Presse wie die Würzburger Prüfungskommission beginnen ihre „tiefer bohrende“ Untersuchung der Schippacher Baufrage mit einer Äußerung des Schippacher Jesus vom 9. September 1913, deren Ausbeutung durch Dr. Brander der deutlichste Beweis seiner gänzlichen Unkenntnis über den wahren Sachverhalt ist; wir kommen weiter unten darauf zu sprechen. Dann bringt Dr. Brander noch einige Offenbarungssätze über den Bau vom Jahre 1914 und 1915, als dieser schon längst von den Behörden geschäftlich behandelt und erledigt war; aber auch diese Sätze aus den Offenbarungen von 1914 und 1915 hat er nur so angeflickt, ohne sie zu prüfen, wie er selbst gesteht. Sie sind auch für den wahren Schippacher Kirchenbau ziemlich bedeutungslos. Das über den wahren Sachverhalt allein aufschlußgebende urkundliche Material wurde aber in jener angeblich gründlichen Prüfung überhaupt nicht verwertet. Warum nicht? Entweder kannten es die Prüfungskommissäre nicht: dann kennen sie eben den Schippacher Kirchenbau in Wahrheit nicht und müssen darum mitsamt ihrer „gründlichen“ Prüfung von der Bildfläche verschwinden – oder sie kannten das Urkundenmaterial, dann haben sie es unterschlagen und bewußt ein falsches Bild gezeichnet.

Sei dem wie es wolle: es ist Tatsache, daß die Sachverständigen das urkundliche Material nicht benutzt und darum ein ganz irriges Bild von dem Kirchenbau geliefert haben. Statt urkundlich und historisch, prüften die Sachverständigen lieber hysterisch. „Der Verfasser“, schreibt Dr. Brander von sich selber, „erhebt nicht den Anspruch, das ganze Material vollständig verarbeitet zu haben“.441 Aber ich meine, wenn man den Anspruch erhebt, so sensationelle „Enthüllungen über das Werk der Seherin von Schippach“ aller Welt vorzumachen, Enthüllungen von so weittragenden Wirkungen, daß damit ein Millionenprojekt vernichtet, ein täglich in die Augen fallendes himmelschreiendes Ärgernis geschaffen und brave Personen um Ehre und guten Namen gebracht werden: ich meine, wenn man in einer so wichtigen Sache das ausschlaggebende Gutachten für Ordinariate und für den Heiligen Stuhl zu liefern hatte, dann mußte man schon das ganze Material vollständig verarbeiten. Zum mindesten mußte man die Entstehungsgeschichte dieses Werkes studieren. Es hätte damals gewiß nur eines ganz geringen Studiums bedurft, und Dr. Brander hätte gefunden, daß sein eigener Diözesanbischof die treibende Kraft in der Verwirklichung des Sakramentskirchenprojektes war, und diese Entdeckung hätte ihn ganz gewiß abgehalten, von den Anhängern des Baues in so verächtlichem Tone zu sprechen. Aber trotz dieses notorischen Mangels aller zur Prüfung erforderlichen Voraussetzungen, bezeichnet Dr. Brander sein auf so armseligen Unterlagen aufgebautes Prüfungsresultat als „absolut sicher“ und „keinen Augenblick zweifelhaft“ – und alle Welt hat ihm geglaubt. Aber gerade die quellenmäßige historische Betrachtung hätte gemäß der uralten Weisheit, daß die Geschichte die beste Lehrmeisterin ist, auch die praktische Behandlung des Baues wesentlich erleichtern und in ruhigere Bahnen lenken können. Manches wäre nicht gekommen, wenn man die urkundliche Wahrheit über den Schippacher Kirchenbau gekannt hätte.

441 ebenda

Um über diesen Kirchenbau ein zuverlässiges Bild zu gewinnen, ist es also nötig, die Urkunden zu befragen. Nun war das für mich gerade keine leichte Aufgabe. Viele Korrespondenzen, Bahnfahrten, finanzielle Opfer und fast drei Jahre an Zeit (Dr. Brander war in 4 Wochen „absolut sicher“) waren allein nötig, um das Urkundenmaterial zusammenzubringen, welches in alle Himmelsrichtungen zerstreut war. Aber diese Bemühungen sind von einem für einen Historiker wunderbar überraschenden Erfolg gekrönt. Gelang es doch 91 bis jetzt entweder unbekannte oder doch nicht verwertete Urkunden über den Schippacher Kirchenbau zu sammeln. Es ist ein köstliches Material, aus welchem sich ein lückenloses Bild der historischen Entwicklung des Baues und der Einstellung der verantwortlichen Männer zu ihm gewinnen läßt. Die von mir benützten Urkunden laufen vom Jahre 1903 bis zum Februar 1916, wo der Kirchenbau in ein anderes Stadium eingerückt wurde; die Urkunden von 1916 bis 1920 sind nicht weniger interessant. Diese Urkunden sind natürlich nicht spätere Bearbeitungen, sondern entstammen den Jahren, in denen der Bau noch als offiziell gut galt. Sie geben darum ein unverfälschtes Bild und gewähren eine zuverlässige historische Treue. Gegen dieses geschichtliche Material ist gar nicht aufzukommen. Kein Widerwille, keine Handbewegung, kein Nein! Nein!, kein Kraftausdruck, kein Zeitungsartikel, keine Spottrede; keine akademische Würde vermögen gegen diese urkundliche Wahrheit etwas auszurichten. Diese urkundliche Wahrheit wird auch die Schippacher Wallfahrtskirche noch bauen. Leider verbieten es ernste Rücksichten, von diesem Material heute schon so Gebrauch zu machen, wie es die Presseangriffe verdienten. Aber es ist Vorarbeit geleistet für später, wenn einmal die unerbittliche Hand der geschichtlichen Forschung den Schleier vollends wegziehen darf; dann wird die eherne Sprache der Geschichte noch manche „Enthüllungen über die Gegner von Schippach und ihr Werk“ bringen, die den Pressetriumphatoren und jenen, die sich im Januar 1916 rühmten, die Baueinstellung sei ihr Werk, nicht zum Ruhme gereichen werden. Noch niemals war der Pfarrer von Schippach über den Sieg der Kirchenbausache so zuversichtlich wie nach dem Studium der urkundlichen Wahrheit. Hoffentlich wird er wegen dieses seinen quellenmäßigen442 Studiums der Frage von jenen Gelehrten, welche eingestandenermaßen die Kirchenbaufrage gar nicht geprüft haben und nicht einmal wissen, wo Schippach liegt, nicht des „theologischen Bildungstiefstandes“ bezichtigt werden. Getreu den Prinzipien einer historischen Untersuchung stellen wir im Folgenden in lückenloser chronologischer Reihe jene urkundlichen Äußerungen zusammen, welche das geschichtliche Bild des Schippacher Kirchenbaues objektiv enthüllen. Die Beteiligung der amtlichen Stellen heben wir besonders hervor.

442 Msgr. DDr. Wilhelm Büttner: Meine ganze Darstellung der Sachlage ist auf urkundlichem und darum wissenschaftlich unanfechtbarem Material aufgebaut. Man vergleiche damit das wissenschaftliche Rüstzeug der Gegner! Der deutsche Universitätsprofessor Krebs bekämpft Schippach nach dem, was er von früher Gelesenem noch „in Erinnerung behalten“ hat, wie er selber schreibt (S. 226). Seine Quelle war also sein Gedächtnis! Kardinal Mercier hatte schon recht, als er eine solche wissenschaftliche Arbeitsweise mit Note 4 zensierte. Und Dr. Brander, die andere wissenschaftliche Größe im Kampf gegen Schippach? Er urteilt bekanntlich „absolut sicher“ über den Kirchenbau, von dem er nicht einmal eine amtliche Urkunde in Händen gehabt hat! Denn er schreibt ja: „Auf amtliche Aktenstücke wurde ausdrücklich verzichtet“ (V). Er verwirft mit „absoluter Sicherheit“ die Offenbarungen der Barbara Weigand als unecht, muß aber selber gestehen, er wisse gar nicht, welche Offenbarungen eigentlich von Barbara Weigand herstammen (s. o. S. 23). Er wirft Barbara Weigand und ihren Anhängern vor, sie hätten unehrerbietig über ihren Bischof gesprochen, schreibt aber im selben Atemzuge: „Die Quelle“ für diese seine Verleumdung „hat sich allerdings nicht aufdecken lassen“ (s. o. S. 25). Jawohl: Quellen, Urkunden, amtliche Aktenstücke d. h. historische Wahrheit brauchte man ja gegen Schippach nicht. Nun: ich bin bereit, andere Behauptungen über den Kirchenbau aufzustellen als die angeblichen Sachverständigen – und die Quellen für meine Behauptungen lassen sich alle aufdecken! Wahrlich! Die Antischippacher Theologie hat sich weder in der Dogmatik, noch in der Kirchengeschichte, noch in der Moral, noch im Kirchenrecht, noch in der Mystik, Lorbeeren geholt; sie ist gerade so brüchig und verwahrlost wie ihr Werk: die Trümmerstätte von Schippach. Und da werfen diese Männer anderen „theologischen Bildungstiefstand“ vor!

Die Darstellung ist von Msgr. DDr. Wilhelm Büttner zusammengestellt und gibt einen Teil der urkundlichen Beweisführung der Kirchenbausache in Schippach wieder. Eine andere Darstellung, mit gleicher Akribie zusammengestellt, wird im Nachgang zu dieser Darstellung hinzugefügt, um einen lückenlosen Beweis der Abläufe wiederzugeben und damit der Chronistenpflicht voll gerecht zu werden.

   

I.

1903

8. Januar
Brief von Louise Hannappel an Barbara Weigand, die damals in Schippach weilte: „Frau N. ist mir begegnet und sagte, sie wolle Dir für die Curatie 500 Mk. schicken, Du sollst ihr nur ein schönes Brieflein schreiben.. Unterdessen hat Herr Kaplan gedankt. Er wird wohl jetzt anfangen zu bauen,
443 bis April gibt sie das Geld“.

443 Gemeint ist der Bau eines Hauses für den Geistlichen; zu diesem Bau hatte Barbara Weigand schon das Geld bereitgestellt.

12. Dezember
Brief von Luise Hannappel an Heinrich Weigand in Schippach:
444 „Zwischen Weihnachten und Neujahr kommt an Ihre werte Adresse von einer Stelle ein Brief mit 650 Mk. und eine Postanweisung mit 350 Mk., zusammen 1 000 Mk. Das gibt jemand für den Umbau der Kirche in Schippach und wünscht Babett (Barbara Weigand), daß Sie das Geld vorderhand auf den Namen von Barbara auf der Sparkasse anlegen bis mehr dazukommt und mit dem Bau begonnen werden kann“.

444 Bruder der Barbara Weigand. Er ist der Überbringer der späteren großen Geldsummen von Mainz nach Schippach.

29. Dezember
Brief von Barbara Weigand aus Mainz, wohin sie wieder übergesiedelt war, an ihren Bruder Heinrich Weigand in Schippach: „Du schreibst wegen dem Geld. Ja, tu es dahin; das andere, 650 Mk., kommt von andersher und sie werden sicher bis zum 3. Januar da sein. Stelle es nur einstweilen auf meinen Namen. Bis das Pfarrhaus gebaut ist, bekomme ich, so Gott will, noch mehr dazu, dann will ich es direkt an die Kirche in Schippach abgeben. Beratet euch öfter mit eurem Pfarrer.
445 Er meint es gewiß gut. Wir wollen recht fest auf Gott vertrauen und nichts suchen als Ihn allein, dann wird Er uns gewiß nicht verlassen. Seid still zu dem Geld. Es sind 9 000 Mk. zum Pfarrhaus da. Was noch fehlt, kann noch in Rück und Schippach aufgebracht werden. Aber niemals kann die kleine Schippacher Gemeinde das Geld aufbringen für den Bau einer Kirche. Darum werde ich alles aufbieten, um dieses Werk zu unterstützen. Der hl. Antonius muß mir noch recht helfen; muß bitten, daß jene Dame ganz gesund wird, dann bekomme ich noch 3 000 Mk. für Seine Kirche“.

445 Das nennt die Kritik „Heimlichtuerei“.

 

1904

1. Januar
Brief von Barbara Weigand an ihren Bruder Heinrich Weigand: „Du wirst die 1 000 Mk. für die Schippacher Kirche angelegt haben. Ich hörte von N., daß ich noch was bekommen soll an Staatspapieren. Ob es wahr ist, weiß ich nicht. Ist es wahr, dann kann ich in einigen Jahren dem lieben hl. Antonius eine große Freude machen. Seid dazu still. Das Pfarrhaus kann doch gebaut werden. Es sind ja schon 9 000 Mk. da. Wenn das Pfarrhaus jedoch gebaut ist, dann komme ich und sage, so jetzt kommt die Schippacher Kirche. Viel habe ich in dieser Meinung zum lieben hl. Antonius gebetet“.

10. Januar
Brief von Luise Hannappel an Heinrich Weigand: „Gleichzeitig erhalten Sie per Post 500 Mk. mit der Bitte, es zu den andern Geldern anzulegen und niemand etwas davon zu sagen“.

1. Juli
Die Schippacher gründen einen Verein zur Erbauung einer
Antoniuskirche und beginnen die monatlichen Sammlungen mit
20 Pfg.; Vorsitzender des Vereins ist der Pfarrer.

1. Oktober
Verzeichnis der von Mainz geschickten und bei der Aschaffenburger
Volksbank auf den Namen Barbara Weigand angelegten Gelder:
„Sammelgelder für den Neubau der Antoniuskirche in Schippach,
angelegt auf den Namen Barbara Weigand.“ Das Verzeichnis enthält
Einträge vom 30.12.1903, 12.1.1904, 3.3.1904, 14.5.1904, 1.7.1904, 12.9.
1904. Gesamtsumme: 5 426,05 Mk.

9. Oktober
Der Kassier des Schippacher Vereins übernimmt diese Gelder in Höhe von 5 429 Mk. „Aufschreibung der heute von Fräulein Barbara Weigand dem Kirchenbauverein übergebenen Werte. Vorstehende Werte habe heute für den Kirchenbauverein Schippach übernommen. Bernard, Kassier“ (=Kirchenpfleger).

 

1905

Gesamtsumme der von Barbara Weigand dem Bauverein in diesem Jahre übergebenen Gelder: 4 553 Mk.

 

1906

14. April
Jesus spricht: „Damit die Nachwelt eine Erinnerung davon habe, wie tief Ich Mich herablasse zu Meinen Geschöpfen, soll in Deiner Heimatkirche bestätigt werden“.

15. August
„Quittung über 300 Mk., welche heute durch Herrn Heinrich Weigand von Schippach dem Kirchenbauverein Schippach als Beitrag zum Bau der projektierten Antoniuskirche bar übergeben wurden“. Folgt besonderer Dank an die Spenderin. Unterschrieben von der Gesamtvorstandschaft des Vereins.

13. November
Brief von Luise Hannappel an Barbara Weigand: „.. so will sie diese 8 000 Mk. gleich dem hl. Antonius schenken. Darum gehe gleich zum hl. Antonius, trage es ihm vor und bitte ihn darum“.

31. Dezember
Barbara Weigand erhält von Liebesbundmitgliedern 2 300 Mk. zum Bau der Kirche.

 

1907

11. März
Liebesbundmitglieder übergeben der Barbara Weigand 4 500 Mk. für die Schippacher Kirche. Verbuchung durch den Bauverein.

 

1908

13. März
Schreiben des Ortsgeistlichen an Barbara Weigand: „Sie haben sich zum Ziel gesetzt, eine Kirche zu Ehren des hl. Antonius zu bauen. Bitten wir Gott und Seinen hl. Diener Antonius, und eine neue Antoniuskirche anstelle des alten unscheinbaren Kapell‘chens wird sich bald erheben.“ In dem Schreiben ist erwähnt, daß zwischen dem Bischof von Würzburg und dem Ortsgeistlichen ein Meinungsaustausch über die Kirchenbaufrage stattfand.

31. Dezember
Barbara Weigand erhält von den Liebesbundmitgliedern aufgrund ihrer Eigenschaft als Begnadigte 13 172 Mk. für die Schippacher Kirche. Verbuchung durch den Bauverein.

 

1909

28. April
Aus einer Offenbarung der Barbara Weigand. Der Herr sprach: „Sieh, hier will Ich eine Stätte Mir errichten, einen Born eröffnen, woraus alle Betrübten und Bedrängten schöpfen können. Hier zwischen Rück und Schippach soll sich ein Heiligtum erheben für das ganze untere Frankenland. Saget Mir Dank an diesem heiligen Ort, wenn er einmal errichtet sein wird“.

20. Oktober
Aus einer Offenbarung der Barbara Weigand, als sie zu Maria betet: „O Mutter, nimm mir ab die Last. Sieh, es geht nicht mehr, das große Werk, den Bau einer Kirche, hat Dein Sohn mir aufgetragen.“ Darauf Maria:
„Durch den Kirchenbau in deiner Heimat will Er Sich ein Denkmal setzen zur Erinnerung an all das, was Er durch dich der bedrängten Menschheit übermitteln wollte.. darum soll das Geld, das von den Wohltätern zur Erbauung der Antoniuskirche gespendet wird, auch dorthin (sc. nach Schippach) geschickt werden, weil Mein Sohn Sich dort verherrlichen will; für jetzt aber, um die nötigsten Bauunkosten zu decken“.

4. Dezember
Aus einer Offenbarung: „Da, wo deine Wiege stand, will Ich Mir ein Denkmal setzen.“

31. Dezember
Gesamtzugang durch Barbara Weigand für die Kirche: 1 188 Mk.

31. Dezember
Barbara Weigand fertigt eine Quittung aus über den Empfang von Zinsen: „Quittung über 105 Mk., welche Endesunterzeichnete für mehrere Wohltäter der Antoniuskirche vom Kirchenbauverein Schippach richtig und bar erhalten hat“.

 

1910

8. Februar
Der Heiland: „Ich spreche Meinen Dank aus allen treuen Liebesbundmitgliedern, die so opferfreudig ihr Scherflein beigetragen haben. Sage ihnen, daß sie mit der Gabe für die Sakramentskirche mehr getan haben als ein Almosen gegeben; denn sie haben Meinen innigsten Herzenswunsch erfüllt, weil Ich ein Denkmal errichten möchte für die große Gunstbezeigung der öfteren heiligen Kommunion, die Ich der Menschheit erwiesen“.

13. März
Der Heiland: „Ich gebe dir das Versprechen, daß die Kirche fertig wird“.

25. März
Der Heiland: „Betende Priester will Ich, betende Priester“.

3. April
Jesus: „Darum habe Ich auch beschlossen, Mir hier ein Asyl zu errichten, darum will Ich alle diejenigen, die durch ihre Mithilfe dazu beigetragen haben, daß das Werk, der Gedenkstein, den Ich errichten will zu Meiner Ehre, ein würdiges Gotteshaus werde“. – Von November 1909 bis April 1910 kommen 22 600 Mk. für Kirche und Pfarrei von den Liebesbundmitgliedern aufgrund der Offenbarungen nach Schippach. Die Geistlichkeit hat jetzt von Barbara Weigand 30 000 Mk. für die Pfarrei beisammen.

2. Juni
Jesus spricht: „Opfert alle Unannehmlichkeiten und Strapazen auf für das Gedeihen des Werkes, das Ich wieder gründen will, und damit Mir recht bald der Gedenkstein in deiner Heimat gesetzt werde. Betet um Einigkeit und Frieden in den zwei Gemeinden“.

3. Juni
Brief von Luise Hannappel an Familie Weigand: „Wir wollten das erste Antoniusfest feiern zu Ehren der neuen Antoniuskirche.“

5. Juni
Barbara Weigand schreibt eine Gebetsgnade nieder: „Der Herr brachte Seinem himmlischen Vater alles vor, was wir für Ihn und mit Ihm getan und gelitten bis zu dem Bau der Kirche in meiner Heimat und bat Ihn auch dazu, Er möge Seinen Väterlichen Segen geben, denn es solle ein Andenken sein an den letzten Aufwand Seiner Liebe zu den Menschen“ (sc. heilige Eucharistie).

30. Juni
Brief von Luise Hannappel an Familie Weigand: „Dank zu sagen für Eure liebevolle Gastfreundschaft, die Ihr St. Antonius-Freunden gewährt. Wie steht es mit der Kirche?“

31. Dezember
Abrechnung über den Kirchenbaufond Schippach vom 31.12.1910:
43 590 Mk; Zugang im Jahre 1910 durch Barbara Weigand 5 400 Mk.

 

1911

26. September
Brief von Luise Hannappel an Heinrich Weigand: „..um endlich einmal die Pfarrei- und Kirchenbauangelegenheit voranzubringen; denn die Wohltäter verlangen es, wir müssen uns an den Bischof wenden.“

19. Oktober
Brief von Barbara Weigand an ihren Bruder Heinrich Weigand: „In Deinem letzten Briefchen fragst Du an, ob nicht das letzt Aufgeschriebene zu bekommen sei zum Lesen. Ich muß dies aber verneinen, denn es darf nur aufgeschrieben werden für den Beichtvater und für den Bischof. Alles Weitere ist verboten.
446 Ich hatte im Sinn, noch einmal nach Rück zu kommen diesen Herbst, weil ich fast alle Tage gefragt werde von den Wohltätern, ob denn die Kirche noch nicht gebaut werde“.

446 Diese Bemerkung zeigt, wie gewissenhaft sich Barbara Weigand an den Auftrag des Bischofs hielt, so daß sie es nicht einmal ihrem eigenen Bruder zu lesen gab; Dr. Brander nennt das „Ungehorsam gegen den Bischof“.

 

1912

21. März
Förmliche kanonische Errichtung der „Pfarreistiftung für Rück und Schippach“ mit den von Barbara Weigand gegebenen Geldern in Höhe von 30 000 Mk.

16. April
Jesus spricht: „Ich will eine Kirche gebaut haben und das Geld muß auswärts geschickt werden, damit ihr keine Befriedigung habt an den guten Werken, die ihr tut. Ich war es, der es bewirkt hat, daß das Geld zusammenfloß“.

22. Juli
Kauf eines provisorischen Pfarrhauses durch die Ortsgeistlichkeit mit den von Barbara Weigand gegebenen Geldern, Kaufpreis: 7 000 Mk.

25. November
Der Ortsgeistliche übergibt dem Pfarramte 10 000 Mk. als Fond für den Neubau eines Pfarrhauses; diese Gelder stammen von Mitgliedern des Liebesbundes.

31. Dezember
Gesamtzugang zum Kirchenbauverein durch Barbara Weigand:
431 Mk.

 

1913

11. April
Jesus spricht: „Durch Zeugen und verständige Männer, die Ich euch herbeigeführt, habe Ich jetzt die Stelle angegeben und gleichsam bestimmt, daß es Mein Wille ist, das von Mir verlangte Denkmal zu errichten“.

12. Mai
Die Geistlichkeit hat einen Plan ausfertigen lassen zur Erbauung einer Pfarrkirche in Rück nebst Pfarrhaus.

14. Mai
Jesus spricht: „Sage allen, die ungeduldig sind über die Wahl der Bauplatzfrage der Antoniuskirche, daß sie da hinkommt, wo Ich sie haben will“.

27. Mai
Jesus spricht: „Mein Diener möge sorgen, daß es angefangen und tapfer hinterhergegangen wird, daß die Kirche bis 1915 am Sakramentssonntag kann eingeweiht werden“.
447 „Die Kirche ist das lebendige Denkmal eines tieflebendigen Glaubenslebens; denn jeder der Pilger soll lesen: „Dem göttlichen Herzen Jesu im heiligsten Sakrament errichtet aus Dankbarkeit von seinen treuen Kindern für die Gnade der täglichen Kommunion“.

447 Das ist die von Dr. Brander und Zahn mit so großem Siegesbewußtsein als falsch hingestellte „Prophezeiung"! Man sieht leicht den hypothetischen Charakter der „Prophezeiung“.

31. Mai
Oberhirtlicher Amtsbesuch in Rück und Schippach. Die Geistlichkeit legt dem Bischofe ihren Plan für eine Pfarrkirche in Rück vor, um den Bischof vor eine vollendete Tatsache zu stellen. Der Bischof lehnt diesen Plan ab und erklärt öffentlich in der Kirche, die zu erbauende Kirche in Schippach solle in erster Linie eine Wallfahrtskirche zur Verehrung des Allerheiligsten Sakramentes werden.

31. Mai
Schreiben des Ortsgeistlichen an den Bürgermeister von Schippach:
„Für den Kirchenbau stehen jetzt gegen 100 000 Mk. zur freien Verfügung“.

22. Oktober
Maria bestätigt den Bauplatz: „Es ist die Stelle, die euch Mein Sohn angegeben. N. soll anfangen, sobald die geistliche und weltliche Behörde ihre Zustimmung einmal gegeben hat. Damit aber auch Rechnung getragen ist den beiden Gemeinden Rück und Schippach, soll der Acker unter der Wiese angekauft werden. Die Vollendung desselben (sc. Werkes) ist das von Meinem Sohn verlangte Heiligtum und die Bestätigung erlangt ihr im Himmel“.

23. Oktober
Jesus spricht: „Ihr sollt jetzt demütig den Bischof um die Bestätigung des Bauplatzes bitten, dein Beichtvater soll dem Bischof schreiben und ihn demütig bitten um die Bestätigung. Wenn die Bestätigung da ist, soll sofort angefangen werden“.
448

448 So sieht das „Stigma des Ungehorsams gegen die kirchliche Obrigkeit“ aus, mit welchem der Bau nach Dr. Brander behaftet ist (Seherin 81).

26. Oktober
Gemeinsame Sitzung der beiden Gemeindeverwaltungen von Rück und Schippach wegen Errichtung der Pfarrei.

27. Oktober
Der Bischof äußert sich über die Platzfrage der zu erbauenden Schippacher Kirche, „daß die Kirche nicht auf den Wiesenplatz zwischen Rück-Schippach kommen dürfe wegen der großen Feuchtigkeit
449 darauf“.

449 Bischof von Schlör sah auch hier wie in der ganzen Frage wahrhaft prophetisch. Der vom Bischof hier abgelehnte Plan war von der Pfarr- und Ortsgeistlichkeit ausersehen gewesen für den Bau einer Pfarrkirche samt Pfarrhaus. Dieser Platz hatte sicherlich damals vom Standpunkte der Pastoral aus die Chancen für sich. Aber heute rückblickend müssen wir dem Bischof für seine Ablehnung des Platzes danken. Am 2. und 3. November 1924 riß ein seit Menschengedenken noch nicht dagewesenes Hochwasser den hart anstoßenden Bahndamm auf viele Hundert Meter Länge einfach weg und schwemmte gerade jenes Gelände bis zu 2 m Tiefe fort, welches für das Pfarrhaus bestimmt war. Die Bewohner der umliegenden Häuser mußten in der Nacht an die Räumung ihrer Behausungen gehen, Keller, Ställe und Scheunen evakuieren. Kein Bewohner von Rück und Schippach wird diese Tage vergessen. Ich dankte Gott auf den Knien, daß der im Jahre 1913 so einleuchtende Plan der Erbauung der Kirche und des Pfarrhauses an dieser Stelle nicht zur Ausführung gekommen war. Diesen prophetischen Blick hatten im Jahr 1913 nur 2 Personen: Barbara Weigand und Bischof Ferdinand. Vorsehung?

2. November
Barbara Weigand: „Ich fragte den Herrn noch einmal wegen dem Bauplatz und erhielt die Antwort wie vor 14 Tagen: oberhalb vom Schippacher Kirchhof“.

20. November
Barbara Weigand wird von maßgebender Seite aufgefordert „noch 3 000 Mk. hinzuzugeben zur Ausfertigung der Pfarrei“.

24. November
Bischof und Ordinariat erteilen die förmliche Genehmigung des Bauplatzes der Sakramentskirche durch amtliches Schreiben an die Expositur Rück-Schippach: „Auf das Schreiben an Seine Bischöflichen Gnaden vom 20. des Monates erfolgt im Auftrage des hochwürdigsten Herrn folgendes: Seine Bischöfliche Gnaden ist nunmehr mit dem neuesten Vorschlag eines Bauplatzes oberhalb des Friedhofes einverstanden. Die Zufahrten zur künftigen Kirche sind zu berücksichtigen. Dem katholischen Pfarramte Elsenfeld ist hiervon Mitteilung zu machen“.

29. November
Barbara Weigand schreibt eine Mitteilung des Heilandes nieder: „Daß Er gesagt habe, eine Weltkirche solle es werden, damit wolle Er an die Herzen der Besitzenden appellieren in der weiten Welt“.

25. Dezember
Jesus spricht: „Hier verlange Ich eine Kirche für den Allerhöchsten zu bauen.. so will Ich im Neuen Bunde durch die Einführung der öfteren Kommunion Meinem auserwählten Volke, welches ist die katholische Kirche, wieder neuen Lebenssaft zuströmen lassen durch Mich Selbst, die heilige Kommunion. ..da soll als sichtbares Symbol diese Kirche gelten“.

31. Dezember
Brief von Barbara Weigand an ihren Neffen mit Bitte um Gebet: „Bete Du mit uns für das große Werk. 120 000 Mk. sind da, aber dies reicht kaum für den Rohbau. Mit Gott habe ich begonnen, mit Gott hoffe ich, auch zu vollenden. Das Gelingen meines Werkes ist des Herrn Sache und so bleibe ich zufrieden, wenn scheinbar auch alles mißlingen sollte“.

 

1914

21. Januar
Brief von Barbara Weigand an ihre Angehörigen: „Alle Tage kommt Geld an und werden jetzt 150 000 Mk. beisammen sein“.

11. Februar
Schreiben des zuständigen Pfarrers an Barbara Weigand: „Es soll eine großartige Votivkirche in Schippach zu Ehren des hl. Antonius und zur Danksagung für Einführung der öfteren täglichen Kommunion erbaut werden. Gut! Ich lasse den Willen der Stifter geschehen. Das Bischöfliche Ordinariat hat nun an mich geschrieben, ich solle mich über den Kirchenbau in Schippach äußern. Ich schrieb zurück, ich müßte erst mit den Wohltätern ins Benehmen treten“.

2. März
Der Bischof von Würzburg zur Vorlage der Pläne: „Ich wünsche Ihnen alles Glück zum guten Gelingen des Bauwerkes“ (offizielles Aktenstück).

18. März
Gutachten der Königlichen Obersten Baubehörde in München, wonach „gegen das Projekt in ästhetischer Beziehung keine Erinnerung besteht“ (offizielles Aktenstück).

23. März
Pfarrer Metzger als Bevollmächtigter erbittet vom Bezirksamt Obernburg unter Vorlage von 11 Beilagen die Baugenehmigung. In dem Gesuch ist ausdrücklich auf Barbara Weigand Bezug genommen und erklärt, in der zu erbauenden Kirche solle nach einer Offenbarung der Barbara Weigand „Christus als König“
450 verherrlicht werden.

450 Barbara Weigand scheint auch damit einen prophetischen Blick zu zeigen, cf. Fest des Königtums Christi.

8. Mai
Das Bezirksamt Obernburg kündigt die Abweisung des Baugesuches an (schriftlich erfolgt 2 Tage später).

9. Mai
Jesus offenbart der Barbara Weigand, die Bauunternehmer sollten die staatlichen Vorschriften erfüllen, dann käme trotz der Ablehnung durch das Bezirksamt „binnen 14 Tagen die Genehmigung“. (Diese Prophezeiung ist buchstäblich eingetroffen: genau 14 Tage später, am 24.5. verfügte die Regierung in Würzburg unter Aufhebung des bezirksamtlichen Beschlusses die Genehmigung!)

11. Mai
Das Bezirksamt Obernburg verweigert die Erteilung der Baugenehmigung aus staatskirchenrechtlichen Gründen. Bezirksamt Obernburg betont in dem ausführlichen Schreiben besonders den Doppelcharakter der Kirche als Votivkirche und Ortskirche. (Anm.: Die merkwürdigen juristischen Konstruktionen des Bezirksamtes Obernburg wurden später von der Regierung in Würzburg gerechterweise verworfen.)

14. Mai
Zur Behebung der Schwierigkeiten schlägt das zuständige Pfarramt die Errichtung einer „Kirchenbaustiftung für eine Sakramentskirche in Schippach“ vor.

17. Mai
Die Stifter der Pfarreikapitalien erheben wegen Verzögerung der Pfarreierrichtung Vorstellung an das Bischöfliche Ordinariat Würzburg.

24. Mai
Die Regierung in Würzburg verstößt den Bezirksamtlichen Beschluß über Verweigerung der Baugenehmigung und ordnet die Genehmigung des Baues an, unter der Bedingung, daß eine Summe von 25 000 Mk. als Unterhaltungsbaufond bei der Kirchenverwaltung Schippach oder Elsenfeld hinterlegt werde (genau so hatte es Barbara Weigand am 9. Mai vorhergesagt).

1. Juni
Der Schippacher Bauverein faßt in einer Versammlung unter dem Vorsitz des zuständigen Pfarrers den einstimmigen Beschluß, seine Sammelgelder in Höhe von etwa 55 000 Mk. dem beabsichtigten Kirchenbau zuzuführen, da dieser Kirchenbau die Erfüllung des Vereinszweckes sei.

3. Juni
Das Bischöfliche Ordinariat Würzburg gibt erneut seine Zustimmung zum Kirchenbau. Beginn des Baues.

19. Juni
Gemäß der Weisung der Regierung werden vom zuständigen Pfarrer 25 000 Mk. bereitgestellt auf den „Baufond der Sakramentskirche in Schippach“, bei der Kirchenverwaltung Schippach hinterlegt und vom Pfarrer als Vorstand derselben in Rechnung geführt. Man beachte hier wie im Vorhergehenden die amtliche Beteiligung des zuständigen Pfarrers und Vorstandes der Kirchenverwaltung Schippach am Kirchenbau!

20. Juni
Das Bezirksamt Obernburg erteilt die baupolizeiliche Genehmigung „vorbehaltlich der allerhöchsten Genehmigung des Projektes in ästhetischer Hinsicht“.

15. Juli
Das Bischöfliche Ordinariat Mainz wendet sich im Amtsblatt gegen den Kirchenbau; die Gelder sollen in Mainz bleiben (!).

24. Juli
Die politische Tagespresse beginnt ihren Lügenfeldzug wider Schippach.

27. Juli
Pfarrer Metzger, der Architekt und ein Hauptförderer begeben sich auf eine Reise ins Ausland. Sie werden bei Kriegsausbruch von einem französischen Schiff gekapert und 4 Jahre lang in Gefangenschaft (sc. auf Korsika) gehalten. Dieser Umstand macht es erklärlich, daß die deutsche Presse den Tatbestand über die Vorgeschichte des Baues fälschen konnte, ohne daß diese Fälschung aufgrund der Urkunden richtiggestellt werden konnte.

24. September
Maßloser Angriff eines Geistlichen in der Augsburger Postzeitung. Der Bau wird als Unfug, Aprilscherz, Ausgeburt eines kranken Hirns bezeichnet. Vorstoß gegen den Bischof von Würzburg, dessen Baugenehmigung als „unglaublich“ hingestellt wird. Der Artikelschreiber fordert die Behörden zum Einschreiten auf. Dieser Zeitungsartikel spielt in der Folgezeit im Kampfe gegen den Bischof eine große Rolle. Mit ihm beginnt die öffentliche Sabotage des bischöflichen Willens.
451

451 Über das Ungehörige ihrer Artikel zur Rede gestellt, schrieb die Redaktion der Augsburger Postzeitung in einem sehr saloppen authentisch vorliegenden Schreiben, sie habe mit ihren Antischippacher Kundgebungen „die Meinung der kirchlichen Behörden in Würzburg vertreten!“ Nun liegt aber als authentische Meinung der kirchlichen Behörden in Würzburg die ausgesprochene Begünstigung des Baues vor. An diesen Urkunden ist nicht zu rütteln. Wie erklärt sich dieser Widerspruch? Zur Erklärung dieses Widerspruches gäbe es folgende Möglichkeiten: a) die kirchlichen Behörden hätten wirklich zwei Meinungen zu gleicher Zeit vertreten, nämlich die fördernde gegenüber den Beteiligten am Baue und die bekämpfende im Bunde mit der Augsburger Postzeitung; b) die Mitarbeiter der Augsburger Postzeitung hätten sich unberechtigterweise für die kirchlichen Behörden von Würzburg ausgegeben; c) die Redaktion der Augsburger Postzeitung hätte die Unwahrheit gesagt und damit zugleich die kirchlichen Behörden in Würzburg beleidigt. Die Möglichkeit unter a) ist nicht anzunehmen, abgesehen davon, daß eine geistliche Behörde nicht Zeitungsartikel gegen ihren Bischof schreibt oder inspiriert und den „dringenden Wunsch“ ihres Bischofs und ihre eigene amtliche Haltung nicht öffentlich einen „Unsinn“ nennt. Die Klärung dieses Widerspruches liegt übrigens nicht in der Aufgabe dieser Schrift, welche bloß die Urkunden ein wenig sprechen lassen will.

27. September
Das zuständige Pfarramt weist diesen Angriff durch eine öffentliche Erklärung zurück. Sie hat folgenden Wortlaut: Zu dem Artikel in der Augsburger Postzeitung vom 24. des Monats Nr. 441: Eine „Weltkirche“ wie Lourdes in Bayern, sieht sich das unterfertigte Pfarramt veranlaßt, folgendes zu erklären:


1. Die neue Kirche in Schippach ist nicht bloß für die kleine Gemeinde Schippach mit 225 Seelen, sondern auch für die nahe bei Schippach liegende größere Gemeinde Rück mit 550 Seelen, also zusammen für 775 Seelen, bestimmt. Auch besuchen an Sonn- und Feiertagen Leute aus den Nachbargemeinden hier den Gottesdienst.

2. Die beiden Orte Rück und Schippach haben an Sonn- und Feiertagen abwechselnd gemeinsamen Gottesdienst in Rück oder in Schippach. Die Kirche in Schippach ist alt und sehr beschränkt. Es wurde daher schon im Jahre 1909452 ein Kirchenbauverein in Schippach gegründet zur Erbauung einer neuen Kirche. Mehrere auswärtige Personen wollen nun aus Dankbarkeit für die Einführung der täglichen Kommunion eine schöne Votivkirche zu Ehren des Allerheiligsten Altarssakramentes erbauen. – Die in dem Artikel öfter genannte Barbara Weigand veranlaßte nun diese Personen, die beabsichtigte Kirche in Schippach, ihrem Heimatsort, zu bauen. Diese neue Kirche soll also zwei Zwecke erfüllen: sie soll Seelsorgskirche für die beiden Orte Rück und Schippach und Votivkirche zu Ehren des Allerheiligsten Altarsakramentes werden. Die Einwohner der beiden Orte begrüßten mit Freuden diesen Plan, weil ihnen dadurch die Last eines Kirchenbaues und ihrer Unterhaltung abgenommen wurde. Der Kirchenbauverein Schippach hat deswegen auch einstimmig beschlossen, seine gesammelten Gelder zum Baue der Votivkirche zu geben.

452 Der Verein war schon 1904 gegründet worden.

3. Es lag kein Grund vor, daß vom zuständigen Bischöflichen Ordinariate die Genehmigung zu diesem Kirchenbau verweigert werden sollte.

4. Die Stifter der neuen Kirche verfügen über soviel Privatvermögen, daß sie aus eigenen Mitteln die Kirche erbauen können. Wenn aber jemand freiwillig zu dem Kirchenbau etwas beitragen will, wird es ihm niemand wehren.

5. Den Bauplatz an einer kleineren Anhöhe haben die Stifter der Kirche selbst ausgewählt und auch selber bezahlt, und ein jeder Besucher des Bauplatzes muß zugeben, daß es ein idyllischer Platz ist und günstig gelegen für beide Orte. Daß nun mancher Geistliche wohl erfreut wäre, wenn Wohltäter ihm ebenfalls eine schöne und geräumige Kirche erbauen würden, ist klar und die bei manchen sich regende Mißgunst ist begreiflich.

6. Zu den sogenannten Offenbarungen der Barbara Weigand kann jeder
nach seinem Belieben Stellung nehmen. Sie beanspruchen keinen allge-
meinen Glauben, weshalb es auch keinem Geistlichen einfallen wird,
andere zum Glauben daran zu bewegen.

7. Die Grundsätze des Eucharistischen Liebesbundes sind kirchlich approbiert und es ist Druckerlaubnis erteilt worden. Elsenfeld, den 27. September 1914. Katholisches Pfarramt: Josef Welzbacher, Pfarrer.453

453 Augsburger Postzeitung Nr. 456 vom 3.10.1914

2. und 8. Oktober
Das Bischöfliche Ordinariat Würzburg verteidigt den Kirchenbau als solchen gegen die Zeitungsangriffe (erste Verlautbarung des Ordinariates im Amtsblatte). Der Bau wird darin als „auswärtiges Privatunternehmen“ bezeichnet, an dem „eine Kirchenverwaltung amtlich nicht beteiligt“ sei. Vgl. hierzu die Vorgänge vom 24.11.1913;  11.2.1914; 14.5.1914; 24.5.1914; 1.6.1914; 19.6.1914; 27.9.1914. Infolge Abwesenheit des Architekten (französische Gefangenschaft) wird der Bau im Herbst 1914 eingestellt.

 

1915

15. Juli
Der Bischof von Würzburg greift erneut in die Bausache ein mit einem Brief an Fräulein Hannappel: „Euer Hochwohlgeboren! ..gestatte ich mir zu erwidern, daß der Neubau einer Kirche für die Gemeinden Rück und Schippach ein dringendes Bedürfnis ist und ich deshalb die Vollendung des bereits begonnenen Baues dringend wünsche und dieses um so mehr, weil die Kirche in besonderer Weise der Anbetung des Heiligsten Altarsakramentes gewidmet werden soll. In vorzüglicher Hochachtung verharrt Ew. Hochwohlgeboren ergebenster + Ferdinand, Bischof“.

18. Juli
Gründung des Vereins für die Sakramentskirche in Schippach.

18. August und 3. September
Der Verein erwirbt laut notarieller Verbriefung das Baugelände.

10. September und 23. September
Das Bischöfliche Ordinariat Würzburg wünscht dem Verein Gottes Segen zu dem Bau.

17. September
Der König erteilt die allerhöchste Genehmigung der Pläne.

13. Oktober
Die Augsburger Postzeitung bekämpft mit weiteren Artikeln den Kirchenbau. Das Projekt der „Kriegsgedächtniskirche St. Ludwig in Nürnberg“ taucht auf.

12. November
Das Bischöfliche Ordinariat Würzburg zieht die Baugenehmigung ohne Begründung vorläufig zurück. Bestrebungen von geistlicher Seite, die staatlichen Behörden zum Bauverbot zu veranlassen.

 

1916

5. Januar
Zusammentritt der Würzburger Prüfungskommission.

11. Februar
Das Ordinariat Würzburg erklärt die Schippacher Offenbarungen als unecht und verbietet Liebesbund und Kirchenbau wegen des Zusammenhanges mit jenen Offenbarungen. Zur Begründung dieser Maßnahmen beruft sich das Ordinariat auf die „eingehende Prüfung“ Dr. Branders und Genossen. Demnach war die Prüfung am 11.2. bereits abgeschlossen. Da aber nicht anzunehmen ist, daß das Ordinariat blindlings das Prüfungsergebnis sich zu eigen machte, sondern vielmehr dieses Prüfungsergebnis zuvor auch studierte, so muß, da am 11.2. bereits die offiziellen so weittragenden Maßnahmen angeordnet wurden (Verlesung in allen Kirchen), die Prüfung bereits erhebliche Zeit vor dem 11.2. abgeschlossen gewesen sein. Am 30. Dezember 1915 hatte nachweisbar das Ordinariat die zu prüfenden Schriften noch nicht in Händen, am 11.2.1916, vielmehr schon geraume Zeit vorher, also in knappen 4 Wochen soll dann die Schippacher Bewegung, die damals schon älter war als 40 Jahre und über ganz Deutschland sowie nach Holland, Belgien, der Schweiz, Österreich, Ungarn, Italien sich erstreckte, mit dem die Korrespondenz wegen des Krieges gesperrt war, ihre Wellen geschlagen hatte, eine Bewegung, die zudem die „schwierigste aller theologischen Disziplinen“ (Denifle) betraf, eingehend geprüft worden sein? Poulain, an dessen Hand Dr. Brander angeblich prüfte, sagt ausdrücklich, „daß man Zeit und lange Untersuchung braucht, um bei Offenbarungen zu einem sicheren Urteil zu kommen“ (Mystik 371), und der ebenso gelehrte Amort schreibt ganz ähnlich, „vor dem Tod der betreffenden Person könne man, Ausnahmen abgerechnet, niemals über eine Offenbarung sicher sein. Bei Offenbarungen, die ein bestimmtes Ziel hätten, zum Beispiel das Anregen einer Wallfahrt (cf. Schippach), müsse man erst die Ereignisse sich entwickeln lassen und abwarten, bis die Offenbarungsreihe abgeschlossen sei, ehe man dazu sein Urteil abgebe“ (S. 364).

In Würzburg aber sind schon nach knapp 4 Wochen die Prüfungskommissäre, die Barbara Weigand persönlich gar nicht kennengelernt hatten, mit ihrem Urteil „absolut sicher“, und zwar aufgrund von Schriften, von denen dieselben Prüfungskommissäre gestehen, sie wüßten gar nicht, von wem ihr Inhalt herstamme. Aber wir wissen ja, daß man schon vor Beginn der amtlichen Prüfung über die Unechtheit der Offenbarungen „absolut sicher“ war, weil die Augsburger Postzeitung und das Aachener Piusblatt das so geschrieben hatten. Die ganze Würzburger Prüfung war, wie ein höherer Mainzer Geistlicher im Mainzer Journal gegen Schippach schrieb, gar nicht die Hauptsache, sondern eine „nur noch fehlende“ Formalität. Diese Prüfung muß revidiert werden.

11. März
Die staatlichen Behörden verbieten den Weiterbau, obwohl eine gesetzliche Unterlage zur Verweigerung der Baugenehmigung nicht gegeben ist.

13. April
Zur Begründung ihres Bauverbotes verweist die staatliche Behörde auf die eingehende (?) Würzburger Prüfung und auf einen Artikel Dr. Branders in der Allgemeinen Rundschau.

Auf der miserablen Prüfung und Publizistik Dr. Branders beruhen demnach alle kirchlichen und staatlichen Verbote. Gröblicher Vertrauensmißbrauch eines Gliedes der Prüfungskommission, welches in Zeitschriften, politischen Tageszeitungen und eigenen Publikationen aus dem Zusammenhang gerissene Teile der Schippacher Offenbarungen mit höhnischen Bemerkungen veröffentlicht. Die Offenbarungsniederschriften waren aber durch das Ordinariat von Barbara Weigand eingefordert worden mit der ausdrücklichen Erklärung, sie seien benötigt „zur Berichterstattung an die Päpstliche Nuntiatur“. Dieser Vertrauensbruch ist in den Augen eines jeden, der sich noch ein Fünkchen Gerechtigkeitsliebe bewahrt hat, gerichtet. Nach dem Moralisten Göpfert sollen Zeitungen über neue Offenbarungen überhaupt nicht berichten und wenn sie es doch tun, dann sollen sie sich enthalten, ein Urteil über ihren Charakter abzugeben.

 

1921

29. Januar
Oberhirtliche Konfirmation der mit den Offenbarungsgeldern gestifteten Pfarrei Rück-Schippach.

 

1925

11. Januar
Die Gemeinde Schippach wendet sich an Ordinariat und Regierung mit der Bitte um Aufhebung des Bauverbotes.

 

II.

Die urkundliche Darstellung von Dr. Hans Abel, Vorstand des Kirchenbauvereins Schippach von 1916 bis 1925/26, entnommen seinen „Briefen aus Rom“ aus dem Archiv der „Barbara-Weigand- Gesellschaft E.V. Schippach-Elsenfeld, ergänzt bzw. bestätigt die urkundlichen Aufschreibungen und Protokollführung in einer unbestechlichen und höchst präziser und nachvollziehbarer Weise und soll deshalb zur weiteren Glaubhaftmachung auszugsweise das Wesentlichste der tatsächlichen Abläufe in protokollarischer Aufzählung wiedergeben und beginnt ab 1916, dem Eintrittsjahr Dr. Abels als Vorstand und Sprecher des Kirchenbauvereins Schippach. Es ist in etwa auch die Zeit, während der sich die Schippacher zunehmend zuspitzte und verdient, schon von daher benannt zu werden, zumal sie das Zeugnis Büttners erheblich erhärten und untermauern und damit ein sehr bedeutsames Zeugnis über die authentischen Niederschriften zeithistorischer Daten wiederspiegeln.

 

1916

11. Februar
Das Ordinariat Würzburg verwirft den Bau der Sakramentskirche und den „Eucharistischen Liebesbund des göttlichen Herzens Jesu“, indem es zugleich die Offenbarungen der Barbara Weigand für „hinfällig“ erklärt.

24. Februar
Das Ordinariat beauftragt das zuständige Pfarramt bekanntzugeben, daß es außerstande sei, „jemals dem projektierten Kirchenbau die kirchliche Genehmigung zu erteilen.“

1. März
Auf Ersuchen des Domkapitulars Stahler aus Würzburg, der nach München gekommen war, findet abends von 7 bis 8 Uhr im Kultusministerium auf dem Zimmer des Ministerialreferenten Goldenberger und in dessen Beisein eine Besprechung zwischen Domkapitular Dr. Stahler und Dr. Hans Abel statt. Die Besprechung hatte nach den Worten Stahlers den Zweck, Abel von der Aussichtslosigkeit einer Berufung nach Rom zu überzeugen und davon abzubringen. Goldenberger riet ihm jedoch unmittelbar vorher, sich auf nichts einzulassen und auf die Berufung zu beharren. Bei dieser Besprechung erklärte Domkapitular Stahler auf Ersuchen Dr. Abels, was man der Barbara Weigand persönlich zum Vorwurf machen könne, wörtlich: „Barbara Weigand ist sittlich intakt.“ Dies sagte er, nachdem er zwei Monate zuvor, nämlich am 5. Januar 1916, einer rechtlichen Vernehmung der Barbara Weigand beigewohnt hatte. Am 17. Februar 1918 aber unterschreibt Stahler über die Vernehmung vom 5. Januar 1916 ein Protokoll bzw. gutachtliche Äußerungen, worin es heißt: „In einer Reihe von Fällen, in welchen es schließlich gelang, Antworten auf die gestellten Fragen zu erlangen, ergab sich die völlige Unzuverlässigkeit der Aussagen, sowohl bei Weigand als bei Hannappel.“ Das ist ein unerklärlicher Widerspruch und um so auffallender, weil es bis heute noch sonst niemand gewagt hat, Barbara Weigand der Unehrlichkeit und Unwahrhaftigkeit zu beschuldigen. Alle ihre Seelsorger bekunden das gerade Gegenteil von den Behauptungen in den „Gutachtlichen Äußerungen“ des 11. Februar 1918, die zur Unterlage für das an diesem Tage gefällte Urteil gegen Barbara Weigand dienen mußten.

7. März
Der Vorstand des Vereins teilt dem Ordinariat mit, daß er gegen die Verfügung vom 24. Februar 1916 Konkurs ergreife.

 

I. Appellation

11. März
Das Ordinariat antwortet, daß es die Berufung am gleichen Tage an die Apostolische Nuntiatur in München zur Vorlage beim Heiligen Vater in Rom eingesandt habe.

14. März
Der Vorstand teilt dem päpstlichen Pro-Nuntius Kardinal Frühwirth mit, daß er eine eingehende Begründung seiner Berufung in tunlichster Bälde folgen lassen werde.

1. April
Die Begründung der Berufung wird bei der Nuntiatur in München eingereicht.

8. September
Der Vorstand wendet sich mit einem Bittgesuch direkt an den Heiligen
Vater.

30. September
Kardinalstaatssekretär Gaspari bestätigte den Eingang des Bittgesuches und dessen Weitergabe zur Sachbehandlung an das Heilige Offizium.

Im Jahre 1916 schreibt der Subregens des Würzburger Klerikalseminars, Dr. theol. Vitus Brander, eine Broschüre gegen Schippach mit dem Titel „Die Seherin von Schippach.“

 

1917

In den Monaten Juni, Juli und August wird von Dr. Abel eine Petition an den Heiligen Vater für die Sakramentskirche in Umlauf gesetzt. Trotz der Hemmnisse durch den Krieg und trotz mehrfacher Widerstände von geistlichen Vorgesetzten, die glaubten, sogar eine Petition an den Heiligen Vater als eine unerlaubte Sache bezeichnen und verbieten zu können, erhielt die Petition nahezu 5 000 schriftliche Zustimmungserklärungen.

25. Juni
Die Suprema Sacra Congregatis Sancti Officii erklärte im Falle
Schippach: „Episcopi utantur jure suo.“

Das Ordinariat Würzburg publiziert diese Erklärung des Heiligen Offiziums und fügte bei: „Durch die Entscheidung des Heiligen Offiziums ist das Verwerfungsurteil des hochwürdigsten Bischofs von Würzburg über die Offenbarungen der Barbara Weigand, das Verbot des Baues der Sakramentskirche und des von ihr eingeführte
‚Eucharistischen Liebesbundes des göttlichen Herzens Jesu‘ gutzuheißen und bestätigt.“

21. August
Das Ordinariat Würzburg teilt dem Vorstand „die Entscheidung Roms“ mit.

 

1918

Im Januar teilte man Dr. Abel gelegentlich einer Besprechung mit Ministerialrat Goldenberger mit, er habe durch den Referenten der Regierung in Würzburg bei dem Ordinariat Erkundigungen über den Stand der Schippacher Angelegenheit einziehen lassen. Der Referent von Würzburg habe ihm geantwortet, daß er sich bei dem Generalvikar erkundigt und von diesem die Auskunft erhalten habe: „Von Rom aus sei nach Würzburg die Weisung ergangen, in der Sache Schippach ein richterliches Urteil zu fällen, dieses Urteil Dr. Abel, als dem Vorstand, zuzustellen, damit er dagegen Berufung ergreifen könne; dann wolle Rom in der Sache selbst entscheiden.“

11. Februar
Das Ordinariat Würzburg fällt ein richterliches Urteil gegen Schippach und verwirft die Sakramentskirche und den Liebesbund.

22. Februar
Das Urteil wird dem Vorstand zugesandt.

2. März
Der Vorstand legt bei dem judex a quo Berufung ein.

 

II. Appellation

8. März
Das Ordinariat bestätigt den Eingang der Berufung und stellt eine Frist von 4 Wochen für die Vorlage der Appellationsschrift.

17. März
Der Vorstand bittet um Fristverlängerung für die Einreichung der Appellationsschrift.

25. März
Das Ordinariat verlängert die Frist bis zum 19. Mai incl.

17. Mai
Der Vorstand sendet die Appellationsschrift an den judex a quo i. e. des Ordinariats Würzburg und reicht am gleichen Tage ein Duplikat der Appellationsschrift bei der Münchener Nuntiatur ein. Der Appellationsschrift waren als integrierender Bestandteil die beiden gerade erschienenen Schriften hinzugegeben: „Die Sakramentskirche von Schippach“ und „Das Problem von Schippach.“

 

1919

25. März
Das Ordinariat Würzburg hält Nachfrage nach dem Stand der Sache beim Heiligen Offizium.

4. November
Das Heilige Offizium antwortet: „Per litteras datas die 25 Martii 1919 tuus Vicarius Generalis instat, ut Sancta Sedes judicium ferat circa appellationem factam a Joanne Abel et Barbara Weigand contra sententiam Curiae Episcopalis Herbipolensis de die 11 Februarii 1916. Cum in hac re Suprema haec Congregatio die 13 Junii 1917 prout tibi significatum fuit, decrevisset, ut Episcopi utantur jure suo, nihil est, cur aliud judicium a Sancta Sede expetatur. (Inzwischen war doch das Urteil vom 11. Februar 1918 ergangen und dagegen rechtzeitig appelliert worden.) Hinc nihil impedit quominus executioni demandentur ea quae ab ista Curia Episcopali in sessione plenaria de die 11 Febr. 1916 constituta fuere, aliaeve decisiones per te ferentur. Quod spectat vero ad pecuniam, quae collecta est ad aedificandam ecclesiam in vico Schippach, res pariter remittitur prudentiae ac conscientiae tuae, ut collatis consiliis cum aliis Episcopis quorum parte intersit ac praesertim cum Archiepiscopo Monacensi qui est Ordinarius Joannis Abel, opportune provideas.“

 

1920

26. Januar
Das Ordinariat Würzburg veröffentlichte einen Erlaß, worin es die Antwort des Heiligen Offiziums vom 4. November 1919 bekannt gibt. In diesem Erlaß wird zunächst auf die Oberhirtliche Entscheidung vom 11. Februar 1916 Bezug genommen und diese in ihrem Tenor wiederholt. Dann wird die Antwort des Heiligen Offiziums vom 25. Juni 1917 wiederholt und hierauf wörtlich fortgefahren: „Gegen diese römische Entscheidung haben Barbara Weigand und der Vorsitzende des Vereins für die Sakramentskirche in Schippach, Dr. Hans Abel in München, Berufung ergriffen. Nun traf auf unsere Nachfrage in Rom um den Stand der Sache vom 25. März 1919 an den hochwürdigsten Herrn Bischof folgende endgültige Entscheidung vom 4. November 1919 ein: Per litteras datas die 25 Martii 1919 etc., nun aber unter dem 4. November 1919 angegeben.“

Das Ordinariat Würzburg fügte bei: „Es bleibt also, wie vorauszusehen war, bei der ersten bischöflichen Entscheidung und es steht nichts mehr im Wege, daß die Bestimmungen dieser Entscheidung zur Durchführung kommen.“

7. Februar
Der Vorstand macht in einem Rundschreiben darauf aufmerksam, daß das Schreiben des Heiligen Offiziums vom 3. November 1919 nichts von dem bischöflichen judicium vom 11. Februar 1918 und der Appellation dagegen vom 2. März bzw. 17. Mai 1918 erwähnte. Dieses Rundschreiben erging auch an das Ordinariat Würzburg und an die Nuntiatur in München.

18. Februar
Die Nuntiatur in München schreibt dem Vorstand, er möge die bisherige Behandlung der Angelegenheit in neuen, direkt an den Heiligen Stuhl oder an das Heilige Offizium gerichteten Schriftstücken niederlegen.

1. März
Das Ordinariat Würzburg richtet nun Anfrage an das Heilige Offizium.

30. März
Der Vorstand übergibt der Nuntiatur in München ein an das Heilige Offizium gerichtetes Schreiben, dessen Tenor lautet: „Aus allen diesen Gründen erhebe ich hiermit in aller Form beim Heiligen Apostolischen Stuhle in Rom die Klage gegen das hochwürdigste Bischöfliche Ordinariat Würzburg:

Erstens: wegen eines Vergehens der grob fahrlässigen oder wissentlich falschen Berichterstattung an das Heilige Offizium, begangen durch das Ordinariatsschreiben vom 25. März 1919 und

Zweitens: wegen eines Ungehorsams der offiziellen öffentlichen Behauptung und Verbreitung einer offenkundigen Unwahrheit, begangen im Erlaß vom 26. Januar 1920 und enthalten in den Worten dieses Erlasses: „Gegen diese römische Entscheidung haben Barbara Weigand und Dr. Hans Abel Berufung ergriffen.“

9. April
Das Heilige Offizium antwortet dem Ordinariat Würzburg auf die Anfrage vom 1. März: „Inspectis litteris istius Curiae Episcopalis datis die 1 Martii proxime elapsi, respicientibus litteras Supremae huius Congregationis datas die 3 Novembris 1919 (N. 769 - 16) propero tibi significare has litteras die 3 Novembris nonnisi ad decretum istius Curiae datum die 14 Februarii 1918 referri, et ex errore materiali tantummodo accidere potuisse, si pro anno 1918 annus 1916 citatus ist. Huic igitur decreto die 14 Februarii 1918 Joanni Abel et Barbara Weigand plene parendum est, quum haec S. Congregatio plane rejecit appellationem ab iisdem factam die 17 Mai 1918.“

Das Ordinariat Würzburg veröffentlichte diese Antwort des Heiligen Offiziums und bemerkte dazu, daß es auch seinerseits den Schreibfehler 1916 statt 1918 übersehen habe, und zwar sowohl bei seinen Veröffentlichungen als auch im Amtsblatt. Damit ist jedoch die Sache keineswegs erledigt, wie folgende Punkte beweisen:

1. Warum geht das Ordinariat Würzburg in seinem Erlaß vom 26. Januar 1920 auf die Oberhirtliche Entscheidung vom 11. Februar 1916 zurück und erwähnt in dem Erlaß kein Wort von dem richterlichen Urteil vom 11. Februar 1918. Auf erstere Entscheidung konnte es zwar nicht mehr ankommen, weil ein richterliches Urteil inzwischen vorlag, gegen das allein die Appellation schwebte.

2. Wie kommt es, daß das Ordinariat Würzburg in dem gleichen Erlaß vom 26. Januar 1920 schreiben konnte: „Gegen diese römische Entscheidung, nämlich vom 25. Juni 1917: Episcopi utantur jure suo – haben Barbara Weigand und Dr. Hans Abel Berufung ergriffen?“ Kann und will man dies auch als ein Übersehen und als einen Schreibfehler ausgeben? Hier klafft nicht nur eine Lücke, welche die Frage nach dem Schicksal der zweiten Appellation aufdrängen muß, sondern ist auch eine Ungeheuerlichkeit ausgesprochen, wie sie stärker nicht zugedacht werden kann: Eine Appellation gegen eine römische Entscheidung!

3. Verbietet schon die total falsche und widersinnige Behauptung von einer Appellation „gegen diese römische Entscheidung, sich auf ein Versehen hinausreden zu wollen“, so wird dieser Weg noch ungangbar durch den Satz in dem Erlaß vom 26. Januar 1920: „Es bleibt also, wie vorauszusehen war, bei der ersten bischöflichen Entscheidung.“

Wer von einer ersten Entscheidung spricht, dem muß auch eine weitere Entscheidung erinnerlich und gegenwärtig sein, sonst wäre der Ausdruck „erste Entscheidung“ sinnlos. Man hat also die zweite Entscheidung verschwiegen, und um eines verschweigen zu können, hat man nicht nur eine Unwahrheit, sondern auch einen Unsinn ausgesprochen und die kirchliche Gesinnung anderer zu Unrecht verdächtigt. Denn wer selbst noch gegen eine römische Entscheidung sich widersetzt, indem er dagegen appelliert, ist des kirchlichen Ungehorsams im höchsten Grade verdächtig.

4. Dr. Hans Abel, Vorstand des Kirchenbauvereins Schippach, hat in seinem Rundschreiben vom 7. Februar 1920 erklärt: „Das Schreiben vom 3. November 1919 aus Rom nimmt nur Bezug auf die erste Appellation, bestätigt nur die Weisung vom Juni 1917 und läßt die Vermutung aufkommen, daß man in Rom die zweite entscheidende Appellation noch nicht erhalten hat.“

Für den Kirchenvorstand Dr. Abel stellt sich die berechtigte und dringende Frage: Warum hat Würzburg bis heute das Nächstliegende und das Einfachste noch nicht getan, nämlich die Erklärung abzugeben, daß es diese zweite Appellation nach Rom ordnungsgemäß weitergeleitet hat? Es ist die Sache des judex a quo, die Appellation mit den übrigen Prozeßakten bei der höheren Instanz einzureichen. Ist das von Würzburg geschehen? Würzburg schweigt sich aus und ich bezweifle es aus den in meiner Appellation angegebenen Gründen. Man wollte mich ja mit allen Mitteln von der Appellation nach Rom abbringen, weil man, wie mir Domkapitular Stahler am 1. März 1916 zu erkennen gab, den Einblick Roms in die Ordinariatsakten fürchtete.

5. Die Gründe, die gegen das Urteil vom 11. Februar 1918 angeführt wurden, sind so schwerwiegender Natur, daß sie entweder berücksichtigt oder widerlegt werden müssen. Das verlangt schon die Rücksicht auf das Gewissen der Beteiligten. Die Sache ist also nach keiner Richtung hin geklärt.

3. September
Der Vorstand richtet neuerdings ein Gesuch an das Heilige Offizium um eine richterliche Entscheidung über seine Appellation.

9. September
Überreichung einer Petition an das Heiligen Offizium.
Soweit aus den schriftlichen Unterlagen von Dr. Hans Abel, Rom, vom 22. November 1920. ,

Aus den mitgeteilten urkundlichen Äußerungen ergibt sich also folgendes Bild:

1. Bereits im Jahre 1903 ist die Rede von einem Kirchenbau in Schippach. Es handelt sich um einen „Umbau der Kirche in Schippach“. Von wem die Anregung ausging, ob von den Bewohnern oder Barbara Weigand, ist nicht nachzuweisen. Die Erweiterung der Kirche in Schippach war schon damals ein dringendes Bedürfnis und darum Ortsgespräch. Barbara Weigand wohnte damals in Schippach und kehrte erst Ende des Jahres nach Mainz zurück.

2. Barbara Weigand nimmt die Arbeit für den Kirchenbau tatkräftig auf und hat in kurzer Zeit 5 426 Mk. beisammen. Die Schippacher gründen einen Sammelverein am 1. 7. 1904 und beginnen mit den Sammlungen mit kleinen Monatsbeiträgen. Die von Barbara Weigand gesammelten Gelder fließen in die Vereinskasse; von den im Jahre 1914 vorhandenen Geldern des Vereins in Höhe von ca. 55 000 Mk. stammen ca. 53 000 Mk. von Barbara Weigand. Die Aufsicht über die Gelder führt die Geistlichkeit.

3. Es handelt sich nach den Verlautbarungen der Barbara Weigand, der Wohltäter und nach den Einträgen in den Vereinsbüchern sowie nach den Offenbarungen um den Um- bzw. Neubau einer Antoniuskirche in Schippach als Ersatz der alten Antoniuskapelle.

4. Diese neue Antoniuskirche bildet den Gegenstand der locutiones in den Offenbarungen der Barbara Weigand. Diese betrachtet sich als vom Herrn mit der Aufgabe betraut, eine Antoniuskirche in ihrer Heimat zu bauen.

5. Diese Antoniuskirche wird in den Offenbarungen vom Heiland als die Krönung des Werkes hingestellt, welches Barbara Weigand nach ihrer Meinung im Auftrage Gottes gewirkt hat. Dieser Gedanke, der erstmals 1906 erscheint, tritt allmählich immer stärker hervor; er gipfelt in der Idee: die Kirche soll eine Stätte der besonderen Verehrung der heiligsten Eucharistie und ein Denkmal des Dankes an die Kommuniondekrete des Papstes Pius X. werden. Die beiden Ideen: a) Ersatz für die alte ungenügende Antoniuskapelle, b) besondere Verehrung der heiligen Eucharistie laufen gleichzeitig nebeneinander her. Sie bilden die zwei Zwecke der einen Schippacher Kirche. Die beiden Namen sogar laufen jahrelang promiscue nebeneinander her. Schon am 8. Februar 1910 erscheint nachweislich der Name „Sakramentskirche“, während umgekehrt noch im Mai 1913, als sogar der Platz in den Offenbarungen genannt ist, und das ganze Projekt ideell fertig vorliegt, die Bezeichnung „Antoniuskirche“ in den Offenbarungen vorkommt. Es handelt sich immer um die eine und dieselbe Schippacher Kirche mit den zwei Ideen und Zwecken. Diese historische Tatsache ist die Fundamentalwahrheit über unsern Kirchenbau. Es gab in Schippach keine zeitlich getrennten zwei oder gar drei Projekte, wie Dr. Brander (Seherin 85) und mit ihm die Behörden später meinen, sondern immer nur das eine Projekt mit den zwei Ideen.

Das Projekt der Pfarrkirche in Rück hat somit nichts mit dem vom Herrn ausdrücklich und mehrfach geforderten Schippacher Kirchenbau und mit Barbara Weigand zu tun. Gerade das Abweichen von dieser Grundtatsache, daß Sakramentskirche und Antoniuskirche nur eine Kirche sind, nämlich jene, welche mit den Offenbarungen zusammenhängt, hat das Chaos in Schippach verursacht und stürzt noch heute die Gegner von einem Widerspruch in den andern. Alle Versuche, von wem sie auch ausgehen, welche heute Sakramentskirche und Antoniuskirche trennen wollen, indem sie die Sakramentskirche verwerfen, die Antoniuskirche aber bauen wollen, scheitern an dem historischen Tatbestand. Man kann niemals die Sakramentskirche verwerfen, ohne zugleich auch die Antoniuskirche verwerfen zu müssen, und man kann niemals die Antoniuskirche wünschen ohne zugleich auch die Sakramentskirche wünschen zu müssen. Denn die Antoniuskirche ist eben die Sakramentskirche und die Sakramentskirche ist die Antoniuskirche. Es gab und gibt in Schippach keine zwei Kirchenprojekte, sondern immer nur das eine, welches Antoniuskirche und Sakramentskirche zugleich ist. Ob man die Kirche in Schippach Antoniuskirche oder Sakramentskirche nennt, ist für den Bau und seine zwei Ideen ganz belanglos: er ist und bleibt die mit den Offenbarungen zusammenhängende Schippacher Kirche.

6. Die Schippacher Kirche soll auch der Gemeinde Rück zugute kommen.

7. Der Plan einer Pfarrkirche in Rück steht abseits der mit Barbara Weigand zusammenhängenden Kirche. Die Schippacher Offenbarungen hängen mit der Schippacher, nicht Rücker, Kirche zusammen. Gegen die Erbauung einer Kirche in Rück wendet sich die Schippacher Gemeinde. Der Plan einer Kirche in Rück war das Projekt der Pfarr- und Ortsgeistlichkeit. Dieses Projekt wird vom Bischof 1908 gewünscht, aber 1913 verworfen. Der Bischof spricht sich 1913 für die Schippacher Kirche als Wallfahrtskirche auf dem jetzigen Baugelände aus. Sie soll in erster Linie der besonderen Verehrung der heiligen Eucharistie dienen. Dies spricht der Bischof öffentlich von der Kanzel in Rück und noch einmal brieflich aus. Die Sammelgelder der Guttäter werden für den Schippacher Bau, nicht für eine Kirche in Rück, gegeben.

8. Barbara Weigand bringt in ihrer Eigenschaft als Begnadigte von den
Mitgliedern des Liebesbundes die Gelder zusammen

a) für das Pfarrhaus (1903 sind 9 000 Mk. da, 1912 wird ein provisorisches Haus davon gekauft und eine Summe von 10 000 Mk. als Neubaufond angelegt);

b) für die Errichtung einer Pfarrei (1909 sind 30 000 Mk. vorhanden, 1912 wird die Stiftung oberhirtlich errichtet, 1921 wird die Pfarrei gegründet);

c) für den Bau der Schippacher Kirche. Von den ca. 55 000 Mk. des Schippacher Vereins stammen ca. 53 000 Mk. von den Liebesbundmitgliedern durch Barbara Weigand.

9. Die Wohltäter geben all ihr Geld im Zusammenhang mit den Offenbarungen der Barbara Weigand. In diesen locutiones dankt der Heiland den Spendern und stellt reichen Ewigkeitslohn in Aussicht.

10. Der Schippacher Kirchenbau ist nicht ein plötzlich dem Kopfe der Barbara Weigand entsprungener Plan, sondern die Frucht einer langjährigen Entwicklung; er steht ebenso mit natürlichen Ursachen wie mit behaupteten übernatürlichen im engsten Zusammenhang; der Schippacher Kirchenbau, historisch betrachtet, ist auch nicht ein eigenes Werk, sondern ein Glied in dem Komplex: Pfarrhaus – Pfarrei – Antoniuskirche – Sakramentskirche. Ortsbedürfnis, Seelsorge und behauptete übernatürliche Faktoren greifen ineinander.

11. Das im Jahre 1913 vorliegende und 1914 in Angriff genommene Projekt der Schippacher Kirche als der die Antoniuskirche in sich begreifenden Sakramentskirche findet einschließlich des Bauplatzes wenigstens fünfmal die persönliche Unterstützung des Diözesanbischofs (31. Mai 1913; 27. Oktober 1913; 24. November 1913; 2. März 1914 und 15. Juli 1915).

12. Bauplatz, Projekt und Plan der Sakramentskirche erhalten auf ordnungsgemäße Bitte hin die förmliche Genehmigung des Bischöflichen Ordinariates (24. November 1913; 3. Juni 1914; 8. Oktober 1914 und 10. September1915).

13. Das persönliche Eingreifen des Diözesanbischofs hat

a) die Erbauung einer Pfarrkirche in Rück (Plan der Pfarrgeistlichkeit) verhindert,

b) die Inangriffnahme des Sakramentskirchenbaues veranlaßt,

c) die Wiederaufnahme der seit Herbst 1914 eingestellten Bauarbeiten bewirkt („dringender Wunsch“ des Bischofs nach „Vollendung des bereits begonnenen Kirchenbaues“ am 15. Juli 1915, daraufhin Gründung des neuen Bauvereins und Übernahme der Baustätte am 18. August und 3. September 1915; Vergebung der Bauarbeiten an die Firma Heilmann und Littmann; allerhöchste Genehmigung am 17. September 1915). Diese Tatsache des Eingreifens des Bischofs, das einem Befehle gleichkam, müßte heute allein genügen, die Wallfahrtskirche weiterbauen zu lassen, da die Ruinen von Schippach mit dem Andenken des hochseligen Bischofs unlöslich verbunden sind. Die Fortsetzung des Baues ist die Ausführung des klar vorliegenden Willens des Bischofs (das spätere Verwerfungsurteil ist nicht vom Bischof unterzeichnet!) und darum eine Prestigefrage der bischöflichen Autorität.

14. Der Zusammenhang des Schippacher Kirchenbaues mit den Offenbarungen der Barbara Weigand ist den geistlichen und weltlichen Behörden von Anfang an amtlich bekannt.

15. Zwischen dem Kirchenbau einerseits sowie der Pfarrgeistlichkeit und der Kirchenverwaltung Schippach andererseits besteht von Anfang an ein amtlicher Zusammenhang.

 

III

So der urkundliche historische Tatbestand. Diese nüchterne historische Entwicklung zeigt uns, daß von „Größenwahn“, „unnötigem Kirchenbau“, „Phantasterei“, „Narretei“, „Unsinn“, „Schwindel“, „Unfug“, „Aprilscherz“, „Stigma des Ungehorsams“, „Heimlichtuerei“, „Betrügerei“, wie die Kriegs- und Zeitungstheologen geschrieben haben, doch wahrlich keine Rede sein kann. Wie die Verbindung von Privatoffenbarungen mit äußeren Werken dogmatisch und kirchenrechtlich zu bewerten sei, haben wir an anderer Stelle eingehend besprochen, hier sollte bloß die historische Entwicklung, welche die Grundlage einer wahrheitsgemäßen Darstellung bildet, aufgezeigt werden. Diese unanfechtbare historische Darstellung, und zwar aufgrund der seinerzeit geflossenen Urkunden, nicht einer späteren Meinung, läßt auch die Unwahrheiten im Kampf gegen den Kirchenbau in ihrer ganzen Abscheulichkeit erkennen. Man muß mit Eindeutigkeit und Nachhaltigkeit feststellen: Obwohl der Bau zehn Jahre lang in untadelig korrekter Weise von allen Beteiligten betrieben worden war, obwohl die Gelder zehn Jahre lang in den amtlich eingetragenen, vom zuständigen Pfarrer als Vorstand geleiteten Verein flossen, obwohl jahrelang die kirchlichen und staatlichen Behörden mit dem Bau beschäftigt worden waren und zwar ganz korrekt im amtlichen schriftlichen Verkehr, obwohl Barbara Weigand immer wieder als die Stimme Gottes verkündet, die Beteiligten am Bau sollten sich genau an die kirchlichen und staatlichen Vorschriften halten und „demütig um Genehmigung bitten“, was auch geschah, obwohl das alles urkundlich vorlag, schämten sich katholische Priester nicht, in aller Öffentlichkeit zu behaupten, der Bau sei im Widerspruch mit den kirchlichen Behörden erfolgt, trage „das Stigma des Ungehorsams gegen die kirchliche Obrigkeit“ an sich, „schleiche im Geheimen“, sei eine „Geheimnistuerei“.

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Schlußbemerkung

Als das Kurfürstentum Bayern im Spanischen Erbfolgekriege am Rande des Unterganges stand, als die bayerischen Lande von den feindlichen Heeren überflutet wurden, als Raub, Plünderung und Brandschatzung die Lande heimsuchten, als die Hauptstadt München vor der feindlichen Besetzung stand und die politische Not am höchsten war, da wurde der ekstatischen Maria Anna Lindmayr von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit in einer Vision die Aufgabe zugeteilt, für die ganze Stadt München Bürge zu stehen, damit sie nicht verlorengehe. In einer weiteren Erscheinung wurde ihr geoffenbart, wenn eine Kirche zu Ehren der Allerheiligsten Dreifaltigkeit in München gebaut werde, dann werde die Stadt vor der Plünderung verschont bleiben. Die Begnadigte brachte dieses Gesicht zur Kenntnis der Bürgerschaft. Niemand verlachte sie, wohl aber machten die drei Stände – Adel, Geistlichkeit, Bürgerschaft – sofort das Gelübde, diese Kirche zu bauen. Im Jahre 1714 wurde die Kirche vollendet, am 8. Januar 1715 räumten die Feinde die Hauptstadt.454

454 Nock in Historisch-Politisches Blatt 171 (1923) 637 ff.

Als Frankreich im Jahre 1871 zusammengebrochen war, faßte man den Entschluß, auf dem Montmartre zu Paris zu Ehren des göttlichen Herzens Jesu eine großartige Sühnekirche zu bauen. Sofort ging man ans Werk und schon 1875 konnte Abadie an die Unterbauten herantreten, die allein über dreieinhalb Millionen Franken verschlangen. Nach sechzehnjähriger Bauarbeit konnte die Basilika dem Gottesdienste übergeben, und nach dem Weltkriege konnte sie feierlich eingeweiht werden. Mehr als 40 Millionen kostete der Bau; es war den französischen Katholiken für das Heiligste Herz Jesu nicht zu viel.

Als Belgien im Jahre 1914 alle Leiden des großen Krieges kosten mußte, als das Herrscherhaus geflohen, die Hauptstadt von fremden Truppen besetzt war, als die Selbständigkeit des Landes verloren schien, da versprach Kardinal Mercier im Namen des belgischen Episkopates, sobald die Sonne des Friedens leuchte, ein Heiligtum zu bauen zu Ehren des Heiligsten Herzens Jesu. Im November 1918 räumten die deutschen Truppen das Land.

Und Deutschland? Mitten im Herzen Deutschlands, im Schatten tausendjähriger Eichen und weitästiger Buchen sollte in den Bedrängnissen eines entsetzlichen Krieges eine Kirche gebaut werden zum Danke an den eucharistischen Gott und auch als Denkmal heiligen Friedens. Aus allen Ländern: aus Deutschland, Österreich, Ungarn, der Schweiz, Italien, Frankreich, Rumänien, Polen, Holland, Amerika flossen die Gaben zum Tempel Gottes. Keine Kriegsgedächtniskirche sollte es werden, die das Andenken an den blutigen Leichenhof des Völkerkrieges oder an die Frevel einer gottlosen Politik wachhalten sollte, nein: ein Friedenstempel sollte erstehen, in welchem der „Fürst des Friedens“, Christus der König, Seinen Thron aufschlagen wollte, ein Tempel, in welchem dem eucharistischen Gotte Tag und Nacht Lob-, Preis- und Dankeshymnen erschallen sollten; ein Tempel, in welchem büßende und betende Seelen Sühne leisten sollten für die entsetzlichen Frevel unserer Tage; ein Tempel, gebaut von Gläubigen der ganzen Welt, ein Tempel des Herrn der ganzen Welt und in diesem Sinne sollte eine wahre „Weltkirche“ hinausleuchten in ein Land des Friedens, in ein „Land unter dem Regenbogen“.

Wie ein Menetekel hörte sich der Ruf der deutschen Bischöfe an, als sie, da wir den Krieg an den Unglückswassern der Marne bereits verloren hatten, in einem ergreifenden Hirtenschreiben um ein „büßendes und betendes Deutschland“ riefen. „Auch ein äußeres Denkmal des büßenden und betenden Deutschland wäre wohl angebracht“, schreibt dazu der beste Kenner der Herz-Jesu-Verehrung.455 Nun wohl! Das sollte ja auch die Sakramentskirche in Schippach werden: eine Herz-Jesu- Kirche zum Danke für die öftere heilige Kommunion. So spricht der Schippacher Jesus am 27. Mai 1913: „Jeder Pilger soll lesen: „Dem göttlichen Herzen Jesu im heiligsten Sakrament errichtet aus Dankbarkeit von seinen treuen Kindern für die Gnade der täglichen Kommunion“. Es durfte nicht sein. Das äußere Denkmal sollte nicht in der erhabenen Stille des deutschen Waldes, sondern in dem Lärm der modernen sozialistischen Großstadt erstehen. So sagt es ein Prospekt vom Jahre 1917: „In Nürnberg, der zweitgrößten Stadt in Bayern, soll das Andenken an den schrecklichen Weltkrieg verewigt werden, in einer Weise, wie es dem religiösen und christlichen Empfinden am vollkommensten entspricht. Es soll eine monumentale Kirche erbaut werden. Seine Majestät der König ist führend vorangegangen und hat Allergnädigst den ersten Baustein gespendet, die bayerischen Erzbischöfe und Bischöfe haben alle Gläubigen aufgerufen, zum hehren Werke ihr Scherflein beizutragen“. Nun sagt das Mainzer Journal in seiner Nr. 61 vom 13. März 1916 ganz unverblümt heraus, daß das Nürnberger Projekt der Totengräber für die Schippacher Kirche geworden sei: „Als gegen Ende 1915 die sämtlichen bayerischen Bischöfe auf Anregung des Erzbischofs von Bamberg mit dem Plane und Aufruf zu einer Friedens-Gedächtnis-Kirche456 in Nürnberg an die Öffentlichkeit traten, da hatte das Totenglöcklein für Schippach geläutet. Es fehlte nur noch das Urteil der nächsten zuständigen kirchlichen Instanz“. Dieses Urteil kam ja bekanntlich sehr bald nach.

455 Richstätter, Grundgedanken 47
456 Das ist unrichtig. Die Nürnberger Kirche sollte eine Kriegsgedächtniskirche werden.

Ist denn damit nicht offen ausgesprochen, daß man Schippach zuerst verbot und dann erst prüfte und verurteilte? Nicht Untersuchung, Prüfung und Urteil waren also bei Schippach die Hauptsache, sondern die Hinrichtung; Prüfung und Urteil waren eine „nur noch“ fehlende Formalität; die Hauptsache war, daß das Totenglöcklein geläutet hatte. Diese Darstellung des Mainzer Journals aus der Feder eines eingeweihten Mainzer Geistlichen entspricht auch ganz den vorliegenden Urkunden, über die aber im einzelnen (noch) Stillschweigen bewahrt werden muß. Wozu brauchte denn mit dem Auftauchen des Nürnberger Planes das Totenglöcklein für Schippach zu läuten? Die beiden Projekte konnten doch ganz gut nebeneinander bestehen. Und es ist uns doch immer versichert worden, der einzige Grund für die Baueinstellung der Schippacher Kirche sei deren Zusammenhang mit den Offenbarungen der Barbara Weigand? Nach dem Mainzer Journal, einem gegen Schippach in vorderster Reihe kämpfenden und von einem bekannten Mainzer Geistlichen bedienten Blatte, wäre also ein anderer Anlaß für die Baueinstellung maßgebend gewesen. Man könnte daran allerhand Vermutungen knüpfen. Doch sei dem wie es wolle: Tatsache ist, daß es der Kriegsgedächtniskirche in Nürnberg ebenso erging wie der Kirche in Schippach: ihr Bau wurde – zwar nicht polizeilich, aber auch infolge höherer Gewalt – eingestellt. Gar bitter lauten die Klagerufe in einem zweiten Prospekt: „Als Pfarrkirche St. Ludwig war die großartig gedachte Kriegsgedächtniskirche geplant. Ihre Ausführung ist unter den jetzigen Verhältnissen unmöglich. Die Pläne sind darum auf einen möglichst einfachen Kirchenbau beschränkt worden. Mit Fertigstellung der Fundamente waren die vorhandenen Mittel vollständig aufgebraucht. Deshalb mußte der Bau eingestellt werden“. Genau wie in Schippach! Mit Fertigstellung der Fundamente erfolgte auch in Nürnberg die Baueinstellung! Der Totengräber teilt das Los seines Opfers! Das gibt auch zu denken. Warum ging es nicht? Wollte vielleicht der Herr Seinen Friedenstempel nicht in der Stadt der Häresie und der Sünde haben? Oder hat Er die Gaben verschmäht, die für diesen Tempel flossen? Es waren freilich recht brüchige und morsche Bausteine dabei, Bausteine, an welchen Ungerechtigkeit und Verleumdung klebten. Die Schmähschrift im Kampfe wider Schippach, die diesen Tempel des Friedens zerstören half, hat ja Bausteine geliefert zum Kirchenbau in Nürnberg: „Der Reinertrag dieser Schrift fließt der Jubiläums-Bonifatiuskirche zu Frankfurt am Main und der Kriegsgedächtniskirche in Nürnberg zu“, so steht auf dem Titelblatt der „Seherin von Schippach“. Nun: Die Dr. Brander‘sche Schrift hat die Kirche von Schippach zwar zerstört, aber auch die Kirche in Nürnberg nicht gebaut. Beide sind im Fundamente steckengeblieben.457 An solchen Bausteinen konnte Gott kein Gefallen haben. Tausende standen bereit, um beizusteuern zur Sakramentskirche in Schippach. Es durfte nicht sein. Hunderttausende und Millionen wurden angegangen um Beisteuer für Nürnberg; umsonst. Das ist auch eine Sprache für alle, die sie verstehen wollen. Nach dem Einblicke, den ich in die Schippacher Sache gewann, nach der Begeisterung, die hierfür herrschte, nach den riesigen Summen, die laut Verbuchung oder notarieller Urkunden dem Bau zugedacht waren; einzelne Wohltäter spendeten 10 000, 20 000, 31 000, 50 000, 56 000, 139 000, 300 000 Goldmark!

457 Eben lese ich folgende Notiz in der Presse (Beobachter am Main Nr. 145 vom 28. Juni 1926): „Frankfurt a. M., Gedächtniskirche in 27. Juni. Heute Nachmittag 4 Uhr fand die feierliche Grundsteinlegung der St. Bonifatius-,. Jubiläums- und Gedächtniskirche in Sachsenhausen an der Holbeinstraße statt.“ Danach ist auch diese mit Dr. Branders Schmähschrift unterstützte Kirche in 10 Jahren erst bis zur Grundsteinlegung gekommen. Auch die Nürnberger Kirche konnte erst jetzt mit ausländischem Gelde weitergebaut werden. Dr. Brander scheint im Kirchenbauen wirklich keine glückliche Hand zu haben. Die einen fördert er nicht trotz sensationeller Schriften, die andern schlägt er in Trümmer. Wer will es mir verwehren, wenn ich in dem Schicksale der Frankfurter und Nürnberger Kirche den Finger der Göttlichen Vorsehung erblicke? Ja niederreißen kann jeder, aber aufbauen ist das, worauf es ankommt, sagt Lagarde.

Schon öfter erschienen in der Presse die Todesanzeigen von Schippach. Im November 1915 bereits „läutete das Totenglöcklein“, im Februar 1916 wurde Barbara Weigand „zertreten und zermalmt“, im Sommer 1917 rauschte es im Blätterwalde: „Finis Schippach!“, 1918 begrub man Schippach zum viertenmal, 1919 zum fünftenmal, 1920 erledigte man es endgültig; 1921 gab ihm Krebs den Gnadenstoß, 1922 sang Zahn den Grabgesang. Viele der einstigen leidenschaftlichen Gegner sind inzwischen ins Grab gesunken, einige in der Vollkraft der Mannesjahre, andere in geistiger Umnachtung; die „bedauernswerte Nervenkranke“, die angeblich „die Luft der Krankenstube atmet“, die „Zertretene und Zermalmte“ erfreut sich aber heute im 81. Lebensjahre noch einer robusten körperlichen und geistigen Gesundheit und ihre Werke erhalten in glücklicher Inkonsequenz just zur selben Zeit die behördliche Sanktion als man sie vermeintlich erledigt. Man möchte versucht sein, das Walten der Göttlichen Vorsehung darin fast mit Händen zu greifen. „Meinen Feinden zu fluchen habe ich dich gerufen, und du hast sie im Gegenteil gesegnet“ (4 Mos. 24, 10).

Auch an dieser Stelle möchte ich meiner langjährigen Mitarbeiterin, Frau Ilse-Maria Löw, für ihre großen Mühen und Treue in unserem Apostolat von Herzen danken und ihr einen reichen Himmelslohn erbitten.

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Protokollnotiz

Eine Gruppe von Priestern und Laien aus der Diözese Würzburg hat sich in einer schriftlichen Eingabe vom 5. November 1975 an den Bischof von Würzburg gewandt und ihn gebeten, ein Verfahren zur Seligsprechung Barbara Weigands einzuleiten. Um diese Zeit 1975 lebte in Würzburg der katholische Journalist Franz Graf von Magnis, der das kirchliche Zeitgeschehen aufmerksam verfolgte. Die innerkirchlichen Auseinandersetzungen um die Eucharistie bereiteten ihm Sorgen: Die Anbetung trat zurück. Die einen sahen im heiligen Meßsopfer vorwiegend ein Mahl, andere betonten den Opfercharakter. Manche traten für die Einführung der sogenannten „Handkommunion“ ein, wogegen andere die herkömmliche Weise des Kommunionempfangs für die allein richtige hielten. In der Arbeitsgemeinschaft „Das große Zeichen – Die Frau aller Völker“ fand Graf von Magnis das Bemühen um eine zeitgemäße und an der Lehre der Kirche ausgerichtete Spiritualität. In dieser Gemeinschaft wirkte als ehrenamtliche Mitarbeiterin eine Frau Eugenie Hetzer. Sie kannte Barbara Weigand und sah in ihr eine Helferin in dem Bestreben, ein rechtes Verständnis der heiligen Eucharistie und deren Verehrung zurückzugewinnen. Graf von Magnis erhielt aus der Pfarrei Rück- Schippach Kalenderbeiträge von Max Rößler458 und Wilhelm Büttner aus dem Jahr 1974.

458 Buch DDr. Wilhelm Büttner „Barbara Weigand von Schippach, ein Leben für Gott und sein Reich“; im Selbstverlag der Barbara-Weigand-Gesellschaft e. V. erschienen 1991.

Von da an wurde in der geistlichen Beiratschaft der genannten Arbeitsgemeinschaft öfter über Barbara Weigand und das pastorale Anliegen gesprochen. An den Gesprächen nahmen, außer Graf von Magnis, vor allem der in der Pfarrei Rück-Schippach tätige Pfarrer Friedbert Branz SDS, Pater Franz Georg Waldburg-Zeil SJ. und Pfarrer Albrecht von Raab-Straube459 aus der Erzdiözese Paderborn teil. „Dabei kristallisierte sich immer deutlicher heraus“, wie Graf von Magnis später schreiben wird, „daß angesichts der innerkirchlichen Auseinandersetzungen die Diözese Würzburg in Barbara Weigand und der St. Pius-Kirche von Rück-Schippach ein geistiges Eucharistisches Zentrum besitzt, von dem stärkste Impulse zur Überwindung der innerkirchlichen Krise um die heilige Eucharistie ausgehen. Insbesondere der von Barbara Weigand im Auftrage des Herrn gegründeten „Eucharistischen Liebesbundes des göttlichen Herzens Jesu“ für Familien, zutiefst konziliar, bietet besondere geistliche Möglichkeiten, dem schon damals sich abzeichnenden Zerfall der Familien entgegenzuwirken durch ein gemeinschaftliches Leben aus dem Eucharistischen Sakrament nach dem Beispiel von Barbara Weigand.“

459 ebenda

Graf von Magnis vertraute sich dem Würzburger Generalvikar Justin Wittig460 an, mit dem er sich gut verstand. Von ihm beraten und ermutigt, bereitete er einen schriftlichen Antrag vor, mit dem der Bischof von Würzburg gebeten werden sollte, ein Verfahren zur Seligsprechung Barbara Weigands einzuleiten. Wittig empfahl, den zuständigen Dekan Erwin Happ, Pfarrer von Mechenhard, an dem Vorhaben zu beteiligen. Daraufhin trafen sich am 5. November 1975 in Rück- Schippach etwa 20 Priester und Laien, von denen einige Barbara Weigand noch persönlich gekannt hatten, unter ihnen Pfarrer Josef von Traitteur,461 der von 1932 bis 1957 Pfarrer von Rück-Schippach gewesen war und ein halbes Jahr später, nämlich am 2. Mai 1976, im Alter von 86 Jahren gestorben ist. Sie unterschrieben als erste den vorbereiteten Antrag und trugen sich in das „Unterschriftenbuch für die Seligsprechung Barbara Weigands“462 ein, das damals angelegt wurde. Es lag bis November 1979 in der St. Pius-Kirche auf. Die Zahl der Unterschriften wuchs im Laufe der Zeit auf über 4.000463 an. Das Bischöfliche Ordinariat Würzburg gab im Würzburger Diözesanblatt vom 15. März 1976464 bekannt, daß es „auf Anregung einer Gruppe von Priestern und Laien prüfe, ob ein ortsoberhirtliches Erhebungsverfahren zur Seligsprechung Barbara Weigands zu eröffnen sei“, und forderte dazu auf, Wissenswertes mitzuteilen. In der folgenden Zeit wurde eine Anzahl von Personen, die Barbara Weigand noch gekannt hatten, als Zeugen465 gehört.

460 ebenda
461 ebenda
462 ebenda
463 ebenda
464 ebenda
465 ebenda

Der Elsenfelder Diözesanpriester DDr. Adam Zirkel, der sich seit Jahren anhaltend für die Aufarbeitung der Schippacher Angelegenheit und die Verbreitung der Schippacher Schriften eingesetzt und darüber auch einen Redaktionsbeitrag in der Obernburger Zeitung466 in einem Artikel „Prozeß der Seligsprechung“ berichtet hat, bat darin ebenfalls das Gottesvolk, sich für die alsbaldige Seligsprechung der Dienerin Gottes Barbara Weigand zu interessieren und, soweit vorhanden, hierzu Unterlagen dazu bereitzustellen und diese dem Bischöflichen Ordinariat Würzburg mitzuteilen, damit dieses dieselben einsehen und ablichten kann.467

466 ebenda
467 Obernburger Zeitung vom 5. Mai 1976 DT Nr. 53 S. 5

Am 19. Mai 1976 schreibt Eugenie Hetzer an den hochseligen Bischof von Würzburg, Dr. Josef Stangl, daß sie „mit großer Freude“ im Bistumsblatt gelesen habe, „daß Sie die Vorbereitung der Eröffnung eines Seligsprechungsprozesses für die Dienerin Gottes, Barbara Weigand, eröffnet haben“. Und weiter: „In den letzten Monaten habe ich 1.132 Unterschriften in Würzburg mit der Bitte um Eröffnung des Seligsprechungsprozesses gesammelt. Spontan und freudig haben ganze Konvente geschlossen unterschrieben: Franziskanerinnen von Maria Stern, 87 Würzburg, Bohnesmühlgasse 16; Töchter des Allerheiligsten Erlösers, 87 Würzburg, Ebracher Gasse 6; Ursulinen, 87 Würzburg, Augustinerstr. 17; Englische Fräulein, 87 Würzburg, Annastr. 6; Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu, 8702 Kloster Oberzell sowie die Ritaschwestern, 87 Würzburg, Friedrich-Spee-Str. 32. Als Anlage fügte Frau Hetzer die entsprechenden Unterschriftslisten bei.

Weitere 3.500 Unterschriften waren zu diesem Zeitpunkt in Unterschriftenlisten im Pfarramt der St. Pius-Kirche in Schippach bereits gesammelt worden und wurden später an den Würzburger Bischof nachgereicht. Insgesamt kamen dadurch 8.400 Unterschriften zusammen. Im Text der Petition wird um die Eröffnung des Seligsprechungsprozesses für Barbara Weigand ersucht, „um in dieser Zeit des erfreulich häufigen Kommunionempfangs das Bewußtsein für die reale Gegenwart Jesu Christi im eucharistischen Sakrament lebendig zu halten“.468 Dazu dann noch der wichtige Satz: „Barbara Weigand wird aufgrund ihres auf die Eucharistie hingeordneten Lebens als Zeugin der realen Präsenz Christi in der Eucharistie bezeichnet.“ In dieser Pressemitteilung469 des Würzburger Bischofs (POW) wird ausdrücklich mitgeteilt, „Das Bischöfliche Ordinariat Würzburg hatte am 15. März bekanntgegeben, daß die Voruntersuchung für die eventuelle Eröffnung des Seligsprechungsprozesses begonnen hat; wer mündlich oder in schriftlichen Dokumenten Auskunft über Barbara Weigand geben kann, wurde gleichzeitig aufgefordert, diese dem Ordinariat zur Verfügung zu stellen“.470 Diese Bischöfliche Pressemitteilung wurde auch im Sonntagsblatt471 ausdrücklich bestätigt.

468 POW/27 Würzburg vom 22.6.1976 mit insgesamt 23 Zeilen.
469 Buch DDr. Wilhelm Büttner „Barbara Weigand von Schippach, ein Leben für Gott und sein Reich“; im Selbstverlag der Barbara-Weigand-Gesellschaft e. V. erschienen 1991..
470 Presse- und Inf. Stelle d. Bischöfl. Ordinariats, Domerschulstr. 2 in 87 Würzburg.
471 Würzburger Sonntagsblatt vom 3./4. Juli 1976 „Rund 4 600 Unterschriften für Barbara

Zum damaligen Zeitpunkt schon gab es die „Lefebvre-Bewegung am Untermain“, die von Würzburg aus mit kritischer Anstrengung beobachtet wurde. Graf von Magnis in einer Notiz: „Zweifellos sind viele Menschen am Untermain und im Spessart für mystische aber auch pseudomystische Phänomene disponiert. Die Diözese Würzburg besitzt in Rück-Schippach die St. Pius-Kirche, die auf Anregung von Barbara Weigand errichtet, von Kardinal Döpfner genehmigt und vom verstorbenen Bischof Josef geweiht wurde.“472 Graf von Magnis entwarf in seinen Gedanken an den Würzburger Bischof auch noch folgende Überlegung: Mit der St. Pius-Kirche in Rück-Schippach als „Eucharistisches Zentrum“ und in der Person Barbara Weigands als überaus glaubwürdige und überzeugende Eucharistinerin hätte nun die Diözese Würzburg die Möglichkeit, die für Mystik, aber auch für Pseudomystik disponierten Gläubigen im Untermain-Gebiet hinter einer echten Aktivität in der Kirche zu sammeln.473 Graf von Magnis verweist zu Recht auf das Leben Barbara Weigands, das ganz im Dienst der Verehrung der heiligen Eucharistie gestellt war: der häufige Empfang der heiligen Kommunion, der Liebesbund mit dem eucharistischen Heiland und dessen Verwirklichung in Familie und Gesellschaft. „Dieses Postulat“, so Graf von Magnis, „mit der Person von Barbara Weigand, wäre für das gesamte Untermain-Gebiet, aber auch für die Kirche nach dem Konzil, voll aktuell.“474 In seinen Gedanken stellt Graf von Magnis zum Schluß noch fest, wohl auf dem Hintergrund des von ihm geforderten Eucharistischen Zentrums in Schippach, quasi schon damals eine weise und kluge Bitte, man möge die Besetzung der St. Pius-Kirche mit einem „nüchternen und klugen Diözesanpriester“ besetzen. Auch hierzu drängen sich mir einige sehr bewegende Überlegungen auf, über das einiges zu sagen wäre, gelegen oder auch ungelegen!

472 „Gedanken über pastorale Möglichkeiten..“ vom 30.7.1981
473 Buch DDr. Wilhelm Büttner „Barbara Weigand von Schippach, ein Leben für Gott und sein Reich“; im Selbstverlag der Barbara-Weigand-Gesellschaft e. V. erschienen 1991.
474 ebenda

Es steht also ohne jeden Zweifel fest, daß Bischof Dr. Josef Stangl von Würzburg die Vorbereitung des Seligsprechungsprozesses der Barbara Weigand noch zu Lebzeiten (1977) eröffnet hat. Auch muß die Initiative hierzu der Arbeitsgemeinschaft ‚Das große Zeichen – die Frau aller Völker ’ E.V. mit Sitz in Würzburg, zu der auch Graf Franz von Magnis zählte, zugesprochen werden, die diese in Abstimmung mit dem Bischöflichen Ordinariat Würzburg und mit Gutheißung des verstorbenen Kardinals Julius Döpfner ergriffen hat.475
Diese Unterschriftenlisten lagen in einem „Unterschriftenbuch für die Seligsprechung Barbara Weigands“ in der St. Pius-Kirche in Schippach während der Zeit vom 5. November 1975 bis einschließlich 15. November 1979 offen und enthielten nach Angaben des Pfarrers Wilhelm Kley allein 4.597 Unterschriften. In das Buch sind die einzelnen Unterschriftenlisten lose eingefügt. Darin waren auch die Namen von 29 Priestern aus der Region enthalten, wie wir glaubhaft machen können. „Die Unterschriften können mit Hilfe der auf der Liste in Klammern gesetzten Daten leicht nachgeschlagen werden“, so DDr. Adam Zirkel in einem Brief an den Bischof von Würzburg.476 Auch eine gehörige Zahl von Ordenspriestern und Priestern aus anderen Regionen haben sich in dieses Buch eingetragen und damit Partei ergriffen und Zeugnis abgelegt für das heiligmäßige Leben der Schippacher Jungfrau und Seherin Barbara Weigand.

475 Notizen Graf Franz von Magnis vom 13.05.1991.
476 Brief DDr. Adam Zirkel an den Bischof von Würzburg vom 28. Januar 1986.

 

Folgende Diözesanpriester der Diözese Würzburg sind darin verewigt:

Josef von Traitteur am 5. November 1975;

Dekan Erwin Rapp, am 5. November 1975;

Robert Brendel am 5. November 1975;

Franz Sikora am 8. November 1975;

Karl Roth am 11. November 1975;

Josef Ullrich am 11. Januar 1976;

Alfred Stürmer am 23. Februar 1976;

Albert Gliesche am 1. Mai 1976;

Dr. Max Rößler am 5. Mai 1976;

Walter Stier am 24. Mai 1976;

Theo Hain am 25. August 1976;

Waldemar Müller am 31. August 1976 (ord. 1977);

Gerd Goldhammer am 27. September 1976;

Herbert Neeser am 7. Oktober 1976;

Peter Pretscher am 12. Oktober 1976;

Lorenz Wirth am 14. Oktober 1976;

Karl Dietz am 22. Oktober 1976;

Hans Schwarz am 28. Dezember 1976;

Lorenz Heilmann am 28. Juli 1977;

Hermann Wolpert am 14. August 1977;

Hermann Josef Ludwig am 16. August 1977;

Dr. Ludwig Pfeifer am 28. August 1977;

Walter Lederer am 3. Oktober 1977;

Ludwig Gerstenberg am 9. Oktober 1977;

Ferdinand Welzbacher am 11. Oktober 1977;

Ernst Janik am 23. Oktober 1977;

Hans Link am 13. September 1978;

Ludwig Müssig am 3. Oktober 1978 sowie

Berthold Scheuring am 12. August 1979.

 

Zudem sind folgende Priester außerhalb der Diözese Würzburg darin aufgeführt:

P. Friedbert Branz, SDS am 5. November 1975;

P. Arnold Renz, SDS am 5. November 1975;

P. Ernst Alt am 5. November 1975;

P. Franz Georg von Waldburg-Zeil S.J., München am 10. Januar 1976;

Prälat Othmar Weis, Mainz, am 14. September 1976 sowie

P. German Heß am 14. September 1977.

Weitere Priester aus allen Schichten folgten diesem Aufruf.

Aber auch rund zehn Jahre später drängten engagierte Priester und Ordenspriester in der Diözese Würzburg, voran der spätere Mitbegründer und Vorsitzende der 1990 gegründeten „Barbara-Weigand- Gesellschaft“ E.V. Elsenfeld, Pfarrer DDr. Adam Zirkel, den damaligen hochwürdigsten Herrn Bischof Dr. Paul Werner Scheele, die Kanonisation der Dienerin Gottes Barbara Weigand einzuleiten und zu diesem Zweck Erhebungen über ihr Leben, ihre Tugenden und den Ruf ihrer Heiligkeit anzustellen, wie in den Archivunterlagen477 nachzuschlagen ist. In einem Aufruf478 an einige seiner Mitbrüder in der Diözese Würzburg erinnerte er an einen festlichen Dankgottesdienst in der St. Pius- Kirche in Schippach, der anläßlich des 25. Jahrestages der Weihe der St. Pius Kirche in Schippach gefeiert wurde. Bei einem anschließenden Mittagsessen hatte der Pfarrer i. R. und Bischöflicher Geistlicher Rat Peter Klement, der zur Zeit des Kirchenbaues Dekan von Obernburg gewesen war und an dem Dankgottesdienst als Konzelebrant teilgenommen hatte, in einer Tischrede angeregt, die bereits früher in Angriff genommene Seligsprechung Barbara Weigands doch weiter zu betreiben. Diesem frommen Wunsch hatten sich viele dort sichtbar gerührt angeschlossen. Dabei hatte der Briefschreiber daran erinnert, „Papst Johannes Paul II. hat durch die Apostolische Konstitution „DIVINUS PERFECTIONIS MAGISTER“ vom 25. Januar 1983 das Kanonisationsverfahren neu geordnet. Darin heißt es: „Den Diözesanbischöfen.. kommt innerhalb der Grenzen ihrer Jurisdiktion das Recht zu, sei es von Amts wegen, sei es auf Antrag einzelner Gläubiger oder rechtlich anerkannter Gruppen und deren Vertreter, Erhebungen anzustellen über das Leben, über die Tugenden oder das Martyrium und den Ruf der Heiligkeit bzw. des Martyriums, über behauptete Wunder sowie gegebenenfalls über eine althergebrachte Verehrung des Dieners Gottes, dessen Kanonisation beantragt wird.“

477 Schreiben DDr. Adam Zirkel, Ochsenfurt vom 6. November 1985.
478 Buch DDr. Wilhelm Büttner „Barbara Weigand von Schippach, ein Leben für Gott und sein Reich“; im Selbstverlag der Barbara-Weigand-Gesellschaft e. V. erschienen 1991.

Dr. Dr. Adam Zirkel fährt dann in seinem schriftlichen Aufruf479 fort:
„Wenn Sie sich dem Wunsch nach der Seligsprechung Barbara Weigands anschließen wollen, bitte ich Sie, dies durch Ihre Unterschrift und die übrigen Angaben auf dem beiliegenden Blatt zu bekunden, wenn möglich weitere Personen, die dies ebenfalls wünschen, zur Unterschrift einzuladen und mir das Blatt zurückzuschicken, damit ich es dem Herrn Bischof übergeben kann“.
480

479 Buch DDr. Wilhelm Büttner „Barbara Weigand von Schippach, ein Leben für Gott und sein Reich“; im Selbstverlag der Barbara-Weigand-Gesellschaft e. V. erschienen 1991..
480 ebenda


Dieser Brief ging an folgende Geistliche Herren:

Msgr. Max Rößler;
Pfarrer Peter Klement;
Pfarrer P. Wilhelm Kley;
Dekan Erwin Happ;
Pfarrer Alfred Stürmer;
Kaplan Gregor Weinbeer;
Pfarrer Heinz Hepp;
Pfarrer Anton Emge;
Pfarrer Dr. Benno von Bundschuh sowie
Pfarrer Leo Giegerich.

Pfarrer Adam Zirkel war auch Hauptzelebrant und Festredner anläßlich des Silberjubiläums (25. Jahrestages) der Kirchweihe der St. Pius- Kirche in Schippach am 29. September 1985. Diese Festpredigt begann er mit den Worten: „Was ist das Besondere an dieser Kirche? Was unterscheidet sie von allen Kirchen auf der ganzen Welt? Es ist die Geschichte ihrer Entstehung. Diese Geschichte beginnt mit einer Frau aus dieser Gemeinde, aus Schippach: Barbara Weigand. Darum darf ich, darum muß ich heute ihr Leben erzählen.“481 Pfarrer DDr. Zirkel war auch kirchenamtlicher Notar im Auftrag von Würzburg bei der Umbettung der sterblichen Überreste von Barbara Weigand am 12. September 1984. Zufall oder Vorsehung? Schon damals wäre er, mit Pfarrer Alfred Stürmer, mit Barbara Weigand verwandt, der rechte Mann gewesen, um die causa von Barbara Weigand in die Hand zu nehmen. Auch die Anbetung in der Sakramentskapelle in Schippach, jeweils drei Tage in der Woche, während des ganzen Jahres, geht auf Barbara Weigand zurück. Die Pläne der Vorsehung Gottes sind wahrhaft geheimnisvoll.

481 Festpredigt zum 29. September 1985 im Archiv der „Barbara-Weigand-Gesellschaft E.V.“ Schippach.

Auch hatte sich der Priesterrat der Diözese Würzburg in seiner ordentlichen Plenum-Sitzung vom 5. November 1985 ausführlich mit dieser und anderen Fragen zur Angelegenheit Barbara Weigand befaßt und soweit wir wissen, sich positiv zu dem Verlangen der Diözesanpriester zur Fortentwicklung dieser Angelegenheit ausgesprochen.482

482 Archiv der Diözesanbibliothek der Diözese des Bistums Würzburg. Das Diözesanarchiv Würzburg ist zuständig für die Überlieferung des alten (741/42-1817/21) sowie des 1821 neu eingerichteten Bistums Würzburg. Im Zweiten Weltkrieg verlor das damalige „Bischöfliche Ordinariatsarchiv“ einen Großteil seiner Bestände; dabei ist zu berücksichtigen, daß infolge der Säkularisation eine umfangreiche Überlieferung auch in geistlichen Angelegenheiten an den Staat fiel, die überwiegend im Staatsarchiv in Würzburg aufbewahrt wird. Außerdem wurde 1945 die Registratur des Ordinariats vernichtet, so daß für die Zeit ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1945 als Leitbestand nur ein Teil der bischöflichen Manualakten überliefert ist. Somit ist auch anzunehmen, daß große Teile der Dokumente, Briefe, Korrespondenzen, Urkunden, und fast der gesamte Schriftbestand in der Angelegenheit Barbara Weigand und der Schippacher Sache völlig vernichtet und damit nicht mehr vorhanden sind. Jedoch ist zu vermuten, daß ein sehr erheblicher Bestand an Schrifttum in privatem Besitz sich befindet.

Es waren also vor allem Priester der Diözese Würzburg, die an vorderster Stelle sich für die Aufarbeitung und ein würdiges Gedenken der Schippacher Jungfrau und Seherin Barbara Weigand engagiert haben. Das führte auch zur Gründung dieser Gesellschaft, zur Förderung der causa Barbara Weigand, um eine gründliche theologische Aufarbeitung der Materie voranzutreiben und letztlich ihren Vorstoß auf Einleitung eines ordentlichen Seligsprechungsverfahrens für Barbara Weigand beim Würzburger Bischof Nachhaltigkeit und öffentliches Interesse herzustellen. „Die Barbara-Weigand-Gesellschaft E.V.“ will, wie es in ihrer Satzung483 auch heißt, „die Erinnerung an Barbara Weigand wachhalten, sowie ihre Berufung und Sendung kennenlernen, in die Gegenwart übersetzen und leben.“ Auch kann man nachlesen in den damaligen Aufzeichnungen, „der Satzungszweck wird verwirklicht durch die Vergabe eines Forschungsauftrages zur Schaffung einer neuen Biographie, durch andere Veröffentlichungen über Barbara Weigands Leben und Sendung, durch die Abschrift und gegebenenfalls Drucklegung, ganz oder auszugsweise, der Aufzeichnungen über ihre
„Gesichte und Ansprachen“, durch deren umfassenden theologischen Begutachtung, durch Vortragsveranstaltungen, durch eine jährliche Eucharistiefeier in der St. Pius-Kirche in Schippach und durch „andere Vorhaben“, die dem Vereinszweck dienen.

483 Protokoll der Gründungsversammlung vom 20. Juni 1989 im Archiv der „Barbara-Weigand- Gesellschaft E.V.“ Schippach-Elsenfeld.

Die Gründungsversammlung fand am 20. Juni 1989 im Pfarrsaal von St. Pius in Schippach statt. Zuvor fanden sich die Teilnehmer in der Sakramentskapelle gegen 16.30 Uhr, wo um diese Zeit das Allerheiligste zur Anbetung ausgesetzt war, mit Gesang und Gebet ein. Man beschloß die Satzung des Vereins und wählte einen Vorstand und H.H. Pfarrer DDr. Adam Zirkel zum Vorsitzenden des Vereins. Insgesamt hatten sich 22 Mitglieder in der Gründungsversammlung etabliert, darunter allein sechs Priester: Die hochwürdigen Herren: H. H. Adam Zirkel, Dekan Erwin Happ, Wilhelm Kley, Alfred Stürmer, Gregor Weinbeer und Gerd Goldhammer.484 Am 2. Oktober 1990 waren es schon 54 Mitglieder; am 3. Oktober 2008 dann 111; zwischenzeitlich stieg die Zahl der Mitglieder gar auf über 124 an.

484 Protokoll der Gründungsversammlung vom 20. Juni 1989 im Archiv der „Barbara-Weigand-Gesellschaft E.V.“, Schippach.

In einem Brief des Pfarrers Alfred Stürmer an seinen Bischof Paul- Werner Scheele in 1989 drängt er auf mehr Beachtung und Wohlwollen der Diözese für die Angelegenheit Barbara Weigand und ihre Mystik, „ja, die für uns alle und für die ganze Kirche brennend aktuelle geworden ist, bzw. immer schon war.. und der Geist der Schippacher Schriften mehr erkannt und von der Kirche mehr gewürdigt werde.“485 Dies bekräftigt Pfarrer Stürmer auch in seinem Brief an Pfarrer Adam Zirkel, in dem er seine Briefe486 in gleicher Sache an die Bischöfe von Würzburg und Mainz noch einmal begründet und die geistlichen Persönlichkeiten um nachhaltige Wahrheitsfindung in der Schippacher Sache ersucht, auf dem Hintergrund seiner eigenen Seelsorgsarbeit, die er in einigen Punkten beispielshaft aufarbeitet und darin den dringenden Bedarf nach veränderter Sicht- und Handlungsweise in der Kirche stellt: „daß ich mir oft wünsche, daß doch der Geist, der in den ‚Schippacher Schriften‘ atmet, auch unsere heutige Pastoralarbeit und alle Gläubigen erfassen möge. Ich weiß aus meiner eigenen jahrelangen ehrenamtlichen Mitarbeit in diesem Verein und insbesondere auch als gewähltes Vorstandsmitglied um die vielen Bemühungen Pfarrer Stürmers, in schriftlichen wie auch mündlichen Aktionen, mit denen er immer wieder die kirchliche Obrigkeit ersucht, die causa Barbara Weigand nunmehr endlich zu eröffnen und das Leben und Wirken der Dienerin Gottes Barbara Weigand kanonisch angemessen zu würdigen und ihr heiligmäßiges Leben in eine umfassende Betrachtung aufzunehmen und ihre Nachahmung anzuempfehlen.

485 Brief Pfarrer Alfred Stürmer, Fellen, Großneffe der Barbara Weigand, an Bischof Paul-Werner Scheele vom 4. September 1989 im Archiv der „Barbara-Weigand-Gesellschaft E.V.“, Schippach.
486 ebenda

In der damals weit über die Grenzen von Würzburg hinaus sehr beachteten Ausstellung „Fränkisches Credo“ im Kreuzgang des Würzburger Domes (23.06. bis 29.10.1989) befand sich bei der Darstellung des neunten Glaubensartikels „die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen“ unter Nummer 9.17 eine Schautafel mit kurzen biographischen Angaben über bedeutende Persönlichkeiten in der Geschichte der Diözese Würzburg, zusammengestellt von DDr. Klaus Wittstadt. Insgesamt waren 23 solche bedeutende Persönlichkeiten darin aufgeführt, versehen mit Kurzbiographien. Zwischen den Angaben über Kilian (640/50 bis 689), dem iroschottischen Wanderbischof Winfried Bonifatius (672/75 bis 754), Bischof Burkhard (+753), der Äbtissin Lioba (+782), aber auch Albertus Magnus (1200 bis 1280) oder Tilman Riemenschneider, Bildhauer und späterer Bürgermeister von Würzburg wird auch der Kirchenmann Herrmann Schell487 (1850 bis 1906) genannt, der zu seiner Zeit eine zentrale Rolle durch seine Schriften gegen Mißstände in der Kirche eintrat und noch heute von führenden Kirchenmännern für sein Eintreten als mutig und vorbildhaft verehrt wird und gar in ein Seligsprechungsverfahren geführt werden soll. Schell spielt auch eine zentrale Rolle in der Schippacher Sache, eigentlich gegen die Schippacher Sache. Seine Haltung gegen Barbara Weigand gipfelt sich in einem Gesichte, das Barbara Weigand am 7. Juli 1907 am Tage des großen Gebetes in Mainz hatte. Der verstorbene Schell erschien Barbara Weigand neben anderen und sprach zu ihr die Worte: „Ich bin Professor Schell, der in Würzburg gestorben ist. Hätte ich es nur auch so gemacht wie du! Du hast deinen Geist in die Höhen der Gottheit geschwungen, und ich habe meinen Verstand gebraucht, um zu glänzen. Es war der Stolz, der mich veranlaßte, mich hervorzutun durch die Wissenschaften, die den Reichen schmeichelten. Du hast recht von mir gesagt in deinen Schriften!“488

487 ebenda
488 „Offenbarungen an Barbara Weigand“ Band 6 Seite 423

Aber auch der hochwürdigste Bischof Matthias Ehrenfried,489 der gleichfalls in der Angelegenheit Barbara Weigand und Schippach zwischen 1924 und 1948 eine so bedeutsame Rolle gespielt hat, in wesentlichen Dingen höchst unverständlich, wird zu den bedeutenden Persönlichkeiten der Diözesangeschichte Würzburgs gezählt. Eben zu diesen bedeutsamen Diözesanen Persönlichkeiten wird auch Barbara Weigand gezählt. Über sie ist in den Kurzbiographien dieser Geschichtsträger folgendes zu lesen: Die Seherin Barbara Weigand verstand sich zeitlebens als „einfache“ Frau, deren mystische Erfahrungen nicht der eigenen Selbstdarstellung, sondern der Auferbauung der Kirche dienen sollten. Sie gründete eine Laienbewegung für alle Schichten und Stände und mühte sich um die Errichtung der Pfarrei Rück-Schippach. Kraft und Antrieb für ihr religiöses Leben und Schaffen schöpfte sie aus der Mitte des kirchlichen Lebens, der Eucharistie.

489 Matthias Ehrenfried,

Wir kommen infolgedessen zu dem Schluß: Rom hat eine Entscheidung über die Sakramentskirche in Schippach und über den Eucharistischen Liebesbund nicht getroffen, und die Veröffentlichung des Ordinariates Würzburg und alle ähnlichen Zeitungsberichte beruhen auf einem Irrtum; sie sind unrichtig und irreführend.

Jesus: „Denn Ich werde Meine Tenne säubern.“490

490 „Offenbarungen an Barbara Weigand“ Band 6 Seite 267

Im gleichen Buch von Msgr. DDr. Wilhelm Büttner können wir noch, in Ergänzung zu den bereits beschriebenen Aktionen der Würzburger Priester, zur Rehablitation und Seligsprechung der Schippacher Jungfrau und Seherin Barbara Weigand im Nachtrag der von Herrn Pfarrer DDr. Adam Zirkel stammt, folgenden Eintrag lesen:491

491 Buch DDr. Wilhelm Büttner: „Barbara Weigand von Schippach – Ein Leben für Gott und sein Reich“ als Manuskript im Selbstverlag 1991 gedruckt und regional und innerkirchlich verbreitet, fast vergriffen.

„Am 29. September 1985 feierte die Pfarrei Rück-Schippach den 25. Jahrestag der Weihe der St. Pius-Kirche. Unter den Konzelebranten war der schon erwähnte frühere Dekan Peter Klement. Dieser hielt während des Mittagessens eine improvisierte Tischrede und regte dabei an, die in Angriff genommene Seligsprechung Barbara Weigands weiter zubetreiben. Daraufhin kam es zu einer weiteren Unterschriftenaktion mit dem Ergebnis, daß der Verfasser dieses Nachtrags am 28. Januar 1986 Bischof Paul Werner Scheele weitere 299 Unterschriften übersandte, denen etwas später zwölf weitere Listen folgten, und das erwähnte ‚Unterschriftenbuch für die Seligsprechung Barbara Weigands‘ beifügte. Zu dem Vortrag über Barbara Weigand, ihr Leben und ihre Botschaft, den ich am 10. Februar 1987 im Martinushaus in Aschaffenburg im Rahmen der Reihe ‚Exemplarische Christen‘ auf Einladung des Rektors hielt, kamen rund 500 Zuhörer.“

Auch brachte der Bayerische Rundfunk am Samstag, den 22. Oktober 1988, von 21.03 Uhr bis 21.30 Uhr eine Sendung über „Die Bärbel aus dem Spessart. Die Seherin von Schippach – Barbara Weigand, ihr Leben und ihr Werk“ von Franz Schaub.

Priester haben sich mit der Jungfrau Barbara Weigand und ihren Werken jahrelang und ausgiebig befaßt. Für sie war es ein Herzensbedürfnis, auch angesichts des noch hautnahen Wissens um diese fromme Frau; die Kirche möge sie und ihr Lebenswerk segnen und sie in den Stand der Seligen und Heiligen der Kirche erheben. In ungezählten Presseartikeln, in Fachzeitschriften und in dickleibigen Bänden ist von ihrer Person und ihren Werken geschrieben und der Öffentlichkeit ein Bild vorgeführt worden, das alles andere, nur keine geschichtliche Wahrheit ist. Das konnte aber gar nicht anders sein: das dort vorgetragene Bild mußte ein Zerrbild werden, da, wie authentisch feststeht, die aktivsten Gegner weder jemals eine Originalurkunde über Schippach in Händen, noch auch die Schippacher Jungfrau jemals zu Gesicht bekommen hatten. Aber „die Propaganda hat ihr tödliches Werk getan“.492

492 Bischof Muench in Reichenberger, Ostdeutsche Passion, S. 266

Es gab aber auch andere Priester, welche aus genauer Kenntnis dieser Person, die sie als Seelsorger, Beichtväter, Gewissensberater oder durch gründliches Aktenstudium gewonnen hatten, den Schippacher Vorgängen gegenübertraten und darum in der Lage waren, nicht nur das äußere Gehabe der Jungfrau mit scharfem Blick zu verfolgen, sondern auch in ihr Inneres zu schauen und die tiefsten Wurzeln ihres Wollens und selbstlosen Handelns zu erkennen: diese Priester aber haben der Jungfrau Barbara Weigand und ihren Werken hohes Lob widerfahren lassen. Einige dieser Stimmen mögen hier am Schlusse unserer Darstellung zu Worte kommen, Stimmen, die aus allen Perioden ihres langen Lebens genommen sind und sich somit zu einer lückenlosen Kette von Zeugnissen für das Vollkommenheitsstreben und den lauteren Charakter der Schippacher Jungfrau zusammenschließen; es sind Dokumente von Augen und Ohrenzeugen.

Schon über ihre Jugendzeit in Schippach besitzen wir glücklicherweise authentisches Material, Zeugnisse, Dokumente und persönliche Anschreibungen von Zeitgenossen. Sie allein schon legen ein umfassendes Zeugnis ab über die hohe Moral, Wahrheitsliebe und Frömmigkeit dieser Frau. Das Urteil des im Jahre 1849 dort geborenen und im Jahre 1938 dort verstorbenen Julius Bopp, dessen Haus unmittelbar an die Schippacher Antonius-Kirche stößt, kennen wir bereits; ihm ist seine Jugendgefährtin Babett die große Beterin schlechthin. Ein anderer Landsmann der Jungfrau, Oberregierungsrat Josef Völker, dessen Elternhaus gegenüber jenem der Barbara Weigand stand, sechzehn Jahre jünger als diese, wie er in seiner Jugend- und Studentenzeit sich immer an dem frommen Wesen des Nachbarmädchens erbaut habe; sie sei jederzeit und unbestritten eine einfache, schlichte, aufrichtige Person gewesen, deren Lauterkeit über allen Zweifel erhaben sei.493

493 Dokumentation Schippacher Archiv

Ihr geistlicher Berater aus den Jahren 1873 bis 1885, H. H. Benefiziat Alois Alzheimer in Großwallstadt, stand bis zu seinem Tode im Jahre 1902 in Briefwechsel494 mit seiner geistlichen Tochter, in welchem seine Verehrung und Wertschätzung der Jungfrau Babett deutlich zum Ausdruck kommt: „Aus deinem Brief ersehe ich“, erwidert er ihr einmal, „daß dich der liebe Gott in den letzten Jahren mit Leiden heimsuchte, und daß mit diesen Leiden aber noch mehr Gnadenerweisungen verbunden waren. Wen Gott lieb hat, den sucht er heim, sagt die Heilige Schrift. Du hast dem lieben Gott schon sehr viele Opfer gebracht und vielfach Beweise deiner Liebe zu Ihm gegeben, und dafür sollst du nun teilweise hier auf Erden schon belohnt werden. Soweit ich dich kenne, und das sind schon viele Jahre, warst du immer demütig und suchtest nichts Außergewöhnliches.“ „Du wirst deinen Lohn für deine Opfer, für deine große Liebe zu Gott, für dein Vertrauen, für dein aufrichtiges Streben nach Herzensreinheit, für deine Liebe zur Muttergottes reichlich empfangen. Fahre nur fort in deinem Streben nach Vollkommenheit. Für das wenige, das ich etwa früher dazu beigetragen habe zu deinem frommen Leben, bitte ich, daß du recht innig für mich beten möchtest“. „Harre aus in deiner Liebe zum Heiland!“ „Möge dir der Seelenfriede zuteil werden, der ein kleiner Vorgeschmack jenes Friedens ist, der den braven und klugen Jungfrauen verheißen ist.“495

494 ebenda
495 ebenda

So lauten die Urteile reifer und gebildeter Männer über die Jungfrau Barbara: Einfach, bescheiden, demütig, fromm, eifrig im Streben nach Tugend und Vollkommenheit. Das ist genau dasselbe Bild, das alle Leser und Freunde in heutiger Zeit von ihr auch gewonnen haben und für sie eintreten, nach Gerechtigkeit verlangen und auf Aufarbeitung dieser Schippacher Sache drängen, unbeirrt, mit glühendem Herzen und drängendem Verlangen, dafür beten, Geld spenden und um Verbreitung des geistlichen Nachlasses unermüdlich bemüht sind. Fürwahr! Die Schippacher Jungfrau Barbara hatte schon längst ein heiligmäßiges Leben geführt, als ihre späteren Gegner noch nicht einmal geboren waren! Barbara Weigand hatte schon längst die wahre Weisheit von Gott sich angeeignet, als spätere Theologen, die in ihrer Professorenweisheit über sie lächelten, noch nicht einmal das ABC ihr Eigen nannten!

Aus ihrem Mainzer Aufenthalt stehen gleichfalls genügend Zeugnisse496 zur Verfügung, welche das Charakterbild der Jungfrau beleuchten. So äußerte sich der damalige Provinzial der Kapuziner, P. Alphons, der durch acht Jahre ihr Beichtvater war: „Ich habe von jeher das Mädchen bewundert wegen ihrer tiefen Frömmigkeit, die ich oft von meinem Beichtstuhl aus beobachten konnte“; „Das Mädchen ist so einfach und anspruchslos und macht so gar nichts aus sich, und ich demütige sie immer so sehr und doch kommt sie immer wieder“. Von seinem Nachfolger P. Bonifaz O. Cap. erfuhr P. Felix Lieber O.F.M., der ihn eigens um sein Urteil angegangen hatte, daß „er sich stets nur an ihr erbauen konnte, namentlich wenn er vom Beichtstuhl aus sah, wie Barbara in ihrer Klosterkirche so andächtig den Kreuzweg ging“.

496 ebenda

er hochselige Bischof Haffner von Mainz nennt im Jahre 1896 Barbara „eine schlichte, tugendhafte und fromme Person“. Das Bischöfliche Ordinariat Mainz bestätigt amtlich unterm 14. August 1900, daß „genannte Barbara Weigand durchaus den Eindruck einer braven Person macht“.

Stadtpfarrer Dr. Velte von St. Ignaz, zu dessen Pfarrei Barbara von 1885 bis zu ihrem Weggang von Mainz, also mehr als dreißig Jahre lang gehörte, äußerte sich am 30. März 1911 in einem Briefe also: „Wie vordem, so habe ich auch bis auf den heutigen Tag nichts Auffälliges an ihr gefunden und kann ihr nur meine Zufriedenheit aussprechen“, ein Lob, das er am 24. Juni 1912 in einem weiteren Briefe an P. Felix Lieber noch verstärkt: „Vorerst muß ich betonen, daß ich bereits von Anfang an, seitdem ich Barbara kenne, bis auf den heutigen Tag dieselbe nur günstig beurteilt habe. In ihrem ganzen Benehmen ist nichts Auffälliges, sie ist vielmehr stets anspruchslos, schlicht und bescheiden, so daß man aus ihrem Äußern ihre große Frömmigkeit nicht erraten kann“.

Pfarrer Riedmann, der von 1904 bis 1907 Lokalkaplan in Rück- Schippach war und viel persönlich mit Barbara verkehrte, schrieb dem Verfasser im Jahre 1924, als ihm eine kleine Abwehrschrift, in der ich Barbara gegen die Presseangriffe etwas in Schutz genommen hatte, zu Gesicht gekommen war: „Besonders freut mich, daß endlich die arme, zu Unrecht so angefeindete Barbara Weigand ins rechte Licht gestellt wurde. Das war ein Akt der Gerechtigkeit. Die Charakteristik (sc. die ich in jener Schrift von der Jungfrau gab) entspricht ganz meiner Überzeugung“. Noch ausführlicher drückt er sein Urteil über die Jungfrau in einem Briefe vom 4. Mai 1943 aus, in dem er schreibt: „Ich hatte in Rück Gelegenheit genug, sie zu beobachten und kennenzulernen. Ihr Bild hat sich mir deutlich eingeprägt. Sie war damals kein schwächliches Weiblein, sondern von ungewöhnlich starker Körperkonstitution, von ernstem Charakter, klugen Augen; ihre Sprache war ruhig und abgewogen und sie ging still und in sich gekehrt ihre Wege. Niemals hörte ich von ihr ein unrechtes Wort; selbst wenn sie von ihren Feinden und Peinigern in Mainz sprach oder wenn die Rede war von den Gegnern des Kirchenbaues oder von Spöttern über ihre Offenbarungen, war sie ganz sachlich und im Ausdruck vorsichtig und zurückhaltend. Ich kann mich auch nicht erinnern, daß sie jemals in ein unliebsames Gerede verwickelt worden sei, wie es bei der Schwatzhaftigkeit der Frauen oft vorkommt. So weit und so lange ich sie in Rück beobachtete, führte sie ein stilles, zurückgezogenes und frommes Leben.

Das Charakterbild der Barbara Weigand steht in meinem Gedächtnis in durchaus günstigem Lichte. Ich hatte genug Gelegenheit, diese fromme, in der Öffentlichkeit vielumstrittene Frau genau kennenzulernen, ihr Verhalten zu beobachten und auch in ihr Herz einen Blick zu tun.. Sooft ich mit der Barbara Weigand zusammentraf, gewann ich den Eindruck, daß ich eine tieffromme, reine, demütige, edeldenkende Frauengestalt vor mir hatte, die ich für besonders von Gott begnadet hielt und zu der ich mit Achtung und Ehrfurcht aufblickte.. Ich zweifle nicht daran, daß wir in der Barbara Weigand eine auserwählte, von Gott hochbegnadete Seele einer Heiligen erkennen“. So der Seelsorger von Schippach.

Denselben Eindruck von der Jungfrau gewann auch der Nachfolger Riedmanns, Lokalkaplan und spätere Pfarrer und Geistliche Rat Martin, wie aus seinem Briefe vom 15. Mai 1913 an den Bürgermeister von Schippach ersichtlich wird, wo Martin schreibt: „Ich bin fest überzeugt, daß die Babett eine fromme, heiligmäßige Person ist“. In dieser Überzeugung konnten ihn ebensowenig wie seine Vorgänger oder den Schreiber dieses Buches die späteren Angriffe der Presse oder selbst kirchlicher Behörden gegen die Jungfrau irremachen, da er die Beweggründe und das schwache Fundament dieser Angriffe nur zu gut durchschaute. Hören wir beispielsweise, was dieser ehemalige Schippacher Seelsorger am 13. Dezember 1943 an die Nichte Maria Weigand schreibt: „Ich werde mir Mühe geben, die Gebetsandenken an die richtige Stelle zu bringen, damit die Menschen anfangen, Ihrer seligen Tante Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Alle, die Ihre Tante persönlich gekannt haben, die das Glück hatten, ihren tiefen Glauben kennenzulernen und ihre feurige Liebe zum Heiland im Allerheiligsten Sakrament, die urteilen ganz anders über die Verstorbene als jene, die ihre dürftigen Schriften verdreht haben. Ihr Werk ist bestimmt Gottes Werk. Nach und nach dringt die Wahrheit siegreich durch“. „Es treibt mich einzig das Bestreben, die gottselige Tante besser kennenzulernen und sie und ihr Werk noch lauter zu verteidigen“.

So auch Geistlicher Rat Dekan Martin, der von 1907 bis 1912 Seelsorger in Rück-Schippach war. Auch die offiziellen Kreise an der Bischöflichen Behörde in Würzburg hatten vor dem Ausbruch der Zeitungshetze von Barbara Weigand nur die allerbeste Meinung. So rühmte der Bischöfliche Visitationskommissär Domvikar Stahl im Mai 1913 Barbaras Unterwürfigkeit unter den Bischof. Das Bischöfliche Ordinariat Würzburg hielt noch im Oktober 1914 seine Hand schützend über die Jungfrau und sprach von ihr im amtlichen Publikationsorgan als „einer im Rufe der Frömmigkeit stehenden Person“. Domkapitular Stahler mußte noch am 1. März 1916 im Kultusministerium zu München den lauteren Charakter der Jungfrau bestätigen. Die Reihe der günstigen Urteile über die Jungfrau ließe sich leicht vermehren, aber nur einige können hier noch Erwähnung finden.

Geheimrat Professor Dr. Ludwig in Freising, im Jahre 1916 ein Gegner Schippachs, meinte aber in einem Briefe vom Juli 1941: „Im Gegensatz zu N. hielt ich stets Barbara für eine sehr fromme, brave Person. Der verstorbene Kardinal Bettinger stimmte mir zu“. P. Joseph Bergmiller S.D.S., ein ausgezeichneter Kenner der Schippacher Bewegung, schrieb dem Verfasser wenige Wochen vor seinem Tode (26. September 1942): „Ich, Unterzeichneter, erkläre vor Gott und meinem Gewissen und im Angesichte des Todes, den ich in kurzer Zeit erwarte, daß ich in den ca. 30 Jahren seit 1913, in denen ich mit Barbara Weigand von Schippach bekannt bin, dieselbe immer sowohl im Umgang wie im schriftlichen Verkehr als höchst ehrenwerte, fromme, wahrheitsliebende und in jeder Hinsicht tugendhafte Jungfrau kennengelernt habe. Nie, auch nicht in den Jahren ihrer schwersten Verfolgungen und öffentlichen Verleumdungen, in denen ihre Gegner kaum weiter mehr hätten gehen können, bin ich an der Ehrlichkeit und Gewissenhaftigkeit ihrer Person nie irre geworden. Oft äußerte ich in jenen traurigen Jahren den Zweiflern gegenüber, daß ich für die Wahrheitsliebe der Barbara Weigand die Hand in das Feuer legen würde“.

Ähnlich äußerten sich ihre langjährigen Seelenführer P. Ludwig O. Cap. und P. Felix O.F.M., die seit dem Jahre 1900 lange Schreiben voll des Lobes an die Bischöflichen Behörden von Mainz und Köln richteten. Hören wir beispielsweise was P. Felix Lieber am 19. März 1911 an seinen Ordensdefinitor berichtet: „Als Seelenführer konnte ich nur konstatieren, wie demütig und gehorsam sie sich all meinen Anordnungen und denen ihrer Beichtväter unterwarf und wie sie dabei die geradezu heroischen Tugenden übte, so daß sie mir persönlich – salvo meliori judicio Ecclesiae – als eine „Dienerin Gottes“ vorkommen mußte und ich sie auch mit innerster Überzeugung als solche betrachte“.

Dekan Roth, der Barbara seit vielen Jahren persönlich kannte und nach seiner Emeritierung in Schippach Wohnung nahm, fällte in einem Briefe vom 14. Mai 1943 das folgende ehrende Urteil über die Gottesfreundin von Schippach: „Sieben Jahre war ich hier in Schippach mit Barbara Weigand zusammen. Ich habe genau zugesehen und von ihr den allergünstigsten Eindruck gewonnen. Ganz besonders freue ich mich darüber, daß ich ihr sooft die heilige Kommunion reichen und weiterhin sooft im Krankenzimmer (sc. in den letzten Lebensjahren) den heiligen Leib ihres geliebten Meisters spenden durfte. Immer sah ich bei ihr denselben freudigen, felsenfesten Glauben an die Gegenwart Christi im Allerheiligsten Altarssakramente und immer erklang aus ihren Gebeten, wenn sie oft laut betete, dieselbe innige Liebe zu ihrem göttlichen Meister heraus – ohne jegliche Frömmelei, eine kerngesunde Frömmigkeit und Christusliebe, wie sie nur glüht in den Herzen treuer Gotteskinder. Oft blieb ich eigens etwas zurück, um Zeuge dieses einfachen, kindlichen, aber innigen Gebetes zu sein, und war oft davon bis tief in die Seele hinein ergriffen“. Pfarrer Weihmann von Schifferstadt497 (Diözese Speyer), dessen eucharistische Seelsorgetätigkeit weit über die Grenzen seiner Diözese hinaus bekanntgeworden ist, leitet den Segen Gottes für seine außergewöhnlichen Erfolge vom Gebete Barbaras her und scheut sich nicht, in seinem Bittgesuch vom 1. Mai 1943 an den Heiligen Vater seine Eindrücke über die Jungfrau anschaulich wiederzugeben: „Ich konnte Barbara Weigand öfters besuchen und tiefen Einblick in den Beginn ihrer Begnadigung und in ihr reiches Innenleben gewinnen, das noch in den neunziger Jahren von Liebe zum eucharistischen und leidenden Heiland glühte. Bei einem Kreuzweg, den sie laut und frei aus dem Herzen vorbetete, war ich von ihrer zarten Christusmystik ganz ergriffen. Ich beobachtete, wie Leute vom Dorf zu ihr kamen und sie in dringenden Anliegen um ihr Gebet baten“.

497 Pfarrer Maria Weihmann, Pfarrer von Schifferstadt, der eucharistische Apostel der Pfalz, rühmt in seiner Eingabe vom 1. Mai 1943 an den Heiligen Stuhl ebenfalls diese Andacht der Jungfrau: „Bei einem Kreuzweg, den sie laut und frei aus dem Herzen vorbetete, war ich von ihrer zarten Christusmystik ganz ergriffen.“ Geistlicher Rat Weihmann von Schifferstadt (Diözese Speyer) leitete den offensichtlichen Segen Gottes für seine außergewöhnlichen eucharistischen Erfolge vom Gebete Barbaras her, wie er in einem Bittgesuch vom 1. Mai 1943 an den Heiligen Vater offen bekannte.

Wie ihr Diözesanbischof, Seine Bischöflichen Gnaden Ferdinand von Schlör, seit seinem Bekanntwerden mit Barbara im Jahre 1907 der Frömmigkeit, Uneigennützigkeit und den edlen Bestrebungen der Jungfrau seine uneingeschränkte, mitunter in augenfälligen Kundgebungen sich offenbarende Liebe zuwandte, so zeichnete sie Bischof Ludwig Maria Hugo498 von Mainz mit eigenhändig geschriebenen Briefen aus und ließ sich durch die Akten und Aktionen seines Ordinariates nicht beirren, seine Verehrung für die demütige Opferseele freimütig zum Ausdruck zu bringen und „mit größter Hochachtung von Barbara Weigand als einer zwar derben, aber durchaus ehrlichen, frommen, opferstarken, ja heiligmäßigen Person“ zu sprechen.

498 Bischof Ludwig Maria Hugo, 1921 bis 1936, war der Sache Barbara Weigand aufs äußerste angetan und beförderte es auch sichtbar.

Als der Heilige Vater, Papst Pius XII., der als Nuntius in München in viele Aktenstücke über Barbara Weigand hatte Einblick nehmen können, am 6. September 1941 um Seinen hohepriesterlichen Segen für die hochbetagte Gottesfreundin gebeten wurden, zögerten Seine Heiligkeit keinen Augenblick, der greisen Opferseele von Schippach diesen Erweis Seiner Huld und Liebe zu schenken. Ihr letzter geistlicher Vorgesetzter, Pfarrer Joseph von Traitteur499 in Rück, widmete der edlen Verstorbenen einen tiefempfundenen Nachruf am Grabe, in dem er die edle Gesinnung, die Opferbereitschaft, die Uneigennützigkeit, die Demut und den Gebetseifer der Verstorbenen laut und feierlich rühmte und die Zuversicht aussprach, daß ihr Gott wohl ohne Fegfeuer die Aufnahme in den Himmel gewährt habe: „Am Vorabend des zweiten Fastensonntags ist sie in die Ewigkeit eingegangen, jenes Sonntags, dessen Evangelium uns von der Verklärung Jesu auf dem Berge Tabor berichtet. Es mag sein, daß während wir dieses Evangelium hörten, ihre reine Seele schon in die Herrlichkeit des Himmels eingegangen war und sie den Heiland in seiner Verklärung schauen durfte“.

499 Pfarrer Joseph von Traitteur,

Am 25. März 1918 schrieb der Seminar-Bibliothekar Dr. theol. Franz Baeumker auf dem Hintergrund der öffentlichen Hetze und Verleumdungen gegen Barbara Weigand den folgenden Brief an den Bischof von Mainz, Dr. Georg Heinrich Kirstein:500

500 Bischof von Mainz von 1904 bis 1921

Eure Bischöflichen Gnaden! Hochwürdigster Herr Bischof! Durch die wiederholten Veröffentlichungen in unserem Kirchlichen Anzeiger und die Dr. Brander‘sche Artikelserie in der Passauer Monatsschrift 1916/7 ward ich auf den Fall Barbara Weigand aufmerksam. Sie wird hauptsächlich eucharistischer Irrtümer bezichtigt, und dies zum Stützpunkt für die Ablehnung zweier kirchlich bereits bestätigter Werke gemacht, des Eucharistischen Liebesbundes, und der staatlicherseits genehmigten, bereits im Bau befindlichen Sakramentskirche von Schippach. Wegen meines besonderen Interesses für Dogmatik und deren Fülle, die christliche Mystik, prüfte ich die Anklagepunkte und Entgegnungen wissenschaftlich nach, erhielt auch und benutzte eine weitere Drucksache und eine Reihe hektographischer Vervielfältigungen der angeblichen Offenbarungen. Mein Ergebnis war, daß für mein wissenschaftliches Erkennen Dr. Brander in allen Punkten die Weigand zu Unrecht anklagt. Ich stelle hier nur kurz vier Punkte zusammen mit kurzer Erläuterung:

1.
Die Lehre vom eucharistischen Leiden Christi und der Christen, speziell der Barbara: Christus leidet der Weigand gemäß nicht mehr – Kirchenlehre – und leidet doch noch – trifft zu, da seit uralten Zeiten die Lehre von der mystischen Schlachtung in der Eucharistie gang und gäbe ist. Daß aber die Christen an ihrem Leibe ergänzen müssen, was dem Leiden Christi noch mangelt, lehrt der heilige Paulus. Dieses Mitleiden speziell in Vereinigung mit dem im Sakrament gelästerten Heiland, der durch die Sünden besonders dort „noch einmal gekreuzigt wird“, wird zutreffend und schlagend als „eucharistisches Leiden“ auch bei den also mitleidenden Christen bezeichnet. Indem Barbara dieser zusammenfassenden Auffassung huldigt, ist sie mithin vollkommen im Recht. Wenn aber Herr Dr. Brander für das Verständnis für das so ganz recht verstandene Leiden des Heilandes so wenig übrig hat, daß er sogar da, wo man noch christliches Mitleiden fühlt, die Anklage vor aller Welt auf Häresie erhebt und die solide Frömmigkeit im allgemeinen und die im besonderen einer braven Frau lächerlich macht, so verdient er die schärfte Zurückweisung, natürlich nicht in der Form, aber in der Sache.

2.
Es soll das Priestertum geleugnet sein. Barbara sagt nur, daß das Opfer der Priester allein wenig nütze, aber wenn viele Gläubige mitopferten, dann dringe die Gnade in das Dorf. Das ist dogmatisch ganz korrekt, denn wenn auch der Priester allein das Opfer in der Doppelwandlung vollzieht, so bringt es seine vollen Früchte nur durch Anteilnahme der Gläubigen. Die Aussage ist aber auch für die zeitigen Verhältnisse vielerorts zutreffend, weil der Besuch der heiligen Altargeheimnisse, nicht erst heute, stark nachgelassen hat. Der Donnerruf von Papst Pius X.: Zurück zur Eucharistie! hat die vor allem mit Luthers Kampf gegen die Einheit der Welt in der Eucharistie einsetzende Auseinanderreißung bis zum Greuel bei Priestern, dem Modernismus, und den jetzt auf der Höhe tobenden Donnern des Weltkrieges nicht mehr vollkommen verhindern können. Lange vor Pius X. warb Barbara m. W. im Sinne des Papstes für die häufigere heilige Kommunion, will nun, gewiß nicht aus teuflischer Eingebung, das Priestertum durch einen eucharistischen Bund und eine die Kommuniondekrete feiernde Sakramentskirche stützen helfen, und erfährt, aber nicht von allen Priestern, die Anklage des Kampfes gegen das Priestertum. Auch Pius X. hat gegen das Priestertum gekämpft, alle Priester den Modernisteneid schwören lassen; aber doch nicht gegen jedes Priestertum, sondern gegen das gottesverräterische im innersten Heiligtum. Hat nicht der hochwürdigste Herr Bischof Haffner, einer der Vorgänger von Hochderselben auf dem Stuhle des heiligen Bonifatius, vom Würzburger Professor Schell einmal gesagt: „Ich stelle Schell auf dieselbe Stufe wie Hoensbrech; sie sind beide Verräter an der Kirche“. Ist die Kunde von Schell nicht auch ins Volk, wohl auch zu der Weigand, gedrungen? Hätte sie da nicht recht gehabt, nicht bloß von einer gewissen Verweltlichung, sondern noch Schlimmeren beim Klerus, aber gewiß nicht beim ganzen, zu reden?

3.
Die Verdienste Christi sind nach der Barbara in erster Linie die Seinen, müssen aber durch Aufnahme ins Eigentum der Gläubigen übergehen; die einzig richtige Lehre, die Christus sowohl wie der Mitwirkung der Gläubigen gerecht wird. Wenn die Weigand wünscht, daß die Gläubigen fleißiger davon Gebrauch machen möchten, so kann man damit, zumal jetzt im Krieg, nur einverstanden sein.

4.
Wenn die Kommunion Speise ist, so ist das kein Hindernis, daß sie selber wieder den Gnadenverkehr Christi mit der Seele fördern soll, durch eben ihre Speisung und daher Kräftigung. Christus sagte bei Einsetzung der heiligen Kommunion: „Wir werden zu Ihm kommen, und Wohnung bei Ihm nehmen“. Wer wenig da von Christus hört, der liebt auch weniger. Freilich gehört das Maß der gnadenvollen Ansprache Jesu dort zu Seiner freien Gnadenwahl, der sich nicht bloß der Wissenschaft, aber allzeit mit besonderer Vorliebe den Einfältigen verpflichtet hat. Ausführlicher faßte ich dies mit anderem am 24. Januar, 2. und 16. Februar d. J. in drei Schriften an den hochwürdigsten Bischof v. Schlör
501 in Würzburg zusammen, der auch noch Schell zur Behandlung hatte, ohne daß bis jetzt ein Entscheid eingelaufen ist. Da die Barbara häufig in Mainz Aufenthalt nimmt, auch hochderselben Ordinariat bereits mehrfach beschäftigt hat, trage ich die Sache dieser wahrhaft armen Person, persona misera, auch vor hochderselben Richterstuhl, mit der Bitte, ohne Furcht vor dem Lächeln der Protestanten und dem Widerstand von Priestern, aber in der Kraft des heiligsten Amtes für „Wahrheit, Milde und Gerechtigkeit“ auszuziehen und zu zeigen, daß „gegen die Wahrheit nichts aufzukommen vermag“ (vergl. Weish. 7,30).

501 Bischof Ferdinand von Schlör 1898 bis 1924

Einer der engagiertesten Befürworter der Veröffentlichung der Schippacher Schriften ist auch der hochwürdigste em. Abt Dr. Thomas Niggl OSB, Ettal. In einem bisher noch nicht veröffentlichten Beitrag, der als Vorwort zu den Büchern gedacht war, bekennt Altabt Dr. Niggl sich zu Barbara Weigand wie folgt: Der damalige Bischof von Mainz, der hochwürdigste Herr Bischof Paul Leopold Haffner,502 ein tapferer Verteidiger der Kirche in der Kulturkampfzeit, hat am 28. Juni 1896 ein schriftliches Urteil über die Schriften von Barbara Weigand abgegeben; es lautet: „Gegen den Glauben verstoßen die frommen Ermahnungen, Betrachtungen und Ergießungen nicht; sie übersteigen aber nicht die Linie der gewöhnlichen frommen Anschauungen, welche in Gebetbüchern, Predigten und Betrachtungen sich finden, und können darum wohl natürlich erklärt werden“. Kein geringerer als P. Peter Lippert SJ. spricht bei der Erwähnung von Barbara Weigand von “einer ganz dem Übernatürlichen zugewandten, tiefgläubigen und mit großer Liebe der Kirche anhangenden Seele“. Es gab auch Theologen, die an ihren an die Mystik heranreichenden Gedanken Anstoß nahmen, wenn sie zum Beispiel von einem bräutlichen Verhältnis der Seele zu Jesus Christus sprach. Darauf gab P. Lippert eine Antwort, die genau auf unsere Zeit paßt: „Ist das katholische Denken und Beten von heute bereits derart herabgestimmt, daß man schon an solchen traditionellen, warmkatholischen Ausdrücken Anstoß nimmt? Dann möge man zusehen und bei Zeiten dazutun, daß dieser Zeitgeist und diese Scheu von Schippach nicht noch manch anderes Stück echt katholischen Denkens und Fühlens hinwegreißt!“

502 Bischof Paulus Leopold Haffner, 1886 bis 1898

Diese Urteile über Barbara Weigand und der tiefe Eindruck, den die Schriften auf mich machen, haben mich bewogen mitzuhelfen, daß diese wertvollen, tiefgläubigen Gedanken ein wahres Gegengift gegen unseren rationalistischen, liberalisierenden und modernistischen Zeitgeist, allen Mitgliedern des Eucharistischen Liebesbundes verfügbar gemacht werden, damit sie mit um so größerem Eifer und um so ehrfürchtiger die heilige Eucharistie empfangen, verehren und anbeten. Nicht zu übersehen ist auch der prophetische Charakter dieser Aussagen, welche die Übel und Mißstände, auch in der Kirche, anprangern und beim Namen nennen. Vielleicht darf ich dazu auf einen Vortrag von Bischof Michael von Faulhaber,503 dem späteren Kardinal, erinnern, den er vor jungen Priestern in Würzburg im Jahr 1914 gehalten hat, wie Barbara Weigand in einem Brief berichtet: „Wir Priester sind eigentlich die unglücklichsten Menschen auf der Welt, weil niemand sich getraut, uns die Wahrheit zu sagen, wenn wir etwas Unrechtes gemacht haben. Die Un- und Irrgläubigen lachen und spotten darüber, aber hinter unserem Rücken, die Gläubigen betrüben sich, trauen sich aber nicht, uns die Wahrheit zu sagen.“

503 S. Emn. Michael Kardinal von Faulhaber wurde als drittes von insgesamt sieben Kindern eines Bäckers und Bauern geboren. Der Dorfpfarrer ermöglichte ihm ab 1879 den Besuch des Gymnasiums in Schweinfurt. 1883 wurde er in das Bischöfliche Knabenseminar Kilianeum in Würzburg aufgenommen. Am 26. Oktober 1889 trat er in das Priesterseminar in Würzburg ein. Am 1. August 1892 erfolgte dort die Priesterweihe, anschließend war er Kaplan in Kitzingen. Am 1. September 1893 wurde er zum Präfekten des Knabenseminars Kilianeum ernannt. Am 6. Mai 1895 promovierte er in Würzburg zum Doktor der Theologie, 1899 erfolgte die Habilitation und Ernennung zum Privatdozenten, ebenfalls an der Universität Würzburg. Am 26. Juli 1903 übernahm er die ordentliche Professur für „Alttestamentliche Exegese und biblische Theologie“ an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Straßburg. Am 4. November 1910 erfolgte auf Vorschlag des bayerischen Kultusministers die Ernennung zum Bischof von Speyer, die Konsekration und Inthronisation erfolgten am 11. Februar 1911. Am 1. Mai 1913 erhob ihn König Ludwig III. von Bayern mit Verleihung des Zivilverdienstordens der Bayerischen Krone in den persönlichen Adelsstand. Mit Kriegsbeginn 1914 wurde er im Nebenamt stellvertretender Feldpropst (Militärbischof) der bayerischen Armee, zeitlebens zeichnete ihn eine Affinität zu Militär und nationalem Obrigkeitsstaat aus. Am 26. Mai 1917 wurde er als Nachfolger des verstorbenen Erzbischofs Franziskus von Bettinger zum Erzbischof von München ernannt und am 7. März 1921 durch Papst Benedikt XV. als Kardinalpriester mit der Titelkirche Sant’Anastasia in das Kardinalskollegium erhoben. Er verstarb am 12. Juni 1952. Im Jahr 1951 weihte Michael von Faulhaber im Freisinger Dom Joseph Alois Ratzinger, den späteren Papst Benedikt XVI. und dessen Bruder Prälat Georg Ratzinger zum Priester.

Ein Berliner Sonntagsblatt schrieb über Schippach: „Die Ruine des Kirchenbaues von Schippach müsse bis zum Ende der Welt zur Schmach für die Barbara Weigand und dem ganzen katholischen Volk zur Warnung stehen für seine Leichtgläubigkeit“. Daraufhin ließ der Herr Sich herab, ihr zu antworten: „Beruhige dich, Meine Tochter! Die Ruine steht da, nicht zur Schmach für dich, sondern als Mahnung für Meine Diener. An diesem Werk in Schippach will Ich den Glauben und die Demut Meiner Priester prüfen. Hier scheiden sich die Geister. Die Kirche wird gebaut. Und weil man nicht annehmen will, was Ich dir versprochen habe, werde Ich auch noch Meine Tenne säubern müssen.

Das große Blutbad, das Ich über die Menschheit verhängte, kann wenig nützen, wenn die Menschen nicht zu ihrem Gott zurückkehren. Das muß Ich anfangen in Meiner Kirche. Anstatt aber die Worte, die Ich jahrzehntelang diesbezüglich mit dir redete, zu befolgen, wird das Innewohnen in der gläubigen Seele zur Ketzerei gestempelt. Darum verlange Ich, daß das ganze Priestertum sich selbst mehr verinnerliche und vom Priester aus das innere Gebetsleben auf das Volk übertragen werde. Sage dies deinen geistlichen Vorgesetzten“.

Und in einem anderen Brief vom 3. August 1916 zitiert Barbara den Herrn: „Solange Meine Diener all das, was Ich durch dich gesprochen habe, verdrehen und den Kirchenbau aufhalten, werde Ich Meine Arme nicht zurückziehen. Im Gegenteil, Ich werde sie, wenn sie den Friedenstempel nicht mit Freude begrüßen und fördern, eine harte Prüfung bestehen lassen“. Die Größe des Widerstandes wird ersichtlich aus ihrem Brief vom 6. März 1918: „Am 3. März wurde mir wieder vom Ordinariat ein Schreiben zugestellt, wo aufs neue meine Schriften als Ketzerei verworfen, der Liebesbund und der Bau der neuen Kirche verworfen sind. Und ich wurde aufgefordert, zur Unterschrift meines Namens, daß ich alles, was in den Schriften aufgezeichnet ist, als Täuschung verwerfen und widerrufen müsse. Ich kann aber gegen Pflicht und Gewissen nicht handeln und sagen: Was Wahrheit ist, ist Lüge. Darum mußte ich meine Unterschrift verweigern und legte Berufung ein, daß ich mich an den Heiligen Stuhl nach Rom wenden werde. Beten Sie aber weiter für mich, daß der in Seiner Todesangst blutschwitzende Erlöser mich in meiner großen Not weiter stärkt und den Sieg dieses inneren Kampfes mit dem Sieg unseres Herrn gegen die äußeren Feinde bald herbeiführe.“

Kernpunkt des Eucharistischen Liebesbundes nach dem Schrifttum der Barbara Weigand ist doch: die Verehrung und Verherrlichung des Herrn in der heiligen Eucharistie. Dazu dient „Der Eucharistische Liebesbund des göttlichen Herzens Jesu“. Gewiß hat das Gebet und das Leiden der Barbara Weigand viel dazu beigetragen, daß der heilige Papst Pius X. das berühmte Kommuniondekret erließ, das die Frühkommunion empfiehlt und den häufigen Kommunionempfang – zum größten Erstaunen vieler damaliger kirchlicher Behörden. Als Zeichen der Dankbarkeit für dieses große kirchengeschichtliche Ereignis soll nach dem Willen Gottes eine vom Herrn Selbst beschriebene Eucharistische Kirche in Schippach gebaut werden. Es zeichnet sich ab, daß das kommende Zeitalter ein Eucharistisches sein wird, das mit dem Triumph des Unbefleckten Herzens Mariens beginnen wird. Der Eucharistische Liebesbund soll einen Damm bilden gegen die anschwellende Verunehrung des Allerheiligsten Altarsakramentes. So sagte der Herr zu Barbara Weigand: „Einen Damm will Ich bilden. Dieser Damm soll entstehen aus allen Klassen von Menschen, vom Papst angefangen bis herunter zum Hausknecht, bis zur letzten Dienstmagd, von der Ordensfrau bis zur armen Ehefrau im ärmsten Dachstübchen. Diese sollen vereint beten, den Himmel bestürmen um das Wohl der Völker, damit Meine Kirche wieder aufblühe, wieder auf den Leuchter gestellt werde, von wo aus alle Völker der Erde sie sehen können.“504

504 „Offenbarungen an Barbara Weigand“ Band 4, Seite 237

Wir kommen zum Schluß der Schippacher Leidensgeschichte und die Enthüllungen, die wir in dieser Verteidigungsschrift zusammengetragen haben. Erinnern wir uns: „Das Ende von Schippach“.505 Unter dieser möglichst groß und fett gedruckten Überschrift erschien um diese Zeit „wie auf Kommando und offenbar von einer Stelle ausgehend“506 in den katholischen Tagesblättern, Sonntagsblättern und Zeitschriften ein Artikel, um die Mit- und Nachwelt den endlichen und endgültigen Sieg eines langjährigen Pressefeldzuges gegen die Schippacher Sache und seine Getreuen zu verkünden.

505 Einleitung der Schrift „Die Sakramentskirche von Schippach – Zur Abwehr und Verteidigung“ von Dr. Hans Abel vom 9. Februar 1918 als Manuskript im Archiv.
506 ebenda

Und auch diese Pressefehde ging um die Welt und verbreitete die unsäglichen Lügen über den wahren Sachverhalt der Schippacher Sache: „Die Würfel sind gefallen. Schippach ist verurteilt! Die höchste kirchliche Instanz, die Kongregation des Heiligen Offiziums, hat sich unter dem 25. Juni 1917 gegen die Offenbarungen der Barbara Weigand, gegen den Eucharistischen Liebesbund und gegen den geplanten Bau einer Sakramentskirche in Schippach ausgesprochen. Das ganze große religiöse Unternehmen, das von Schippach ausging, und in den letzten Jahren die Gemüter aufregte, ist verworfen und verurteilt“.507

507 Erschienen in der Beilage zu „Märkische Volkszeitung“, „Deutscher Volksfreund“, „Sächsisches Tagesblatt“ Nr. 42 vom 21. Oktober 1917.

Zu prüfen war, ob wirklich Rom, das Heilige Offizium oder der Papst oder andere Päpste in der Nachfolge auf dem Stuhle Petri, damals eine Entscheidung in der Sache getroffen und die Offenbarungen und/oder die Sakramentskirche in Schippach „verworfen und verurteilt“ haben? Gibt es auch heute noch katholische Geistliche, die - auf der Grundlage aller verfügbaren Urkunden, Dokumente und schriftlichen Nachweise – weiterhin oder gar als neu hinzugetretene Neuwisser die Behauptung aufrechterhalten oder gar immer noch aufzustellen wagen, in der Antwort des Heiligen Offiziums vom 25. Juni 1917 sei eine Verwerfung und Verurteilung von Schippach enthalten? Dabei ist die Sache doch übrigens sehr einfach und bietet selbst den Laien bei einiger Überlegung keine Schwierigkeiten hinsichtlich der richtigen Deutung der Antwort des Heiligen Offiziums. Wie lautet denn die Antwort? Sehr kurz und sehr einfach: „Die Bischöfe mögen nur von ihrer Machtbefugnis Gebrauch machen.“ Einige Fragen seien da erlaubt: Kann der (ein) Bischof den Eucharistischen Liebesbund genehmigen? Ohne Zweifel, denn es ist ja sein Recht, von dem ihm durch die „Entscheidung“ Roms nichts genommen ist. Kann sich der Bischof von A., wenn er den Liebesbund genehmigt, auf die „Entscheidung“ Roms berufen? Ja, er kann es natürlich! Acht verschiedene Bischöfe im deutschsprachigen Raum haben dies allein für sich getan. Die Genehmigung eines Gebetsvereins, also der Liebesbund, gehört nämlich zu dem Rechte der Machtbefugnis des Bischofs und Rom hat außerdem noch „entschieden“, daß die Bischöfe nur von ihrem Rechte, von ihrer Machtbefugnis Gebrauch machen mögen.

Aber Würzburg hat bis heute noch nicht sein damaliges Verbot des Eucharistischen Liebesbundes aufgehoben sowie auch noch nicht andere deutsche Bischöfe!

Dabei waren und sind die Bestrebungen des Liebesbundes innerlich zu gut, um endgültig abgetan zu sein. Jene Ideen trugen zu deutlich den Stempel eines zeitgemäßen Laienapostolates, wie es in den Enzykliken des Papstes Pius X. und später Pius XI., besonders auch in dessen Forderung nach der Katholischen Aktion, ausgesprochen ist. Einige Jahre vergingen. Da griff der Salvatorianerpater Angelicus Bugiel in Temesvar (Ungarn), durch den elsässischen Maler Asal mit den Schriften der Barbara Weigand bekanntgemacht, die Angelegenheit wieder auf, nachdem er zuvor schon in dem Bunde eine äußerst zeitgemäße Einrichtung erblickte und deshalb die Verzögerung der Approbation sehr bedauerte. So setzte er sich im Herbst 1913 mit P. Felix Lieber508 in Verbindung, der ihm unter Übersendung seines Statutenentwurfs von seinen Erfahrungen in Köln und Mainz Mitteilung machte. P. Angelicus, der von seinem Oberen wiederholt als ein theologisch gründlich geschulter und tieffrommer Ordensmann bezeichnet wurde, hatte sich damals krankheitshalber nach Meran begeben, wo er im Frühjahr 1914 die Bekanntschaft des Prälaten Hutter machte, des Generalvikars für den deutschsprechenden Teil des Fürstbistums Trient, eines gebürtigen Meraners, der sich zur gleichen Zeit zur Kur in seiner Vaterstadt aufhielt. P. Angelicus machte ihn mit ausdrücklicher Genehmigung seines Oberen, wie mir dieser schriftlich bestätigte, mit den Schriften der Barbara Weigand, mit der geplanten Sakramentskirche und dem Eucharistischen Liebesbund bekannt und fragte ihn, ob die Statuten die kirchliche Genehmigung erlangen könnten. Auch sein Oberer hatte in der Sache Besprechungen mit Generalvikar Hutter. „Prälat Hutter“, so heißt es in dem Bericht des damaligen Hausobern zu Meran weiter, „war ein großer Sakramentsverehrer und sagte ihm, er solle die Sachen da lassen, damit er sie durchsehen und studieren könne, und solle nach einigen Tagen sich Antwort holen. Prälat Hutter sagte ihm dann, daß die Sache auch, abgesehen von den Offenbarungen, in sich gut sei und approbiert werden könne; er solle eine Eingabe schreiben und ihm bringen. Doch solle er nichts über den Ursprung des Eucharistischen Liebesbundes berichten, da die Sache ja in sich gut und empfehlenswert sei“. Hocherfreut sandte dann P. Angelicus nach erneuter schriftlicher Rücksprache mit P. Felix unter Vornahme kleiner redaktioneller Änderungen im Text das Manuskript der Statuten an das Fürstbischöfliche Generalvikariat in Trient mit der Bitte um Approbation und Druckerlaubnis, die von der genannten Behörde unterm 6. April 1914 in aller Form erteilt wurde. Damit hatte der Liebesbund seine offizielle kirchliche Approbation gefunden in jenem Texte, wie ihn die Liebesbundzettel des Verlags Ars sacra in München enthalten. Von ganz unwesentlichen Änderungen abgesehen, ist es derselbe Text, den wir oben im Entwurf von P. Felix Lieber vom Juni 1909 und in dem in diesem Buche ebenfalls schon wiedergegebenen Morgen- und Abendgebet kennengelernt haben.

508 Pater Felix Lieber..

Weitere Approbationen kirchlicher Behörden kamen nun in rascher Folge. Da die Drucklegung der Statuten dem Münchner Kunstverlag Ars sacra übertragen wurde, mußte die Druckerlaubnis des Erzbischöflichen Ordinariates München Freising eingeholt werden, die unterm 29. Mai 1914 erteilt wurde. Andere Ordinariate folgten nach. Die Übersetzung ins Italienische besorgte ein Mitglied des Generalates der Salvatorianer in Rom, die Approbation erteilte der Erzbischof von Salerno. Es folgte bald eine ungarische Übersetzung mit Approbation der Bischöfe von Temesvar und Fünfkirchen sowie jene des Ordinariates von Augsburg; dann kamen eine französische und eine englische Übersetzung und Approbation in Ländern dieser Sprachgebiete. Die englische Übersetzung ging auch nach Amerika. Die übrigen fremdsprachigen Ausgaben wie polnisch, russisch, böhmisch, slowakisch wurden von Salvatorianern besorgt; eine spanische kam bald dazu, eine holländische folgte 1915 mit der Approbation des Bischofs von Hertogenbosch. So hatte sich dieser Bund des Friedens mitten im Weltkriege durch die gütige Vorsehung Gottes fast in der ganzen Welt verbreitet und die Prophezeiung der Urheberin vom Dienstag in der Bittwoche 1896 hatte ihre buchstäbliche Erfüllung gefunden: „Wenn die Priester eurer Heimat es nicht anerkennen wollen, dann werde Ich Meinen Willen doch ausführen; Ich werde sie dann umgehen und Mir andere Personen aussuchen“.

Es ist und bleibt unbestritten und auf ewig eine unumstößliche Wahrheit: Barbara Weigand von Schippach erhielt vom Herrn den Auftrag zur Gründung des Eucharistischen Liebesbundes. Dieser Liebesbund soll ein rettender Damm sein gegen die allgemeine Glaubenslosigkeit, Vergnügungssucht, Kreuzesflucht, eine Gebetsarmee unter allen Ständen. Die Mitglieder sollen sich auszeichnen durch Kreuzesliebe, Sühnebereitschaft, Hingabe ihrer selbst, Förderung des eucharistischen und kirchlichen Lebens, Unterstützung des Priestertums, Wahrung der Rechte der heiligen Kirche. Ist Barbara Weigand nicht auch hier, in der Katholischen Aktion, bahnbrechend vorausgeeilt? Der große Papst Pius XI. hat die Idee seiner Katholischen Aktion so schön und klar zusammengefaßt in seinem durch ihn mit einem vollkommenen Ablaß ausgezeichneten Gebete: „O Jesus Christus! Wir huldigen dir als dem König der Welt. Verfüge daher über mich als Dein Eigentum. Ich verspreche als ein guter Christ zu leben, alle Kräfte aufzubieten, um den Rechten Gottes und der Kirche zum Siege zu verhelfen. Dir übergebe ich meine armseligen Handlungen. Mögen alle Herzen Dein heiliges Königtum anerkennen und so Dein Friedensreich auf der ganzen Welt fest begründet werden!“ Genau dasselbe Ziel hatte sich der von Barbara Weigand gegründete Eucharistische Liebesbund gestellt.

Und es bleibt auch wahr: Die Schippacher Angelegenheit, d. h. die Frage nach den Offenbarungen der Barbara Weigand, der Liebesbund und der Bau der Sakramentskirche berühren vor allem, wenn nicht ausschließlich, das religiöse, das kirchliche Gebiet. „Kann es dem Laien, dem nicht theologisch gebildeten und geschulten Laien verboten sein, ein Wort mitzureden und auch seine Meinung in die Waagschale des Pro und Contra, des Für und Wider werfen zu wollen, wenn man allerdings gleichzeitig ernsthaft bedenken möchte, daß Jesus Christus Seinen Aposteln anvertraut hat, die gesunde Lehre, das heilige Evangelium zu verbreiten und darüber recht zu sprechen und dafür oberer Lehrer in seiner Gemeinde sein zu wollen und sonst niemand, nur noch der Papst in Rom als höchster Lehrer, Richter und Verkünder der göttlichen Botschaft vom Reiche Gottes“. Das Verwerfliche in der Schippacher Sache ist doch vordergründig die Tatsache, daß eine religiöse und theologische Frage von geistlicher Seite der Tagespresse zur Behandlung überwiesen und überantwortet wurde und wohl immer noch wird.

Der Herr belehrte Barbara Weigand dereinst und das galt nicht nur ihr, sondern das gilt auch heute noch uns allen und gilt auch für alle Zeit und Ewigkeit, solange die Welt besteht und Gnadenzeit herrscht und Seine Barmherzigkeit waltet, „Jeder, der etwas Großes von Mir verlangt, muß etwas Großes Mir zum Opfer bringen: seinen Willen, sein eigenes Herz, und sich fortwährend anbieten für die ihm angelegene Sache, und Ich werde sie gewähren, aber nur erst dann, wenn die rechte Zeit gekommen ist, wenn Meine Kinder reif sind einzusehen, daß Ich es getan!“509

509 „Offenbarungen an Barbara Weigand“ Band 1 Seite 274

Jesus: „Wäre das Dr. Brander-Buch510 von diesem Theologe nicht im Auftrag von mehreren Personen in die ganze Welt hinaus geschickt worden – was so viel Unheil angerichtet hat: Spott und Hohn über die katholische Kirche bei den Ungläubigen und Lauheit und religiösen Verfall bei den Gläubigen, dann bräuchte das alles nicht gelitten zu werden“. Der Herr sagte zu Barbara Weigand: „Und solange das nicht gutgemacht wird und dieses Buch nicht offen als häretisch gebrandmarkt wird, wird es nicht besser. Die Strafen werden nicht abgekürzt, und noch andere Strafen werden zu durchkosten sein. Bischof Brück hat noch viel zu leiden. Bischof Kirstein, weil er lange Jahre dein Beichtvater gewesen, wollte dir nicht wehe tun, aber aus lauter Menschenfurcht wollte er seinen untergebenen Priestern und Domherren nicht entgegentreten, weil von Mainz aus angeregt worden ist, daß das Buch so viele Verbreitung fand, weil Dr. Selbst511 sein Imprimatur darauf gesetzt hat, das muß von Mainz aus gutgemacht werden. Bischof Brück wird noch lange nicht befreit, von Dr. Selbst gar keine Rede, der noch viel, viel zu leiden hat. Bischof Kirstein habe Ich gleich gestraft, ihm seinen Verstand verdunkelt und weggenommen. Ihr seid jetzt Gefangene und müßt die Gefangenschaft mitfühlen, die euer Oberhaupt verschuldet hat. Das ist das äußere Zeichen, daß ihr Gefangene seid, daß nichts herein und heraus kann aus der Stadt. Das ist aber auch das äußere Zeichen, in welche Gefangenschaft erst diejenigen geraten sind, die schuld sind an dem allein.“512

510 Dr. theol. Vitus Brander, Subregens am Priesterseminar zu Würzburg und sein Buch „Die Seherin von Schippach – Enthüllungen über ihre Offenbarungen und ihr Werk“ von 1916, erschienen im Verlag von Kirchheim & Co und versehen mit einer kirchlichen Imprimatur von Dr. Selbst, vic.gen. am 16. August 1916.
511 Dr. Selbst, Joseph, Professor für Exegese, Generalvikar des Bistums Mainz, * 26.10. 1852 in Mühlheim/Main, + 19.12.1919 in Mainz. – Nach dem Abitur in Bensheim ab 1870 Theologiestudium in Mainz, 1874 Priesterweihe, anschließend Kaplan in Bensheim; ab 1883 Religionslehrer in Worms, ab 1887 in Mainz; daneben 1886 Promotion in Freiburg/Br., 1892 wurde S. ins Domkapitel berufen und erhielt im gleichen Jahr die Professur für at. Exegese. Während der Sedisvakanz 1903 war er Kapitularvikar. 1903 wurde er zum Offizialatsrat, 1907 zum Domdekan und 1912 zum Generalvikar ernannt. Eng vertraut mit den kirchlichen Zeitfragen wirkte er als Herausgeber des »Kath. Volksblattes« (1897-1907) und des »Katholik« (1907-1918).
512 „Offenbarungen an Barbara Weigand“ Band 7 Seite 450

Wir haben aus Platzgründen viele wichtige Details nicht in dieser Dokumentation niederschreiben können. Allein das Thema der zwangsweisen Verhöre und Untersuchungen Barbara Weigands durch kirchliche Stellen und von Bischöfen beauftragten Ärzten, der Öffentlichkeit bekanntzumachen, wäre eigentlich ein notwendiger Akt christlicher Nächstenliebe und würden ein weiteres Buch notwendig machen. Aber der Chronistenpflicht wollen wir wenigstens auszugsweise, sozusagen als eine wichtige Anmerkung, Rechnung tragen und folgende Geschehnisse dazu zu Protokoll geben:

Barbara Weigand berichtet über eine weitere Untersuchung durch kirchliche Behörden in einem Brief an ihren Seelenführer, damals noch P. Ludwig Hannappel: Die zweite Untersuchung im stillen geschah durch den hochseligsten Bischof Haffner, der fünfmal einen katholischen Arzt beauftragte, dem Leiden am Freitag beizuwohnen, der sein Urteil als Arzt feststellte, welches lautete: „Eine natürliche Krankheit ist es nicht, weil ihr Auftreten aus mehreren Punkten von Krankheit abweiche“. Und er sagte das letztemal, als er wegging: „Hier haben die Theologen ihr Urteil festzustellen!“ Die dritte Untersuchung war 1899, und zwar eine öffentliche, wo dann vier Tage später Bischof Haffner starb. Die vierte Untersuchung 1900, wo ich zur Untersuchung drei Wochen zur Überwachung in das Elisabethenkrankenhaus eingesperrt wurde und reich an Enttäuschungen, die ich dort an Personen machen konnte, die mir als Wächter beigegeben waren, wieder verließ. Möge der liebe Gott jene Person erleuchten, daß sie ihren Fehltritt gutmacht im Leben, daß sie es in der Ewigkeit nicht zu verbüßen hat, denn auf das Urteil eines ungläubigen Menschen darf unsere heilige katholische Kirche nicht achten. Da müssen andere Dinge erwogen werden, wie: warum blieben an dem Tage, wo der Arzt Hypnose anwenden wollte, und ohne daß ich je von hypnotisieren etwas wußte, die anderen Personen fern, und wo ich mir alle Mühe gab, den Befehlen des Doktors zu gehorchen, der wie ein Tyrann auf mich losstürzte, während er ganz gut sah, daß eine unsichtbare Hand meinen Kopf und mein Gesicht jedesmal gegen die Wand drehte? Wo war da meine Wächterin? Wo waren und verblieben die zwei Priester, die der Hochwürdigste Herr Bischof dazugestellt hatte? Daß eine Seele so vom Geiste Gottes sich ziehen lasse, daß sie eins wird mit ihm, glaubt man nicht, aber durch Hypnose den Willen eines unerfahrenen Opfers unter die Knute eines sinnlichen Menschen zu bringen, daran glaubt man. Daß nun das Gesicht von unsichtbarer Hand gegen die Wand gedreht wurde, nicht nur einmal, sondern drei- bis viermal, hat wohl der Arzt nicht angegeben, und der liebe Gott hatte recht, wenn Er dann Seinen Dienern Sich nicht nach ihrem Geschmack zeigte. Aber sooft ich auf der Straße jenem Priester begegne, der von seinem Bischof zur Untersuchung herzugezogen war, fällt mir das Wort ein, das er einmal aussprach. Es war Tags darauf, wo bei dem außergewöhnlichen Zustand der Geist Gottes Sich beklagte über die ungläubige Männerwelt in der Stadt Mainz. Da sagte dieser Priester: Daß es übernatürlich ist, davon sind wir alle überzeugt; es ist aber auch Natürliches dabei.

In dem Dekret, das mir von dem Bischöflichen Offizialat zugestellt wurde, hat aber derselbe Herr seine Überzeugung ausgelassen. Später, als ich einmal bitter weinte bei dem Beichtvater, der auch zur Untersuchung bestellt war, und ihn fragte: Was ist denn Hysterie, da sagte er ganz kalt: „Das sind bedauernswerte Geschöpfe. Ich wußte nun so viel, daß ich als Närrin gebrandmarkt war. Im folgenden Jahr bekam dieser Geistliche seine Antwort. Er mußte seine eigene Schwester in demselben Haus unterbringen, ja soviel ich gehört, war sie in demselben Zimmer, wo ich drei Wochen bewacht wurde. Der Priester kam zu meiner Freundin und sagte unter Tränen: Meine Schwester ist ja hysterisch geworden, ich muß sie ins Krankenhaus bringen lassen. Nach einigen Wochen hörte ich, daß die Selbstmörderin, die in der Zeitung gemeldet wurde vom Elisabethen-Krankenhaus, dieselbe Schwester von N.N.513 war. Ein Beweis mehr, wie Gott die allzu großen menschlichen Rücksichten Seiner Diener bestraft, denn er war es, der wußte, was ich unter der Leitung seines Vorgängers gelitten und sagte zu mir: Ich werde für Sie eintreten, wenn es notwendig werden sollte. Seit jenem Urteil von 1900 werde ich nicht mehr verhört, denn ein Narr ist unverantwortlich für das, was er tut und sagt. Aber die Ansprachen und Gesichte blieben bis heute und meine Beichtväter verwiesen mich an meinen Seelenführer damit. Das Passionsleiden an Freitagen zwölf Jahre hindurch blieb augenblicklich weg, wie mir der Herr vorausgesagt, als ich mich beklagte bei Ihm, daß meine Vorgesetzten mich zu Hysterie verurteilen wollten.

513 N.N. steht für einen Namen, den Barbara Weigand nicht preisgeben durfte.

Die fünfte Untersuchung 1905 war nur gegen solche gerichtet, die davon hörten und glaubten, daß Gott es sein könne, der in mir wirkt, und die meistens arme, brave Dienstmädchen waren. Und wie mir scheint, war die sechste Vorladung am Montag darauf gerichtet, zu suchen und zu fahnden, ob nicht ein Ungehorsam gegen die heilige Kirche zu finden wäre. Darauf sage ich ihnen: Nach dem Tode von Pater Ludwig richtete ich mich nach dem Willen meines Beichtvaters, den ich aus wichtigen Gründen nicht angebe, so daß ich lange Zeit nicht einmal Briefe beantwortete, bis er mir sagte: Ich erlaube Ihnen, einen anderen Seelenführer zu wählen, denn die Freiheit des Geistes ist jedem Christen gestattet. Daraufhin sah ich mich um nach jemand und erhielt die Erlaubnis, die Gnaden wieder aufzuschreiben. Aber nur einmal durften sie aufgeschrieben und ihm zugeschickt werden. So wird es auch gehalten in letzter Zeit.

Nun ist es meine Pflicht, für diejenigen einzutreten, die jetzt vor dem geistlichen Gericht sich verantworten sollen. Schweigen ist jetzt eine Sünde gegen das fünfte Gebot. Fräulein Luise Hannappel kam am Montag vom Gerichtshof zurück und war zwei Tage ganz dunkelblau. Seit der Zeit, da ich sie kenne, sah ich sie nie so. Als ich sie fragte, was ihr fehle, sagte sie: Es ist die Aufregung. Ich kann es nicht aussprechen, was ich fühle, daß man so wenig Glauben findet unter denen, die der liebe Gott uns zu Führern gegeben hat. Die folgende Nacht hatte sie zweimal starkes Nasenbluten, wie wenn ein Blutsturz aufgetreten wäre bei solchen Aufregungen? Ich frage Sie mit unserem liebevollen Erlöser, als Er Sich vor Seinen Richtern verantworten sollte und auf Seine Frage einen Backenstreich erhielt: Welches Verbrechen haben wir begangen, daß wir gestraft werden sollen?

Dieses Schreiben, möchte ich demütig bitten, daß es der hohen Geistlichkeit, auch unserem hochwürdigsten Herrn Bischof, vorgelegt werde. Es ist mein Protest an meine hochwürdigsten Herren Vorgesetzten. Wer wird es noch wagen, sich zu befleißen, ein zurückgezogenes, Gott wohlgefälliges Leben zu führen, wenn solche Quälereien gar kein Ende nehmen? Ich wußte nicht, daß Fräulein Hannappel am Montag, als sie vom Gerichtshof zurückkam, nach Aachen an Herrn Justizrat Thomas geschrieben und ihm wahrscheinlich ihre Bedrängnis darlegte. Darum bin ich sehr erstaunt, daß dieser Gelehrte mich Ärmste so im stillen beobachtete. Wie dankbar bin ich doch dem lieben Gott, daß Er so weise alles lenkt und anordnet, um zur rechten Zeit die rechte Hilfe Seinen armen, so verachteten Geschöpfen zuwenden zu können. Soeben kam dieser Brief an. Ich lege ihn bei. In der Hoffnung, daß meine hochwürdigsten geistlichen Herren Vorgesetzten auch meine Menschen- und Christenrechte anerkennen, schließe ich in aller Ehrfurcht.

gez. Barbara Weigand.

 

Der Glaube der Schippacher Jungfrau an diese ihre Sendung ist unerschütterlich, ihr Mut in der Durchführung des ihr gestellten Auftrages unbeugsam. Sie sieht die Rettung der Welt nur durch die heilige Eucharistie; das kommende zwanzigste Jahrhundert wird ein eucharistisches Jahrhundert werden. Bald nach dem Tode ihres Oberhirten, des Bischofs Haffner, erhält sie am dritten Freitag im Januar 1900 von der inneren Stimme die Aufforderung, auch zum neuen Bischof zu gehen und ihm den Willen des Herrn zu eröffnen. Sie wendet sich gleichzeitig brieflich an einflußreiche Geistliche; am 5. Januar 1902 mit einem ausführlichen Schreiben an alle Bischöfe des deutschen Sprachgebietes. Man erkundigt sich beim Ordinariat in Mainz nach der merkwürdigen Prophetin. Folge: neue Verhöre, Ablehnung ihrer „überspannten“ Ideen, Predigten gegen die Oftkommunion, Schweigegebot, zeitweise Ausschluß vom Empfange der heiligen Kommunion; Heilige Stunde und die Herz-Jesu-Ehrenwache werden beargwöhnt, befehdet und verboten. Alle ihre Bemühungen scheinen vergeblich, da besteigt ein neuer Bischof den Stuhl des heiligen Bonifatius und wie ein Blitz aus heiterem Himmel fährt das Dekret Papst Pius X. vom 20. Dezember 1905 über die häufige und tägliche Kommunion in die überraschte hierarchische und theologische Welt. Darin bestimmt der Stellvertreter Christi, es solle die häufige und tägliche Kommunion den Christgläubigen jeden Standes und Berufes freistehen; niemand, der mit aufrichtiger Gesinnung sich dem heiligen Tisch nahe, dürfe zurückgehalten werden, die Beichtväter sollten sich hüten, den Kommunionempfang zu erschweren. Barbara, die eucharistische Frühlingsblume von Schippach, jubelt laut: ihr seit mehr als dreißig Jahren unter unsagbaren persönlichen Opfern in die Welt verkündeter Weckruf ist erhört: die öftere und tägliche heilige Kommunion ist in der ganzen Welt zur Tatsache geworden.

Allein der auch heute noch anhaltende Kampf gegen den kirchlichen Bestand des vom Herrn ausdrücklich verlangten eucharistischen Liebesbundes ist unverständlich und symptomatisch für den weltzugewandten und der wahren Mystik abgewandten Blickwinkel so vieler kirchlichen Autoritäten. Das Urteil Würzburgs von 1916 zum Beispiel, in dem behauptet wird, in den Offenbarungen von Barbara Weigand werde gelehrt, es genüge für unsere Zeit das Mittleramt Jesu Christi, das heilige Meßopfer, das Priestertum nicht mehr; erst der Liebesbund müsse die Kirche retten, ist bewußt herbeigeführte Irreführung und Verfälschung der Wahrheit. Hier unterstellt also das Urteil, daß Barbara Weigand durch das außerordentliche Mittel des Liebesbundes die ordentlichen Heilmittel ersetzen und ausschalten wolle. Wie absolut unwahr und haltlos diese Unterstellung ist, ergibt sich sowohl aus der Gesamttendenz der fraglichen Offenbarungen, welche gerade den innigeren Anschluß der Gläubigen an die Kirche und deren Heilsquellen, die öftere Kommunion, den Besuch der heiligen Messe, den Gehorsam gegen Papst und die Kirche zu fördern sucht, als auch im einzelnen aus einer Unmasse von Belegstellen aus den Offenbarungen von Barbara Weigand. So läßt diese am Fronleichnamsfeste 1897 den Heiland sagen: „Niemals kann eine Seele, die sich lostrennt von der Kirche, die nicht unter der Leitung der Priester wandelt, den rechten Weg wandeln.“ Am Gründonnerstag 1898: „Schließt euch an Meine heilige Kirche an, und nicht um ein Haarbreit weicht von ihr ab.“ Am Herz-Jesu-Fest 1898: „Ich will, daß in diesem Liebesbund das gläubige Volk mit den Priestern und der Priester mit dem gläubigen Volke Hand in Hand gehen, sich gegenseitig erbauen und ermuntern.“ Aus der großen Zahl dieser und ähnlicher Stellen läßt sich der sichere Beweis führen, daß es der Barbara Weigand nicht im Geringsten um eine häretische Ersetzung und Ausschaltung der ordentlichen Gnadenmittel und des Priestertums zu tun ist. Im Gegenteil: der Liebesbund soll nur das Hilfsmittel sein, durch welches der eifrigere Gebrauch der ordentlichen Gnadenmittel und der engere Anschluß der Gläubigen an die Kirche und ihr Priestertum gefördert werden.

Der Grundgedanke der Weigand‘schen Offenbarungen nach dieser Seite ist der: Bei der heutigen ungeheuren Verbreitung von Unglauben und Sittenlosigkeit sind die Kinder der katholischen Kirche vielfach von dem Gebrauch der ordentlichen Heilsmittel bedeutend abgekommen. Ihnen den eifrigen Gebrauch derselben wieder erfolgreich nahezulegen, ist schwierig und bedarf besonderer Heilsmittel. Ein solches ist der „Eucharistische Liebesbund des göttlichen Herzens Jesu“. Was an diesem Gedanken häretisch oder unkirchlich oder gar unsittlich sein soll, ist nicht einzusehen. Von einer Ausschaltung oder Ersetzung der ordentlichen Gnadenmittel durch den Liebesbund ist nirgends in den Offenbarungen die Rede. Vielmehr soll durch den Liebesbund gerade der lebendige Glaube, der eifrige Empfang der Sakramente, die Nachfolge Christi im Kreuztragen, die Hochschätzung der Jungfräulichkeit, die wahre und echte Nächstenliebe empfohlen und in Übung gebracht werden.

Keine vorurteilslose, bescheidene und pietätvolle Prüfung wird diese kirchlich korrekte, dem christlichen Tugendleben nur förderlichen Grundtendenzen der Offenbarungen der Barbara Weigand verkennen oder übersehen. Solche trefflichen, in unserer Zeit so notwendigen Bestrebungen nur wegen mancher dunkeln, ungenauen, der Mißdeutung fähigen Ausdrücke sofort in ihr Gegenteil verkehren und daraufhin solche Offenbarungen als Werk und Werkzeuge der Häresie zu verurteilen, entspricht nicht dem Geiste der Kirche. Im übrigen darf doch auch hier die Lehre und Mahnung des Heilandes: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ nicht so vollständig übersehen und außer acht gelassen werden wie dies von seiten des Bischöflichen Ordinariats geschehen ist. Wenn Barbara Weigand wirklich durch Jahre und Jahrzehnte hindurch in ihren Schriften eine Ausschaltung oder Ersetzung der ordentlichen Gnadenmittel das Wort geredet und damit eine häretische oder unkirchliche Gesinnung vertreten hätte, dann müßte sie doch die Lehre und Anschauung durch ihr eigenes Leben und Verhalten wenigstens irgendwie zum Ausdrucke gebracht und in die Tat umgesetzt haben. Allein niemand ist imstande oder dürfte in der Lage sein, der Barbara Weigand auch nur das geringste darüber nachzuweisen, daß sie die Lehre und die Gebote der Kirche nicht fortgesetzt und eifrig gebraucht und sich nicht nach jeder Richtung hin vor den übrigen Gläubigen wahrlich in musterhaft kirchlich-korrekter Weise ausgezeichnet hat. Der Richter muß dies stillschweigend selbst zugeben und er würde sich auch direkt ins Unrecht gesetzt haben, wenn er, wie es seine Pflicht gewesen wäre, nicht Zeugnisse über das kirchliche Leben und Verhalten der Barbara Weigand eingeholt und in seiner Urteilsbegründung angeführt hätte.

Aber nicht nur Barbara Weigand allein ist ein lebendiger Gegenbeweis zu den Behauptungen und Schlußfolgerungen der Urteilsbegründung. Ihre Schriften gelangten ja auch in die Hände von Priestern und Laien, die nicht anstehen würden zu bekunden, daß ihre Liebe zur Kirche und ihr Eifer im Tugendleben und im Empfang der heiligen Sakramente durch die Lektüre der Schriften geweckt und nachteilig gefördert wurden. Ihnen allein blieb der unkirchliche Sinn und die häretische Absicht in den Offenbarungen der Barbara Weigand vollständig verborgen; erst die anonymen Artikelschreiber in der politischen Tagespresse, die heute an den Offenbarungen der Barbara Weigand und morgen an der Herz-Jesu-Verehrung oder einer sonstigen kirchlich approbierten Andacht oder Einrichtung Anstoß und Ärgernis nehmen, glaubten die Entdeckung gemacht zu haben, daß die Offenbarungen der Barbara Weigand kirchlich anfechtbar und zu verwerfen seien. Der moderne Zeitgeist ist eben allem Übernatürlichen abhold. Die Kirche, als die höchste Hüterin des Rechtes und als die Freundin der Wahrheit, kann nie und nimmer auf der Seite derjenigen stehen, welche das Recht gebeugt, die Wahrheit verleugnet haben. Ich brauche keine weiteren, und es gibt keine besseren Beweise für die Güte der Sache von Schippach, als der Kampf und die Kampfmittel gegen Schippach. Dies sind die eigentlichen Offenbarungen für Schippach, die Sakramentskirche und der Liebesbund.

Der Mittelpunkt, das Herz der Kirche ist die heilige Eucharistie: Die Sakramentskirche in Schippach soll die heilige Eucharistie durch ein kirchliches Denkmal der Welt sichtbar verherrlichen und der Liebesbund, der eucharistische Liebesbund, zieht die Nutzanwendung aus der kirchlichen Lehre über die heilige Eucharistie. Daß er zugleich der Liebesbund des göttlichen Herzens Jesu ist, entspricht ganz dem kirchlichen Geiste, der sich in letzter Zeit kundgab, beziehungsweise kundgibt. Die Sakramentskirche soll auch ein Denkmal des Dankes sein für die päpstlichen Kommuniondekrete, also für eine durch das Papsttum der Menschheit erwiesene Wohltat, und der Liebesbund ermahnt zur Beachtung dieser Dekrete und fördert die Durchführung derselben. Schippach hat sich auch dadurch als päpstlich erwiesen, daß es sich stets in seiner Sache nach Rom an den Heiligen Vater wandte, während die Gegner von Schippach nicht nur dies zu hintertreiben, sondern auch die Autorität Roms mißbrauchten.

Der Liebesbund bekämpft die Zeitübel durch deren direkte Gegensätze: Die Kirchenfeindlichkeit durch den engsten und innigsten Anschluß an die Kirche; die antireligiöse Gleichgültigkeit durch den häufigen Sakramentsempfang. Die Vergnügungssucht durch die Weltflucht; die Unzufriedenheit, aus der die Unbotmäßigkeit entspringt, durch das geduldige Kreuztragen im eigenen Berufe. Daß die Sakramentskirche, welche eine Wallfahrtskirche werden soll, in welcher das Allerheiligste Altarsakrament selbst der Gegenstand der besonderen Verehrung sein und in welcher Tag und Nacht die Ewige Anbetung stattfinden soll, nur gute Früchte für die Kirche und für die Menschheit zeitigen kann, ist eine Wahrheit, die der Diskussion entrückt ist. Auch der Liebesbund kann, wenn seine Weisungen sinngemäß und getreu beachtet werden, nur gute Früchte bringen. Im übrigen wird niemand leugnen können, daß die Freunde von Schippach schon jetzt durch ihren kirchlichen Geist und ihren religiösen Eifer bewiesen haben, daß die Früchte von Schippach gute sind. Diese Freunde bekennen aber, daß sie ihren religiösen Eifer neben der Gnade Gottes zumeist den Anregungen von Schippach verdanken. Man beachte nur, daß seit der Errichtung der Pfarrkirche von Schippach, St. Pius, dort ewige Anbetung an drei Tagen in der Woche gehalten wird.

Seit Jahrzehnten wird gegen den Liebesbund angekämpft, da er schon in seinem Werden angefochten und verworfen wurde. Gleichwohl ist das Vertrauen der Freunde von Schippach unerschütterlich geblieben. Sie harren in den schwersten Anfechtungen aus und sie harren weiter mit der festesten Überzeugung, daß das Gute letzten Endes doch den Sieg davontragen werde. Hätte man für Schippach gar keinen anderen Beweis als nur jenen, den die Gegner erbracht haben, so würde dieser Beweis allein schon genügen, um Schippach als ein göttliches Werk erkennen zu lassen. Wer nicht die Tatsachen weiß und nicht das Aktenmaterial vor Augen hat, der wird die Dinge, die vorgekommen sind, kaum für möglich halten. Daß den Gegnern von Schippach kein Mittel zu schlecht gewesen ist, um Schippach vor aller Welt ins Unrecht zu setzen, das zeigen die schriftlichen Berichte über „Die Kampfmittel gegen Schippach“ und „Dr. Brander ’s Kampfesweise gegen Schippach“.

Durch Jahre hindurch hat man selbst den Heiligen Stuhl gegen Schippach ausgespielt und dadurch das Vertrauen in die Gerechtigkeits- und Wahrheitsliebe kirchlicher Behörden aufs heftigste erschüttert. Dabei behaupten die Gegner fortgesetzt, für den katholischen Glauben und für die katholische Kirche zu kämpfen, indem sie gegen Schippach mit Lug und Trug zu Felde zogen. Es ist ausgeschlossen, daß die Wahrheit auf seiten der Gegner Schippachs sein kann, weil Wahrheit und Lüge sich nicht miteinander vertragen. Ist aber die Wahrheit nicht bei den Gegnern, dann muß sie bei den Freunden von Schippach sein; das falsche Zeugnis der Ankläger spricht für die Angeklagten und die Verurteilung der ersteren ist der Freispruch der letzteren. Die Niederlagen, die moralischen Niederlagen, seiner Gegner bedeuten für Schippach den Sieg.

Die Zeit drängt. Umkehr der Verantwortlichen in der Schippacher Sache ist dringend geboten. Rehabilitation der Jungfrau und Gottesdienerin Barbara Weigand durch die heutigen Repräsentanten und kirchlichen Autoritäten ist angemessen und entspricht katholischer Sittenlehre.

Da auch unser jetziger verehrter Bischof von Würzburg, Dr. Friedhelm Hofmann, anläßlich seines ersten Pontifikalamtes in Schippach im Herbst 2008, auf die Schippacher Sache angesprochen, uns wissen hat lassen, daß auch unter ihm eine Eröffnung der causa Barbara Weigand nicht zu erwarten sein wird, ist dieser von mir gewählte Schritt einer Verteidigungsschrift für die Anliegen der Schippacher Jungfrau angemessen und keineswegs unnötig. Auch Bischof Friedhelm Hofmann ist zwar von der herausragenden Frömmigkeit und Tugendhaftigkeit Barbara Weigands überzeugt, spricht gar von „Irretationen, die mit dem Wirken von Barbara Weigand ausgelöst wurden“, sieht aber keine Veranlassung und Möglichkeit, an einer Aufarbeitung der Schippacher Sache und meint „daß die Tätigkeit der ‚Barbara-Weigand-Gesellschaft‘ und das Wohlwollen der Bischöfe von heute zuerst dem Anliegen dienlicher ist als eine Akteneinsicht“. Damit ist es unmöglich gemacht, kirchenöffentlich die Wahrheit über Barbara Weigand aufzuarbeiten und Wiedergutmachung und kirchliche Würdigung einzufordern. Der hochwürdigste Bischof Hofmann wörtlich: „Wir wollen die eucharistische Liebe dieser Frau übernehmen und finden und nicht zuerst eine historische Frage lösen. Wir wollen die eucharistische Spiritualität fördern, nicht zuerst eine historisch bezogene Rehabilitierung dieser Frau als wichtiges Anliegen betrachten. Jetzt sollte Ihnen.. genügen, daß wir Bischöfe immer auch persönliche Zeichen setzten, die zeigen, daß die Sendung und Botschaft dieser Frau wichtig sind“.

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Schlußwort und zurück zum Anfang

Der Mainzer Kirchenlehrer Prof. Dr. Georg May definiert das Laienapostolat in unserer apostolischen Kirche so: Wir alle sind aufgerufen, apostolisch zu arbeiten, d.h. Menschen den Glauben zu bezeugen, Menschen zum Glauben zu führen, Abständige zur religiösen Praxis zu bringen, Abgefallene wieder in die Kirche zurückzuführen. In unserer apostolischen Kirche gibt es ein hierarchisches Apostolat der Bischöfe und Priester und ein hierarchisches Apostolat von Laienapostolaten. Beide sind nicht gleichartig, aber sie sind gleichwertig. Durch Taufe und Firmung sind auch wir, die Laien berufen, Menschenfischer zu sein. Auch wir sind von Gott beim Namen gerufen, lange zuvor schon, als es uns bewußt wird, Seinem Rufe zu folgen. Unser Weg ist dornig, die Pfade Gottes oft verschlungen, unsere Arbeit wird oftmals belächelt und erscheint uns zudem oft unbedeutend, was sie auch meistens ist. Aber in Gottes Augen und mit Gottes Maßstab wird alles anders bemessen. Und wir sind mit unserem Wirken und Mühen nicht allein. Wir haben nicht nur menschliche Mittel zur Verfügung. Wir stehen im Dienste des allherrschenden Gottes, der die Welt regiert. Der Geist Gottes schwebt auch heute über den Wassern, er befruchtet die Seelen, er lenkt die Herzen, und er ist die Kraft unserer Verkündigung. Wo Menschenmittel versagen, vermag Gott immer noch etwas zu erreichen. Er vermag die Herzen der Menschen zu durchdringen, zu bekehren. Wir apostolischen Männer und Frauen arbeiten nie allein, denn Gott arbeitet mit uns. Wir haben einen Verbündeten voller Macht und Kraft. Es ist deswegen nie aussichtslos, den apostolischen Dienst zu verrichten. Es mag viel Samen, der ausgestreut wird, verlorengehen, verdorren, unter die Dornen geraten. Es bleibt ein Teil übrig, der aufgeht und Frucht bringt. Eltern verzagen leicht, wenn sie sich jahrelang, jahrzehntelang darum bemüht haben, ihre Kinder auf den Weg des Heils zu lenken, und der Erfolg scheinbar ausgeblieben ist. Ich sage ihnen: Nicht aufgeben, nicht verzagen! Nichts ist umsonst, was im Dienste Gottes geschieht. Nichts ist umsonst, was für Gott getan und gelitten wird. Solange man in diesem Fleische wandelt, darf man an keines Menschen Bekehrung verzweifeln. Wir Priester wissen nicht, was unser Wort und unser Beispiel wirkt. Aber wir wissen, daß nichts vergeblich ist, was um Gottes willen in reiner Absicht getan und verkündet wird.

Die Erfolge unseres Apostolates sind selten und dünn. Aber es wäre falsch zu meinen, es gäbe gar keine Erfolge. Denken wir an so manche evangelische Pastoren und Theologieprofessoren, die den Weg zu unserer Kirche gefunden haben. Ich bin mit einem von ihnen befreundet, mit dem Professor Mörstadt aus Oslo. Er hat ein Buch über seine Bekehrung geschrieben. Ausgerechnet in einer Position der Schwäche, in der sich unsere Kirche heute befindet, zieht sie hochstehende, suchende Menschen an. Ich erinnere an Frauen wie Christa Meves, Gabriele Kuby, Maria von Welser, die den Weg zu unserer Kirche gefunden haben, ausgerechnet heute! Man muß an manche Bekehrungen von Schauspielern und Fernsehredakteuen denken, also von Personen, die zu einer sehr gefährdeten Gruppe gehören. Auch sie fanden den Weg zum Glauben. In den Vereinigten Staaten gibt es einen reichen Mann, der will eine ganze Stadt bauen nur für Katholiken. Der Nachwuchs für den apostolischen Beruf ist schwach, aber er ist nicht zum Stillstand gekommen. Auch heute entschließen sich junge Männer für den Priester- und Ordensstand, auch heute finden Mädchen den Weg zur vollkommenen Hingabe im Ordensberuf. Aus dem Sumpfe sprossen Blumen! Wir wissen um die Schwäche und die Müdigkeit von Bischöfen und Priestern. Aber es gibt nicht nur Verzagen und Verzagtheit. Auch heute finden sich in unserer Kirche Männer, die gleich Propheten aufstehen und der Welt einen Spiegel vorhalten, die wie Jonas in Ninive zur Umkehr rufen und vom nahen Gottesgericht nicht schweigen. Wir haben heute einen obersten Hirten, meine lieben Freunde, der gegen eine ganze Welt von Feinden unverbrüchlich den vollen katholischen Glauben lehrt. Gläubiger Gehorsam wagt das scheinbar Sinnlose und erntet einen Erfolg, der unter den gegebenen Voraussetzungen nicht zu erwarten war. Wunder und Zeichen hat es zur Zeit Jesu gegeben. Sie sind die erhabene Sprache, die Gott vor gläubigen und bereiten Herzen redet. Wunder und Zeichen bezeugen uns, daß bei Gott kein Ding unmöglich ist. Wenn Zeichen und Wunder heute vielleicht selten sind, dann liegt das nicht daran, daß der Arm des Herrn verkürzt ist, sondern daß wir nicht würdig sind, sie zu empfangen. „Apostel Christi“, so höre ich den Herrn zu uns sprechen, „Apostel Christi: Fahrt hinaus und werft die Netze aus!“ Sein Befehl ist unsere Pflicht, ist aber auch unsere Zuversicht.

Es ist und bleibt sinnvoll, heute apostolisch zu arbeiten, hinauszufahren auf die hohe See und die Netze auszuwerfen. Es ist auch heute nicht aussichtslos, Menschenfischer zu sein. Die Menschen eines schwachen Glaubens warten auf den Frieden, um dann zu handeln, wie sie sagen. Die Apostel eines starken Glaubens aber säen in die Stürme hinein, unverzagt und unbeirrt, um in den guten Zeiten ernten zu können. Den Tag der Ernte bestimmt allein Gott, der Herr aller Mächte und Gewalten, Himmels und der Erde. Die Apostel Christi haben nichts gegen die Rechte der Menschen, aber sie sind unterwegs für die Rechte Gottes! Sie pochen auf die Rechte Gottes, und dieses Pochen gefällt vielen Menschen nicht. Denn die Rechte Gottes begründen die Pflichten der Menschen. So nimmt es nicht wunder, wenn unsere Botschaft auf Gleichgültigkeit, Befremden, Ablehnung stößt. Es wiederholt sich, was unserem Herrn und Heiland widerfahren ist: „Das Licht leuchtete in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht erkannt. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinigen nahmen ihn nicht auf.“ Wir apostolischen Arbeiter wissen, wie schwer es ist, Menschen begreiflich zu machen, daß das Leben sich nicht erschöpft in Arbeit und Freizeit, daß es nicht nur mit Plackerei und Vergnügen angefüllt ist. Wie schwer fällt es den Menschen, den Blick zum Himmel zu wenden, sie an Gott zu erinnern, sie an das jenseitige Ziel zu ermahnen! Wie schwer ist es, Menschen zum Glauben zu führen und beim Glauben zu halten! Wie schwer ist es, christliche Überzeugungen zu begründen und sie zur Maxime des Handelns werden zu lassen!

Mein inniger Dank gilt allen unseren Wohltätern und Getreuen, die uns in all den Jahren unseres Apostolates Barbara Weigand beraten, unterstützt und gefördert haben. Insbesondere auch unserem H. H. Pfarrer i. R. Alfred Stürmer, einem Großneffen von Barbara Weigand, der mit Gebet und geistlichem Beistand unsere Arbeit stets begleitet hat und mit uns im Vorstand der „Barbara-Weigand-Gesellschaft e.V.“ für die Anliegen des Apostolates stets eingetreten ist. Aber auch meiner langjährigen Mitarbeiterin, Frau Ilse Maria Löw, sei gedankt für ihre aufopfernde Arbeit, sie war mir immer eine große Hilfe.

Wolfgang E. Bastian
Herausgeber und Verfasser

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Prolog

„Mit Dir ist die Herrlichkeit am Tage Deiner Kraft,

im Glanze Deiner Heiligen.“

„Man könnte jenen terroristischen Angstmaiern, die auf eine wahre Verfolgungswut gegenüber allen Erscheinungen des mystischen Lebens verfallen, am besten das Löschhorn ins Wappen setzen. Denn der horror rerum supernaturalium, die knieschlotternde Angst vor den mystischen Dingen, welche diese Leute und ihren ganzen Stammbaum seit den Tagen des Humanismus befangen hält, hat bei uns in Deutschland so gründlich „den Geist ausgelöscht“, daß während der letzten vier Jahrhunderte nur 5 Heilige deutscher Nation kanonisiert wurden. Nicht als ob während dieser langen Zeit nicht noch viele andere, wahrhaft heilige und begnadigte Seelen im deutschen Volke gelebt hätten. Aber die Vorsehung hielt sie im Verborgenen, um der Kirche das Leid zu ersparen, das ihr aus der Verfolgung erwächst, welche die eigenen Söhne und sogar Priester der Kirche zur größten Freude des Irr- und Unglaubens regelmäßig beim Bekanntwerden mystischer Zustände und Erscheinungen gegen die Träger solcher Begnadigungen mit Fleiß erregen. Eine naturalistische und rationalistische Richtung im katholischen Lager Deutschlands glaubt, daß das katholische Leben in Deutschland der höheren Wege der Vollkommenheit und Mystik entbehren müsse. Und so entbehrt tatsächlich Deutschland seit den letzten Jahrhunderten jenes wundervollen Flors der Heiligen, welche bereits der Prophet als die herrlichste Zierde des Reiches Christi gepriesen hat, indem er dem kommenden Erlöser zurief: ‚Mit Dir ist die Herrlichkeit am Tage Deiner Kraft, im Glanze Deiner Heiligen’.“

Möge die Zeit wiederkehren, wo dem Glanze der Heiligkeit und dem Wehen des Heiligen Geistes auch in unserem Vaterlande wieder freie Bahn geschaffen ist. Dazu ist es notwendig, daß sich vor allem unsere Priester und Theologen wieder erinnern, daß sie sich befähigen müssen, nicht etwa die Verfolger, sondern die geistlichen Führer frommer und begnadigter Seelen zu sein. Die Befähigung erlangen sie aber nicht an den Pfützen des Rationalismus, Feindseligkeiten gegen Gott und bei den Trebern des Modernismus, sondern nur bei der gesunden des einzig wahren Vaterhauses, wie sie auch in der Mystik nur die Tradition der katholischen Kirche bietet. Dann werden uns Irrwege und Ärgernisse, wie sie in der Bekämpfung der Sache von Schippach wieder offenbar wurden, erspart bleiben.

Schlußbemerkung aus dem Büchlein und Verteidigungsschrift „Das Problem von Schippach“ (1916) von H.H. Pfarrer Hugo Holzamer, Mainflingen (im Bistum Mainz) 1916

 

Alles, was in diesem Buchmanuskript über Privatoffenbarungen
gesagt wird, unterbreitet der Verfasser/Herausgeber
gemäß den Erlassen des Papstes Urban VIII.
der Entscheidung durch den Heiligen Stuhl.
Er unterwirft sich dieser Entscheidung schon im voraus
mit innerem und äußerem Gehorsam.
Außerdem erklärt er, daß er seine Dienste
ausschließlich der Aufklärung und Wahrheitsfindung über
Barbara Weigand von Schippach, ihre Botschaften und ihre Sendung
in dem Dienste des eucharistischen Königs widmen will.

Wolfgang E. Bastian
Herausgeber und Verfasser
Herbst 2009

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Handschriftliche Notizen von Barbara Weigand

Brief vom 24.4.1916 an Herrn Dr. Hans Abel, München


 

 

Der Geist weht, wo er will“ (Jo 3, 8) und für alle Zeiten gilt das Wort des Herrn: „Ich preise Dich Vater des Himmels und der Erde, daß Du dieses vor den Weisen und Klugen verborgen und den Kleinen offenbaret hast“ (Mt 11, 25). Dieses Wort erklärt auch die Tatsache, daß Privatoffenbarungen und außerordentliche Charismata schlichten Personen, auch weiblichen Geschlechtes, häufiger zuteil werden als Hochgestellten und Gelehrten”.

 

Sakramentskirche

Im Frühjahr 1914 hatten glaubenseifrige Priester und Laien mit dem Bau der Sakramentskirche begonnen.

Durch den Ausbruch des 1. Weltkrieges wurde der Bau vorübergehend unterbrochen und 1915 wieder aufgenommen.

Infolge einer alle Gesetze der Wahrhaftigkeit mißachtenden Zeitungshetze ist der Bau der Schippacher Sakramentskirche im März 1916 behördlich eingestellt worden.


Das Gelände der Baustelle nach Einstellung der Arbeiten.

 

Hl. Paschalis Baylon

Nach der Weisung des Papstes Leo XIII. wurde zum Patron der Sakramentskirche in Schippach der Schutzpatron aller eucharistischen Vereinigungen und Werke, der
hl. Paschalis Baylon bestimmt.

Der heilige Paschalis Baylon: Patron aller Verehrer des heiligen Sakramentes allgemein aber auch der Patron der ewigen Anbetung im Geist und in der Wahrheit, wie ein Blick auf das gegenüberstehende Bild erkennen läßt: Die Monstranz, vor der Paschalis kniet, steht nicht auf einem Altar, sondern auf Wolken! Das will sagen: Paschalis hatte die Monstranz in seinem Leben ständig im Geiste vor Augen - und der Herr schenkte ihm ob seines Lebens ständiger Selbstverleugnung • die Gnade der geistlichen Gottesschau!

Link:
Paschalis Baylon:
Der große Heilige der Eucharistie und ewigen Anbetung

 

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Leben für GOTT und sein Reich
Barbara Weigand im Urteil von Bischöfen und Priestern
Lebensbeschreibung Barbara Weigand
Tabernakel-Ehrenwache
Leibgarde Jesu Christi
Gebetsarmee Gottes - Eucharistischer Liebesbund
Tabernakel-Heiligster Ort der Kirche
In der Nachfolge des Kreuzes
Wo bleibe ICH nun, euer HERR und GOTT?
Die Wahrheit -Verteidigungsschrift
Leben für GOTT und sein Reich 2. Aufl.
DER AUFTRAG: Gegen das vergessen

 

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Wolfgang E. Bastian

Zum 72. Todestag von Barbara Weigand:
Rundbrief zum 72. Todestag
Rundbrief zum 70. Todestag
Rundbrief 29.09.2014

 

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